VwGH 18.04.1979, 2877/78
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | StbG 1965 §10 Abs1 Z7; |
RS 1 | Das Vorliegen eines Unterhaltsanspruches gemäß §§ 89 ff ABGB in der Fassung BGBl Nr 412/1975, der eine hinreichende Sicherung des Lebensunterhaltes gewährleistet, erfüllt das Erfordernis im Sinne des § 10 Abs 1 Z 7 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965. |
Normen | AVG §73 Abs2; VwGG §27; |
RS 2 | Zum Unterschied von den Bestimmungen des § 73 Abs 2 AVG, ist der Übergang der Entscheidungspflicht an den VwGH nicht von einer schuldhaften Verzögerung der Behörde abhängig. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2557/49 B RS 1 |
Norm | AVG §73 Abs2; |
RS 3 | Hinweise auf die Überlastung der Behörde können die Geltendmachung der Entscheidungspflicht nicht vereiteln. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 0007/59 E VwSlg 5155 A/1959 RS 1 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Loebenstein und die Hofräte Dr. Draxler, Dr. Großmann, Dr. Hoffmann und Dr. Herberth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Aigner, über die Beschwerde des JA in L, vertreten durch Dr. Peter Wiesauer, Rechtsanwalt in Linz, Hauptplatz 23, gegen die Oberösterreichische Landesregierung wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheit der Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Das Vorliegen eines entsprechenden Unterhaltsanspruches gemäß den §§ 89 ff ABGB in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 412/1975 bedeutet eine hinreichende Sicherung des Lebensunterhaltes im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 7 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965.
Der belangten Behörde wird gemäß § 42 Abs. 5 VwGG 1965 in der Fassung BGBl. Nr. 316/1976 aufgetragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung dieser Rechtsansicht binnen acht Wochen zu erlassen.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.200,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Am richtete der Beschwerdeführer - ein irakischer Staatsbürger - an die belangte Behörde einen Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, da er mit einer Österreicherin verheiratet sei und beabsichtige, ständig in Österreich zu bleiben; auch deren Kind, das im September dieses Jahres geboren werden wird, soll die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten. Seit Oktober 1969 habe er seinen ständigen Aufenthalt in Österreich. Die Frau des Beschwerdeführers erklärte sich einverstanden, dass der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft ihres Mannes auch auf das Kind erstreckt wird. Der Beschwerdeführer schloss diesem Antrag einen Lebenslauf, einen Geburts- und Staatsbürgerschaftsnachweis, den Staatsbürgerschaftsnachweis seiner Frau, die Heiratsurkunde und ein polizeiliches Führungszeugnis und in der Folge noch die Geburtsurkunde des am geborenen Sohnes an.
Die belangte Behörde beauftragte sodann den Magistrat der Stadt Linz mit der Durchführung der Erhebungen; aus den eingeholten Äußerungen der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich und der Bundespolizeidirektion Linz geht hervor, dass der Beschwerdeführer seit seinen ununterbrochenen Aufenthalt in Österreich hat, seit 1969 an der Hochschule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften in Linz inskribiert ist, nach seinen Angaben seinen Lebensunterhalt aus den von seinen Angehörigen in unregelmäßigen Abständen erhaltenen Zuwendungen in der Höhe von monatlich etwa S 5.000,-- bestreite, sowie aus dem Einkommen seiner Frau in der Höhe von S 20.320,-- brutto (der Betrag komme 16 mal zur Auszahlung). Der Beschwerdeführer gehe keiner geregelten Beschäftigung nach; im Schuljahr 1975/76 habe er am Bundesrealgymnasium Steyr als Sondervertragslehrer den Unterrichtsgegenstand Englisch unterrichtet. Gegen den Beschwerdeführer sei ein Verfahren wegen Verdachtes der Untreue anhängig. Am teilte der Beschwerdeführer der belangten Behörde mit, dass er mit Urteil vom von der Anklage gemäß § 259/4 StPO freigesprochen worden ist. Mit Eingabe vom verständigte der Beschwerdeführer die belangte Behörde, dass er als ordentlicher Hörer der Betriebswirtschaftslehre an der Johannes Kepler Universität in Linz bereits vier Diplomprüfungen abgeschlossen habe; es sei nur mehr die Magisterprüfung noch ausständig. Er arbeite derzeit an der Diplomarbeit und werde dieselbe im Herbst 1978 abgeben und voraussichtlich im Frühjahr 1979 die Magisterprüfung ablegen. Er habe die Möglichkeit, nach Abschluss des betriebswirtschaftlichen Studiums eine Stelle bei der Firma F in L zu erlangen, und lege zum Nachweis eine entsprechende Bescheinigung dieser Firma vor. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich sprach sich mit Schreiben vom gegen eine Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer aus, weil diesem eine Eingliederung in das Berufsleben offenbar noch nicht gelungen und seit dem Jahre 1974 auch kein weiterer Fortgang der im Jahre 1969 begonnenen Studien zu verzeichnen sei. Aus dem Akt ergibt sich weiters, dass gegen den Beschwerdeführer keine Strafvormerkungen bestünden und der Genannte weder in moralischer noch staatsbürgerlicher Hinsicht nachteilig aufgefallen sei.
Am brachte der Beschwerdeführer in einer schriftlichen Eingabe an die belangte Behörde durch seinen ausgewiesenen Vertreter vor, dass über seinen Antrag vom eine Entscheidung dahin getroffen werden müsse, dass diesem Antrag Folge gegeben werde, zumal die Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 StbG vorlägen. Der Beschwerdeführer habe den Nachweis erbracht, dass sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert sei. Es lägen auch besonders berücksichtigungswürdige Gründe vor, da er seine Studienkenntnisse in seinem späteren Berufsleben in einem Unternehmen verwerten könne, welches sich mit Export beschäftige, und weil er mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei und aus dieser Ehe ein Kind entstamme. Schließlich stellte der Beschwerdeführer den Antrag, den Akt gemäß § 10 Abs. 3 StbG dem Bundesminister für Inneres vorzulegen. Dieses Schreiben blieb unbeantwortet; auch eine weitere Behandlung des Antrages des Beschwerdeführers ist dem Akt nicht mehr zu entnehmen.
Am richtete der Beschwerdeführer eine Säumnisbeschwerde gemäß Art. 132 B-VG und § 27 VwGG 1965 an den Verwaltungsgerichtshof, in der er im wesentlichen darauf hinwies, dass er sich nun schon fast zehn Jahre ununterbrochen in Österreich aufhalte, dass er von seinen Verwandten in seinem Heimatstaat laufend finanziell mit einem Betrag von monatlich S 3.000 bis 5.000 unterstützt werde; diesbezüglich habe er der Behörde Bestätigungen vorgelegt. Seine Frau erhalte ein monatliches Bruttoeinkommen von S 23.000 bis 29.000 Schilling, das 16-mal zur Auszahlung komme. Schon nach dem Familienrecht bestünde eine Unterhaltsverpflichtung seiner Frau ihm gegenüber, weil er neben dem Studium infolge der Berufstätigkeit seiner Frau den Haushalt führe und das Kind betreue; sein Studium habe auch deshalb gelitten. Für die Verleihung der Staatsbürgerschaft sei aber ein abgeschlossenes Studium nicht Voraussetzung. Schließlich stellte der Beschwerdeführer den Antrag, der Verwaltungsgerichtshof wolle in Stattgebung seiner Säumnisbeschwerde in der Sache selbst erkennen und seinem Ansuchen um Verleihung der Staatsbürgerschaft stattgeben.
Der belangten Behörde wurde die Säumnisbeschwerde am zugestellt und ihr dabei freigestellt, statt der Einbringung einer Gegenschrift innerhalb von acht Wochen den Bescheid zu erlassen. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie im wesentlichen ausführte, dass eine Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß § 73 AVG 1950 nicht vorliege. Der Beschwerdeführer brachte dagegen eine Replik ein, die der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 7 VwGG 1965 zur Kenntnis gebracht wurde. Die belangte Behörde erstattete dazu eine Stellungnahme.
Gemäß § 27 VwGG 1965 kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 des Bundes-Verfassungsgesetzes erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.
Die belangte Behörde ist oberste Instanz, bei der der Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft einzubringen war. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist im Gegensatz zu § 73 Abs. 2 AVG 1950 für die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde grundsätzlich nicht entscheidend, ob die Verzögerung auf ein Verschulden der belangten Behörde zurückzuführen ist oder nicht. Aus dem vorgelegten Verfahrensakt ist nicht zu entnehmen, dass ein über zwei Jahre währendes Ermittlungsverfahren zur Prüfung des Antrages des Beschwerdeführers notwendig gewesen ist oder der Parteiantrag mit Formgebrechen behaftet gewesen wäre, die vom Beschwerdeführer auf Grund behördlicher Aufforderung nicht behoben worden wären. Der allgemeine Hinweis auf die Überlastung der Behörde kann die Geltendmachung der Entscheidungspflicht nicht vereiteln (vgl. Verwaltungsgerichtshof Erkenntnis vom , 7/59, Slg. Nr. 5155/A, und vom , Zl. 107/69).
Beim gegenwärtigen Stand des Verfahrens erscheint es dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 5 VwGG 1965 in der Fassung BGBl. Nr. 316/1976 rätlich, sich zunächst auf die Frage zu beschränken, ob der Lebensunterhalt im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG gesichert ist.
Nach den dem Verwaltungsgerichtshof zur Verfügung gestellten Unterlagen befindet sich im Akt eine von der Landeshauptstadt Linz - Bezirksverwaltungsamt, das mit der Durchführung des Ermittlungsverfahrens von der belangten Behörde betraut worden ist, vorgelegte "Erklärung" vom über die Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers und seiner Frau, wobei das genannte Amt vermerkte, dass in die Nachweise eingesehen wurde. Die belangte Behörde hat in freier Beweiswürdigung unter Bedachtnahme auf die §§ 91, 94 und 96 ABGB in der Fassung des Bundesgesetzes über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, BGBl. Nr. 412/1975, zu beurteilen, ob sie die Voraussetzung nach § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG als gegeben erachtet oder nicht. Hatte die belangte Behörde Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben oder Nachweise, dann war es ihr oblegen, das Verfahren fortzusetzen und die ihr noch notwendig erscheinenden Ermittlungen durchzuführen, nicht aber auf neue Belege über die Sicherung des Lebensunterhaltes des Beschwerdeführers zu warten, zu deren Vorlage er auch nach der Aktenlage nicht aufgefordert worden ist.
Gemäß §§ 89 ff ABGB besteht eine Unterhaltsverpflichtung der Eheleute gegeneinander. Gemäß § 94 Abs. 1 ABGB in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 412/1975 haben die Ehegatten nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen. Nach Abs. 2 dieses Paragraphen leistet der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt, dadurch seinen Beitrag im Sinne des Abs. 1; er hat an den anderen einen Anspruch auf Unterhalt, wobei eigene Einkünfte angemessen zu berücksichtigen sind. Diese Norm ist nach § 18 Abs. 1 Z. 2 des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 304, über das internationale Privatrecht auch dann anzuwenden, wenn beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich haben, sodass, da ein gemeinsames Personalstatut der Ehegatten im Sinne des § 18 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. nach der Aktenlage nicht gegeben erscheint, dennoch österreichisches Recht auf den Unterhaltsanspruch anzuwenden ist. Dieser Unterhaltsanspruch kann eine hinreichende Sicherung des Lebensunterhaltes im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG 1965 begründen. Die Behörde wird Ermittlungen anzustellen haben, ob dies im konkreten Fall gegeben ist. Ferner wird die Behörde im fortzusetzenden Verfahren das Zutreffen der übrigen Voraussetzungen des § 10 StbG 1965 zu klären haben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1, 55 Abs. 1 und 59 VwGG 1965 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 316/1976 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542. Das Mehrbegehren auf Ersatz der Umsatzsteuer war abzuweisen, da eine gesonderte Vergütung hiefür im Gesetz nicht vorgesehen ist. Die Fälle des § 55 Abs. 2 und 3 VwGG 1965 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 316/1976 liegen hier nicht vor, da die belangte Behörde weder Gründe nachzuweisen vermochte, die eine fristgerechte Erlassung des Bescheides unmöglich gemacht hätten und diese Gründe von ihr auch nicht dem Beschwerdeführer vor der Einbringung der Säumnisbeschwerde bekannt gegeben worden sind, noch die Verzögerung der behördlichen Entscheidung ausschließlich auf das Verschulden der Partei zurückzuführen war.
Wien, am
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Schlagworte | Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche Angelegenheiten Verschulden der Behörde §73 Abs2 letzter Satz AVG |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1979:1978002877.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
BAAAF-59033