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VwGH 06.05.1980, 3350/79

VwGH 06.05.1980, 3350/79

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Krankheitskosten, die der Steuerpflichtige für einen unterhaltsberechtigten Angehörigen zu leisten hat, sind im Hinblick auf § 20 Abs 1 Z 4 EStG 1972 keine dauernden Lasten iS des § 18 Abs 1 Z 1.
Norm
RS 2
Bei der Ermittlung der Mehrkosten der Verpflegung infolge Diabetes wird regelmäßig eine Schätzung erforderlich sein. Die Abgabenbehörde kann sich aber nicht auf "bundeseinheitliche Erfahrungssätze" stützen, ohne diese näher aufzugliedern.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Kirschner und Dr. Schubert als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gancz, über die Beschwerde des EB in G, vertreten durch Dr. Richard Benda, Rechtsanwalt in Graz, Griesplatz 2, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark, Berufungssenat 3, vom , Zl. B 63-2/79, betreffend Einkommensteuer 1976 und 1977, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.952,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erwarb mit Kaufvertrag vom ein bereits 1924 baulich erweitertes Wohnhaus. Im Anschluß daran vergrößerte er den seinen Wohnzwecken dienenden Teil des Gebäudes von rund 82 m2 auf rund 130 m2. Die Gesamtnutzfläche des Gebäudes beträgt nach den unbestrittenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides rund 199 m2 (der nicht vom Beschwerdeführer bewohnte Teil ist vermietet). Das Höchstausmaß der begünstigten Gesamtnutzfläche im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 3 EStG 1972 beträgt im Falle des Beschwerdeführers 160 m2. In den Einkommensteuererklärungen betreffend die Streitjahre machte der Beschwerdeführer Darlehensrückzahlungen im Zusammenhang mit dem beschriebenen Gebäude geltend.

Der Beschwerdeführer ist Diabetiker und seine Erwerbsfähigkeit zufolge amtsärztlicher Bescheinigung um 30 v.H. vermindert. Er schätzte die monatlichen Kosten für Lebensmittel (mengen- und preismäßig aufgegliedert nach Fleisch, Mehl, Marmelade, Zucker, Bier, Gemüse, Brot und Diversem) für einen Diabetiker und einen "Normalverbraucher", wobei er zu einem jährlichen Mehraufwand für einen Diabetiker von S 14.400,-- gelangte. Diesen Betrag und Krankenkassenbeiträge sowie Medikamentenkosten machte er als außergewöhnliche Belastungen der Jahre 1976 und 1977 geltend. Die Krankheitskosten seiner Ehefrau - diese leidet an einer Erkrankung des Magens und der Gallenwege und ihre Erwerbsfähigkeit ist ebenfalls um 30 v.H. vermindert - wollte der Beschwerdeführer in den beiden strittigen Jahren als dauernde Last im Sinne des § 18 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 behandelt wissen.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde den Berufungen gegen die Einkommensteuerbescheide betreffend die Jahre 1976 und 1977 nur teilweise Folge.

Von den als Sonderausgaben berücksichtigungsfähigen Aufwendungen zur Beschaffung von Wohnraum kämen nur Beträge zur Errichtung eines Eigenheimes bzw. damit im Zusammenhang stehende Rückzahlungen von Darlehen in Betracht (§ 18 Abs. 1 Z. 3 lit. b und c EStG 1972). Die Gesamtnutzfläche dürfe zufolge § 18 Abs. 2 Z. 3 EStG 1972 im Falle des Beschwerdeführers jedoch 160 m2 nicht übersteigen. Da das aber der Fall sei, sei eine Behandlung der gegenständlichen Darlehensrückzahlungen als Sonderausgaben ausgeschlossen. Die Gesamtnutzfläche des Eigenheimes im Jahre 1965 sei unbeachtlich, da vorliegendenfalls nicht über die steuerliche Berücksichtigung der im Jahre 1965 entrichteten Darlehensrückzahlungen zu entscheiden sei.

Die Begünstigungsvorschrift, wonach bei Körperbehinderten die tatsächliche außergewöhnliche Belastung aus dem Titel der Körperbehinderung ohne Berücksichtigung der zumutbaren Mehrbelastungsgrenze zu berücksichtigen sei, käme nur für den Steuerpflichtigen selbst, nicht auch für seine Ehegattin zur Anwendung. Da die Aufwendungen für die Ehegattin die zumutbare Mehrbelastungsgrenze - die von der belangten Behörde für 1976 mit S 25.842,-- und für 1977 mit S 31.524,-- festgestellt wurde und in der Beschwerde nicht bestritten wird - nicht überstiegen, sei eine Berücksichtigung derselben als außergewöhnliche Belastung nicht möglich. Die außergewöhnliche Belastung des Beschwerdeführers selbst berechnete die belangte Behörde wie folgt:


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1976
 
1977
Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung (bundeseinheitlicher Erfahrungssatz)


S


7.200,--


S


7.680,--
+ Krankenkassenbeiträge
"
1.710,80
"
1.525,80
+ Medikamentenbeträge
"
216,--
"
504,--
Summe
S
=
9.127,--
======
S
=
9.710,--
======

Die Richtigkeit der bundeseinheitlichen Erfahrungssätze betreffend die Krankendiätsverpflegung habe vom Beschwerdeführer nicht widerlegt werden können. Im übrigen seien die höheren Mehraufwendungen nur behauptet, nicht aber zur Gänze nachgewiesen worden. Ohne entsprechenden Nachweis sei aber eine steuerliche Anerkennung von geschätzten Mehrkosten, die den langjährigen Erfahrungssätzen widersprechen, nicht möglich.

Zum begehrten Abzug von dauernden Lasten als Sonderausgaben führte die belangte Behörde aus, daß Aufwendungen, welche durch die eigene Erkrankung entstünden, nicht zu einer dauernden Last führen könnten. Die Aufwendungen für die unheilbare Krankheit der einkommenslosen Ehegattin habe der Beschwerdeführer hingegen auf Grund der gesetzlichen Unterhaltspflicht zu tragen. Im Hinblick auf § 20 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 sei aber der Abzug dieser Leistung als Sonderausgaben ausgeschlossen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Kosten der Wohnraumbeschaffung:

Gemäß § 18 Abs. 1 Z. 3 lit. c in Verbindung mit lit. b EStG 1972 sind Rückzahlungen von Darlehen, die zur Errichtung von Eigenheimen aufgenommen worden sind, bis zu den in § 18 Abs. 2 Z. 5 leg. cit. genannten Höchstbeträgen als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen. Ein Eigenheim im Sinne dieser Vorschriften ist ein Wohnhaus im Inland mit nicht mehr als zwei Wohnungen, wenn mindestens zwei Drittel der Gesamtnutzfläche des Gebäudes Wohnzwecken dienen. Die Fläche des Wohnhauses des Beschwerdeführers beträgt unbestrittenermaßen rund 200 m2. Wie schon erwähnt, steht ebenfalls außer Streit, daß die höchstzulässige Gesamtnutzfläche im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 3 EStG 1972 auf Grund der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers 160 m2 beträgt. Damit ist das Schicksal der Beschwerde in diesem Punkt bereits entschieden. Denn die Beschwerdeausführungen, die allein darauf abzielen, die dem Beschwerdeführer selbst dienende Wohnfläche betrage nur rund 144 m2 und er habe eine zu dieser Fläche führende Aufstockung nur deswegen vornehmen müssen, weil die seiner Verfügung entzogenen 110 m2 im Parterre "seinerzeit auf Grund des Reichsleistungsgesetzes zwangsweise belegt worden" seien und "seither den Bestimmungen des Mietenstop- und Mietengesetzes" unterlägen, verkennen die allein entscheidende Frage. Für die Lösung dieser ist im gegebenen Zusammenhang ausschließlich die Gesamtnutzfläche des Eigenheimes maßgebend. Diese weist aber ein Ausmaß auf, das nach der eindeutigen Gesetzeslage die vom Beschwerdeführer angestrebte Begünstigung ausschließt. Die Umstände, durch welche es zu diesem Ausmaß kam, sind ohne rechtliche Bedeutung.

2. Krankheitskosten als dauernde Lasten:

Zufolge § 18 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 sind Sonderausgaben auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten bei Zutreffen weiterer im Gesetz aufgezählter und im Beschwerdefall zutreffender Voraussetzungen. Schon daraus ergibt sich, daß es sich bei den "dauernden Lasten" um Leistungen handeln muß, die der Steuerpflichtige einem Dritten gegenüber zu erbringen verpflichtet ist. Die Krankheitskosten des Beschwerdeführers selbst fallen somit tatbestandsmäßig nicht unter die zitierte Gesetzesstelle. Die durch die Krankheit der Ehefrau des Beschwerdeführers verursachten Mehraufwendungen erfüllen, betrachtet man § 18 Abs. 1 Z. 1 für sich isoliert, die Merkmale dauernder Lasten, da der "besondere Verpflichtungsgrund" hier in der gesetzlichen Unterhaltspflicht des Beschwerdeführers gelegen ist. Da jedoch § 20 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 (Bezeichnung vor dem Abgabenänderungsgesetz 1973: Z. 3) Zuwendungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen als nichtabzugsfähige Ausgaben erklärt und dabei ausdrücklich anordnet, daß derartige Zuwendungen auch nicht nach § 18 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. abzugsfähig sind, ist die belangte Behörde im Ergebnis auch in diesem Punkt im Einklang mit dem Gesetz (vgl. auch Stoll, Rentenbesteuerung3, S. 491). Daran vermögen auch die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 994/72, Slg. Nr. 4576/F, und vom , Zl. 173/68, Slg. Nr. 3778/F, nichts zu ändern. Diese ergingen nämlich zu früheren Einkommensteuergesetzen, die mit dem derzeit geltenden § 20 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 nicht voll übereinstimmende Regelungen enthielten.

3. Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung:

In diesem Punkt ist vor dem Verwaltungsgerichtshof ausschließlich strittig, ob die belangte Behörde davon ausgehen durfte, daß die dem Beschwerdeführer wegen seiner Zuckerkrankheit entstehenden Mehrkosten der Verpflegung die von ihr angewandten "bundeseinheitlichen Erfahrungssätze" nicht übersteigen. Die belangte Behörde bejaht das mit der Begründung, daß dem Beschwerdeführer ein Nachweis der von ihm geltend gemachten Mehraufwendungen nicht gelungen sei. Richtig ist, daß die belangte Behörde den Beschwerdeführer mit Vorhalt darauf aufmerksam machte, daß seine "Zusammenstellung" nur dann berücksichtigt werden könnte, "wenn die tatsächlichen außergewöhnlichen Belastungen zur Gänze nachgewiesen werden". Der Beschwerdeführer beantwortete diesen Vorhalt damit, daß es unmöglich sei, die Mehrkosten der Verpflegung, die auf seiner Krankheit beruhen, rechnungsmäßig nachzuweisen. Auch vor dem Verwaltungsgerichtshof vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, daß er außerstande sei, "durch Rechnungen den monatlichen Aufwand einer Diabetikerverköstigung im Vergleich zu einem gesunden Menschen zu belegen". Er meint, die belangte Behörde hätte die von ihm aufgestellte Vergleichsrechnung durch einen medizinischen Sachverständigen überprüfen lassen müssen. Dazu ist zu sagen:

Eines medizinischen Sachverständigen bedurfte es vorliegendenfalls nicht, weil hier bloß ein Vergleich von Preisen für Lebensmittel für einen gesunden Menschen und solchen für einen Diabetiker anzustellen ist. Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, daß eine Glaubhaftmachung seiner Mehrkosten grundsätzlich hinreichen muß und eine strenge Rechnungslegung im Sinne einer exakten Beweisführung nicht verlangt werden kann. Anderseits räumt der Beschwerdeführer selbst ein, daß die von ihm angestellte Berechnung nur auf einer Schätzung beruht. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt ebenfalls die Ansicht, daß auf dem Boden der hier gebotenen und mit den Erfahrungen des täglichen Lebens übereinstimmenden realitätsbezogenen Betrachtungsweise schätzungsweise Feststellungen allein geeignet sind, zu dem im Rahmen des Gesetzes liegenden Ergebnis zu führen.

"Bundeseinheitliche Erfahrungssätze" können an sich geeignet sein, ein im Rahmen einer Schätzung tolerierbares Ergebnis zu beinhalten. Das trifft jedoch nicht zu, wenn sich die Behörde solcher Erfahrungssätze ohne jede nähere Begründung und Aufgliederung derselben bedient, denn auf diese Weise ist es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, in die ihm aufgetragene rechtliche Kontrolle die Denkfolgerichtigkeit und Schlüssigkeit dieser Erfahrungssätze einzubeziehen.

Solchermaßen folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, wenn auch nur in einem Punkt, mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. c. Z. 2 VwGG 1965 aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 542/1977.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1980:1979003350.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
AAAAF-59324