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VwGH 27.11.1984, 3322/80

VwGH 27.11.1984, 3322/80

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
EStG 1972 §47 Abs1
EStG 1972 §78 Abs1
RS 1
Die Zahlung des Insolvenz-Ausfallgeldes kann rechtlich nicht als Lohnzahlung des Arbeitgebers (bzw der Konkursmasse) gewertet werden. Erst die Zahlung der auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds übergangenen Forderung ist Lohnzahlung iSd § 78 Abs 1 EStG 1972 (Hinweis E vom , 82/14/0127).

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

82/14/0331

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Kirschner, Dr. Schubert, Dr. Drexler und Dr. Pokorny als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Traumüller, über die Beschwerde des Dr. RK, Rechtsanwalt in G, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des ES in K, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. B 142-3/80, betreffend Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Über das Vermögen der Firma ES wurde am der Konkurs eröffnet, der Beschwerdeführer ist der in diesem Konkurs vom Landesgericht Graz bestellte Masseverwalter.

Das Finanzamt Graz-Umgebung ersuchte mit Schreiben vom den Beschwerdeführer unter Hinweis auf § 6 des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes, die auf die Forderungen der im Forderungsverzeichnis des Arbeitsamtes aufscheinenden Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin entfallende Lohnsteuer und den Dienstgeberbeitrag zu ermitteln und in Form einer Lohnsteueranmeldung dem Finanzamt innerhalb von 14 Tagen bekanntzugeben. Dazu teilte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom im wesentlichen mit, daß irgendwelche Buchungsunterlagen, insbesondere Lohnkonten u.dgl. nicht vorgefunden werden konnten und daß im gegenständlichen Konkurs zumindest derzeit „buchstäblich kein Groschen Bargeld“ vorhanden sei.

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Lohnsteuer und den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für den Monat Mai 1979 mit S 3.894,-- und mit S 2.608,-- fest. In der Begründung berief sich das Finanzamt auf § 184 BAO.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, daß Buchungsunterlagen nicht vorgefunden wurden, unmittelbar nach Konkurseröffnung der Betrieb geschlossen und liquidiert worden sei und daß jedenfalls im Mai 1979 weder ein Betrieb vorhanden noch irgendwelche Arbeitnehmer - diese hätten schon Anfang Jänner 1979 den vorzeitigen Dienstaustritt erklärt - beschäftigt gewesen seien.

Im Berufungsverfahren teilte das Finanzamt Graz-Umgebung dem Beschwerdeführer mit, daß die den Gegenstand der Berufung bildenden Lohnabgaben vom Finanzamt für Ersatzlohnzahlungen durch den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds für die namentlich angeführten Arbeitnehmer festgesetzt worden seien. Nach § 6 des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes sei der Beschwerdeführer verpflichtet, die Lohnsteuer und den Dienstgeberbeitrag für diese Lohnzahlungen zu berechnen und die Beiträge dem Finanzamt bekanntzugeben. Die Berechnung der Bruttolöhne und der gesetzlichen Abzüge für das Insolvenz-Ausfallgeld sei bereits erfolgt, da dieses in Form von Nettolöhnen bezahlt werde und die Nettolöhne nur von den Bruttolöhnen berechnet werden könnten. Es werde daher neuerlich ersucht, die für die vorstehenden Lohnzahlungen errechneten Lohnsteuer- und Dienstgeberbeitragsbeträge dem Finanzamt bekanntzugeben.

Eine die Berufung abweisende Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes setzte der Beschwerdeführer durch Vorlageantrag außer Kraft, in dem er sich auf den Inhalt seiner Berufung und seines Schreibens vom bezog.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies auch die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. In der Begründung bezog sich die Behörde auf § 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 2 des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes, ferner auf § 52 in Verbindung mit § 1 BAO sowie auf § 4 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a Z. 3 leg. cit. und führte aus, in Ergänzung zu diesen Bestimmungen regle § 78 Abs. 1 EStG 1972, daß der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten habe. Der Abgabenanspruch auf die Lohnsteuer und sinngemäß auch der auf die Dienstgeberbeiträge entstehe somit jedenfalls im Zeitpunkt des Zufließens des Arbeitslohnes. Jede vom Arbeitsamt als „verlängerter Hand“ des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds geleistete Lohnzahlung gelte daher als Lohnzahlung im Sinne der einkommensteuerrechtlichen Bestimmungen, so daß gleichzeitig mit der Auszahlung der Anspruch auf die lohnabhängigen Abgaben entstehe. Es fänden alle einschlägigen Normen des Einkommensteuergesetzes bzw. des Familienlastenausgleichsgesetzes Anwendung. Der Bescheid des Finanzamtes stütze sich auf § 82 Abs. 1 EStG 1972, nach dem der Arbeitgeber, im vorliegenden Fall sein gesetzlicher Vertreter, dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer und der Dienstgeberbeiträge hafte. Das Vorbringen des Berufungswerbers, daß zum Zeitpunkt der Geltendmachung dieser Haftung weder der Betrieb existiert habe noch Arbeitnehmer vorhanden gewesen seien, gehe ins Leere, da sich der Bescheid ausschließlich auf die Ersatzlohnzahlungen nach dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz beziehe. Da der Berufungswerber den Aufforderungen des Finanzamtes nicht entsprochen habe, seien die Grundlagen für die Abgabenerhebung gemäß § 184 BAO zu schätzen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und über die Gegenschrift erwogen:

Gemäß § 47 Abs. 1 EStG 1972 wird bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25) die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer), sofern im Inland eine Betriebsstätte vorhanden ist.

Der Arbeitgeber ist gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1972 verpflichtet, die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten.

Im Beschwerdefall steht als Sachverhalt fest, daß ehemalige Arbeitnehmer der Firma ES Zahlungen nach den Bestimmungen des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes (IESG), BGBl. Nr. 324/1977, erhalten haben. Diese Zahlungen beruhen auf § 1 Abs. 1 des genannten Bundesgesetzes, wonach Arbeitnehmer und ehemalige Arbeitnehmer für die nach Abs. 2 gesicherten Ansprüche - dazu gehören in erster Linie Entgeltansprüche, insbesondere auf laufendes Entgelt aus dem Arbeitsverhältnis -, dann, wenn über das Vermögen ihres Arbeitgebers im Inland der Konkurs eröffnet wird, Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld haben. über Anträge auf Insolvenz-Ausfallgeld ist gemäß § 7 Abs. 2 IESG vom Arbeitsamt mit schriftlichem Bescheid abzusprechen. Gemäß § 11 Abs. 1 IESG gehen die diesem Bundesgesetz unterliegenden gesicherten Ansprüche gegen den Arbeitgeber (gegen die Konkursmasse) auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds mit der Zustellung des Bescheides (§ 7 Abs. 4) in der Höhe über, in welcher dem Antragsteller Insolvenz-Ausfallgeld oder ein Vorschuß darauf zuerkannt wurde. Mit dem Übergang ist keine Änderung des Rechtsgrundes, des Ranges oder der Bevorrechtung der Forderung verbunden.

Die Zahlung des auf einem öffentlich-rechtlichen Anspruch des Arbeitnehmers beruhenden Insolvenz-Ausfallgeldes kann rechtlich nicht als Lohnzahlung des Arbeitgebers (bzw. der Konkursmasse) gewertet werden. Da die nach dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz zustehenden gesicherten Ansprüche gegen den Arbeitgeber (gegen die Konkursmasse), und zwar ohne daß dadurch eine Änderung des Rechtsgrundes eintritt, auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds übergehen, ist erst die Zahlung dieser auf den Fonds übergegangenen Forderung „Lohnzahlung“ im Sinne des § 78 Abs. 1 EStG 1972 (vgl. das bereits in diese Richtung weisende hg. Erkenntnis vom , Zl. 82/14/0127).

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß der Beschwerdeführer zur Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer bei dem im Beschwerdefall gegebenen Sachverhalt nicht verpflichtet war. Dies gilt im Hinblick auf § 41 Abs. 3 und § 43 des FLAG 1967 auch für den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen. Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht die Haftung des Beschwerdeführers gemäß § 82 Abs. 1 EStG 1972 angenommen.

Der angefochtene Bescheid ist daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwG 1965 aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981, die gemäß ihrem Art. III Abs. 2 im Beschwerdefall anzuwenden ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
EStG 1972 §47 Abs1
EStG 1972 §78 Abs1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1984:1980003322.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
NAAAF-59311

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