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VwGH 17.12.1980, 2942/79

VwGH 17.12.1980, 2942/79

Entscheidungsart: BeschlussVS

Rechtssätze


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Normen
AVG §26 Abs1
AVG §31
VwGG §13 Z3
RS 1
Ist eine im Inland wohnende Person zum Empfang der für eine Partei bestimmten Schriftstücke ermächtigt, kann nicht auch an die Partei selbst rechtswirksam zugestellt werden (Anmerkung: Ein Zustellungsmangel, der darin begründet ist, daß nicht dem ausgewiesenen Bevollmächtigten, sondern dem Vollmachtgeber zugestellt wurde, wird daher nicht dadurch geheilt, daß das Schriftstück dem Vollmachtgeber zukommt, vielmehr nur dadurch, daß das Schriftstück in der Folge an den Bevollmächtigten gelangt).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 1232/53 E VS VwSlg 3949 A/1956; RS 1
Normen
AVG §31
VwGG §13 Z3
RS 2
Die Weiterleitung eines Bescheides, welcher dem durch einen Rechtsanwalt vertretenen Bf auf Grund einer diesbezüglichen Zustellverfügung der Behörde persönlich zugekommen ist, an seinen Vertreter führt nicht zur "Erlassung" des Bescheides.
Normen
AVG §31
VwGG §13 Z3
RS 3
Durch die - auf den Namen des Bf lautende und keinen Hinweis auf ein Vertretungsverhältnis enthaltende - Zustellverfügung hat die Behörde unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass das Schriftstück iSd § 31 AVG 1950 für den Bf persönlich bestimmt ist, dass also den Bf dessen "Empfänger" ist. Wer "Empfänger" iSd dieser Bestimmung ist, hängt nämlich vom Willen der Behörde ab.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Pichler, Dr. Baumgartner, Dr. Drexler, Dr. Närr, Dr. Weiss, Dr. Degischer und Dr. Pokorny als Richter, im Beisein der Schriftführer Richter Dr. Gerhard und Oberkommissär Dr. Schindler, in der Beschwerdesache des Ing. WH in W, vertreten durch Dr. Matthias Mayer, Rechtsanwalt in Wien I, Kramergasse 1, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 70-IX/H 449/79/Str., betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wien vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, am als Lenker des dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw um 22.30 Uhr in Wien XIII, Hietzinger Hauptstraße 6, die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit erheblich überschritten und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 20 Abs. 2 StVO 1960 begangen zu haben, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 400,-- (Ersatzarreststrafe ein Tag) verhängt worden ist. Gegen diese Strafverfügung erhob der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter rechtzeitig Einspruch, wobei er eine Vollmacht mit nachstehendem Wortlaut vorlegte:

„Ich bevollmächtige Herrn Rechtsanwalt Dr. Matthias Mayer .... mich im Verwaltungsstrafverfahren Pst 2322/79 vor der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspol. Koat. Hietzing zu vertreten.“

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens erließ die Bundespolizeidirektion Wien das Straferkenntnis vom , mit welchem sie den Beschwerdeführer neuerlich der erwähnten Verwaltungsübertretung für schuldig befand und eine Geldstrafe in gleicher Höhe verhängte. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters am zugestellt, worauf der Beschwerdeführer - wiederum durch seinen Vertreter - dagegen rechtzeitig die Berufung einbrachte.

Ein mit datierter (abweisender) Berufungsbescheid der Wiener Landesregierung, Zl. MA 70-IX/H 449/79/Str., wurde an „Herrn Ing. WH X-Straße, W“, also dem Beschwerdeführer persönlich, zugestellt. Ein diesbezüglicher Zustellnachweis ist den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen.

Mit der am beim Magistrat der Stadt Wien, Abteilung 70, eingelangten Eingabe beantragte der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Vertreter die neuerliche Zustellung des Berufungsbescheides vom zu Handen seines Vertreters, da es sich bei der Zustellung des Bescheides an ihn persönlich „um einen nichtigen Akt“ handle. Daraufhin wurde ein mit datierter Berufungsbescheid der Wiener Landesregierung, Zl. MA 70-IX/H 449/79/Str., dem Beschwerdeführer zu Handen seines Vertreters am nachweislich zugestellt.

Bereits mit dem am zur Post gegebenen Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer „gegen den Berufungsbescheid des Amtes der Wiener Landesregierung MA 70-IX/H 449/79“ (vom ) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

In Beantwortung eines hg. Verbesserungsauftrages vom teilte der Beschwerdeführer dem Gerichtshof mit, daß ihm der angefochtene Bescheid „am zugekommen“ sei. Der Beschwerde wurde eine Kopie des Bescheides der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 70-IX/H 449/79/Str., angeschlossen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 13 Z. 1 und 3 VwGG 1965 verstärkten Senat beschlossen:

Aus der vorstehenden Sachverhaltsdarstellung geht hervor, daß der Beschwerdeführer mit dem Einspruch gegen die Strafverfügung vom eine Vollmacht vorgelegt hat, wonach er „im Verwaltungsstrafverfahren Pst 2322/79 vor der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspol. Koat Hietzing“ durch einen Rechtsanwalt vertreten wird. In der Folge hat die Bundespolizeidirektion Wien daher u.a. auch das Straferkenntnis vom dem Beschwerdeführer zu Handen seines Vertreters zugestellt. Die dagegen gerichtete Berufung wurde ebenfalls vom Vertreter des Beschwerdeführers abgefaßt und eingebracht. Die Berufungsschrift trägt überdies auf Seite 1 noch den Vermerk „Vollmacht ausgewiesen“ und enthält einleitend einen Hinweis auf den „ausgewiesenen Vertreter Dr. Matthias Mayer“. Daraus ergibt sich, daß der Beschwerdeführer auch im Berufungsverfahren vertreten war. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen hat, angesichts des Wortlautes der Vollmachtsurkunde allenfalls bestehende Zweifel hinsichtlich der Vertretungsbefugnis auch im Berufungsverfahren unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 AVG 1950 von Amts wegen beheben zu lassen (vgl. § 10 Abs. 2 leg. cit.).

Im Beschwerdefall ist nun im Hinblick auf den geschilderten Sachverhalt die Rechtsfrage zu lösen, ob ungeachtet des Umstandes, daß der angefochtene Bescheid entsprechend der Bescheidadresse und der Zustellverfügung nicht an den Vertreter, sondern an die Partei selbst zugestellt worden ist, dadurch eine Rechtswirksamkeit des Bescheides eingetreten ist, daß er von der Partei dem Vertreter ausgehändigt worden ist.

Für die Beantwortung dieser Frage kommen im Beschwerdefall zufolge § 24 VStG 1950 nachstehende Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 in Betracht.

§ 26. (1) Ist eine im Inland wohnende Person zum Empfang der für einen Beteiligten bestimmten Schriftstücke ermächtigt, so erfolgen die Zustellungen an diese.

§ 31. Unterlaufen bei der Zustellung Mängel, so gilt sie als in dem Zeitpunkte vollzogen, in dem das Schriftstück der Person, für die es bestimmt ist (Empfänger), tatsächlich zugekommen ist.

Nach dem Rechtssatz eines verstärkten Senates vom , Anhang Nr. 77 in Slg. 1956, kann im Falle des § 26 Abs. 1 AVG 1950 nicht auch an die Partei selbst rechtswirksam zugestellt werden.

Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt vertreten war, liegt ein solcher Fall des § 26 Abs. 1 AVG 1950 vor, da die allgemeine Bevollmächtigung zur Vertretung auch die Ermächtigung zur Empfangnahme von Schriftstücken beinhaltet (vgl. den hg. Beschluß vom , Slg. N. F. Nr. 2027/A).

Hält man an dem erwähnten Rechtssatz vom fest - der Gerichtshof sieht keinen Anlaß, von der damals vertretenen Auffassung abzugehen -so ergibt sich daraus zwingend, daß die Übermittlung des angefochtenen Bescheides an den Beschwerdeführer selbst keine Rechtswirkungen hervorgerufen hat. Es bleibt also zu untersuchen, ob der Weiterleitung des Bescheides durch den Beschwerdeführer an seinen Vertreter die Rechtswirkung einer Zustellung zugekommen ist, der angefochtene Bescheid also im Zeitpunkt der Übergabe vom Beschwerdeführer an seinen Vertreter als erlassen zu gelten hat.

Auf dem Boden des schon zitierten § 31 AVG 1950 ist diese Frage nach Meinung des Gerichtshofes aus folgenden Erwägungen zu verneinen:

Der angefochtene 'Bescheid wurde an „Herrn Ing. WH, X-Straße, W“, gerichtet und enthält die Zustellverfügung:

„Ergeht an:

2) Die Bundes-Polizeidirektion Wien, Revisionsbüro für Polizeistrafsachen, mit Akt,

zur Kenntnisnahme des Berufungsbescheides, Zustellung der für die Partei bestimmten Gleichschrift gegen Zustellnachweis und weiteren Amtshandlung rückgemittelt.

3) für hä. Registraturakt“.

Dem Beschwerdeführer ist dieser Bescheid auch tatsächlich zugekommen, wobei die Behörde durch die keinen Hinweis auf ein Vertretungsverhältnis enthaltende Anschrift des Beschwerdeführers und eine entsprechende Zustellverfügung unmißverständlich zu erkennen gegeben hat, für wen das Schriftstück im Sinne des § 31 AVG 1950 „bestimmt ist“, wer also dessen „Empfänger“ sein soll. Für den Vertreter des Beschwerdeführers war das Schriftstück unter diesen Umständen nach dem hier allein maßgebenden Willen der Behörde jedenfalls nicht bestimmt, sodaß ein Zustellmangel nicht vorgelegen war und sohin auch nicht von einem Anwendungsfall des § 31 AVG 1950 die Rede sein kann.

Da die Weiterleitung des Bescheides vom Beschwerdeführer an seinen Vertreter demgemäß ohne rechtliche Bedeutung war und die Übermittlung des Bescheides durch die Behörde an den Beschwerdeführer nach der schon im erwähnten Rechtssatz vom vertretenen Auffassung nicht zur Erlassung des Bescheides geführt hat, muß im Beschwerdefall davon ausgegangen werden, daß es an einem Bescheid im Sinne des Art. 131 Abs. 1 B-VG mangelt, weshalb die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG 1965 mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 lit. a und b und 51 leg. cit. in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 316/1976 in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 542/1977.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §26 Abs1
AVG §31
VwGG §13 Z3
Sammlungsnummer
VwSlg 10327 A/1980
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1980:1979002942.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
FAAAF-59075