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VwGH 22.09.1954, 3273/52

VwGH 22.09.1954, 3273/52

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
RS 1
Die Vorlage eines Gedenkprotokolles bei einer Behörde bedeutet nur dann einen die Gebührenpflicht begründenden amtlichen Gebrauch, wenn sich der Überreicher auf den Inhalt des Gedenkprotokolles beruft, um einen Antrag darauf zu stützen.

Entscheidungstext

Betreff

Verwaltungsgerichtshof

Zl. 3273/52

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsidenten Dr. Heiterer - Schaller und die Räte Dr. Ondraczek, Dr. Wasniczek, Dr. Schirmer und Dr. Naderer als Richter, im Beisein des Ministerialsekretäre Dr. Heinzl als Schriftführer, über die Beschwerde der protokollierten Firma FG in W gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Tirol vom , Zl. 928/III/I-1952, betreffend Gebühr von einem Gesellschaftsvertrag, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Josef Jellnek, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine offene Handelsgesellschaft (OHG), an der IS, geb. G, beteiligt war. IS starb am . Deren Ehegatte trat teils als unmittelbarer, teils als mittelbarer Erbe (nämlich als Erbe der nachverstorbenen Tochter der IS) auf. Das Bezirksgericht Hopfgarten in Tirol bei dem die Verlassenschaftsabhandlung durchgeführt wurde, betraute den öffentlichen Notar Dr. RB in K als Gerichtsbeauftragten mit der Durchführung der Abhandlung.

Am hat der genannte Notar an die Beschwerdeführerin zu Handen ihres Gesellschafters KG ein Schreiben gerichtet, in dem er um eine Abschrift des der Teilhaberschaft zugrunde liegenden Gesellschaftsvertrages und um Erstellung und Übermittlung einer auf den Todestag errichteten Zwischenbilanz unter Hinweis darauf ersuchte, dass er zur Erstellung des eidesstättigen Vermögensbekenntnisses, zur Vorbereitung der Einantwortungsurkunde und auch für Zwecke der Erbschaftsteuer sowohl die Rechtsgrundlagen als den Vermögenswert der Teilhaberschaft der Erblasserin an der beschwerdeführenden Firma benötige; das Schreiben schliesst mit den Worten: "Der Notar als Gerichtskommissär ...". Die Beschwerdeführerin entsprach dem Ersuchen und übersendete dem Gerichtsbeauftragten zunächst eine am beglaubigte Abschrift eines Gedenkprotokolles vom , worin zwei namentlich genannte Zeugen, die dieses Schriftstück auch unterfertigt hatten, erklärten, dass die Erben des am verstorbenen FG (darunter auch die nunmehr verstorbene IS) sich zwecks Weiterführung des vom Beschwerdeführer bisher allein betriebenen Handelsunternehmens zu einer OHG vereinigen. Nach diesem Gedenkprotokoll bringen vier Gesellschafter Einlagen von je 11.205,56 S und ein Gesellschafter (die Witwe des Verstorbenen) eine solche von 14.940,73 S, zusammen also 59.762,97 S ein; es enthält weiter eine eingehende Regelung des Gesellschaftsverhältnisses. Nach der Aktenlage ist von diesem Gedenkprotokoll noch keine Gebühr eingehoben gewesen und ist das Protokoll auch aus Anlass der Vorlage an den Gerichtskommissär nicht zur Gebührenbemessung angezeigt worden.

Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Innsbruck schrieb vom Gedenkprotokoll der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom unter Berufung auf die §§ 9, 36 und 33 TP 16 Z.1 lit. b des Gebührengesetzes, BGBl. Nr. 184/1946 (GG), aus dem Betrage von 59.763 S eine 2 %ige Rechtsgeschäftsgebühr, ferner feste Stempelgebühren für drei weitere Bogen der Schrift, endlich Gebührensteigerungen vor. Die Beschwerdeführerin erhob Beschwerde (richtige Berufung) und führte aus, zur Entrichtung der Gebühr sei in diesem Falle derjenige verpflichtet, der von der Schrift einen amtlichen Gebrauch gemacht habe. Das sei jedoch nicht sie gewesen, denn sie sei an dem Verlassenschaftsverfahren nach der ehemaligen Mitgesellschafterin nicht beteiligt gewesen, habe daher von dem Gedenkprotokoll über die Gründung der Firma einen amtlichen Gebrauch überhaupt nicht machen können. Nachdem das Finanzamt einen abweisenden Einspruchsbescheid erlassen hatte, führte die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag auf Entscheidung der Finanzlandesdirektion ergänzend aus, dass der Notar das Ersuchschreiben an die Beschwerdeführerin nicht in seiner Eigenschaft als Gerichtskommissär, sondern namens des Witwers der Erblasserin gerichtet habe. Denn als Gerichtskommissär habe der Notar nur das eidesstättige Vermögensbekenntnis übernehmen, nicht aber selbst verfassen und durch Urkunden belegen dürfen. Ein amtlicher Gebrauch der Urkunde liege überhaupt nicht vor. Selbst wenn ein solcher vorliege, habe ihn nicht die Beschwerdeführerin bewirkt. Die Uebersendung des Gedenkprotokolles stelle keine Gebrauchname in einem amtlichen Verfahren dar.

Die Finanzlandesdirektion wies die Berufung mit Bescheid vom ab. Sie begründete dies damit, dass Schriften und Urkunden über Rechtsgeschäfte, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes errichtet wurden und für die weder nach den österreichischen Gebührenvorschriften eine Gebühr noch nach dem deutschen Urkundensteuergesetz eine Urkundensteuer entrichtet wurde, dann nach § 36 GG den Gebühren nach diesem Gesetz unterworfen sind, wenn ein den Schriften und Urkunden ein amtlicher Gebrauch gemacht wird. Unter amtlichen Gebrauch verstehe § 8 GG die Verwendung einer Schrift bei einer öffentlichen Behörde, einem Gericht, einem Amt oder einer öffentlichen Kasse zu dem Zweck, zu dem sie ausgestellt ist. Das fragliche Gedenkprotokoll sei, was unbestritten sei, weder vergebührt noch nach dem Urkundensteuergesetz versteuert worden und sei, was ebenfalls ausser Streit stehe, von der Beschwerdeführerin dem Notar als Gerichtskommissär auf dessen Aufforderung übersendet worden. Das Verlassenschaftsverfahren sei ein gerichtliches Verfahren, in dem der Notar nicht als Vertreter der Erben, sondern als Beauftragter des Gerichtes auftritt. Es sei deshalb die Verwendung einer Urkunde beim Notar als Gerichtskommissär in einer Verlassenschaftsabhandlung einer Verwendung beim Gericht gleichzusetzen. Dabei sei es ohne Belang, "über wessen Anregung die Vorlage erfolgt ist." Das Gesetz fordere nur die Tatsache der Verwendung. Einen amtlichen Gebrauch mache also jeder, der durch seine Handlung zur Verwendung der Urkunde bei einer Behörde oder einem Gericht beiträgt, also vor allem derjenige, der sie der Behörde oder dem Gericht vorlegt, und zwar unabhängig davon, ob er an dem Verfahren beteiligt ist oder nicht. Die Gebührenpflicht treffe aber nach § 36 GG den, der den Gebrauch gemacht hat.

Der Gerichtshof hat über die bei ihm gegen diesen Bescheid der Finanzlandesdirektion eingebrachte Beschwerde erwogen:

Gemäss § 36 GG unterliegen Schriften und Urkunden über Rechtsgeschäfte, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes errichtet wurden und für die weder nach den österreichischen Gebührenverschriften eine Gebühr noch nach dem deutschen Urkundensteuergesetz eine Urkundensteuer entrichtet wurde, den Gebühren "nach diesem Gesetz" (also nach dem Gebührengesetz 1946), wenn von ihnen ein amtlicher Gebrauch gemacht wird. In diesem Falle trifft die Pflicht zur Entrichtung der Gebühren für die Schrift oder Urkunde aber nicht die Personen, die nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 28 ff GG zur Entrichtung der Gebühr verpflichtet wären, sondern die Personen, die von ihr den amtlichen Gebrauch gemacht haben. Wenn das Gesetz von "Schriften und Urkunden" spricht, die vor seinem Inkrafttreten errichtet wurden, und wenn es bestimmt, dass diese Schriften und Urkunden den Gebühren nach diesem Gesetz unterliegen, also so zu behandeln sind, als wären die Urkunden erst unter der Herrschaft dieses Gesetzes errichtet worden, dann ist es klar, dass darunter auch die Gedenkprotokolle fallen, weil diese gemäss § 18 Abs. 3 GG den Urkunden gleichgestellt, also als gebührenpflichtige "Schriften" über Rechtsgeschäfte angesehen werden. Die grundsätzliche Gebührenpflicht des im vorliegenden Gedenkprotokoll niedergelegten Rechtsgeschäftes - die Höhe der Gebühr ist nicht bestritten - hängt davon ab, ob von diesem Gedenkprotokoll ein amtlicher Gebrauch gemacht worden ist. Wenn diese Frage bejaht wird, ist weiter zu untersuchen, wer diesen Gebrauch gemacht hat.

Unter dem Worte "amtlicher Gebrauch" wird gemäss § 8 Abs. 1 GG die Verwendung einer Schrift bei einer öffentlichen Behörde, einem Gericht, einem Amt oder einer öffentlichen Kasse zu dem Zwecke, zu dem sie ausgestellt ist, verstanden, gleichgültig, ob sie in Urschrift oder in Abschrift beigebracht wird. Die Beschwerdeführerin bestreitet zunächst, dass das Gedenkprotokoll einem Gerichte vorgelegt wurde. Im gerichtlichen Verfahren der Verlassenschaftsabhandlung sind aber die Notare als Gerichtskommissäre gerichtliche Organe. Da, wie die belangte Behörde aus dem Verlassenschaftsakt festgestellt hat - dass diese Feststellung unrichtig sei, hat die Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht behauptet -, der Notar ausdrücklich in seiner Eigenschaft als Gerichtskommissär die Vorlage des Gedenkprotokolls bei einem Gericht überreicht worden ist.

Den gebührenpflichtigen amtlichen Gebrauch eines Schriftstückes umschreibt § 8 Abs. 2 GG als "Verwendung einer

Schrift bei einer öffentlichen Behörde ... zu dem Zwecke, zu dem

sie ausgestellt ist". Aus dem Wortlaut dieser Gesetzesstelle geht hervor, dass als amtlicher Gebrauch nicht schon, wie es die belangte Behörde annimmt, jeder Beitrag einer Person zur Verwendung einer Urkunde bei einer Behörde usw., vor allem die blosse Vorlage an die Behörde, angesehen werden kann. Nach dieser Auffassung wäre schliesslich auch der Postbote, der eine solche Urkunde der Behörde oder dem Gericht überbringt, unter den Voraussetzungen des § 36 GG Gebührenschuldner. Amtlicher Gebrauch ist vielmehr nicht die blosse Vorlage an die Behörde, sondern erst die Verwendung bei der Behörde zu dem Zweck, zu dem die Urkunde ausgestellt ist. Urkunden und Gedenkprotokolle über Rechtsgeschäfte werden zu Beweiszwecken ausgestellt. Ihre Verwendung kann also nur darin liegen, dass ein Organ der Behörde oder des Gerichtes in die Urkunde Einsicht nimmt, sich über den Inhalt der Urkunde unterrichtet, um das so gewonnene Wissen bei einer Amtshandlung zu verwerten oder auf Grund des so gewonnenen Wissens von einer bestimmten Amtshandlung abzusehen, Eine Urkunde wird bei einer Behörde usw. von dem verwendet und es wird von der Urkunde von dem amtlicher Gebrauch gemacht, der sich vor der Behörde usw. auf den Inhalt der Urkunde beruft, damit ihn die Behörde zur Kenntnis und zur Grundlage ihres amtlichen Handelns nehme und der entweder diese Urkunde selbst herbeischafft oder, ihre Herbeischaffung durch die Behörde usw. veranlasst. Die Beschwerdeführerin hätte von dem Gedenkprotokoll einen amtlichen Gebrauch beispielsweise dann gemacht, wenn sie das Protokoll in einem gegen sie eingeleiteten Rechtsstreit der Erben nach der verstorbenen Gesellschafterin dem Gericht vorgelegt und sich zum Nachweise ihrer prozessualen Behauptungen auf dessen Inhalt berufen hatte. Im vorliegenden Fall ist aber nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin im Abhandlungsverfahren Anträge gestellt hatte, über die im Abhandlungsverfahren abzusprechen gewesen wäre, und dass sie sich zur Stützung ihrer Anträge auf das Gedenkprotokoll berufen hätte. Ob etwa der Erbe nach der verstorbenen Gesellschafterin einen amtlichen Gebrauch dadurch gemacht hat, dass er zum Nachweise seiner Behauptungen sich gegenüber dem Abhandlungsgericht auf das Gedenkprotokoll berufen und das Gericht zur amtswegigen Einholung dieses Schriftstückes veranlasst hat, hat die belangte Behörde nicht untersucht, weil sie in irriger Auslegung des Begriffes "amtlicher Gebrauch" meinte, einer solchen Untersuchung enthoben zu sein. Aber selbst wenn der Erbe nach der verstorbenen Gesellschafterin etwa auf diese Weise vom Gedenkprotokoll einen amtlichen Gebrauch gemacht hätte, wäre nach § 36 GG nur der Erbe, nicht aber die Beschwerdeführerin zur Entrichtung der Gebühr verpflichtet gewesen.

Da somit weder feststeht, ob von dem Gedenkprotokoll überhaupt ein amtlicher Gebrauch gemacht worden ist, noch wer diesen Gebrauch gemacht hat, und die Unterlassung der entsprechenden Feststellungen auf einer irrigen Rechtsansicht der belangten Behörde beruht, musste der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
Sammlungsnummer
VwSlg 1001 F/1954;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1954:1952003273.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
EAAAF-59285