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VwGH 27.11.1979, 3361/78

VwGH 27.11.1979, 3361/78

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Jurasek und die Hofräte Mag. Kobzina, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Hnatek als Richter, im Beisein des Richters Dr. Gerhard als Schriftführer, über die Beschwerde der MK in K, vertreten durch Dr. Theodor Peschaut, Rechtsanwalt in Feldkirch, Gilmstraße 5, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom , Zl. Ia-33/24-10, betreffend verbotene Prostitution, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 3.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit vier Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, dadurch die gewerbsmäßige Unzucht angeboten zu haben, daß sie sich

I) am um 23.10 Uhr in Bregenz auf der Rheinstraße-Strabonstraße zum Zwecke der Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht aufgehalten habe;

II) am um 21.00 Uhr in Bregenz auf der Rheinstraße-Felchenstraße zum Zwecke der Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht aufgehalten habe;

III) am um 21.15 Uhr in Bregenz auf der Rheinstraße zum Zwecke der Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht aufgehalten habe;

IV) am um ca. 23.45 Uhr mit dem Pkw V xxx auf der Bahnhofstraße in Bregenz mit dem Ziel der Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht in Richtung Hard gefahren sei, obwohl dies im Stadtgebiet von Bregenz verboten sei.

Die Beschwerdeführerin habe dadurch jeweils eine Verwaltungsübertretung nach § 90 Abs. 3 Vorarlberger Gemeindegesetz in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und § 2 der Verordnung des Amtes der Landeshauptstadt Bregenz vom begangen; über sie würden Arreststrafen von

I) 30 Tagen,

II) 37 Tagen,

III) 31 Tagen und IV) 33 Tagen

verhängt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde den Berufungen keine Folge und bestätigte die angefochtenen Straferkenntnisse mit der Maßgabe, daß die in Strafe gezogenen Verhaltensweisen der Beschwerdeführerin Übertretungen der Verordnung der Stadtvertretung der Landeshauptstadt Bregenz vom darstellten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin fühlt sich in ihrem Recht auf ein mängelfreies Verfahren, auf eine schuldangemessene Bestrafung und in ihrer "Freizügigkeit im Land Vorarlberg" (also in ihrem Recht, nicht wegen ihres Aufenthaltes in Bregenz bzw. Hard bestraft zu werden) beschwert.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung der Landeshauptstadt Bregenz vom ist die Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht und das Anbieten hiezu im Stadtgebiet von Bregenz in der Öffentlichkeit verboten. Gemäß § 1 Abs. 2 werden Handlungen in der Öffentlichkeit begangen, wenn sie unmittelbar von einem größeren Personenkreis wahrgenommen werden. Gemäß § 1 Abs. 3 ist Anbieten im Sinne des Abs. 1 jedes Verhalten, das auf die Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht abzielt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seit den Erkenntnissen vom , Zl. 1551/77, und vom , Zl. 0942/77, setzt die Qualifikation eines Verhaltens als Anbieten zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht voraus, daß das jeweilige Verhalten die Absicht, sich gegen Entgelt fremden Personen hinzugeben, allgemein erkennbar zum Ausdruck bringt; es muß allgemein - nicht nur einem eingeweihten Personenkreis gegenüber - als Anbieten zum entgeltlichen Geschlechtsverkehr verstanden werden.

Auf dem Boden dieser Rechtslage hält aber der angefochtene Bescheid, in dem die belangte Behörde den Spruch der Straferkenntnisse erster Instanz - von der Unterstellung unter die Verordnungsbestimmung allein abgesehen - voll übernimmt, nicht stand. Wie der Gerichtshof seit den bereits zitierten Erkenntnissen in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, kann nämlich dem Schuldspruch, die Beschwerdeführerin habe sich "zum Zwecke der Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht in Bregenz aufgehalten" (Punkt I. bis III. des angefochtenen Bescheides) lediglich die Absicht der Beschwerdeführerin, sich der Prostitution anzubieten, entnommen werden; daß diese Absicht auch nach außen sichtbar wurde, ist der wiedergegebenen Formulierung des hiefür allein maßgebenden Spruches nicht zu entnehmen. Dasselbe gilt für die Formulierung in Punkt IV. des angefochtenen Bescheides, die Beschwerdeführerin habe dadurch die gewerbsmäßige Unzucht angeboten, daß sie mit ihrem Pkw in Bregenz "mit dem Ziel der Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht in Richtung Hard gefahren" sei. Wie nämlich in den schon zitierten Erkenntnissen ausführlich dargelegt wurde, geben die Ausdrücke "Ziel" oder "Zweck", soweit sich nicht aus Zusätzen und dem Sinnzusammenhang des Satzes etwas anderes ergibt, nur die Absicht des Handelnden wieder, ohne daß diese damit schon nach außen sichtbar würde. - Dementsprechend definieren ja die Verordnungstexte das Anbieten als Verhalten, das ….. abzielt, stellen also nicht auf das Ziel (die Absicht) der Person, sondern darauf ab, ob ein Verhalten vorliegt, aus dem sich objektiv bereits eine bestimmte Zielrichtung ergibt. Ein derartiges Verhalten ist aber aus dem insofern maßgebenden Spruch des Straferkenntnisses nicht zu ersehen; soweit in der Begründung des Straferkenntnisses auf das langsame Befahren im beleuchteten Fahrzeug als typische Anbahnungshandlung abgestellt wird, steht sie mit dem Spruch insofern in Widerspruch.

Damit wurde die Beschwerdeführerin eines Verhaltens schuldig erkannt, das von den Prostitutionsverordnungen, auch von der hier anzuwendenden für Bregenz, nicht erfaßt wird. Dieser der belangten Behörde dadurch unterlaufene Verstoß gegen § 1 Abs. 1 VStG 1950 macht den angefochtenen Bescheid inhaltlich rechtswidrig, sodaß er gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 schon aus diesem Grunde aufzuheben war.

Aus verwaltungsökonomischen Gründen wird weiters darauf hingewiesen, daß sich weder die Behörde erster noch die zweiter Instanz mit dem notwendigen Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit beschäftigten. - Diesen Begriff normierte der Bregenzer Verordnungsgeber in § 1 Abs. 2 unter Anlehnung an § 69 StGB und damit in Abweichung von dem bisher im Verwaltungsstrafrecht (insbesondere nach Art. VIII EGVG) geltenden Inhalt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1869/78). - Dies wäre aber schon im Hinblick auf den konkreten Ort und Zeitpunkt unbedingt erforderlich gewesen. Schließlich fehlt auch eine einsichtige, im Rahmen der Kontrolle der Ermessensübung nachvollziehbare Begründung für die Verhängung von Arreststrafen in variierender Höhe.

Soweit nichtveröffentlichte Erkenntnisse des Gerichtshofes zitiert wurden, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 542/1977. Ein Ersatz der nicht detailliert verzeichneten "Stempelgebühren" konnte nicht zuerkannt werden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
ProstV Bregenz 1977;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1979:1978003361.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
UAAAF-59326