VwGH 30.04.1981, 3281/80
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Bei der Frage, was unter dem rechtserheblichen Tatbestandsmerkmal "auf eigene Rechnung zu verwerten" zu verstehen ist, ist Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung, daß darunter jene Fälle erfaßt werden sollen, in denen der "Veräußerer" dem "Erwerber" in bezug auf das Grundstück Einwirkungsmöglichkeiten gewährt, die einerseits über die Einwirkungsmöglichkeiten eines Bestandnehmers hinausgehen, andererseits aber nicht die Befugnisse erreichen, die dem Eigentümer des Grundstückes zustehen. |
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RS 2 | Die Überlassung der Nutzung eines Grundstücks im Wege der Bestellung des Fruchtgenußrechtes ist für sich allein grunderwerbssteuerrechtlich ebenso unerheblich, wie die Einräumung eines bloßen Bestandrechtes, von dem es sich - von einem dinglichen Charakter abgesehen - kaum unterscheidet. |
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RS 3 | Der rechtserheblichen Tatsache des § 1 Abs 2 GrEStG 1955 des Bestehens der Möglichkeit zur VERWERTUNG eines Grundstückes auf eigene Rechnung kann nur die Bedeutung zukommen, in Ansehung der eingeräumten Rechte in bezug auf das Grundstück eine andere (Verwertungsmacht) Macht, zB durch Verfügung über die Substanz der Liegenschaft, als ein bloß Besitzberechtigter und Nutzungsberechtigter ausüben zu können. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Närr, Mag. Meinl und Dr. Kramer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klug, über die Beschwerde des JB in S, vertreten durch Dr. Robert Aspöck, Rechtsanwalt in Salzburg, Wäschergasse 15/11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom , Zl. 163-III-DG/1980, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach der Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens war dem Beschwerdeführer und dessen Rechtsnachfolger auf Grund des am abgeschlossenen, notariell beurkundeten Dienstbarkeitsvertrages die Dienstbarkeit der Fruchtnießung an der Garage IV im Haus S, V-straße 38a, eingeräumt worden.
Die §§ 2 und 3 dieses Vertrages lauten wie folgt:
"Herr HT räumt hiemit für sich und seine Rechtsnachfolger im Besitze der 567/14.946-stel Anteile an der Liegenschaft EZ. 757 KG. X, Abteilung Y, verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung top. 32 und Garage IV, Herrn JB, und dessen Rechtsnachfolgern, im Besitze der 407/14.946-stel Anteile an der EZ. 757 KG. X, Abteilung Y, verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung Top. 24, das Recht ein, die Garage IV, wie ein Eigentümer unter Schonung der Substanz zu nutzen, somit ein Fruchtgenußrecht im Sinne der §§ 509 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch ein, und bestellt dieses Recht als Dienstbarkeit.
§ 3.
Als Entgelt für die Einräumung des vorgenannten Fruchtgenußrechtes an der Garage IV wird der Betrag von S 52.000,--
(sage: Schilling zweiundfünfzigtausend ....) vereinbart. Dieser Betrag wird bei Unterfertigung dieses Vertrages von Herrn JB an Herrn HT bar zur Auszahlung gebracht, worüber Herr HT per contractum quittiert."
Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Salzburg schrieb dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom Grunderwerbsteuer in Höhe von S 3.640,-- zur Entrichtung vor.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er vorbrachte, für den abgeschlossenen Dienstbarkeitsvertrag sei die Grunderwerbsteuer offenbar irrtümlich gemäß § 11 GrEStG von der Gegenleistung von S 52.000,-- vorgeschrieben worden. Der abgeschlossene Dienstbarkeitsvertrag unterliege dem Gebührengesetz und sei gemäß § 33 Tarifpost 9 eine 2%ige Gebühr, somit S 1.040,-- zur Vorschreibung zu bringen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde, nachdem eine gleichlautende Berufungsvorentscheidung zufolge Vorlageantrages des Beschwerdeführers aus dem Rechtsbestand ausgeschieden war, der Berufung keine Folge. Zur Begründung führte die Finanzlandesdirektion für Salzburg nach Darstellung des Sachverhaltes und Verfahrensverlaufes aus, die Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG entstehe insbesondere bei der Einräumung von Nutzungsrechten. Nach dem vorgelegten Dienstbarkeitsvertrag werde an der bezeichneten Garage das Recht der Benützung derart eingeräumt, daß der Beschwerdeführer und seine Rechtsnachfolger die Garage wie ein Eigentümer unter Schonung der Substanz benützen können. Betriebskosten, anteilige Grundsteuer und etwaige Instandhaltungs- oder Instandsetzungskosten seien vom Beschwerdeführer zu bezahlen. § 1 Abs. 2 GrEStG (Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht) stelle einen grunderwerbsteuerpflichtigen Tatbestand dar. Welche Befugnisse in ihrer Gesamtheit die Verwertungsbefugnisse ausmachen, bestimme das Gesetz nicht. Durch die Bestimmung des § 1 Abs. 2 GrEStG sollten aber Fälle erfaßt werden, in denen der Veräußerer dem Erwerber in bezug auf das Grundstück Einwirkungsmöglichkeiten gewähre, die einerseits über die Einwirkungsmöglichkeiten eines Pächters hinausgehen, andererseits aber nicht die Befugnisse erreichen, die dem Eigentümer des Grundstückes zustehen. (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. April 7964, Zl. 733/63, Slg. Nr. 3064/F.) Alle innerhalb dieses Rahmens liegenden Befugnisse seien daher als "Verwertungsbefugnis" anzusehen. Die Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 GrEStG entstehe insbesondere bei der Einräumung von Nutzungsrechten, bei der Begründung von Baurechten, bei der Ermächtigung zum Verkauf auf eigene Rechnung oder bei Treuhandverhältnissen. Im gegenständlichen Falle handle es sich um eine nahezu unbeschränkte Nutzungsmöglichkeit, die über die Befugnisse einer bloßen Überlassung der Nutzung weit hinausgehe. Aus den oben erwähnten Rechten und Verpflichtungen allein sei bereits zu ersehen, daß der "Besitzer" der Garage faktisch die "Verfügungsmacht" über die Garage habe. Dieser Tatbestand falle daher unter § 1 Abs. 2 GrEStG § 15 Abs. 3 des Gebührengesetzes 1957 schließe einen Gebührentatbestand aus.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen in dem Recht verletzt, die Grunderwerbsteuer für den streitgegenständlichen Rechtsvorgang nicht entrichten zu müssen. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes wendet der Beschwerdeführer im Einklang mit seinem Vorbringen vor der Abgabenbehörde gegen den angefochtenen Bescheid ein, durch den abgeschlossenen Dienstbarkeitsvertrag hätten er und sein Rechtsnachfolger lediglich ein Fruchtgenußrecht an der Garage erhalten und keine wie immer gearteten anderen Rechte, insbesondere ein Recht auf Verwertung der Garage. So werde es ihm bzw. seinem Rechtsnachfolger sicherlich nicht möglich sein, die Garage zu verwerten, da ja diese Verwertungsmöglichkeit eine Übertragung des Eigentumsrechtes voraussetze. Allein aus der vertraglichen Vereinbarung, daß dem Beschwerdeführer und dessen Rechtsnachfolger an der Garage das Recht zukommen solle, diese wie ein Eigentümer unter Schonung der Substanz zu nutzen - die Terminologie sei im übrigen wörtlich dem § 509 ABGB entnommen - ,gehe hervor, daß dem Beschwerdeführer und dessen Rechtsnachfolgern eben nur die Nutzung der Garage zukomme, da ja eine Verwertungsmöglichkeit eines Gegenstandes unter Schonung der Substanz wohl begrifflich ausgeschlossen erscheine.
Die Beschwerde ist begründet. Gemäß dem § 1 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes 1955, BGBl. Nr. 140, in der auf den Beschwerdefall anzuwendenden Fassung (GrEStG), unterliegen der Grunderwerbsteuer auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruches auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten.
Dieser selbständige und - gegenüber den Tatbeständen im § 1 Abs. 1 GrEStG - subsdiäre (Ersatz-)Tatbestand (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1914/74) stellt darauf ab, ob der maßgebende Rechtsvorgang es einem anderen als dem Eigentümer rechtlich oder wirtschaftlich "ermöglicht", das Grundstück auf "eigene Rechnung zu verwerten". Da diese Möglichkeit durch einen "Rechtsvorgang" verwirklicht sein muß, setzt § 1 Abs. 2 GrEStG eine Verwertungsbefugnis voraus, deren zivilrechtlichen Inhalt das Gesetz allerdings im einzelnen weder näher umschreibt noch seinen Umfang abgrenzt. Die Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG ist sohin von der Verfügungsmacht, welche der zivilrechtliche Eigentumsbegriff verschafft, verschieden. In Ansehung des Umstandes, daß in diesem Tatbestand zufolge der disjunktiven Konjunktion "oder" die rechtliche Verwertungsbefugnis der wirtschaftlichen gleichgestellt ist, stellt der Gesetzgeber - abweichend von der Regelung in § 1 Abs. 1 GrEStG - nicht auf bestimmte Typen von Rechtsvorgängen, die auf Übertragung bzw. den Übergang des Eigentums abzielen, sondern auf die in beliebiger Rechtsform herbeigeführten Verwertungsbefugnisse ab. Zweck des § 1 Abs. 2 GrEStG ist es demnach, Grundstücksumsätze zu erfassen, die in bezug auf die Herrschaft über ein Grundstück den in § 1 Abs. 1 leg. cit. beschriebenen Umsätzen so nahe kommen, daß sie wie diese ermöglichen, sich den Wert der Grundstücke für eigene Rechnung nutzbar zu machen (vgl. Czurda, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, TZ. 288 zu § 1).
Die volle Substanz eines Grundstückes steht nur dem Eigentümer zu. Nur der Eigentümer kann - von Eigentumsbeschränkungen abgesehen - seine Sache beliebig gebrauchen oder über sie rechtsgeschäftlich verfügen (§§ 354, 362 ABGB). Er kann das Grundstück seiner rechtlichen Substanz nach durch Veräußerungsverträge, die eine Sache endgültig übertragen, wie Kauf, Tausch und Schenkung, seiner realen Substanz nach durch Gebrauchsüberlassungsverträge, mit denen nur die Nutzung einer Sache auf bestimmte Zeit gegen Entgelt überlassen wird, wie Miete und Pacht, verwerten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich u.a. in seinem Erkenntnis vom , Slg. Nr. 3753/F, mit dem normativen Gehalt dieser Gesetzesstelle sehr eingehend befaßt und darin ausgesprochen, daß in der Verpachtung eines Grundstückes auf unbestimmte Zeit, verbunden mit einem Verzicht des Verpächters auf das Recht der Kündigung auf die Dauer von 50 Jahren, kein nach § 1 Abs. 2 GrEStG steuerpflichtiger Rechtsvorgang gelegen sei.
Der Fruchtgenuß (Fruchtnießung, Nießbrauch, usus fructus) ist das Recht, eine fremde Sache ohne jede Einschränkung, jedoch ohne Angriff auf die Substanz, zu nutzen (§ 509 ABGB). Die Fruchtnießung ist als Dienstbarkeit dingliches Recht. Sie unterscheidet sich dadurch von den bloß persönlichen (obligatorischen) Rechten des Bestandnehmers (Klang 2, II 509). Das Fruchtgenußrecht gibt dem Berechtigten eine eigentümerähnliche Stellung zu der Sache. Der Unterschied zum Eigentumsrecht besteht nur darin, daß der Fruchtnießer die Substanz nicht angreifen und auch rechtlich über die Sache nicht verfügen darf.
Bei der Frage, was unter dem rechtserheblichen Tatbestandsmerkmal "auf eigene Rechnung zu verwerten" zu verstehen ist, ist sohin Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung, daß darunter jene Fälle erfaßt werden sollen, in denen der "Veräußerer" dem "Erwerber" in bezug auf das Grundstück Einwirkungsmöglichkeiten gewährt, die einerseits ÜBER die Einwirkungsmöglichkeiten eines Bestandnehmers hinausgehen, andererseits aber nicht die Befugnisse erreichen, die dem Eigentümer des Grundstückes zustehen. Bei der Anwendungsmöglichkeit des § 7 Abs. 2 GrEStG kommt es daher auf die Umstände des einzelnen Falles an (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 1878/67, und vom , Slg. Nr. 46237/F).
Die Überlassung der Nutzung eines Grundstückes ihn Wege der Bestellung des Fruchtgenußrechtes ist für sich allein grunderwerbsteuerrechtlich ebenso unerheblich, wie die Einräumung eines bloßen Bestandrechtes, von dem es sich - von seinem dinglichen Charakter abgesehen - kaum unterscheidet (Fellner, Band II, Abschnitt III zu § Abs. 2- Boruttau-Klein-Egly-Sigloch10 Tz. 148 zu § 1 und Dorazil-Schwärzler2, Seite 88).
Der wiedergegebenen rechtserheblichen Tatsache des § 1 Abs. 2 GrEStG des Bestehens der Möglichkeit zur VERWERTUNG eines Grundstückes auf eigene Rechnung kann daher nach Ansicht des Gerichtshofes nur die Bedeutung zukommen, in Ansehung der eingeräumten Rechte in bezug auf das Grundstück eine andere (Verwertungs-)Macht, z.B. durch Verfügung über die Substanz der Liegenschaft, als ein bloß Besitz- und Nutzungsberechtigter ausüben zu können (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 966/63, vom , Zl. 850/65 und vom , Zl. 972/72, Slg. Nr. 4623/F, u. Czurda, TZ. 293 zu S 1).
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher gemäß dem § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.
Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542. Die Bestimmungen über den Kostenersatz beruhen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf dem Antragsprinzip (§ 59 Abs. 1 VwGG 1965). Es ist daher Sache der Partei, die ihr zustehenden Kosten anzusprechen. Da der Beschwerdeführer lediglich den Ersatz der Kosten dieses Verfahrens begehrte, konnte ihm nur der Schriftsatzaufwand zugesprochen werden, weil die nicht pauschalierten Kosten bei dem Mangel einer näheren Begründung nicht zu gewähren sind.
Soweit in diesem Erkenntnis auf nichtveröffentlichte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes Bezug genommen wird, sei an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | |
Sammlungsnummer | VwSlg 5582 F/1981 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1981:1980003281.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
DAAAF-59294