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VwGH 04.03.1980, 2944/79

VwGH 04.03.1980, 2944/79

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
BauO NÖ 1976 §21;
BauRallg impl;
RS 1
§ 21 Abs 4 Satz 2 NÖ BauO kommt nicht zur Anwendung, wenn bei Bauplätzen im Hinblick auf ihre Lage zu Verkehrsflächen eine "hintere" Grundstücksgrenze nicht vorhanden ist, sondern bloß seitliche Grundgrenzen (Eckbauplatz).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Draxler, DDr. Hauer, Dr. Degischer und Dr. Domittner, als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. Dworak, über die Beschwerde des EO in P, vertreten durch Dr. Adolf Fiebich, Rechtsanwalt in Wien I, Stubenring 20, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , GZ. II/2-V-79192, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Niederösterreich (Landesinnung der Tischler) in Wien I, Herrengasse 10, 2. Stadtgemeinde Pöchlarn, vertreten durch den Herrn Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des Grundstückes 141, inneliegend in EZ. 170 des Grundbuches über die Katastralgemeinde X. In seiner Eigenschaft als Nachbar wurde er vom Bürgermeister der Stadtgemeinde Pöchlarn zur Bauverhandlung am unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG 1950 geladen. Gegenstand dieser Verhandlung war das Ansuchen der Erstmitbeteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens um Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Speisesaales auf den östlich angrenzenden Grundstücken n1 und n2 derselben Katastralgemeinde. Der Beschwerdeführer wendete gegen das Bauvorhaben ein, dass ein Abstand von der gemeinsamen Grundgrenze von 5 m einzuhalten sei. Der technische Amtssachverständige erachtete bei Einhaltung bestimmter Vorschreibungen das Bauvorhaben als genehmigungsfähig. Festgestellt wurde noch, dass ein Bebauungsplan nicht vorliege.

Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der Stadtgemeinde Pöchlarn antragsgemäß die Baubewilligung. Die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden mit der Begründung abgewiesen, dass im Hinblick auf die Lage des Bauplatzes an der Sgasse und J-straße der einzuhaltende Abstand ein Seitenabstand und kein hinterer Abstand sei. Einer Berufung wurde aus Gründen besonderer Dringlichkeit die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wies der Gemeinderat der Stadtgemeinde Pöchlarn mit Beschluss vom - intimiert mit Bescheid vom als unbegründet ab. Die Berufungsbehörde schloss sich der Ansicht der Erstinstanz an.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die Niederösterreichische Landesregierung der Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den erwähnten Berufungsbescheid keine Folge. Die Aufsichtsbehörde ging davon aus, dass das Internatsgebäude und der Speisesaal sowohl von der J-, K-Straße als auch von der S-gasse begrenzt werde. Der Bauplatz Grundstücke n1 und n2 grenze unmittelbar an die S-gasse. Nach den bewilligten Einreichplänen sei der Zugang zum neuen Speisesaal von der S-gasse aus vorgesehen, sodass die Grundgrenze zum Grundstück n3 jedenfalls als seitliche Grundgrenze angesehen werden müsse. Die Forderung nach Einhaltung eines 5 m breiten Bauwichs sei daher im Gesetz nicht begründet und der vorgeschriebene Bauwich von 3 m entspreche im Hinblick auf die vorgesehene Gebäudehöhe der Bestimmung des § 21 Abs. 4 NÖ Bauordnung 1976.

Der Beschwerdeführer fühlt sich durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt, und zwar 1. in seinem Recht auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens zur Feststellung, ob es sich bei der Grundgrenze zwischen seinem Grundstück und jenem der Mitbeteiligten "um das rückwärtige oder seitliche Grundstück" handle, sohin um festzustellen, ob im Sinne des § 21 Abs. 4 NÖ Bauordnung der Bauwich mindestens 3 m oder mindestens 5 m betragen müsse, und 2. in seinem Recht auf gesetzmäßige Anwendung der Bestimmungen der §§ 21 Abs. 3, 21 Abs. 4 und 106 NÖ Bauordnung.

Über die Beschwerde, über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift sowie über die Gegenäußerung des Beschwerdeführers hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Prüfungsbefugnis des Gerichtshofes in nachbarrechtlichen Verfahren auf jene Einwendungen beschränkt, die von den Nachbarn rechtzeitig im Verfahren vor der Baubehörde erster Instanz erhoben wurden (VwSlg. 6246/A, 6777/A, 6980/A, u.a.). Dies bedeutet für den Beschwerdefall, dass die in der Beschwerde geltend gemachte Rechtsverletzung der Bestimmungen des § 21 Abs. 3 NÖ Bauordnung 1976, LGBl. Nr. 8200-0, nicht näher zu erörtern war, weil im erstinstanzlichen Verfahren ausschließlich die Einwendung erhoben wurde, der (nach § 21 Abs. 4 NÖ Bauordnung) einzuhaltende Mindestabstand von 5 m sei nicht gewahrt worden. Nach § 21 Abs. 4 Satz 1 NÖ Bauordnung 1976 muss der Bauwich eine Mindestbreite im Ausmaß der Gebäudehöhe, mindestens 3 m, aufweisen. Der zweite Satz dieser Gesetzesstelle lautet:

"Gegen die hintere Grundstücksgrenze ist ein Grundstreifen in der Mindestbreite des Ausmaßes der halben Gebäudehöhe, mindestens 5 m, von jeder Bebauung freizuhalten."

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist nun die Frage strittig, ob die Grundgrenze zwischen dem Grundstück des Beschwerdeführers n3 und den Grundstücken n1 und n2 der Mitbeteiligten eine seitliche Grundgrenze oder eine hintere Grundgrenze darstellt. Der Gesetzgeber ging bei der Normierung des § 21 Abs. 4 Satz 2 NÖ Bauordnung 1976 offensichtlich von dem Regelfall aus, dass ein Bauplatz eine vordere, an der Verkehrsfläche liegende Front, zwei seitliche Fronten sowie eine hintere Front und demnach vordere, seitliche und hintere Grundstücksgrenzen besitzt. Dieser Fall liegt jedoch dann nicht vor, wenn ein Bauplatz durch mehrere Verkehrsflächen begrenzt wird, weil die nach § 21 Abs. 4 des Gesetzes einzuhaltende Mindestabstände sich auf Grundstücksgrenzen der Anrainer beziehen. In diesem Sinne definiert nämlich § 2 Z. 8 NÖ Bauordnung 1976 den Begriff Bauwich als Abstand eines Gebäudes zu den Grundstücksgrenzen der Anrainer. Im Beschwerdefall kann es nun dahingestellt bleiben, welche Grundstücke der zu verbauenden Liegenschaft als Bauplatz im Sinne des § 2 Z. 7 des Gesetzes anzusehen sind, weil die Grundflächen stets von mindestens zwei öffentlichen Verkehrsflächen begrenzt werden und daher dieser Bauplatz als so genannter Eckbauplatz - diese Begriffsbestimmung kennt allerdings die Niederösterreichische Bauordnung 1976 nicht - zu beurteilen wäre. Die mit dem Grundstück des Beschwerdeführers gemeinsame Grundstücksgrenze des Bauplatzes könnte nicht als hintere Grundstücksgrenze im Sinne des Gesetzes qualifiziert werden, weil die nicht von öffentlichen Verkehrsflächen gegebenen Bauplatzgrenzen seitliche Grundgrenzen darstellen (vgl. das vom gleichen Gedanken getragene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg.N.F. Nr. 5178/A, zu § 76 der Bauordnung für Wien). Die Gemeindebehörden und die belangte Behörde haben daher richtig den von der Grundgrenze des Beschwerdeführers einzuhaltenden Abstand als Seitenabstand beurteilt und der Beschwerdeführer wurde sohin durch die Abweisung seiner rechtzeitig erhobenen Einwendung in keinem Recht verletzt.

Im übrigen hat der Beschwerdeführer übersehen, dass im erstinstanzlichen Verfahren festgestellt wurde, dass ein Bebauungsplan nicht besteht, also der diesbezügliche geltend gemachte Verfahrensmangel nicht vorliegt.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens ist dem Beschwerdeführer einzuräumen, dass auf Grund der ausdrücklichen Vorschrift des § 106 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1976 vor Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides mit dem Beginn des Baues nicht hätte begonnen werden dürfen, jedoch wurde dadurch der Beschwerdeführer letztlich in keinem subjektiv öffentlichen Recht verletzt, weil die von ihm rechtzeitig erhobene Einwendung von der Baubehörde zu Recht als unbegründet abgewiesen wurde. Mit Rücksicht auf die Abweisung der Beschwerde als unbegründet, kann dahingestellt bleiben, ob dem Nachbar überhaupt ein Rechtsanspruch auf Erlassung eines Bescheides betreffend die Einstellung des Bauvorhabens zukommt.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 sowie die Verordnung BGBl. Nr. 542/1977.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BauO NÖ 1976 §21;
BauRallg impl;
Schlagworte
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar Diverses BauRallg5/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1980:1979002944.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
JAAAF-59078