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VwGH 22.04.1982, 3303/79

VwGH 22.04.1982, 3303/79

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

3304/79

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Närr, Mag. Meinl und Dr. Kramer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Ratz, über die Beschwerde des AR und der TR in P, beide vertreten durch Dr. Max Siebenhofer, Rechtsanwalt in Judenburg, Burggasse 11, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. B 145/1-6/79 (AR) und Zl. B 146/1-6/79 (TR), betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Jeder der beiden Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei samtiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Berufungsentscheidungen vom gab die Finanzlandesdirektion für Steiermark den Berufungen der Beschwerdeführer gegen Solidarschuldbescheide des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Graz - in bezug auf den Erstbeschwerdeführer undatiert, zugestellt am , in bezug auf die Zweitbeschwerdeführerin vom 13. (in der Berufungsentscheidung irrtümlich: 3.) Februar 1979, ergänzt durch eine undatierte, am zugestellte Berichtigung „gem. § 245 (2) BAO“ - nicht Folge.

In der Begründung der beiden Bescheide führte sie aus, mit Kaufvertrag vom seien von den Beschwerdeführern aus dem Gutsbestand ihrer Liegenschaft EZ nnn KG X die Grundstücke 168 und 171/1 um den Gesamtkaufpreis von S 265.000,-- an die F Gesellschaft m.b.H. verkauft und es sei für diesen Vorgang Befreiung von der Grunderwerbsteuer gemäß § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. a des Grunderwerbsteuergesetzes 1955, BGBl. Nr. 140, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung (GrEStG), beantragt worden. Das Finanzamt habe den bezeichneten Befreiungsgrund offensichtlich als irrtümlich angegeben betrachtet und der Käuferin zunächst mitgeteilt, daß vorläufig die Befreiung nach § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG wegen Schaffung von Arbeiterwohnstätten zuerkannt werde, endgültig hierüber jedoch erst nach Feststellung aller gesetzlichen Voraussetzungen entschieden werden könne. Aufgrund in den Jahren 1973 bis 1975 durchgeführter Erhebungen habe das Finanzamt sodann angenommen, daß eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer nicht in Betracht komme, weshalb der Käuferin gegenüber mit Bescheid vom Grunderwerbsteuer in der Höhe von S 21.200,-- festgesetzt worden sei. In weiterer Folge habe sich zudem herausgestellt, daß die Einbringung der Grunderwerbsteuer bei der Käuferin mangels Liquidität in Frage gestellt sei, woraus das Finanzamt die Steuer mit Solidarschuldbescheiden nunmehr den Beschwerdeführern gegenüber (im Betrag von je S 10.866,--) festgesetzt habe, Die Berufungen der Beschwerdeführer seien ungerechtfertigt. Die nun verlangte Herabsetzung der Steuerschuld habe nicht stattfinden können, weil ein entsprechender Antrag nicht gestellt worden sei und die Steuerschuldner ihre Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nicht erfüllt hätten; das Verpflichtungsgeschäft sei nämlich nach Aussage des Erstbeschwerdeführers noch vor der schriftlichen Vereinbarung bereits im Sommer 1972 zustande gekommen. Die Beschwerdeführer seien gemäß § 17 Abs. 4 (richtig: Z. 4) GrEStG und § 6 Abs. 1 BAO - stets in der Fassung vor der Novelle 1980 - kraft Gesetzes Gesamtschuldner, die nach Ermessen der Abgabenbehörde zur Steuerleistung herangezogen werden dürften, ohne daß das privatrechtliche Innenverhältnis hierauf Einfluß haben könne; wegen der Uneinbringlichkeit der Steuer bei der Käuferin müßten die Beschwerdeführer in Anspruch genommen werden. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung sei kein Bescheid und schließe eine nachträgliche Grunderwerbsteuerfestsetzung nicht aus. Eine Befreiung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. a GrEStG sei in den Beschwerdefällen nicht in Betracht gekommen, weil die Grundstücke nicht von einer begünstigten Verkäuferin erworben worden seien. Die in den Beschwerdefällen geschaffenen Bauten, als nicht ganzjährig bewohnbare Ferien- und Wochenendhäuser - für die eine Wohnbauförderung ausgeschlossen sei - stellten aber auch, und zwar schon ihrer Art nach, keine Arbeiterwohnstätten dar. Schließlich sei festzuhalten, daß dann, wenn eine Befreiung von der Steuer aus einem Grund gemäß § 4 Abs. 2 GrEStG nicht gewährt werden könne, die Verjährungsfrist erst dementsprechend später zu laufen beginne. Die Vorschreibungen seien daher zu Recht erfolgt.

Die Berufungsbescheide werden mit den vorliegenden Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft. Die Beschwerdeführer erachten sich nach ihrem Vorbringen in dem Recht verletzt, für den in Rede stehenden Erwerbsvorgang Grunderwerbsteuer nicht entrichten zu müssen.

Die belangte Behörde erstattete je eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerden beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer machen zunächst geltend, es sei ihnen nichts davon bekannt, daß eine Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, wie die belangte Behörde behaupte, stattgefunden habe. Der maßgebende Kaufvertrag sei am abgeschlossen, die Anzeige drei Tage später - somit keineswegs verspätet - erstattet worden. Im übrigen habe der Vertragsverfasser bzw. der Käufer die Aufgabe gehabt, die Anzeige vorzunehmen. Die Beschwerdeführer hätten jedenfalls einen Teilkaufpreis von S 130.000,-- nicht erhalten; die Grunderwerbsteuer könne nicht von Beträgen erhoben werden, die nicht bezahlt worden seien und auch nie mehr bezahlt werden würden.

Gemäß § 20 Abs. 3, 5 und 6 GrEStG kann unter bestimmten Voraussetzungen die Steuer entsprechend einer Herabsetzung der Gegenleistung ermäßigt werden; eine dieser Voraussetzungen ist ein darauf abzielender Antrag, der bis zum Ablauf des Kalenderjahres zu stellen ist, das auf das Jahr folgt, in dem das den Anspruch auf Abänderung der Steuer begründende Ereignis eingetreten ist. Die Beschwerdeführer traten der durch die Aktenlage gedeckten Feststellung im angefochtenen Bescheid, ein derartiger Antrag sei nicht eingebracht worden, nicht entgegen. Schon deswegen ist eine Herabsetzung der Steuer nicht rechtswidrigerweise unterblieben. Gemäß § 10 Abs. 1 GrEStG - ein Fall des Abs. 2 oder 3 liegt nicht vor - ist die Steuer vom Wert der Gegenleistung zu berechnen; gemäß § 11 Abs. 1 Z. 1 GrEStG ist Gegenleistung bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Daraus ist zu ersehen, daß für die Berechnung der Steuer das Ausmaß der tatsächlich geleisteten Kaufpreiszahlungen kein rechtliches Gewicht besitzt. Daß von der nun verlangten Herabsetzung abgesehen, die Steuer der Höhe nach unrichtig festgesetzt worden wäre, behaupten auch die Beschwerdeführer nicht. Die im bezeichneten Umfang erhobenen Einwände sind daher ungerechtfertigt.

Die Beschwerdeführer meinen des weiteren, die belangte Behörde habe zu Unrecht ein Gesamtschuldverhältnis gemäß § 891 ABGB angenommen, da sie keine Möglichkeit gehabt hätten, einen dem Käufer, nicht ihnen zugestellten Bescheid, der ihnen gegenüber keine Wirkung habe erzeugen können, zu bekämpfen; zu dem seien die Voraussetzungen des § 891 ABGB nicht erfüllt worden.

Auch dieser Einwand wird nicht zu Recht erhoben. Nach § 17 Z. 4 GrEStG sind die Beschwerdeführer als am Erwerbsvorgang beteiligte Personen Steuerschuldner. Alle diese Personen - in den Beschwerdefällen die Beschwerdeführer als Verkäufer ebenso wie die Käuferin - schulden somit dieselbe abgabenrechtliche Leistung. Damit sind sie kraft Gesetzes, nämlich gemäß § 6 Abs. 1 BAO, Gesamtschuldner. Durch privatrechtliche Vereinbarungen kann das abgabenrechtliche Gesamtschuldverhältnis nicht ausgeschlossen werden. Es liegt im Ermessen der Abgabenbehörde (§ 20 BAO) ob sie das Leistungsgebot nur an einem, an mehrere oder an alle Gesamtschuldner (vgl. § 199 BAO) richten will (siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 16/1018/80).

Die Beschwerdeführer halten diese Ermessensfrage von der belangten Behörde mangels Bedachtnahme auf die näheren Umstände für unrichtig gelöst. Die Besonderheit des Falles hätte ihrer Meinung nach bewirken müssen, daß die Steuerschuld im Ermessensweg zur Gänze erlassen oder „stark ermäßigt“ werde.

Auch hier sind die Beschwerdeführer nicht im Recht. Die Behörde ist nämlich im bezeichneten Zusammenhang zu keiner die Höhe der Abgabenschuld betreffenden Billigkeitsmaßnahme berechtigt; das Ermessen bei Anwendung des § 6 Abs. 1 BAO betrifft lediglich die Heranziehung der einzelnen Mitschuldner. Wie der Verwaltungsgerichtshof aber bereits in seinem Erkenntnis vom , Zl. 419/71, dargetan hat, besteht kein Spielraum mehr zur Ermessensübung, wenn die Abgabenbehörde zunächst den oder die Erwerber eines Grundstückes herangezogen hatte, und hernach wegen offenbarer Uneinbringlichkeit der Forderung bei diesen Gesamtschuldnern die Steuer dem Verkäufer vorschreibt. Nach Lage der Akten wurde über das Vermögen der Käuferin am das Ausgleichsverfahren und am der Anschlußkonkurs eröffnet, wobei die Forderungen der zweiten Klasse (§ 52 KO) nur zum Teil befriedigt wurden. Die Inanspruchnahme der Beschwerdeführer erfolgte daher auch insofern nicht in rechtswidriger Weise.

Die Beschwerdeführer meinen ferner, nach Ausstellung der Unbedenklichkeitsbescheinigung sowie nach Eintragung der Käuferin im Grundbuch könnten die Verkäufer nicht mehr zur Steuerleistung herangezogen werden, sondern dann liege ihnen gegenüber stillschweigender Verzicht vor.

Diese Ansicht ist unzutreffend. Unbedenklichkeitsbescheinigungen haben in keiner Hinsicht Bescheidqualität. Durch die Ausfolgung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung allein ist über eine geltend gemachte Abgabenfreiheit noch nicht entschieden; stellt die Abgabenbehörde zunächst eine Unbedenklichkeitsbescheinigung aus, ist sie dennoch berechtigt, nachträglich Grunderwerbsteuer vorzuschreiben. Eine Steuerbefreiung durch „Verschweigung“ ist dem Gesetz fremd (siehe hiezu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. 2985/F, vom , Zl. 419/71, vom , Slg. 4567/F, sowie vom , Sl. Nr. 5230/F). Ein rechtswidriges Verhalten der belangten Behörde ist somit auch insofern nicht zu erkennen.

Die Beschwerdeführer bringen schließlich vor, es sei. von Anfang an festgestanden, daß in den Beschwerdefällen Ferienhäuser errichtet würden, und man habe mit deren Bau sofort nach dem Erwerb der Grundstücke begonnen; auch das Werbematerial sei von Anfang an vorgelegen; es hätten sich daher 1974 verspätet amtsinterne Zweifel am Charakter der Bauten als Arbeiterwohnstätten ergeben. Ferner hätten die Beschwerdeführer die erstinstanzlichen Bescheide erst nach fünf Jahren und damit schon deswegen nach Eintritt der Verjährung, deren Frist richtigerweise bereits ab dem Erwerbsvorgang zu laufen begonnen habe, erhalten.

Auch dieses Vorbringen kann die Beschwerde nicht zum Erfolg führen. In dieser wird nicht in Abrede gestellt, daß in den Beschwerdefällen keine Arbeiterwohnstätten geschaffen wurden; es wurde auch nicht behauptet, daß ein anderer Befreiungstatbestand verwirklicht worden wäre, wofür sich nach Lage der Akten auch kein Anhaltspunkt findet. Nach dem Wortlaut des der Behörde zur Anzeige vorgelegten Kaufvertrages vom war in der Tat keineswegs auszuschließen, daß Arbeiterwohnstätten geschaffen werden könnten, wobei die Abgabenbehörden von Amts wegen verpflichtet sind, auf das Vorliegen von Voraussetzungen für eine Abgabenbefreiung zu achten (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2662/79). Das Finanzamt ist daher nicht rechtswidrig vorgegangen, wenn es den Grundstückserwerb aus diesem Grund vorläufig unbesteuert ließ, zumal die Käuferin der diesbezüglichen Verständigung nicht entgegentrat und in der Berufung gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom noch selbst behauptete, Arbeiterwohnstätten errichtet zu haben. Somit durfte von der Annahme ausgegangen werden, daß zunächst die Absicht zur Errichtung von Arbeiterwohnstätten bestand, was zur vorläufigen Anwendung der Befreiungsbestimmung des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG genügte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 5815/F). Gelangte die Behörde allerdings, wie geschehen, später zur Annahme, daß in Wahrheit von vornherein die dem Gesetz entsprechende Zweckwidmung nicht angestrebt worden sei, so begann die Verjährungsfrist gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstand (§ 16 GrEStG), in den Beschwerdefällen sohin mit Ende des Jahres 1972, zu laufen. Da die Verjährungsfrist gemäß § 207 Abs. 2 BAO fünf Jahre betrug, mit dem Grunderwerbsteuerbescheid vom aber gemäß § 209 Abs. 1 BAO die Verjährung des Abgabenanspruches unterbrochen wurde und mit Ablauf des Jahres 1975 neu zu laufen begann, ist sie den Beschwerdeführern gegenüber nicht eingetreten. Die in der eben erörterten Hinsicht erhobenen Bedenken der Beschwerdeführer treffen also nicht zu.

Wesentliche Verfahrensmängel sind nicht hervorgekommen. Ein Eingriff in Rechte der Beschwerdeführer hat durch die angefochtenen Bescheide wie dargetan nicht stattgefunden. Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung BGB1. Nr. 221/1981, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2.

Soweit im vorstehenden auf in der Amtlichen Sammlung nichtveröffentlichte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes Bezug genommen wurde, wird an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung BGBl. Nr. 45/1965 erinnert.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1982:1979003303.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
IAAAF-59304