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VwGH 14.10.1981, 3087/79

VwGH 14.10.1981, 3087/79

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
EStG 1972 §28;
EStG 1972 §32 Z1;
RS 1
Der Umstand, daß die Wertminderung oder auch der völlige Verlust eines ertragbringenden Vermögens wie zB eines Mietwohnhauses, regelmäßig mit der Minderung oder dem Entgang künftiger Erträge verbunden ist, macht eine Entschädigung für die Vermögenseinbuße noch nicht zu einer Entschädigung als Ersatz für künftighin entgehende Einnahmen iS des § 32 Z 1 EStG. (VJ)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Raschauer und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. König, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. 6-2331/77, betreffend Einkommensteuer 1975 der Mitbeteiligten UK in P, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Mitbeteiligte erzielt u.a. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus zwei in Wien gelegenen Mietwohnhäusern. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Kalenderjahr 1975 teilte die Mitbeteiligte dem Finanzamt mit, daß ihr im Veranlagungszeitraum von einer Wohnungseigentumsgesellschaft ein Betrag von S 100.000,-- zuzüglich 16 % Umsatzsteuer "für die Wertminderung" einer der beiden Liegenschaften zugeflossen sei. Die Mitteilung erfolge "in Wahrung der Offenlegungspflicht". In der Einkommensteuererklärung sei der Betrag nicht enthalten, da er "nicht steuerbar" sei. Einem beigelegten Schreiben der Wohnungseigentumsgesellschaft war im wesentlichen folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Der Wohnungseigentumsgesellschaft war mit Baubewilligungsbescheid vom die Bewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf einem der Liegenschaft der Mitbeteiligten gegenüberliegenden Bauplatz erteilt worden. In ihrer Eigenschaft als Anrainer hatte die Mitbeteiligte gegen diesen Bescheid Berufung erhoben und Einwendungen gegen die Richtigkeit und Gültigkeit des Fluchtlinienbescheides vom und gegen die auf Grund der strittigen Fluchtlinie erwirkte Baugenehmigung erhoben. Daraufhin hatte die Wohnungseigentumsgesellschaft der Mitbeteiligten den in Rede stehenden Betrag "für die Wertminderung der Liegenschaft infolge der Beschränkung der Aussicht von dieser Liegenschaft durch die von uns geplante Errichtung eines Neubaues" unter der Voraussetzung angeboten, daß die Mitbeteiligte die von ihr erhobene Berufung zurückziehe und die "vorhandene Fluchtlinie hinsichtlich der Rechtswirksamkeit und Umfang ein für allemal" anerkenne. Dieses Anbot war von der Mitbeteiligten angenommen worden.

Das Finanzamt subsumierte im Einkommensteuerbescheid 1975 die Zahlung der Wohnungseigentumsgesellschaft unter die sonstigen Einkünfte im Sinne des § 29 EStG 1972 und begründete dies damit, daß in der Zurückziehung der Berufung gegen den Baubewilligungsbescheid ein wirtschaftlicher Vorteil für die Wohnungseigentumsgesellschaft zu erblicken sei. Die Verschaffung eines solchen Vorteiles für einen anderen stelle eine Leistung dar und das dafür erhaltene Entgelt zähle zu den sonstigen Einkünften im Sinne des § 29 EStG.

Die Mitbeteiligte erhob dagegen Berufung. Die Zahlung der Wohnungseigentumsgesellschaft sei als Entschädigung für die Wertminderung ihrer Liegenschaft anzusehen, falle daher in die Vermögenssphäre und könne nicht den sonstigen Einkünften zugerechnet werden. Die Wertminderung bestehe in der Beeinträchtigung der Belichtung und Belüftung ihres Mietwohnhauses.

In der Folge legte die Mitbeteiligte den Baubewilligungsbescheid vom und ihre Berufung gegen diesen vor. In der Begründung des Baubewilligungsbescheides wird u. a. ausgeführt:

"Die Einwendung des Anrainers, daß der amtliche Fluchtlinienplan nicht dem Plandokument 5266 vom entspricht, erweist sich als im Gesetz nicht begründet. Das Plandokument ist im Maßstab 1 : 2000 abgefaßt und weist keinerlei Koten auf. Bei der Erstellung des amtlichen Fluchtlinienplanes kann dieses daher nur als Richtlinie herangezogen werden, ein genaues Herausmessen der Abstände ist exakt nicht möglich. Weiters wird bemerkt, daß durch den geplanten Neubau der gesetzlich geforderte Lichteinfall für den Anrainer bei einem mittleren Abstand

von der Baulinie bis zur inneren Baufluchtlinie von 21,50 m und einer bauklassenmäßigen Höhe des Neubaues von 16,00 m, in keiner Weise beeinträchtigt wird."

Die Mitbeteiligte begründete ihre wegen Nichtbeachtung gesetzlicher Vorschriften und Mangelhaftigkeit des Verfahrens erhobene Berufung gegen den Baubewilligungsbescheid wie folgt:

"Nichtbeachtung bestehender gesetzlicher Vorschriften wird der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, vorgeworfen, da sie entgegen den Bestimmungen des § 1 der Bauordnung für Wien sich Befugnisse, die allein dem Gemeinderat zustehen, angemaßt hat und Mangelhaftigkeit des Verfahrens wird deshalb eingewandt, weil die genannte Behörde, obwohl sie von mir als dem Vertreter der Anrainerin darauf aufmerksam gemacht, daß der Fluchtlinienplan nicht stimmen könne, ohne weitere Prüfung die Baubewilligung erteilt hat und mit Argumenten, die nicht ernstgenommen werden können, die Recht- und Gesetzmäßigkeit der Fluchtlinienbekanntgabe behauptet.

Anläßlich der mündlichen Verhandlung am habe ich die Einwendungen gegen das Bauvorhaben vorgebracht und war der Meinung, daß die Begünstigung des Bauwerbers bei der Fluchtlinienbekanntgabe unbeabsichtigt erfolgte, mußte jedoch dann in der Folge bei Einsichtnahme in den Bauakt feststellen, daß im Fluchtlinienplan ursprünglich wohl die richtige Eintragung erfolgte, daß diese Eintragung jedoch korrigiert worden ist. Die mir anläßlich einer Vorsprache gegebenen mündlichen Erklärungen der zuständigen Herren erschienen mir unmaßgeblich und unerheblich, da keinesfalls geklärt werden konnte, wieso eine derartige Begünstigung des Bauwerbers gerechtfertigt sein sollte. Ich habe mir bereits vor der Bauverhandlung vom das Plandokument 5266 beschafft, lege eine Ablichtung dieses Plandokumentes dieser Berufung bei und überlasse es der Berufungsbehörde zu beurteilen, ob der in der Ablichtung rot schraffierte Teil im Fluchtlinienplan zum Nachteil der Anrainer und zum Nachteil des öffentlichen Interesses und damit zum Vorteil des Bauwerbers unberücksichtigt geblieben ist. Nach dem Plandokument wäre der rot schraffierte Teil gärtnerisch zu gestalten, dieser Teil wurde jedoch von der Behörde für bebaubar erklärt ..."

In der mündlichen Berufungsverhandlung vor dem Berufungssenat der belangten Behörde wurde der Sachverhalt vom Berichterstatter noch dahingehend ergänzt, daß sich laut Aktenlage auf dem Bauplatz früher Werkstätten und Magazine befunden hätten. Dazu führte die Vertreterin der Mitbeteiligten aus, daß das der Liegenschaft der Mitbeteiligten gegenüberliegende Gebäude nur einen Stock hoch gewesen sei und auch in das Landschaftsbild gepaßt habe. Außerdem sei es etwa 6 m gegenüber dem (danebenstehenden) Eckhaus zurückgesetzt gewesen. Diese Zurücksetzung um 6 m habe der Fluchtlinie entsprochen, die über Betreiben der Wohnungseigentumsgesellschaft auf der Linie geändert worden sei, in der das Eckhaus bereits gestanden sei. Unmittelbar anschließend an die Liegenschaft der Mitbeteiligten grenze ein Palais mit Park. Auch anschließend an die nunmehr bebaute Parzelle befände sich eine Grünfläche. Ein im Mietwohnhaus der Mitbeteiligten wohnender Mieter habe eingewendet, "daß seine Wohnqualität durch die Errichtung des neuen Hauses vermindert werde".

Die belangte Behörde gab mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Berufung Folge. Sie führte hiezu begründend aus, das Gebiet um das Mietwohngrundstück der Mitbeteiligten habe - obwohl im Stadtzentrum gelegen - parkähnlichen Charakter. Es könne daher nicht ernstlich bestritten werden, daß durch den aus sieben bzw. sechs Geschoßen bestehenden, vis-a-vis gelegenen Neubau einer modernen Wohnhausanlage die Liegenschaft der Mitbeteiligten eine Wertminderung erfahre. Der frühere - zurückversetzt gelegene - Gebäudebestand sei nur einstöckig gewesen. Durch die Nichteinhaltung der alten - um 6 m weiter entfernt liegenden - Baufluchtlinie sei eine Wertminderung der Liegenschaft der Mitbeteiligten sicherlich gegeben. Dies werde durch die Bezahlung des strittigen Betrages durch die Wohnungseigentumsgesellschaft hinreichend dokumentiert. Denn wäre das Rechtsmittel der Mitbeteiligten aussichtlos gewesen, hätte sich die Wohnungseigentumsgesellschaft zu dieser Zahlung nicht bereit gefunden. Es könne durchaus davon ausgegangen werden, daß die Mitbeteiligte - im Falle von Neuvermietungen - nicht den Zinsertrag erzielen könne, den sie hätte erzielen können, wäre die alte, um 6 m zurückversetzte Baufluchtlinie beibehalten worden.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die vorliegende Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. In der Beschwerde wird dazu im wesentlichen vorgebracht, die belangte Behörde habe die Zahlung der Wohnungseigentumsgesellschaft an die Mitbeteiligte nicht als Abstandszahlung für die Zurücknahme des Rechtsmittels gegen den Baubewilligungsbescheid, sondern als Entschädigung für eine Wertminderung der Liegenschaft der Mitbeteiligten angesehen. Sie habe in diesem Zusammenhang ausgeführt, daß die Mitbeteiligte im Falle von Neuvermietungen nicht den Zinsertrag erzielen könnte, den sie erzielen würde, wenn die um 6 m zurückversetzte (ursprüngliche) Fluchtlinie eingehalten worden wäre. Damit habe aber die belangte Behörde zum Ausdruck gebracht, daß sie in der Entschädigung einen Ersatz für künftig entgehende Mieteinnahmen sehe. Diese Beurteilung sei auch richtig, da sich ja nicht die Substanz des Gebäudes der Mitbeteiligten geändert habe, sondern nur dessen künftige Nutzung durch die ursprünglich bekämpfte Bauführung beeinträchtigt werde. Entschädigungen für entgehende Mieteinnahmen seien aber gemäß § 32 Z. 1 lit. a EStG im Zusammenhalt mit § 28 leg.  cit. als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einkommensteuerpflichtig. Auch der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom , Zl. 115/68, diese Rechtsansicht zum Ausdruck gebracht.

Die belangte Behörde hat über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 32 Z. 1 EStG 1972 gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 unter anderem auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden. Der beschwerdeführende Präsident erblickt in dem von der Wohnungseigentumsgesellschaft ausdrücklich "für die Wertminderung der Liegenschaft" der Mitbeteiligten gezahlten Betrag von S l00.000,-- eine unter die eben zitierte Gesetzesstelle subsumierbare Entschädigung für entgehende Mieteinnahmen. Er übersieht dabei, daß die Wertminderung oder auch der völlige Verlust eines ertragbringenden Vermögens, wie z. B. eines Mietwohnhauses, regelmäßig mit der Minderung bzw. dem Entgang künftiger Erträge verbunden ist. Dieser Umstand allein macht aber die Entschädigung für eine Vermögenseinbuße noch nicht zu einer Entschädigung als Ersatz für künftighin entgehende Einnahmen im Sinne des § 32 Z. 1 EStG. Vielmehr setzt die Subsumtion einer Entschädigung unter die genannte Bestimmung den Ausgleich eines durch den Ausfall von Einnahmen unmittelbar verursachten Schadens voraus (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1187/69, Slg. Nr. 4162/F). Im Beschwerdefall war weder durch den Ausfall von Einnahmen bereits ein Schaden entstanden, noch wurde die Entschädigung von der Wohnungseigentumsgesellschaft für konkret erwartbare Einbußen an Mieteinnahmen geleistet. Die im Verwaltungsverfahren vorgebrachte Äußerung eines im Haus der Mitbeteiligten wohnhaften Mieters, "seine Wohnqualität" werde durch die geplante Bauführung vermindert, kann nur als Argument der Mitbeteiligten zur Untermauerung der Wertminderung ihrer Liegenschaft, nicht aber als Indiz dafür gewertet werden, daß die Wohnungseigentumsgesellschaft entgegen dem Wortlaut ihres Entschädigungsangebotes, wonach der Betrag von S l00.000,-- ausdrücklich als Entschädigung für die Wertminderung der Liegenschaft vorgesehen war, in Wirklichkeit eine Entschädigung für künftighin entgehende Mieteinnahmen leisten wollte. Im übrigen hat auch die Mitbeteiligte nach der Aktenlage der Wohnungseigentumsgesellschaft gegenüber nie behauptet, daß sie tatsächlich mit künftigen Ertragsminderungen rechnen müsse.

Auch mit dem Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 115/68, kann der beschwerdeführende Präsident nichts für seinen Standpunkt gewinnen. Im damaligen Beschwerdefall handelte es sich um die rechtliche Beurteilung einer einmaligen Gegenleistung für die Einräumung einer Dienstbarkeit an einem Gebäude (Abgang für eine Fußgängerpassage). Der Verwaltungsgerichtshof hat in dieser Leistung ausdrücklich sowohl Komponenten einer nicht steuerbaren Entschädigung für die durch die Einräumung der Dienstbarkeit bewirkte Vermögenseinbuße, als auch Komponenten eines steuerpflichtigen Nutzungsentgeltes erblickt und der belangten Behörde die notwendigen Ermittlungen zur ziffernmäßigen Feststellung dieser Komponenten aufgetragen. Ein Hinweis auf § 24 Z. 1 lit. a EStG 1953 (vergleichbar mit § 32 Z. 1

EStG 1972) findet sich in diesem Erkenntnis nur insoweit, als nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes "eine etwa nur aus dem Verlust oder der Verringerung zukünftiger Mieteinnahmen ... errechnete Vermögensminderung als Ersatz entgehender Einnahmen gemäß § 24 Z. 1 lit. a EStG zu behandeln wäre ...." Der vorliegende Beschwerdefall bietet jedoch für die Annahme einer solchen Berechnungskomponente bei der Bemessung der von der Wohnungseigentumsgesellschaft angebotenen Entschädigung keinerlei Anhaltspunkte.

Der Auffassung der belangten Behörde, es handle sich bei der Entschädigung nicht um eine Abstandszahlung für die Zurücknahme der Berufung gegen den Baubewilligungsbescheid, ist der beschwerdeführende Präsident nicht ausdrücklich entgegengetreten. Lediglich der Vollständigkeit halber sei daher gesagt, daß auch der Verwaltungsgerichtshof gegen das Ergebnis dieser rechtlichen Beurteilung, soweit dieses darin besteht, daß die streitgegenständliche Entschädigung auch nicht den Einkünften aus Leistungen gemäß § 29 Z. 3 EStG zugerechnet werden kann, keine Bedenken hat.

Das sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
EStG 1972 §28;
EStG 1972 §32 Z1;
Sammlungsnummer
VwSlg 5625 F/1981
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1981:1979003087.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
GAAAF-59186