VwGH 17.01.1980, 3278/79
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | AVG §73 Abs2; VwGG §27 impl; |
RS 1 | Im Falle der Abweisung des Verlangens auf Übergang der Entscheidungspflicht seitens der Oberbehörde geht der Rechtszug wie bei der Nichterfüllung der Entscheidungspflicht an die Behörde, die bei Nichterfüllung der Entscheidungspflicht durch die Oberbehörde auf Antrag der Partei gemäß § 73 Abs 2 AVG 1950 zur Entscheidung zuständig wäre. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 1043/72 B VwSlg 8287 A/1972 RS 1 |
Norm | B-VG Art103 Abs4 idF 1974/444; |
RS 2 | Gegen den gem § 73 Abs 2 erster Satz AVG 1950 erlassenen Bescheid des Landeshauptmannes in einem Wasserrechtsverfahren ist eine Berufung an den Bundesminister (hier: für Land- und Forstwirtschaft) zulässig. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 0992/78 B VS VwSlg 9950 A/1979 RS 1 |
Norm | AgrVG §2 Abs2; |
RS 3 | Der Oberste Agrarsenat (OAS) ist vermöge des zweiten Halbsatzes des Art 12 Abs 2 B-VG nur als oberste Instanz berufen. Demnach kommt dem OAS in der Angelegenheit des landwirtschaftlichen Siedlungswesens nicht die Funktion der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde gemäß § 73 AVG 19850 zu, weil ihn der Bundesgesetzgeber zufolge § 7 Abs 2 Agrarbeh. G 1950 idF Agrarbehördengesetznovelle 1974, BGBl. Nr. 476 in dieser Materie nicht als oberste Instanz berufen hat. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2615/77 E VwSlg 9614 A/1978; RS 1 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hinterauer und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Hnatek und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Aigner, in der Beschwerdesache des A und der FS in S, vertreten durch Dr. Erich Proksch, Rechtsanwalt in Wien III, Untere Viaduktgasse 55, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Salzburger Landesregierung vom , Zl. LAS-28/31-1979, betreffend Zuständigkeit des Landesagrarsenates als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zur Erlassung des Zusammenlegungsplanes im "Zusammenlegungsverfahren X", den Beschluss gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführer beantragten am , der Landesagrarsenat beim Amt der Salzburger Landesregierung möge als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde seine Zuständigkeit gemäß § 73 AVG 1950 zur Erlassung des Zusammenlegungsplanes (§ 25 Salzburger Flurverfassungs-Landesgesetz 1973, LGBl. Nr. 1, zuletzt geändert mit dem Gesetz vom , LGBl. Nr. 29/1979, FLG 1973) in Anspruch nehmen und den Zusammenlegungsplan erlassen, da im Hinblick auf die am erfolgte Anordnung der provisorischen Übergabe der den Beschwerdeführern gehörigen Liegenschaften die durch § 7 a Abs. 4 AgrVG 1950 bestimmte Frist bereits verstrichen sei.
Mit Bescheid vom wies der Landesagrarsenat diesen Antrag als gemäß §§ 1 und 7 a AgrVG 1950 in der Fassung der Agrarverfahrensgesetz-Novelle vom , BGBl. Nr. 391, und § 73 Abs. 2 AVG 1950, unzulässig mit der wesentlichen Begründung zurück, Ablauf der im § 7 a AgrVG 1950 festgelegten Entscheidungsfrist sei noch nicht eingetreten; die Abfindungsgrundstücke der Beschwerdeführer befänden sich im Teilgebiet I, in dem die provisorische Übernahme mit Bescheid vom - am in Rechtskraft erwachsen - erfolgt sei, hingegen seien die Bescheide vom und vom über die provisorische Übernahme in den beiden anderen Teilgebieten des Zusammenlegungsgebietes erst am und am in Rechtskraft erwachsen. Im Falle von zeitlich verschiedenen, jeweils nur Teile des Zusammenlegungsgebietes betreffenden Anordnungen zur Übernahme der Grundabfindungen beginne die dreijährige Frist zur Erlassung des Zusammenlegungsplanes erst mit Rechtskraft des (zeitlich) letzten Bescheides zu laufen, es sei nämlich unmöglich, einen Zusammenlegungsplan in Teilbescheide zu zerlegen. Die Frist des § 7 a AgrVG 1950 ende daher erst mit Ablauf des .
Dieser Bescheid enthielt die Belehrung, daß gegen ihn ein weiteres ordentliches Rechtsmittel unzulässig sei.
Gegen ihn richtet sich die vorliegende Beschwerde, die, wie die Beschwerdeführer erklären, vorsorglich für den Fall erhoben worden sei, daß sich der Verwaltungsgerichtshof der von den Beschwerdeführern in ihrer Berufung gegen denselben Bescheid an den Obersten Agrarsenat vertretenen Rechtsmeinung, wonach die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides unrichtig sei, nicht anschließen sollte.
Die Prüfung der Prozeßvoraussetzung der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes hat ergeben:
Die Zurückweisung des Devolutionsantrages der Beschwerdeführer durch die belangte Behörde ist ein verfahrensrechtlicher Bescheid in einem Fall, für den der Rechtszug im Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz nicht besonders geregelt ist (§§ 1 AgrVG 1950, 63 Abs. 1 AVG 1950). Für solche Bescheide, wenn diese mit dem Verfahren in einer bestimmten Angelegenheit in einem inneren Zusammenhang stehen, sind hinsichtlich des Instanzenzuges die Bestimmungen der in der betreffenden Angelegenheit in Betracht kommenden Verwaltungsvorschriften maßgebend; eine Ausnahme von dieser Regel hat dann Platz zu greifen, wenn sich trotz bestehenden inneren Zusammenhanges mit dem Verfahren in einer bestimmten Angelegenheit aus den verfahrensrechtlichen Bestimmungen zwingend etwas anderes ergibt, so für den Fall der Abweisung des Verlangens nach Übergang der Zuständigkeit an die Oberbehörde, weil die Entscheidungspflicht verletzt wurde (vgl. Mannlicher-Quell, Das Verwaltungsverfahren, 8. Auflage, 1. Halbband, Seite 343 und Seite 419), in welchem der Rechtszug an die sachlich in Betracht kommende höchste Oberbehörde geht (vgl. auch etwa das hg. Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 8287/A) .
Gemäß Art. 12 Abs. 1 Z. 3 B-VG ist in Angelegenheiten der Bodenreform, insbesondere der agrarischen Operationen und der Wiederbesiedlung, Bundessache die Gesetzgebung über die Grundsätze, Landessache die Erlassung von Ausführungsgesetzen und die Vollziehung. Die Regelung der Zusammenlegung landwirtschaftlicher oder forstwirtschaftlicher Grundstücke ist eine Angelegenheit der Bodenreform.
Gemäß Art. 12 Abs. 2 B-VG steht in Angelegenheiten der Bodenreform die Entscheidung in oberster Instanz und in der Landesinstanz Senaten zu, die aus dem Vorsitzenden und aus Richtern, Verwaltungsbeamten und Sachverständigen als Mitgliedern bestehen. Der in oberster Instanz zur Entscheidung berufene Senat wird beim zuständigen Bundesministerium eingesetzt. Die Einrichtung, die Aufgaben und das Verfahren der Senate sowie die Grundsätze für die Einrichtung der mit den Angelegenheiten der Bodenreform sonst noch befaßten Behörden werden durch Bundesgesetz geregelt. Darin ist zu bestimmen, daß die Bescheide der Senate nicht der Aufhebung und Abänderung im Verwaltungsweg unterliegen; der Ausschluß eines ordentlichen Rechtsmittels von der Behörde erster Instanz an die Landesinstanz ist unzulässig.
§ 1 Abs. 2 Agrarbehördengesetz 1950, BGBl. Nr. 1/1951, in der Fassung der Agrarbehördengesetznovelle 1974, BGBl. Nr. 476 (AgrBehG 1950), bestimmt, daß die Entscheidungen in Angelegenheiten der Bodenreform in erster Instanz den Agrarbezirksbehörden, in der Landesinstanz Landesagrarsenaten bei den Ämtern der Landesregierungen und in oberster Instanz dem Obersten Agrarsenat beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft zustehen. Gemäß § 3 Abs. 2 dieses Gesetzes kann die Landesgesetzgebung bestimmen, daß von der Einrichtung von Agrarbezirksbehörden abgesehen wird, die Entscheidungen in erster Instanz dem Amt der Landesregierung zustehen und die sonstige Zuständigkeit der Agrarbezirksbehörden mit jener des Amtes der Landesregierung als Landesinstanz vereinigt wird. Von dieser Möglichkeit hat die Gesetzgebung des Bundeslandes Salzburg Gebrauch gemacht (Gesetz vom , LGBl. Nr. 16/1949).
Gemäß § 2 Abs. 2 AgrVG 1950 ist im Verhältnisse zu den Agrarbezirksbehörden und dem Amt der Landesregierung der Landesagrarsenat, im Verhältnisse zu den Landesagrarsenaten der Oberste Agrarsenat die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinne des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950.
Gemäß § 7 Abs. 1 AgrBehG 1950 endet der Instanzenzug mit den im Abs. 2 angeführten Ausnahmen beim Landesagrarsenat. Nach dem Abs. 2 des § 7 AgrBehG 1950 ist die Berufung an den Obersten Agrarsenat nur in den dort angeführten Fällen gegen abändernde Erkenntnisse des Landesagrarsenates zulässig; von diesen Fällen bezieht sich nur der unter Z. 3 angeführte auf die Zusammenlegung, er lautet: "hinsichtlich der Frage der Gesetzmäßigkeit der Abfindung bei der Zusammenlegung oder Flurbereinigung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke".
Auf Grund eines Devolutionsantrages entscheidet die Oberbehörde NICHT als Rechtsmittelinstanz, sondern als sachlich in Betracht kommende vorgesetzte Behörde anstelle der untätigen Unterbehörde (vgl. den hg. Beschluß vom , Slg. N. F. Nr. 1114/A, und den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom , Zl. 992/78). Davon, daß der Instanzenzug beim Landesagrarsenat ENDET, kann nur die Rede sein, wenn bereits die Agrarbehörde erster Instanz (Agrarbezirksbehörde oder Amt der Landesregierung) entschieden hat und der Landesagrarsenat als Rechtsmittelinstanz zur Entscheidung berufen ist. Daraus folgt, daß der Grundsatz des § 7 Abs. 1 AgrBehG 1950 nur derartige Fälle im Auge hat, nicht aber solche, in denen der Landesagrarsenat nicht als Rechtsmittelbehörde (im Instanzenzug übergeordnete Behörde), sondern als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde entschieden hat, weil noch keine Entscheidung im Instanzenzug vorliegt. Der Bestimmung des § 7 Abs. 1 AgrBehG 1950 ist daher eine Beschränkung der Zuständigkeit auf den Landesagrarsenat als einzige Instanz in Angelegenheiten, in denen der Landesagrarsenat über einen an ihn gerichteten Antrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 oder auf Grund eines solchen entscheidet, nicht zu entnehmen.
Es kommt daher in diesen Fällen der oben dargestellte Grundsatz zum Tragen, wonach in Fällen der Ablehnung des Verlangens nach Übergang der Zuständigkeit an die Oberbehörde, weil die Entscheidungspflicht verletzt wurde, der Rechtszug an die sachlich in Betracht kommende höchste Oberbehörde geht.
Zur Frage, wann der Oberste Agrarsenat im Verhältnis zum Landesagrarsenat nicht sachlich in Betracht kommende höchste Oberbehörde ist, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits dahin Stellung genommen, daß zur Vermeidung eines Widerspruches zu Art. 12 Abs. 2 zweiter Halbsatz B-VG, wonach der Oberste Agrarsenat nur als oberste INSTANZ tätig werden darf, § 2 Abs. 2 AgrVG 1950 jedenfalls nicht so verstanden werden dürfe, daß der Oberste Agrarsenat in allen Angelegenheiten der Bodenreform - unabhängig davon, ob der Oberste Agrarsenat durch den Bundesgesetzgeber als oberste Instanz in den betreffenden Angelegenheiten der Bodenreform berufen worden ist - als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde tätig zu werden habe; eine verfassungskonforme Auslegung des § 2 Abs. 2 AgrVG 1950 führe dazu, daß diese Bestimmung nur die Aussage enthalte, der Oberste Agrarsenat habe DANN AUCH die Funktion der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde - und nur dem Obersten Agrarsenat, keiner anderen obersten Verwaltungsbehörde des Bundes oder eines Landes könne gegenüber dem Landesagrarsenat diese Funktion zukommen -, wenn er als oberste Instanz vom Bundesgesetzgeber vorgesehen sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2615/77, 290/78). An dieser Rechtsmeinung hält der Verwaltungsgerichtshof weiter fest.
Gemäß § 7 Abs. 2 Z. 3 AgrBehG 1950 ist der Oberste Agrarsenat als Rechtsmittelinstanz gegenüber dem Landesagrarsenat hinsichtlich der Frage der Gesetzmäßigkeit der Abfindung bei der Zusammenlegung oder Flurbereinigung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke berufen. Über das Ergebnis der Zusammenlegung ist ein Bescheid (Zusammenlegungsplan) zu erlassen (§ 10 Abs. 4 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951, BGBl. Nr. 103, in der Fassung der Flurverfassungsnovelle 1967, BGBl. Nr. 78), sodaß es der Zusammenlegungsplan ist, der die Abfindungen bestimmt. Dies trifft auch auf den Zusammenlegungsplan im Sinne des § 25 FLG 1973 zu. Der Zusammenlegungsplan berührt daher stets auch die Frage der Gesetzmäßigkeit der Abfindung. Insofern ist somit der Oberste Agrarsenat als oberste Instanz vom Bundesgesetzgeber eingerichtet und als solche auch gemäß § 2 Abs. 2 AgrVG 1950 als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde gegenüber dem Landesagrarsenat anzusehen. Dementsprechend ist der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 1565/77, davon ausgegangen, daß der Oberste Agrarsenat sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG 1950 im Verhältnis zum Landesagrarsenat in einer Sache betreffend eine Berufung gegen den von der Agrarbehörde erster Instanz erlassenen Zusammenlegungsplan ist.
Aus diesen Überlegungen folgt, daß die im vorliegenden Fall durch den Bescheid des Landesagrarsenates auf Zurückweisung des Devolutionsantrages zum Ausdruck gebrachte Ablehnung des Verlangens nach Übergang der Zuständigkeit zur Erlassung des Zusammenlegungsplanes an ihn als Oberbehörde noch der Anfechtung mit Berufung beim Obersten Agrarsenat als sachlich in Betracht kommender höchster Oberbehörde unterliegt.
Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes setzt gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG auch die Erschöpfung des Instanzenzuges voraus. Diese Voraussetzung ist, wie die Beschwerdeführer richtig erkannt haben, hinsichtlich des angefochtenen Bescheides nicht erfüllt, sodaß die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG 1965 zurückzuweisen war.
Wien, am
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Normen | |
Schlagworte | Anrufung der obersten Behörde |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1980:1979003278.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAF-59291