VwGH 05.05.1982, 3003/80
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Norm | |
RS 1 | Es ist nicht von vornherein auszuschließen, daß eine Anzahl von zwei Arbeitnehmern als Gruppe im Sinne des § 3 Z 20 EStG angesehen werden kann. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. König, über die Beschwerde des Dr. JS in O, vertreten durch Dr. Anton Schleicher , Rechtsanwalt in Oberpullendorf, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 5- 1731/2/80, betreffend Nachforderung von Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für die Jahre 1975 bis 1977, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Zahnarzt und beschäftigte in seiner Ordination im Zeitraum 1975 bis 1977 insgesamt sechs, gleichzeitig allerdings stets nur vier Arbeitskräfte. Eine dieser Arbeitskräfte war die Ehegattin des Beschwerdeführers.
Anläßlich einer Lohnsteuerprüfung stellte der Prüfer fest, daß der Beschwerdeführer in den drei genannten Jahren für seine Ehegattin und in den Jahren 1976 und 1977 auch für eine weitere Angestellte namens Maria B. Lebensversicherungsprämien bezahlt und diese Beträge (jährlich S 4.000,-- für die Ehegattin und S 1.050,-- für Maria B.) als Aufwendungen des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung seiner Arbeitnehmer im Sinne des § 3 Z. 20 EStG behandelt hatte.
Der Steuerberater des Beschwerdeführers gab dazu niederschriftlich bekannt, daß der Beschwerdeführer zwei Gruppen von Arbeitnehmern beschäftige:
1. Angestellte, die als angelernte Hilfskräfte speziell technische Arbeiten durchführten. Dazu gehörten die Ehegattin des Beschwerdeführers und Maria B., für die der Beschwerdeführer Lebensversicherungsprämien geleistet habe;
2. die übrigen Angestellten, die nur Hilfsdienste in der Ordination ausübten, und für die keine zukunftssichernden Maßnahmen im Sinne des § 3 Z. 20 EStG vorgesehen seien.
Bei den Versicherungsverträgen handle es sich jeweils um eine Erlebens- und Ablebensversicherung, bei der der Beschwerdeführer als Versicherungsnehmer aufscheine. Versicherte Personen seien die Ehegattin des Beschwerdeführers bzw. Maria B. Bezüglich der Lebensversicherung der Ehegattin des Beschwerdeführers sei im Erlebensfall diese selbst, im Ablebensfall der Beschwerdeführer begünstigte Person.
Nach einer "betriebsinternen, mündlichen Abmachung" würden derartige Versicherungen "nur für die Gruppe technisches Hilfspersonal mit einer Mindestdienstzeit von zwei Jahren abgeschlossen".
Das Finanzamt teilte die Auffassung des Prüfers, daß die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der Versicherungsprämien gemäß § 3 Z. 20 EStG nicht gegeben seien, weil der Beschwerdeführer einerseits nicht für alle seine Arbeitnehmer derartige zukunftssichernde Maßnahmen getroffen habe, andererseits aber die "Unterteilung der Angestellten in eine Gruppe technisches Hilfspersonal und eine Gruppe Ordinationshilfskräfte ….. im Rahmen einer Zahnarztpraxis" nicht als stichhältig anerkannt werden könne. Dem Beschwerdeführer wurde daher mit Haftungs- und Zahlungsbescheid unter anderem S 3.596,-- an Lohnsteuer, S 846,-- an Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen sowie ein Säumniszuschlag von S 17,-- vorgeschrieben.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Bei der Gruppe von Angestellten, für deren Zukunftssicherung er Lebensversicherungsverträge abgeschlossen und die Versicherungsprämien bezahlt habe, handle es sich um "qualifizierte angelernte Arbeitskräfte, die speziell technische Arbeiten durchführen", während die zweite Gruppe von Arbeitnehmern "vorwiegend nur einfache Zubringerdienste für den Arzt erbringen". Durch die zukunftssichernden Maßnahmen solle die Gruppe des technischen Personals länger an den Betrieb gebunden und für diese Gruppe ein Leistungsansporn geboten werden. Die Anlernausbildung des technischen Personals sei mit langwierigem Zeit- und Arbeitsaufwand verbunden. Die Arbeiten erforderten eine gewisse Intelligenz und Genauigkeit. Bei einem allfälligen Ausscheiden solcher Arbeitskräfte sei daher eine Ersatzkraft nicht so problemlos zu finden wie bei Ordinationshilfskräften. Die Ehegattin des Beschwerdeführers arbeite bereits seit 30 Jahren - davon seit 1972 im Rahmen eines Dienstverhältnisses - in dessen Ordination mit und besorge "neben dem Labor und sonstigen technischen Arbeiten sämtliche schriftliche Arbeiten, wie Abrechnungen mit Kassen, Buchhaltung, Lohnverrechnung, Steuerabrechnung etc.". Für sie sei daher eine höhere Lebensversicherung "mit dem möglichen Prämienhöchstbetrag von S 4.000,--" abgeschlossen worden, während die jeweilige zweite technische Hilfskraft in den Genuß einer Erlebensversicherung mit einer angemessen niedrigeren Prämienzahlung (bedingt auch durch das geringere Alter dieser Personen) komme.
Im Berufungsverfahren wurde der Sachverhalt noch dahin gehend ergänzt, daß es sich bei der zweiten Angestellten, die neben der Ehegattin des Beschwerdeführers zur Gruppe "technisches Personal" gehört habe, und für die im Jahre 1976 erstmals ein Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen worden sei, ursprünglich nicht um Maria B., sondern um Elisabeth L. gehandelt habe. Nach Beendigung des Dienstverhältnisses mit Elisabeth L. sei aber deren Lebensversicherungsvertrag auf Maria B. im Wege einer Anschlußversicherung übertragen worden.
In der Folge ergänzte der Beschwerdeführer seine Berufung mit dem Hinweis, daß der angefochtene Bescheid noch aus einem anderen Grund rechtswidrig sei. Selbst wenn man der Auffassung des Finanzamtes folgen und die Steuerfreiheit der Lebensversicherungsprämien verneinen wollte, erweise sich die Berechnung der im Haftungsweg nachgeforderten Lohnsteuer als unrichtig. Eine richtige Berechnung ergebe einen um S 1.533,-- geringeren Betrag.
Die belangte Behörde gab der Berufung insoweit statt, als sie die Lohnsteuernachforderung entsprechend der Berechnung des Beschwerdeführers um S 1.533,-- herabsetzte. Im übrigen wies sie die Berufung ab, weil es zu weit führen würde, "wollte man die in einer Zahnarztpraxis als Angestellte beschäftigten vier Dienstnehmer noch in Gruppen wie 'technisches Personal' und 'Hilfspersonal' einteilen". Im Jahr 1975 habe im übrigen nur für die Ehegattin des Beschwerdeführers ein Lebensversicherungsvertrag bestanden.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften erblickt der Beschwerdeführer insbesondere darin, daß zusätzliche Erhebungen im Berufungsverfahren von demselben Beamten vorgenommen worden seien, der auch die Lohnsteuerprüfung durchgeführt habe; es hätte aber "ein anderer unbefangener Finanzbeamter die neuerlichen Erhebungen durchführen müssen". Auch sei die vom Beschwerdeführer beantragte mündliche Verhandlung unterblieben. Was den Umstand betreffe, daß der Beschwerdeführer für seine Ehegattin bereits im Jahr 1975, für die Angestellte Elisabeth L. jedoch erst im Jahr 1976 einen Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen habe, sei zu sagen, daß Elisabeth L. im Jahr 1975 insgesamt erst zweieinhalb Jahre beim Beschwerdeführer beschäftigt und als technische Hilfskraft noch anzulernen gewesen sei. Schließlich verwies der Beschwerdeführer auf § 18 des Kollektivvertrages betreffend die bei Fachärzten für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (approbierten Zahnärzten) oder Dentisten beschäftigten Angestellten (gültig ab ), wonach bei der Entlohnung zwischen
Ordinationshilfen,
Techniker-Assistenten und Zahntechnikergesellen sowie
Dentisten-Assistenten und Zahntechnikermeistern unterschieden werde. Seine Ehegattin und Elisabeth L. bzw. Maria
B. führten technische Arbeiten im Labor durch und seien daher als von den übrigen Angestellten objektiv abgrenzbare Gruppe anzusehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 3 Z. 20 EStG 1972 in der Fassung der Einkommensteuergesetz-Novelle 1974, BGBl. Nr. 469, sind Aufwendungen des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung seiner Arbeitnehmer von der Einkommensteuer befreit, soweit diese Aufwendungen für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen seiner Arbeitnehmer getätigt werden oder dem Betriebsratsfonds zufließen und für den einzelnen Arbeitnehmer S 4.000,-- jährlich nicht übersteigen.
Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, daß bei einer Anzahl von insgesamt nur vier Dienstnehmern eines Zahnarztes eine Aufteilung in "bestimmte Gruppen" nicht in Betracht komme. Diese Rechtsansicht ist verfehlt, weil nicht von vornherein auszuschließen ist, daß eine Anzahl von zwei Personen als Gruppe im Sinne der zitierten Bestimmung angesehen werden kann. Voraussetzung dafür, daß die im § 3 Z. 20 EStG vorgesehene Steuerbefreiung auch zum Tragen kommt, wenn der Arbeitgeber bei Maßnahmen der Zukunftssicherung zwischen bestimmten Gruppen seiner Arbeitnehmer unterscheidet, wird allerdings sein, daß die unterschiedliche Vorgangsweise sachlich begründbar und nicht willkürlich ist. Die Gruppenmerkmale müssen sohin betriebsbezogen sein und die unterschiedliche Vorgangsweise rechtfertigen. Nur so wird der Bestimmung des § 3 Z. 20 EStG sinnvoll entsprochen, die zum Ausdruck bringt, daß willkürliche Unterschiede zwischen den einzelnen Arbeitnehmern bzw. eine individuelle Vorgangsweise bei Maßnahmen der Zukunftssicherung der Steuerfreiheit von solcherart gewährten Vorteilen aus dem Dienstverhältnis entgegenstehen.
Da die belangte Behörde von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen ist, indem sie die Zulässigkeit einer unterschiedlichen Vorgangsweise des Beschwerdeführers bei Maßnahmen der Zukunftssicherung seiner Arbeitnehmer allein im Hinblick darauf verneint hat, daß der Beschwerdeführer insgesamt nur vier Arbeitnehmer beschäftigt hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.
Damit erübrigt es sich, auf die geltend gemachten Verfahrensmängel näher einzugehen. Bemerkt sei lediglich, daß die gerügte Unterlassung der beantragten mündlichen Verhandlung schon deswegen keinen Verfahrensmangel darstellen kann, weil eine mündliche Verhandlung nur im Berufungsverfahren vor dem Berufungssenat vorgesehen ist (§ 284 BAO), über die Berufung des Beschwerdeführers jedoch gemäß § 260 BAO monokratisch zu entscheiden war.
Im fortgesetzten Verfahren wird jedoch noch zu klären sein, ob und inwieweit die vom Beschwerdeführer für einen Teil seiner Arbeitnehmer aufgewendeten Versicherungsprämien tatsächlich als Aufwendungen für eine "bestimmte Gruppe seiner Arbeitnehmer" angesehen werden können, wobei insbesondere von Bedeutung sein wird, ob die Gruppenmerkmale auch mit genügender Deutlichkeit festgelegt waren, oder ob es sich dabei um individuell gewährte Vorteile aus dem Dienstverhältnis handelte.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 221, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Ein über den pauschalen Ersatz des Schriftsatzaufwandes hinausgehender Ersatz der Umsatzsteuer und der Aufwendungen des Steuerberaters ist gesetzlich nicht vorgesehen und war daher nicht zuzusprechen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1982:1980003003.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
NAAAF-59136