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VwGH 21.04.1961, 2966/58

VwGH 21.04.1961, 2966/58

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Wird ein Wirtschaftsgut gegen Leibrente erworben, liegt eine Gegenleistung vor, die völlig unbestimmt ist bzw nur nach versicherungsmathematischen Grundsätzen ungefähr ermittelt werden kann. In der Übernahme des in der Ungewißheit des Leibrentenvertrages als eines aleatorischen Geschäftes liegenden Wagnisses, liegt die tatsächliche Gegenleistung für das erworbene Wirtschaftsgut, dessen Anschaffungswert somit in der Regel mit dem im Zeitpunkt des Erwerbes ermittelten Kapitalwert der Rentenverpflichtung gleich hoch sein wird. Dieser Anschaffungswert kann allenfalls noch durch Nebenabreden, wie sie auch sonst bei Kaufverträgen vorzukommen pflegen (zB Wertsicherungsklauseln), nachträglich beeinflußt werden. Änderungen, die auf den aleatorischen Charakter der Leibrentenschuld zurückzuführen sind, erhöhen oder vermindern zwar die Verbindlichkeit als solche, können jedoch den Anschaffungswert des gegen Übernahme der Leibrentenverpflichtung erworbenen Wirtschaftsgutes nicht mehr beeinflussen.
Normen
RS 2
Das Wagnis des Rentenverpflichteten, damit aber auch der Anschaffungswert des gegen Leibrente erworbenen Wirtschaftsgutes, wird - auch rückblickend gesehen - weder geringer, wenn der Rentenberechtigte früher stirbt, als nach der durchschnittlichen Lebenserwartung anzunehmen war, noch auch größer, wenn er den versicherungsmathematisch ermittelten Endzeitpunkt der Rente weit überlebt. Denn beide Fälle stellen sich nur als zwangsläufige Auswirkungen jenes Risikos dar, das der Rentenverpflichtete bei Abschluß des Leibrentenvertrages bewußt auf sich genommen und gewollt hat. Sie wirken sich als typische Riskenfälle in der Erfolgsrechnung des Rentenverpflichteten als Gewinn oder Verlust aus, keineswegs aber als nachträgliche Erhöhung oder Verminderung des Anschaffungswertes des seinerzeit gegen Übernahme der Rentenverpflichtung erworbenen Wirtschaftsgutes. Diesen Anschaffungswert darf daher der Rentenverpflichtete im Falle des frühzeitigen Todes des Rentenberechtigten nicht um den Wert der restlichen Rentenschuld vermindern, wie er ihn ja auch im Falle eines längeren Lebens des Rentenberechtigten, als der Wahrscheinlichkeitstabelle entspricht, nicht um die den kapitalisierten Wert der Rentenschuld übersteigenden Rentenbeträge erhöhen muß.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Wasniczek und die Räte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Eichler und Dr. Kaupp als Richter, im Beisein des Ministerialoberkommissärs Skarohlid als Schriftführer, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland in Wien gegen die Entscheidung der Berufungskommission für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA VI - 1686/2 - 1957, betreffend Gewerbesteuer 1954 der MW in W, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die Mitbeteiligte ist Inhaberin eines Espressos. Sie ermittelt den Gewinn aus Gewerbebetrieb durch Vermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG. In einem am abgeschlossenen Leibrentenvertrag hatte sie sich gegenüber der früheren Konzessionsinhaberin zur Zahlung einer monatlichen Leibrente verpflichtet, wogegen diese ihre Konzession zum Betrieb des Kaffeesiedergewerbes zugunsten der Mitbeteiligten zurücklegte. In der Bilanz zum hatte die Mitbeteiligte den Kapitalwert der Leibrentenverpflichtung mit S 162.000 bewertet und in gleicher Höhe auf der Aktivseite einen Konzessionswert angesetzt. Die monatlich entrichteten Renten wurden bis zu dem am erfolgten Tode der Rentenberechtigten laufend zu Lasten der Rentenverpflichtung gebucht, sodaß am Todestage die Leibrentenverpflichtung noch mit einem Betrage von S 71.200 zu Buch stand. Anläßlich des Jahresabschlusses 1954 buchte die Mitbeteiligte diese restliche Passivpost gegen das Konto „Konzessionswert“ aus und verminderte diesen somit auf den Betrag von S 90.800.

Im Zuge einer Betriebsprüfung beanstandete der Prüfer diese Form der Abbuchung des für die restliche Leibrentenverpflichtung zu Buche gestandenen Betrages. Er vertrat die Ansicht, daß im Jahre 1954 zwischen dem Werte der Gewerbeberechtigung und dem Buchwert der Rentenverpflichtung kein Zusammenhang mehr bestanden habe, sodaß der Wegfall der restlichen Rentenverpflichtung als außerordentlicher Ertrag zu verbuchen sei, während der Wertansatz der Konzession unverändert mit S 162.000 beibehalten werden müsse, Das Finanzamt schloß sich der Ansicht des Betriebsprüfers an und erließ einen entsprechend berichtigten Gewinnfeststellungsbescheid bzw. Gewerbesteuerbescheid für das Jahr 1954.

Dagegen erhob die Mitbeteiligte Berufung. Sie führte dabei aus, daß in dem Wegfall der restlichen Leibrentenverpflichtung nicht ein außerordentlicher Gewinn, sondern eine nachträgliche Ermäßigung des Kaufpreises bzw. Verminderung der Anschaffungskosten erblickt werden müsse, die durch eine entsprechende Herabsetzung des für die Konzession angesetzten Anschaffungswertes zu berücksichtigen sei.

Die belangte Behörde gab der Berufung der Mitbeteiligten mit dem angefochtenen Bescheide Folge. Dabei hob sie zunächst den Gewinnfeststellungsbescheid ersatzlos auf, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für eine gesonderte Gewinnfeststellung nicht gegeben waren (in diesem Punkte wird der angefochtene Bescheid durch die vorliegende Beschwerde nicht bekämpft). Im übrigen begründete die belangte Behörde ihre stattgebende Entscheidung damit, daß bei Eingehen einer Leibrentenverpflichtung deren Wert nur mit einem mehr oder weniger großen Grad der Wahrscheinlichkeit bestimmt werden könne. Das genaue Ausmaß der Anschaffungskosten könne bei Leibrenten in der Regel erst mit dem Tode des Rentenberechtigten ermittelt werden. Erlösche nun das Rentenrecht, so falle der noch vorhandene Restbetrag des Passivpostens weg, sodaß sich in der Jahresschlußbilanz zunächst der Gewinn entsprechend erhöhe. Andererseits sei aber nun das um die Leibrente erworbene Wirtschaftsgut mit den tatsächlichen Anschaffungskosten gemäß § 6 Z. 2 EStG zu bewerten. Im vorliegenden Falle stehe dem durch Wegfall der Rentenverpflichtung entstandenen Buchgewinn von S 71.200 der aus der Berichtigung der Anschaffungskosten für die Konzession resultierende Verlust von S 71.200 entgegen, sodaß sich per Saldo ein Gewinn nicht ergebe. Die vorstehende Auffassung stehe auch mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof im Einklang, der in seinem Erkenntnis vom , Slg. Nr. 1063/F, dargelegt habe, daß eine Erhöhung der Kaufpreisrente auf Grund einer Wertsicherungsabrede eine Erhöhung des Kaufpreises und mithin der Anschaffungskosten für das gekaufte Wirtschaftsgut darstelle. Füglich müsse eine Verminderung der zuerst nur schätzungsweise angenommenen Anschaffungskosten auf ihr tatsächliches Ausmaß zu einer Herabsetzung des Buchwertes des bilanzierten Wirtschaftsgutes in dem Zeitpunkt führen, in dem die tatsächlichen Anschaffungskosten feststehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 23 AbgRG gestützte Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland. Damit wird ausgeführt, daß der Wegfall der Rentenverpflichtung im vorliegenden Falle zu einer Streichung des buchmäßig noch vorhandenen Schuldpostens und damit zu einer Erhöhung des Betriebsvermögens bzw. zu einem Gewinn geführt habe. Das vorzeitige Erlöschen der Last infolge Ablebens der Berechtigten könne nicht einer nachträglichen Ermäßigung des Erwerbspreises gleichgehalten werden, die eine Berichtigung der Anschaffungskosten für die Konzession rechtfertigen würde. Denn der ursprünglich objektiv richtig ermittelte Wert der Konzession sei durch das Aufhören der Rentenverpflichtung nicht unrichtig geworden, sondern die Schuld sei erst später durch ein Ereignis, das nach ihrer Entstehung und Bewertung bzw. der Bewertung der Konzession eingetreten sei, weggefallen. Dadurch könne aber am Buchwerte der erworbenen Wirtschaftsgüter keine Änderung eintreten.

Der Gerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 6 Z. 2 EStG sind Wirtschaftsgüter des Betriebes, die nicht der Abnutzung unterliegen, mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bewerten. Dies ist im vorliegenden Fall auch hinsichtlich der Konzession des Kaffeehausbetriebes der Mitbeteiligten geschehen, die im Jahre 1950 zutreffenderweise mit dem Kapitalwerte der hiefür gegenüber der früheren Betriebsinhaberin übernommenen Leibrentenverpflichtung bewertet wurde.

Dabei ist zu beachten, daß der Erwerb eines Wirtschaftsgutes gegen Übernahme einer Leibrentenverpflichtung nicht ohne weiteres mit einem Erwerb gegen Zahlung eines bestimmten Kaufpreises gleichgestellt werden kann. Denn ein Kaufvertrag liegt nach § 1053 ABGB nur dann vor, wenn eine Sache um eine bestimmte Summe Geldes einem anderen überlassen wird. Es kann daher auch von einem Kaufpreis nur insoweit gesprochen werden, als die Gegenleistung für die Überlassung eines Wirtschaftsgutes schon beim Vertragsabschluß ziffernmäßig bestimmt oder wenigstens bestimmbar ist, nicht aber, wenn die Höhe der Gegenleistung - wie bei einem Leibrentenvertrag - von ungewissen künftigen Ereignissen, nämlich dem Todestag des Rentenberechtigten abhängt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 208/F).

Infolge dieser Abhängigkeit von einem ungewissen künftigen Ereignis können die einzelnen auf Grund eines Leibrentenvertrages zu erbringenden Leistungen auch nicht als Kaufpreisraten angesehen werden. Denn es handelt sich hier nicht um eine bestimmte, aus einzelnen Teilbeträgen zusammengesetzte Summe, sondern um eine Gegenleistung, deren Höhe völlig unbestimmt ist bzw. nur nach versicherungsmathematischen Grundsätzen ungefähr ermittelt werden kann. In dieser Ungewißheit der Höhe der Leibrentenverpflichtung liegt aber ein Wagnis, das die Partner eines Leibrentenvertrages als eines aleatorischen Geschäftes bewußt eingehen, ja geradezu anstreben. Die Übernahme dieses Wagnisses, dessen Größe nur auf versicherungsmathematischem Wege schätzbar ist, stellt die tatsächliche Gegenleistung für das erworbene Wirtschaftsgut dar, dessen Anschaffungswert somit in der Regel mit dem im Zeitpunkt des Erwerbes ermittelten Kapitalwert der Rentenverpflichtung gleich hoch sein wird. Denn bei einem reellen Vertragsabschluß werden sich üblicherweise der Wert des erworbenen Wirtschaftsgutes und der Wert der übernommenen Rentenverpflichtung die Waage halten.

Damit sind aber die Anschaffungskosten des erworbenen Wirtschaftsgutes im wesentlichen endgültig fixiert. Sie könnten allenfalls noch durch irgendwelche vertragliche Nebenabreden, wie sie auch sonst bei Kaufverträgen vorzukommen pflegen, nachträglich beeinflußt werden, so z.B. durch das Wirksamwerden einer Wertsicherungsklausel, wie dies beispielsweise in dem Falle des von der belangten Behörde zitierten hg. Erkenntnisses vom , Slg. Nr. 1063/F, zutraf. Dort handelte es sich somit um eine nachträgliche Änderung des Anschaffungswertes, wie sie auch bei anderen entgeltlichen - nicht aleatorischen - Verträgen vorkommt und die nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes als nachträgliche Anschaffungskosten zu beurteilen sind.

Anders verhält es sich dagegen mit jenen Veränderungen der Leibrentenschuld, welche nur auf den rein aleatorischen Charakter dieses Geschäftes zurückzuführen sind. Diese erhöhen oder vermindern zwar die Verbindlichkeit als solche, vermögen jedoch den Anschaffungswert des gegen Übernahme der Leibrentenverpflichtung erworbenen Wirtschaftsgutes nicht mehr zu beeinflussen, wenn dieser seinerzeit richtig errechnet wurde. Denn dieser Anschaffungswert war an der Größe des Wagnisses zu messen, das die Übernahme einer Leibrentenverpflichtung damals bedeutete. Dieses Wagnis als solches, das naturgemäß nur mit einer Wahrscheinlichkeitsziffer bewertet werden kann, wird aber - auch rückblickend gesehen - weder geringer, wenn der Rentenberechtigte früher stirbt, als nach der durchschnittlichen Lebenserwartung anzunehmen war, noch auch größer, wenn er den versicherungsmathematischen Endzeitpunkt der Rente weit überlebt. Denn beide Fälle stellen nur zwangsläufige Auswirkungen jenes Risikos dar, das der Rentenverpflichtete bei Abschluß des Leibrentenvertrages als eines aleatorischen Geschäftes bewußt auf sich genommen und gewollt hat. Sie wirken sich als typische Riskenfälle in der Erfolgsrechnung des Rentenverpflichteten als Gewinn oder Verlust aus, keineswegs aber als nachträgliche Erhöhung oder Minderung des Anschaffungswertes des seinerzeit gegen Übernahme der Rentenverpflichtung erworbenen Wirtschaftsgutes. Diesen Anschaffungswert darf daher der Rentenverpflichtete im Falle des frühzeitigen Todes des Rentenberechtigten nicht um den Wert der restlichen Rentenschuld vermindern, wie er ihn ja auch im Falle eines längeren Lebens des Rentenberechtigten als der Wahrscheinlichkeitstabelle entspricht, nicht um die den kapitalisierten Wert der Rentenschuld übersteigenden Rentenbeträge erhöhen muß.

Da die belangte Behörde diese Rechtslage im vorliegenden Falle offenbar verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

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Fundstelle(n):
BAAAF-59098

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