VwGH 06.03.1979, 2875/78
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Eine Beschwerde gemäß Art 131a B-VG wird immer dann zurückzuweisen sein, wenn der Bfr durch die Ausübung unmittelbar behördlicher Befehlsgewalt und Zwangsgewalt - unabhängig von der Frage ihrer Rechtswidrigkeit - in seinen Rechten gar nicht verletzt sein konnte. |
Normen | AVG §10 Abs1; VwGG §23 Abs1; |
RS 2 | Die Zulassung eines Vertreters nach § 10 AVG setzt den Bestand eines förmlichen Vollmachtsverhältnisses voraus. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Loebenstein und die Hofräte Dr. Draxler, Dr. Großmann, Dr. Hoffmann und Dr. Herberth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rat im Verwaltungsgerichtshof Dr. Feitzinger, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde des RH in M, BRD, vertreten durch Dr. Wolfgang Moringer, Rechtsanwalt in Linz-Urfahr, Mühlkreisbahnstraße 3, gegen die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch ein Organ der Bundespolizeidirektion Linz am , vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien I, Rosenbursenstraße 1, wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Über den Beschwerdeführer, einen deutschen Staatsangehörigen, wurde am mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach gemäß § 5 Abs. 1 und 2 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954, zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. zur Sicherung der Abschiebung die vorläufige Verwahrung ausgesprochen und einer gegen diesen Bescheid allenfalls einzubringenden Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die belangte Behörde, an die der Beschwerdeführer noch am selben Tag überstellt worden ist, hat am mit Bescheid gegen den Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 und 2 lit. a in Verbindung mit § 4 des Fremdenpolizeigesetzes ein bis zum befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet Österreich erlassen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, daß gemäß § 6 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes das Gebiet, für das das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, unverzüglich zu verlassen ist. Einer allfälligen Berufung wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 die aufschiebende Wirkung aberkannt. Zugleich mit diesem Bescheid wurde das Polizeigefangenenhaus von der belangten Behörde angewiesen, den Beschwerdeführer unverzüglich in seine Heimat abzuschieben. Da diese Bescheide und Anordnungen nicht Gegenstand der vorliegenden Beschwerde sind, kann eine Darstellung der Gründe für ihre Erlassung durch die Behörden unterbleiben.
Nach 13.00 Uhr des sprach der nunmehrige Beschwerdevertreter bei der belangten Behörde vor und ersuchte um Erteilung einer Sprechgenehmigung mit dem Beschwerdeführer. Zu diesem Zeitpunkt verfügte der nunmehrige Vertreter des Beschwerdeführers noch nicht über eine Vollmacht des Beschwerdeführers. Die im Verwaltungsverfahren vom Beschwerdeführer erteilte Vollmacht weist das Datum vom auf. Obwohl der Beschwerdeführer sich noch zu dieser Zeit im Polizeigefangenenhaus befand, wurde dem Beschwerdevertreter durch ein Organ der belangten Behörde die verlangte Sprecherlaubnis mit dem Beschwerdeführer verweigert.
Gegen diese Verweigerung der Sprecherlaubnis, in der der Beschwerdeführer einen Verwaltungsakt, der in Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen ihn gesetzt worden sei, erblickt, richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der "Rechtswidrigkeit seines Inhaltes" geltend gemacht wird. Die Rechtswidrigkeit dieses Verwaltungsaktes meint der Beschwerdeführer, sei darin gelegen, daß durch ihn die Mindestgarantien der Art. 5, 6 und 7 der Menschenrechtskonvention verletzt worden seien, die für den Fall der Verhaftung die Beiziehung eines Verteidigers garantierten. Des weiteren stützt der Beschwerdeführer die Rechtswidrigkeit auf die Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes und verweist hiebei auf den Erlaß des Bundesministeriums für Inneres vom , Zl. 152.757-4/54, mit dem verfügt worden sei, daß aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit ein Schubhäftling mit einer Privatperson nur in Anwesenheit eines behördlichen Organes sprechen dürfe. Darüber hinausgehende Einschränkungen der Rechte eines Schubhäftlings seien im Gesetz nicht vorgesehen.
Gemäß Art. 131a B-VG kann gegen die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person diese Person Beschwerde erheben, wenn sie durch die betreffende Maßnahme in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet. Schon der Wortlaut dieses Gesetzes läßt bei Vergleich mit Art. 131 B-VG erkennen, daß Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person die gleichen Voraussetzungen aufweisen müssen wie Beschwerden, die gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde gerichtet sind. Bei Beschwerden nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof aber schon bisher in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, daß auch dann, wenn die Beschwerde rechtzeitig erhoben wurde und der Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung einer derartigen Angelegenheit zuständig ist, die Verpflichtung des Verwaltungsgerichtshofes zur Sachentscheidung noch voraussetzt, daß die beschwerdeführende Partei auch zur Erhebung dieser Beschwerde berechtigt war. Dies ist bei Beschwerden nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG nicht schon deswegen zu bejahen, weil der Beschwerdeführer die Verletzung eines Rechtes durch den angefochtenen Bescheid behauptet und auch die Gründe angibt, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides stützt; es muß vielmehr noch die Möglichkeit gegeben sein, daß diese Behauptung des Beschwerdeführers auch den Tatsachen entsprechen kann. Diese Grundsätze auf Beschwerden gemäß Art. 131a B-VG gegen die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person anzuwenden bedeutet, daß auch bei derartigen Beschwerden nicht die bloße Behauptung des Beschwerdeführers, durch die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in seinen Rechten verletzt zu sein, ausreicht, die Verpflichtung des Verwaltungsgerichtshofes zur Sachentscheidung zu begründen. Das besagt vielmehr, daß auch bei Beschwerden nach Art. 131 a B-VG der Verwaltungsgerichtshof vor Fällung einer Sachentscheidung zu prüfen hat, ob durch die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im konkreten Fall eine Möglichkeit der Verletzung von subjektiven Rechten des Beschwerdeführers vorliegt. Dies wird aber immer dann zu verneinen sein, wenn der Beschwerdeführer durch die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt - unabhängig von der Frage ihrer Rechtswidrigkeit - in seinen Rechten gar nicht verletzt sein konnte.
Betrachtet man nun den sich aus den Verwaltungsakten ergebenden Sachverhalt, so fällt auf, daß im vorliegenden Fall nicht der Beschwerdeführer um die Erteilung einer Sprecherlaubnis mit seinem Anwalt angesucht hat, sondern, daß ein dem Beschwerdeführer bis dahin nicht bekannter Anwalt, nämlich der später vom Beschwerdeführer Bevollmächtigte, sich auf Veranlassung Bekannter des Beschwerdeführers bei der Behörde eingefunden und im eigenen Namen die Gewährung einer Besprechung mit dem Beschwerdeführer verlangt hat. Wenn daher ein Organ der belangten Behörde diese vom nunmehrigen Beschwerdevertreter begehrte Sprecherlaubnis verweigert hat, kann durch diese Verweigerung nicht der Beschwerdeführer in einem subjektiven Recht verletzt worden sein. Dies erklärt sich schon daraus, daß der Beschwerdeführer niemals selbst von der belangten Behörde begehrt hat, sich mit einem Anwalt unterreden zu dürfen und daß er nicht einmal von der Vorsprache seines nunmehrigen Vertreters bei der belangten Behörde etwas gewußt hat. Wenngleich der Beschwerdeführer nunmehr in seiner Beschwerde ausführt, "er habe Bekannte beauftragt, einen Anwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen", kann daraus, selbst wenn man diesem Vorbringen Glauben schenkt, nicht erschlossen werden, daß er eine Unterredung mit diesem Anwalt gewünscht hat. Da somit die Verweigerung der Sprecherlaubnis dem Beschwerdevertreter gegenüber, wenn sie auch schließlich bewirkt hat, daß der Beschwerdeführer sich nicht mehr mit einem Anwalt besprechen konnte, sich nicht gegen ein Verlangen des Beschwerdeführers, sondern gegen ein solches des nunmehrigen Anwaltes des Beschwerdeführers gerichtet hat, kann unmittelbar durch sie kein subjektives Recht des Beschwerdeführers verletzt worden sein.
Im übrigen setzt die Zulassung eines Vertreters nach § 10 AVG 1950 nach dem Gesetz und auch nach der Judikatur den Bestand eines förmlichen Vollmachtsverhältnisses voraus. Ein solches Vollmachtsverhältnis wurde weder vom Beschwerdevertreter noch vom Beschwerdeführer selbst behauptet, weshalb auch schon aus diesem Grund der Beschwerdeführer nicht im eigenen subjektiven Recht verletzt sein kann.
Bei dieser Sach- und Rechtslage kann dahingestellt bleiben, ob die Verweigerung der vom Beschwerdevertreter begehrten Sprecherlaubnis durch ein Organ der belangten Behörde überhaupt die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellt und bei Bejahung dieser Frage, ob die Verweigerung rechtswidrig ist.
Die Beschwerde mußte daher schon aus diesen Gründen gemäß § 34 Abs. 1 VwGG 1965 wegen des Mangels der Berechtigung des Beschwerdeführers zur Erhebung der Beschwerde zurückgewiesen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff und 51 VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542. Wien, am
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION Beginn Vertretungsbefugnis Vollmachtserteilung Verweigerung der Sprecherlaubnis Verweigerung der Sprecherlaubnis |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1979:1978002875.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAF-59031