VwGH 12.03.1980, 2819/79
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | EStG 1972 §4 Abs1 |
RS 1 | Hat der Geschäftsführer der die beschwerdeführende GesmbH & Co KG vertretenden Komplementär-GesmbH der Bfrin einen Schaden schuldhaft herbeigeführt, dann besteht ein Schadenersatzanspruch der Bfrin gegen die GesmBH sowie ein Regreßanspruch derselben gegenüber ihrem Organ (vgl in diesem Zusammenhang auch das hg E , 1206, 1670/77). Wird auf diesen Schadenersatzanspruch im Hinblick auf die Gesellschaftereigenschaft der verpflichteten Person verzichtet, kann sich dieser Verzicht nicht gewinnmindernd auswirken. |
Norm | EStG 1972 §4 Abs4 |
RS 2 | Diebstahl und Unterschlagung führen zu einer Verminderung des Betriebsvermögens und daher auch zu einer Minderung des Gewinnes. Allfällige Ersatzansprüche sind jedoch zu aktivieren. Wird eine solche Aktivierung unterlassen und ein durchsetzbarer Schadenersatzanspruch aus nicht betrieblich veranlaßten Gründen nicht geltend gemacht, wirkt sich dieser Anspruchsverzicht nicht gewinnmindernd aus. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Gaismayer, über die Beschwerde der E. GesmbH & Co KG in W., vertreten durch Dr. Otto Hellwich, Rechtsanwalt in Wien 1, Schellinggasse 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat V, vom , GZ. 6-2418/6/76, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für das Jahr 1974, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende GesmbH & Co KG betreibt eine Druckerei. Komplementär der Beschwerdeführerin ist die E. GesmbH, Kommanditisten sind HE. und ME. Geschäftsführender Gesellschafter der E. GesmbH ist HE.
In der Gewinn- und Verlustrechnung zum machte die Beschwerdeführerin unter der Bezeichnung „Parasitologie (Diebstahl)“ S 151.262,-- als außerordentlichen Aufwand geltend. In dem Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für das Jahr 1974 erkannte das Finanzamt den genannten Betrag nicht als Betriebsausgabe an.
In der gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes aus:
HE. habe Bücher nach Frankfurt/Main geliefert und dafür am den Fakturenbetrag von DM 21.000,-- kassiert. Da er am Freitag, den , erst am späten Nachmittag nach W. zurückgekommen sei, habe er das Geld nicht mehr zur Bank bringen können. Da er einerseits am Abend desselben Tages noch mit seiner Gattin zu einer zweiwöchigen Urlaubsreise aufgebrochen sei und er andererseits „im Betrieb“ keine Möglichkeit gehabt habe, den Geldbetrag versperrt aufzubewahren, habe er ihn in seiner Wohnung in eine versperrbare Schmucklade gegeben. Er habe angenommen, daß das Geld hier jedenfalls sicherer sei als in den Betriebsräumlichkeiten, in welchen viel leichter eingebrochen werden könne. Als der Beschwerdeführer jedoch am vom Urlaub zurückgekehrt sei, habe er bemerkt, daß neben einigen anderen Wertsachen auch die gegenständlichen DM 21.000,-- gestohlen worden seien.
Buchhalterisch sei der in Rede stehende Betrag am Montag, den , in die Kasse eingegangen und am Montag, den , als „Diebstahl“ ausgetragen worden. Da E. das Geld weder für private Zwecke brauche noch gebraucht habe, und dasselbe „eindeutig eine Betriebseinnahme“ darstelle, bestehe kein Grund für die Annahme, daß es sich bei dem gegenständlichen DM-Betrag um Privatvermögen gehandelt habe. Es sei daher auch die Versicherungs-vergütung, „obwohl sie von der Wohnungsversicherung stammt, als Betriebseinnahme in Höhe von S 15.401,-- verbucht und dem Gewinn hinzugerechnet“ worden.
Die polizeilichen Erhebungen - diesbezügliche Teile des Gerichtsaktes befinden sich in Photokopie im vorgelegten Verwaltungsakt - führten zu keinem Erfolg, da einerseits der Täterkreis nicht eingegrenzt werden konnte, weil, wie von der Polizei festgestellt wurde, eine größere Anzahl von Personen praktisch jederzeit Zutritt zu den Wohnräumen des E. gehabt habe (neben E. und seiner Gattin besaßen die Haushälterin und die Tochter Wohnungsschlüssel; ferner befand sich ein Schlüsselexemplar in einer unversperrten Schreib-tischlade im Betrieb der Beschwerdeführerin) und andererseits auf Grund der Polizeierhebungen der Diebstahlshergang, bei dem nach den Angaben des E. in der Schmucklade befindlicher wertvoller Schmuck sowie ein Geldbetrag von S 11.000,-- nicht gestohlen wurden, „logisch nicht erfaßbar“ gewesen sei. Laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft Wien vom an die belangte Behörde wurde das Verfahren am gemäß § 412 StPO abgebrochen.
Die Versicherungsanstalt hat von dem geltend gemachten Schaden in Höhe von rund S 200.000,-- nur S 35.000,-- mit der Begründung vergütet, daß der in Rede stehende DM-Betrag nach den Angaben des E. „Geschäftsgeld“ darstelle, weshalb er in der Wohnungsversicherung nicht mitversichert sei und überdies vorliegendenfalls nicht eindeutig von Einbruch gesprochen werden könne, da auf Grund eines Fachgutachtens das Schloß mit keinem schloßfremden Werkzeug gesperrt worden und E. unter Berücksichtigung der sorglosen Art und Weise, mit welcher er mit den Schlüsseln zu seiner Wohnung umgehe, zweifellos grobe Fahrlässigkeit anzulasten sei.
Auf Grund eines entsprechenden Vorhaltes der belangten Behörde, in welchem unter anderem auf unterschiedliche Darstellungen des Sachverhaltes in der Berufungsschrift und in dem von der belangten Behörde eingeholten Gerichtsakt hingewiesen wurde, führte die Beschwerdeführerin am schriftlich ergänzend im wesentlichen folgendes aus:
1.) E. habe für getätigte Lieferungen an den Kongreß über Parasitologie in Frankfurt/Main am DM 21.200,-- erhalten. Davon habe er teilweise seine Reisespesen bezahlt, so daß er nicht mehr den gesamten kassierten Geldbetrag nach Wien gebracht habe. Da aber mit dem in der Wohnung des E. aufbewahrten DM-Betrag auch die Reisebelege gestohlen worden seien, wisse er nicht mehr genau, wie groß dieser Betrag nach Rückkehr aus Frankfurt tatsächlich noch gewesen sei. Vorsichtshalber habe er daher in der Anzeige nur DM 20.000,-- angegeben.
2.) E. habe vor allem deshalb in Frankfurt ein Barinkasso durchgeführt, „da sich nach der Tagung der Kongreß ja auflöst und dann niemand mehr zuständig ist“.
3.) E. habe die Geschäftsreise mit dem Firmenwagen durchgeführt. Er „glaubt“ am Donnerstag nach Deutschland gefahren und am Freitag wieder nach W. zurückgekehrt zu sein. Da jedoch die Reisebelege verlorengegangen seien, könne ein entsprechender Nachweis nicht mehr erbracht werden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid entsprach die belangte Behörde dem Berufungsbegehren der Beschwerdeführerin nicht. Begründend führte sie im wesentlichen aus, das im Streitfall verschiedene Umstände vorlägen, die gegen eine gewinnmindernde Berücksichtigung des nach Angaben der Beschwerdeführerin erfolgten Diebstahles sprächen.
Zunächst sei davon auszugehen, daß der strittige Geldbetrag die Privatsphäre des Kommanditisten und geschäfts-führenden Gesellschafters der Komplementärin der Beschwerdeführerin, HE., nie verlassen habe; denn dieser habe das von ihm angeblich in Frankfurt kassierte Geld nicht wie es im Geschäftsverkehr üblich sei, etwa durch Überweisung aus Deutschland oder durch Überweisung während der Heimreise auf das Konto der Beschwerdeführerin deren Betriebsvermögen zugeführt, sondern es, obwohl er gewußt habe, daß zu seiner Wohnung verschiedene Leute Zutritt hätten und er erst in rund drei Wochen vom Urlaub zurückkehren werde, in einer einfach versperrten Schmucklade aufbewahrt und keine Vorsorge dafür getroffen, daß das Geld zum nächstmöglichen Termin z. B. durch einen Auftrag an seine Tochter, die während seiner Abwesenheit die finanziellen Belange der Beschwerdeführerin versah, in das Betriebsvermögen übergeführt werde. Dazu komme noch, daß nach den eigenen Angaben die Beschwerdeführerin den strittigen Geldbetrag erst nach der Abreise des E. in den Urlaub, nämlich am , „in das Betriebsvermögen aufgenommen hat“. Zu diesem Zeitpunkt könnte es aber - wann der Diebstahl tatsächlich erfolgt sei, habe von der Polizei nicht festgestellt werden können - bereits gestohlen gewesen sein; es wäre demnach nicht auszuschließen, daß die Verbuchung des DM-Betrages gar keinen realen Hintergrund mehr gehabt habe.
Schließlich könne auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß E. das Inkasso als Angestellter der Komplementärin vorgenommen habe und deshalb dieser und in weiterer Folge der Beschwerdeführerin gegenüber aus der, wie die Versicherung festgestellt habe, grob fahrlässigen Verwahrung des Geldbetrages in seiner Wohnung regreßpflichtig sei.
Im Hinblick auf die „personelle Situation des Unternehmens“ scheine aber auch der Gedanke nicht abwegig, daß E. das Geld zwar in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Komplementärin der Beschwerdeführerin kassiert, anschließend jedoch durch die konkludente Handlung, daß er es in seiner Privatwohnung deponiert habe, obwohl ihm bekannt gewesen sei, daß er erst nach einigen Wochen in diese Wohnung zurückkehren werde, in seiner Eigenschaft als Kommanditist entnommen habe.
Im Hinblick auf diese Überlegungen komme die belangte Behörde zu dem Ergebnis, daß der geltend gemachte Aufwand nicht gewinnmindernd berücksichtigt werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1972 ist Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Hiebei ist bei Gewerbetreibenden, deren Firma im Handelsregister eingetragen ist, gemäß § 5 leg. cit. für den Schluß des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung auszuweisen ist. Diebstahl oder Unterschlagungen führen zu einer Verminderung des Betriebsvermögens und daher auch zu einer Minderung des steuer-pflichtigen Gewinnes. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hg. Erkenntnisse vom , Zl. 147/62, und vom , Zlen. 1206, 1670/77) sind jedoch allfällige Ersatzansprüche zu aktivieren. Wird eine solche Aktivierung unterlassen und ein durchsetzbarer Schadenersatzanspruch aus nicht betrieblich veranlaßten Gründen nicht geltend gemacht, wirkt sich dieser Anspruchsverzicht nicht gewinnmindernd aus.
In der Beschwerde wird ausdrücklich dargelegt, daß E. den strittigen Geldbetrag in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des vertretungsbefugten Komplementärs der Beschwerdeführerin übernommen habe. Er sei dabei als zur Vertretung einer juristischen Person befugte physische Person aufgetreten. Diese Auffassung wird unter anderem auch in dem angefochtenen Bescheid von der belangten Behörde geteilt, welche aus dieser Tatsache jedoch den Schluß zieht, daß E. infolge des Umstandes, daß er seine Sorgfaltspflicht bei Verwahrung des fraglichen Geldbetrages in seiner Wohnung - wie auch von der Versicherungsanstalt festgestellt worden sei - grob fahrlässig verletzt habe, der Beschwerdeführerin gegenüber regreßpflichtig geworden wäre.
Die Beschwerdeführerin ist auch in der Beschwerde dieser Auffassung der belangten Behörde weder entgegengetreten noch hat sie diese auch nur erwähnt. Sie hat daher nicht in Abrede gestellt, daß grundsätzlich ein schuldhaftes Verhalten des E. zu dem Diebstahl des nach den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin in seiner genauen Höhe nicht einmal mehr eindeutig ermittelbaren Geldbetrages geführt hat.
Geht man von den unbestrittenen Feststellungen aus, daß zur Wohnung E. ein, wie sich aus den polizeilichen Erhebungen ergibt und von E. auch nicht bestritten wird, nicht genau erfaßbarer Personenkreis unter Verwendung vorhandener Wohnungsschlüsselexemplare mehr oder weniger dauernd Zutritt hatte und daß E. es aus unverständlichen Gründen unterließ, seine Tochter, die einerseits während seines Urlaubes die finanzielle Gebarung der Beschwerdeführerin besorgte und andererseits angeblich täglich wegen des Blumengießens in die Wohnung kam, zu beauftragen, den Geldbetrag dem Betriebsvermögen der Beschwerdeführerin tatsächlich zuzuführen, so kann der Ansicht der belangten Behörde, daß sich E. bei der Aufbewahrung des von ihm in Deutschland für die Beschwerdeführerin kassierten Geldbetrages einer groben Sorgfaltsverletzung schuldig gemacht hat, nach Auffassung des Gerichtshofes nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.
Hat aber E. als Geschäftsführer der die Beschwerdeführerin vertretenden Komplementär-GesmbH den Schaden der Beschwerdeführerin schuldhaft herbeigeführt, dann besteht, wie die belangte Behörde auch in der Gegenschrift sinngemäß richtig ausführt, ein Schadenersatzanspruch der Beschwerdeführerin gegen die GesmbH sowie ein Regreßanspruch derselben gegen ihr Organ (vgl. Kastner-Stoll, Die GmbH & Co KG im Handels-, Gewerbe- und Steuerrecht, 2. Auflage, Seite 235 ff).
Bestand aber ein solcher Schadenersatzanspruch der Beschwerdeführerin, dann wäre dem als Betriebsausgabe geltend gemachten Schaden erfolgswirksam der Schadenersatzanspruch gegenüberzustellen gewesen. Der Verzicht auf einen solchen Anspruch bzw. seine Geltendmachung hätte - wie auch im hg. Erkenntnis vom , Zlen. 1206, 1670/77, dargelegt wird - den Betriebserfolg nur beeinflussen können, wenn dieser Verzicht betrieblich veranlaßt oder der Anspruch nicht durchsetzbar gewesen wäre. Beides wird von der Beschwerdeführerin nicht einmal behauptet.
Im Hinblick auf diese Sach- und Rechtslage vermag der Gerichtshof nicht zu erkennen, daß die belangte Behörde durch Unterlassung weiterer Ermittlungen Verfahrensvorschriften in entscheidender Weise verletzt hat. Was die behauptete Verletzung des Parteiengehörs anlangt, weist die belangte Behörde in der Gegenschrift mit Recht darauf hin, daß der Beschwerdeführerin teilweise der Inhalt der Gerichtsakten mit dem Vorhalt vom ohnehin vorgehalten wurde und der Rest des für den angefochtenen Bescheid überhaupt relevanten Inhaltes dieser Akten im wesentlichen auf Angaben des Geschäftsführers der vertretungsbefugten Komplementär-GesmbH der Beschwerdeführerin beruhen.
Da der angefochtene Bescheid sohin keine Rechtswidrigkeit erkennen läßt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VWGG 1965 als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 542/1977.
Wien, am
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1980:1979002819.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAF-58995