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VwGH 05.10.1955, 3102/53

VwGH 05.10.1955, 3102/53

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
RS 1
Erwirbt ein gemeinnütziger Bauträger ein Grundstück, auf dem Kleinwohnungen von einem gemeinnützigen Bauträger geschaffen wurden, allerdings nicht von einem anderen Bauträger, sondern von dem selben, der nun das Grundstück erwirbt, dann ist dieser Erwerb von der Grunderwerbsteuer befreit (Hinweis E , 402/48 VwSlg 289 F/1950).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsidenten Dr. Heiterer - Schaller und die Räte Dr. Ondraczek, Dr. Wasniczek, Dr. Porias und Dr. Schirmer als Richter, im Beisein des Sektionsrates Dr. Skorjanec als Schriftführer, über die Beschwerde des Gemeinnützungen Wohnungsunternehmens „R“, Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Wien, gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. VIII - 1370 - 1953, betreffend Befreiung von der Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die Beschwerdeführerin hatte im Mai 1948 mit den Eigentümern einer Liegenschaft in Wien einen Bestandvertrag über bestimmte Räumlichkeiten dieser Liegenschaft auf die Dauer von 40 Jahren abgeschlossen und sich von den Eigentümern ein Vorkaufsrecht auf die Liegenschaft einräumen lassen, das auch im Grundbuch einverleibt worden war. Diese Liegenschaft war durch Bombeneinwirkung schwer beschädigt; die darin befindlichen Wohnungen waren dauernd unbenützbar geworden. Die Beschwerdeführerin als Bestandnehmerin baute diese Wohnungen ausschließlich aus ihren Mitteln wieder auf und schuf derart acht Kleinwohnungen. Mit Kaufvertrag vom 5. und erwarb sie in Ausübung ihres Vorkaufsrechtes die Liegenschaft von den bisherigen Eigentümern. Im Kaufvertrag nahm sie die Befreiung der Grunderwerbsteuer nach § 4 Abs. 1 Z. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (vom , DRGBl. I S. 585, GrEStG) in Anspruch.

Das Finanzamt hat dessen ungeachtet Grunderwerbsteuer vorgeschrieben. Die Beschwerdeführerin berief und führte aus, sie habe die Liegenschaft bereits seinerzeit käuflich erwerben wollen, doch haben sich die Kaufverhandlungen durch längere Zeit verzögert. Sie habe daher die Kleinwohnungen auf der Hausruine, ohne sie zu besitzen, in der sicheren Erwartung errichtet, daß es zu einem Kaufabschluß kommen werde. Die geltend gemachte Befreiungsbestimmung sei also anwendbar. Nachdem das Finanzamt einen abweisenden Einspruchsbescheid erlassen und die Beschwerdeführerin die Entscheidung der Finanzlandesdirektion Wien begehrt hatte, wies diese Direktion die Berufung mit Bescheid vom als unbegründet ab. Nach § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. a GrEStG sei der Erwerb eines Grundstückes zur Schaffung von Kleinwohnungen von der Besteuerung ausgenommen. Da im gegebenen Fall die Kleinwohnungen schon vor Abschluß des Kaufvertrages errichtet worden seien, falle der Erwerb nicht unter die Befreiungsbestimmung. Der Gesetzgeber habe durch die Befreiung des Grundstückserwerbs von der Grunderwerbsteuer einen verbilligten Grunderwerb ermöglichen und derart einen Anreiz zur Erbauung von Kleinwohnungen geben wollen. Die Beschwerdeführerin habe aber die Wohnungen gebaut, obwohl sich die Kaufvertragsverhandlungen durch längere Zeit verzögerten, habe daher von vornherein nicht mit Bestimmtheit darauf rechnen können, den Grund zu erwerben, habe also die Wohnungen ohne Rücksicht darauf gebaut, ob sie Grundeigentümerin werde oder nicht. Die Herstellung der Wohnungen stehe also nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb. Somit könne auch bei ausdehnender Auslegung der Befreiungsbestimmungen die Steuerfreiheit nicht zuerkannt werden.

In der gegen diesen Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof überreichten Beschwerde führt die Beschwerdeführerin aus, aus welchen Gründen es nicht schon im Jahre 1948 zum Kaufabschluß gekommen sei, nämlich deswegen, weil in dieser Zeit vor Stabilisierung der österreichischen Währung Grundeigentümer nicht bereit gewesen seien, Grundstücke gegen bares Geld hinzugeben. Sie weist auch auf die Absicht hin, die der Gesetzgeber mit der Schaffung der Befreiungsbestimmungen des § 4 Abs. 1 GrEStG verfolgt habe und weist auch auf § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. b dieser Gesetzesstelle und auf ein Urteil des Reichsfinanzhofes aus dem Jahre 1930 hin.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 4 Abs. 1 Z. 1 GrEStG sind von der Besteuerung ausgenommen: „1.) Beim Kleinwohnungsbau im Sinne der Vorschriften über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen: a) der Erwerb eines Grundstückes zur Schaffung von Kleinwohnungen durch ein Unternehmen, das als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen oder als Organ der staatlichen Wohnungspolitik anerkannt ist (Gemeinnütziger Bauträger), der Erwerb eines Grundstücke, auf dem ein gemeinnütziger Bauträger Kleinwohnungen geschaffen hat, durch einen anderen gemeinnützigen Bauträger, ...“ (Die Bestimmungen der lit. c und d dieser Gesetzesstelle handeln von Eigenheimen, scheiden also im vorliegenden Fall aus der Betrachtung aus.) Daß die von der Beschwerdeführerin auf der von ihr im Jahre 1953 erworbenen Liegenschaft hergestellten Wohnungen Kleinwohnungen im Sinne der Vorschriften über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen sind und daß die Beschwerdeführerin ein gemeinnütziger Bauträger ist, hat die belangte Behörde nicht bestritten. Sie hat jedenfalls das Gegenteil nicht festgestellt. Sie verweigert die Anerkennung der Befreiung lediglich deshalb, weil die Beschwerdeführerin daß Grundstück erst nach der Errichtung der Kleinwohnungen erworben hat.

Der belangten Behörde ist darin zuzustimmen, daß das Gesetz selbst seinem ausdrücklichen Wortlaut nach eine Steuerbefreiung für Fälle, wie der vorliegende einer ist, nicht vorsieht. Dies ist aber darauf zurückzuführen, daß der Gesetzgeber zur Zeit der Erlassung des Gesetzes derartige Fälle nicht gut voraussehen konnte, denn zur Zeit der Erlassung des Grunderwerbsteuergesetzes gilt die Unerschütterlichkeit der deutschen Währung als ein Grundsatz, an dem zu zweifeln nicht erlaubt war. Der Gesetzgeber mußte also nicht an den Fall denken, daß aus Gründen des Mißtrauens in die Währung ein Grundeigentümer sich nicht zur Veräußerung seines Grundbesitzes entschließen wollte. Gerade in den ersten Jahren nach Beendigung des letzten Krieges traten aber derartige Fälle sehr häufig ein. Diese Fälle führten im Wirtschaftsleben zu Erscheinungen, die mit den Vorschriften des geltenden Privatrechtes nicht durchwegs in Einklang zu bringen waren. Es kam so, wie dem Gerichtshof aus anderen Beschwerdefällen bekannt ist, dazu, daß Unternehmer eine ganze Bombenruine mieteten, die zerstörten Wohnungen wiederaufbauten und sozusagen in Hauptmiete weitervergaben, also im Ergebnis zu Hauptmieten 1. und 2. Grades. Ein solcher Fall liegt hier vor. Auch die Beschwerdeführerin hat eine Bombenruine gemietet und darauf Wohnungen errichtet, die sie aber nicht selbst bewohnen, sondern eben weitervermieten will. Sie hat darauf hingewiesen, daß sie die Liegenschaft selbst schon vor Errichtung der Wohnungen kaufen wollte und sich nur, weil damals ein Kaufabschluß nicht sofort durchzuführen war, zur Miete auf 40 Jahre (also auf eine verhältnismäßig sehr lange Dauer) entschlossen und sich ein Vorkaufsrecht ausbedungen hat. Es geht nicht an, bei der Beurteilung eines solchen Falles sich dann nur an den Wortlaut der Gesetzesstelle allein zu klammern, wenn das Festhalten am Buchstaben des Gesetzes zu überspitzten Ergebnissen führen würde. Die buchstabengetreue Auslegung des Gesetzes muß in solchen Fällen besserer Einsicht und besserem Verständnis für den erkennbar erklärten Willen des Gesetzgebers weichen. In dieser Hinsicht wird auf das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 289/F, hingewiesen. Der wahre Wille des Gesetzgebers ist erkennbar, wenn man bei der Auslegung das Augenmerk nicht bloß auf lit. a des § 4 Abs. 1. Z. 1 GrEStG, sondern auch auf lit. b dieser Gesetzesbestimmung lenkt. Nach der letztgenannten Gesetzesstelle ist auch der Erwerb eines Grundstückes durch einen gemeinnützigen Bauträger von der Steuer befreit, wenn auf diesem Grundstück ein anderer gemeinnütziger Bauträger Kleinwohnungen geschaffen hat. Der Gedankengang, der den beiden Gesetzesbestimmungen (lit. a und lit. b) zugrunde liegt, ist der, daß der Bau und die Errichtung von Wohnungen für minderbemittelte Bevölkerungskreise begünstigt werden soll, daß nämlich die für diese Wohnungen zu zahlenden Mietzinse möglichst niedrig gestellt werden und daß somit auch Kostenelemente, die sich verteuernd auf die Mieten auswirken würden, ausgeschaltet werden sollen. Zu diesen Kostenelementen gehört auch die Grunderwerbssteuer. Daher soll nicht nur der gemeinnützige Bauträger, der ein Grundstück erwirbt, um darauf Kleinwohnungen zu schaffen, keine Grunderwerbsteuer entrichten müssen, es soll auch der Übergang eines Grundstückes mit Kleinwohnungen von einem gemeinnützigen Bauträger auf einen anderen von der Steuer befreit sein. Diese Erwägungen treffen aber ebenso auf Fälle wie den vorliegenden zu, in denen nämlich ein gemeinnütziger Bauträger ein Grundstück erwirbt, auf dem Kleinwohnungen von einem gemeinnützigen Bauträger, geschaffen wurden, allerdings nicht von einem anderen Bauträger, sondern von demselben, der nun das Grundstück erwirbt. Diesen Fall hat zwar der Gesetzgeber nicht ausdrücklich besonders geregelt, er muß aber nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers den Fällen der genannten lit. a und lit. b gleichgestellt und die vorhandene unechte Gesetzeslücke durch Gesetzesanalogie geschlossen werden. Der Bescheid der belangten Behörde beruht sonach auf einer unrichtige Gesetzesauslegung und mußte deshalb gemäß § 42 Abs. 2 lit. a des VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1955:1953003102.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
ZAAAF-59197