VwGH 27.06.1979, 3213/78
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | DP §22 Abs2 DP §22 Abs3 |
RS 1 | Nachträglicher Widerruf einer erteilten schriftlichen Zustimmung nach § 22 Abs 3 DP ist formell nur durch den contrarius actus einer gleichfalls ausdrücklichen und schriftlichen Erklärung, materiell nur unter der Voraussetzung zulässig, daß sich die für die Erklärung maßgebend gewesenen Verhältnisse in einem dafür wesentlichen Punkt geändert haben. |
Norm | VwRallg |
RS 2 | Auch im verwaltungsrechtlichen Verfahren muß der Grundsatz von Treu und Glauben gelten. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 0789/51 E VwSlg 2406 A/1952 RS 4 |
Normen | DP VwRallg |
RS 3 | Im Verhältnis zwischen öffentlich rechtlichen Dienstgeber und Dienstnehmer ist der Grundsatz von Treu und Glauben zu beachten. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 0317/77 E RS 1 |
Entscheidungstext
Beachte
Besprechung in:
ÖffD 1980/4, S 22;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Seiler, Dr. Drexler und Dr. Herberth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Novak, über die Beschwerde des KW in W vertreten durch Dr. Walter Riedl Rechtsanwalt in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom , Zl. 325184/13-1118/78, betreffend Feststellung von Dienstpflichten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am geborene Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und war mit Wirksamkeit vom auf einen Dienstposten der Dienstklasse II des Dienstzweiges "Justizwache und Dienst der Jugenderzieher an Justizanstalten" (Verwendungsgruppe W3) ernannt worden. Im Zuge der von ihm angestrebten Ernennung auf einen Dienstposten der Verwendungsgruppe L 2b 1 gab er gegenüber seiner Dienststelle, der Sonderanstalt W.-F., am eine schriftliche Erklärung folgenden Inhaltes ab:
"Ich erkläre mich damit einverstanden und nehme zur Kenntnis, daß ich aus meiner Überstellung in die Verwendungsgruppe L 2b 1 keinen Anspruch auf eine ausschließliche Tätigkeit als L 2b 1 - Erzieher erwerbe.
Ich bin damit einverstanden, nach Notwendigkeit auch weiterhin auf Anordnung des Justizwachkommandanten bzw. des Anstaltsleiters Tätigkeiten zu verrichten, die Justizwachebeamten zukommen."
Mit Erlaß vom ernannte die belangte Behörde den Beschwerdeführer mit Wirkung vom auf einen Dienstposten für Bundeslehrer der Verwendungsgruppe L 2b 1 (Dienstzweig 61) im Personalstand der Justizanstalten.
Am richtete der Beschwerdeführer an die belangte Behörde das Ersuchen um bescheidmäßige Feststellung, daß er nicht verpflichtet sei, Justizwachebeamten zukommende Tätigkeiten ("Bewachungsfunktionen") zu verrichten und den Dienstauftragen des Justiz-Wachkommandanten (seiner Dienststelle) Folge zu leisten.
Diesem Antrag gab die belangte Behörde mit Bescheid vom nicht Folge und stellte in der Bescheidbegründung nach einem Hinweis auf die vom Beschwerdeführer selbst schriftlich abgegebene Erklärung vom fest, der Leiter der Sonderanstalt W.-F. habe mit schriftlicher Verfügung vom die Unterordnung des Beschwerdeführers unter den Justiz-Wachkommandanten angeordnet. Selbst wenn es sich herausgestellt hätte - und dies sei nicht festzustellen gewesen -, daß dem Beschwerdeführer Dienstleistungen aufgetragen worden seien, die zwar einem Justizwachebeamten, nicht aber einem Erzieher der Verwendungsgruppe L 2b 1 zukämen, wäre dies nicht gesetzwidrig, weil es sich bei den diesbezüglichen in der Bescheidbegründung näher angeführten Anordnungen des Justiz-Wachkommandanten um Maßnahmen vorübergehender Natur gehandelt habe, die im Interesse des Dienstes (in diesem Fall zur gleichmäßigen Aufteilung der Arbeitslast und sparsamen Gebarung mit Überstunden) notwendig gewesen seien. Da der Beschwerdeführer nach § 22 Abs. 4 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes (BDG) verpflichtet sei, unter den hier genannten Voraussetzungen auch Aufgaben zu besorgen, die nicht zu den ihm zukommenden gewöhnlichen Dienstverrichtungen zählten, fehle es auch unter diesem Gesichtspunkt an einer gesetzlichen Grundlage für die vom Beschwerdeführer angestrebte Feststellung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, deren Abweisung die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 22 Abs. 2 der Dienstpragmatik (DP) muß der Beamte, wenn es im Interesse des Dienstes notwendig ist, auf Weisung seiner Vorgesetzten bei der Dienststelle, bei der er in Verwendung steht, oder bei anderen Dienststellen auch Amtsgeschäfte, die nicht zu den gewöhnlichen Dienstverrichtungen von Beamten desselben Dienstzweiges gehören, vorübergehend besorgen. Nach § 22 Abs. 3 erster Satz DP darf ein solcher Auftrag, wenn er sich auf Besorgung insbesondere auch der im vorstehenden Absatz 2 genannten Dienstverrichtungen bei einer anderen Dienststelle bezieht, mit schriftlicher Zustimmung des Beamten auch über die ohne diese Zustimmung auf 90 Tage im Kalenderjahr begrenzte Zeit hinaus ohne zeitliche Beschränkung ausgesprochen werden. Daraus ergibt ein hier zwingender Größenschluß, daß die Zulässigkeit eines Auftrages an den Beamten, bei der Dienststelle, bei der er in Verwendung steht, Amtsgeschäfte zu besorgen, die nicht zu den gewöhnlichen Dienstverrichtungen von Beamten desselben Dienstzweiges gehören, bei hiezu vorliegender schriftlicher Zustimmung des Beamten hinsichtlich des zeitlichen Ausmaßes ebensowenig begrenzt ist wie ein solcher Auftrag, wenn er auf die Besorgung solcher Verrichtungen bei einer anderen Dienststelle abzielt.
Die ausdrückliche schriftliche Zustimmung des Beschwerdeführers, bei seiner Dienststelle, nämlich der Sonderanstalt W.-F., nach Notwendigkeit auch weiterhin auf Anordnung des Justizwachkommandanten bzw. des Anstaltsleiters Tätigkeiten zu verrichten, die (ganz allgemein und ohne vorgenommene Einschränkung) "Justizwachebeamten zukommen", liegt in Form der Erklärung vom vor. Dieser Umstand allein begründet nach den vorstehenden Rechtsausführungen die Verpflichtung des Beschwerdeführers, bei seiner Dienststelle ohne weitere Einschränkungen nach der von den in seiner Erklärung genannten Dienstvorgesetzten erkannten Notwendigkeit auf deren Weisung insbesondere auch sonst Justizwachebeamten zukommende Tätigkeiten zu besorgen. Damit aber wurde er durch die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Abweisung seines Antrages auf Feststellung, eine Verpflichtung solcher Art träfe ihn nicht, in keinem Recht verletzt, was allein zur Abweisung seiner Beschwerde als unbegründet zu führen hatte (§ 42 Abs. 1 VwGG 1965).
Die in der Beschwerde vertretene Auffassung, die Erklärung des Beschwerdeführers vom sei "Jedenfalls ohne rechtlichen Belang", ist verfehlt, weil § 22 Abs. 3 DP eine "schriftliche Zustimmung" (und eine solche war diese Erklärung) ausdrücklich vorsieht und das Dienstrecht an deren Vorliegen Rechtsfolgen knüpft. Einen nachträglichen Widerruf einer solchen Zustimmung sieht das Gesetz nicht vor, so daß er - allgemeinen Rechtsgrundsätzen entsprechend - formell nur durch den contrarius actus einer gleichfalls ausdrücklichen und schriftlichen Erklärung, materiell aber nur unter der Voraussetzung zulässig ist, daß sich die für die Erklärung maßgebend gewesenen Verhältnisse in einem dafür wesentlichen Punkt geändert hatten. Der bloße Antrag des Beschwerdeführers auf Erlassung eines Feststellungsbescheides vom erfüllt diese eben genannten Voraussetzungen weder in der einen noch in der anderen Richtung.
Dazu kommt, daß der die gesamte Rechtsordnung beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. die §§ 6 und 7 ABGB) nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wie des Verfassungsgerichtshofes (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2004/77, vom , Zlen. 328, 329/74, Slg. N.F. Nr. 4749/F, und die dort zitierte ältere Judikatur dieses Gerichtshofes, ferner das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Zl. 224/76) auch im öffentlichen Recht zu beachten ist und dies in besonderem Maße für das auf dem Grundgedanken eines besonderen Treue- und Fürsorgeverhältnisses aufgebaute Dienstrecht der öffentlich-rechtlichen Bediensteten gilt. Aus diesem Grundsatz folgt aber in dem hier gegebenen konkreten Fall zwingend, die für den Beschwerdeführer aus seiner Erklärung resultierenden, dem Inhalt dieser Erklärung entsprechenden Verpflichtungen als zu Recht bestehende zu qualifizieren. Auch unter diesem Gesichtspunkt kann von einer Verletzung von Rechten eben dieses Beschwerdeführers durch den angefochtenen Bescheid nicht die Rede sein.
Der Zuspruch von Aufwandersatz an den Bund als den Rechtsträger, in dessen Namen die belangte Behörde in dieser Beschwerdesache gehandelt hat, beruht auf den §§ 47 Abs. 1, Abs. 2 lit. b und Abs. 5, 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 und auf Art. I Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 542/1977.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | DP DP §22 Abs2 DP §22 Abs3 VwRallg |
Schlagworte | Rechtsgrundsätze Treu und Glauben erworbene Rechte VwRallg6/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1979:1978003213.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAF-59258