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VwGH 12.06.1980, 2814/77

VwGH 12.06.1980, 2814/77

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Norm
ASVG §49 Abs3 Z11;
RS 1
Unter freiwilligen sozialen Zuwendungen iS der beiden ersten Tatbestände des § 49 Abs 3 Z 11 ASVG sind nicht direkte Geld- oder Sachzuwendungen an individuell bezeichnete Dienstnehmer, sondern nur solche Zuwendungen zu verstehen, deren Empfängerkreis zwar durch die betriebliche Zugehörigkeit oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe eingeschränkt ist, bei denen aber im Zeitpunkt ihrer Erbringung nicht feststeht, wie vielen und im einzelnen welchen Dienstnehmern sie überhaupt und in welchem Ausmaß sie den einzelnen von ihnen zugute kommen.

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2817/77 E

Spruch

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Jurasek und die Hofräte Dr. Liska, Dr. Pichler, Dr. Knell und Dr. Puck als Richter, im Beisein des Richters Dr. Gerhard als Schriftführer, über die Beschwerden der Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte in Wien I, Wipplingerstraße 28, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Wien 1) vom , Zl. MA 14-Z 15/77, und 2) vom , Zl. MA 14-Z 16/77, betreffend Beitragsnachentrichtung für gewährte Geldaushilfen (mitbeteiligte Partei: Republik Österreich, vertreten durch das Bundesrechenamt in Wien III, Hintere Zollamtsstraße 4), zu Rechts erkannt:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 6.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Zentralbesoldungsamt (in der Folge als "Amt" bezeichnet) gewährte in den Jahren 1970 bis 1975 jeweils aus Anlaß des Weihnachtsfestes jenen Vertragsbediensteten, die Anspruch auf einen Steigerungsbetrag zur Haushaltszulage hatten, Geldaushilfen, deren Höhe sich nach der Anzahl der Steigerungsbeträge richtete.

Mit zwei Bescheiden vom stellte die Beschwerdeführerin fest, daß diese den jeweils in der Anlage (dieser Bescheide) namentlich angeführten Dienstnehmern auf Grund ihrer Beschäftigung beim Dienstgeber Amt ausgezahlten Geldaushilfen als beitragspflichtige Sonderzahlungen im Sinne des § 49 Abs. 2 ASVG anzusehen seien, und sprach aus, daß das Amt als Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG gemäß § 58 Abs. 2 und 3 leg. cit. in Verbindung mit den §§ 49, 54 leg. cit. sowie § 62 Abs. 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1958 (AlVG) verpflichtet sei, Sonderbeiträge in der Gesamthöhe von S 59.791,06 (erster Bescheid) und von S 9.241,65 (zweiter Bescheid) an die Beschwerdeführerin zu entrichten. Begründet wurde der Bescheid im wesentlichen damit, daß der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 929/66, zum Ausdruck gebracht habe, daß aus Anlaß des Weihnachtsfestes mit einer gewissen regelmäßigen Wiederkehr vom Dienstgeber gewährte Zuwendungen nicht als einmalige soziale Zuwendungen gemäß § 49 Abs. 3 ASVG als beitragsfrei, sondern als beitragspflichtige Sonderzahlungen im Sinne des § 49 Abs. 2 leg. cit. zu betrachten seien.

Gegen diese Bescheide erhob das Amt als Dienstgeber der angeführten Bediensteten jeweils Einspruch mit der Begründung, daß es "sich bei diesen Geldaushilfen um freiwillige soziale Zuwendungen an bestimmte Gruppen (bzw. an die Mehrheit) der Dienstnehmer im Sinne des § 49 Abs. 3 Z. 11 ASVG gehandelt habe. Das zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes beziehe sich auf die Fassung des § 49 Abs. 3 Z. 11 leg. cit. vor dem Inkrafttreten der 19. Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, wonach nur einmalige soziale Zuwendungen des Dienstgebers, die aus einem besonderen Anlaß gewährt worden seien, beitragsfrei gewesen seien. Die Einmaligkeit sei aber für die freiwilligen sozialen Zuwendungen an bestimmte Gruppen (bzw. an die Mehrheit) der Dienstnehmer nicht mehr erforderlich. Bei den Geldaushilfen handle es sich um soziale und freiwillige Zuwendungen. Der Begriff "sozial" sei im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz nicht definiert. Die einschlägigen dienstrechtlichen Vorschriften über die Gewährung von Geldaushilfen (§ 25 Abs. 5 Vertragsbedienstetengesetz 1948) setzten für deren Zuerkennung das Vorliegen einer unverschuldeten Notlage oder sonstige berücksichtigungswürdige Gründe voraus. Im Unterschied zur Belohnung, die eine außergewöhnliche Dienstleistung zur Voraussetzung habe, der also das Leistungsprinzip immanent sei, fehle dieses bei der Geldaushilfe völlig; diese sei vielmehr eine Folge des Fürsorgeprinzips, nach dem unter anderem Bedürfnisse von Dienstnehmern auch ohne Gegenleistung befriedigt würden. Eine solche Verhaltensweise des Dienstgebers werde nach dem allgemeinen Sprachgebrauch als "sozial" bezeichnet. Demnach sei eine Begriffsidentität von Geldaushilfen im Sinne des § 25 Abs. 5 VBG 1948 und "sozialen Zuwendungen" im Sinne des § 49 Abs, 3 Z. 11 ASVG gegeben. Da ein Rechtsanspruch auf Zahlung der Geldaushilfen nicht gegeben gewesen sei und die Entscheidung darüber, ob bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen eine Geldaushilfe gewährt werde, im Ermessen des Amtes gelegen sei, sei auch die Freiwilligkeit gegeben.

In ihren (in beiden Verfahren im wesentlichen gleichlautenden) Stellungnahmen wies die Beschwerdeführerin darauf hin, daß die im § 49 Abs. 2 ASVG enthaltene Legaldefinition des Begriffes "Sonderzahlung" weder durch die 19. noch eine andere Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz geändert worden sei. Der wesentliche Unterschied zwischen freiwilligen sozialen Zuwendungen und Sonderzahlungen sei der, daß es sich bei den freiwilligen sozialen Zuwendungen nicht um regelmäßig wiederkehrende Leistungen handle. Solche Zuwendungen müßten selbst dann, wenn für ihre Gewährung soziale Erwägungen maßgebend seien, mangels einer diesbezüglichen Einschränkung im § 49 Abs. 2 ASVG als Sonderzahlungen angesehen werden.

Mit den angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde den Einsprüchen Folge, hob die Bescheide der Beschwerdeführerin auf und stellte gemäß dem § 413 Abs. 1, § 414 in Verbindung mit § 355 ASVG fest, daß die an die jeweils in der Anlage (der Bescheide) namentlich genannten Dienstnehmer anläßlich des Weihnachtsfestes in den Jahren 1970 bis 1975 ausgezahlten Geldaushilfen auf. Grund des § 49 Abs. 3 Z. 11 ASVG kein beitragspflichtiges Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 und 2 ASVG darstelle und das Amt nicht verpflichtet sei, die mit den angefochtenen Bescheiden vorgeschriebenen Sonderbeiträge an die Beschwerdeführerin zu entrichten. In der Begründung der Bescheide wurde nach Darstellung der beiderseitigen Parteienstandpunkte und Zitierung der Bestimmungen der §§ 49 Abs. 2 und 3 Z. 11 ASVG ausgeführt, daß auch Sonderzahlungen unter § 49 Abs. 3 ASVG fallen könnten. Da die in Frage stehenden Zuwendungen nach dem unbestrittenen Sachverhalt im Sinne des § 25 Abs. 5 VBG auf freiwilliger Basis jenen Vertragsbediensteten gewährt worden seien, die Anspruch auf Steigerungsbeträge zur Haushaltszulage gehabt hätten und die Höhe der Zuwendungen nach der Anzahl der Steigerungsbeträge bemessen worden sei, handle es sich eindeutig um Zuwendungen, die freiwillig an bestimmte Gruppen von Dienstnehmern gewährt worden seien, wobei im Hinblick darauf, daß die Gewährung von den Steigerungsbeträgen zur Haushaltszulage - somit von der Anzahl der unversorgten Kinder der jeweiligen Dienstnehmer - abhängig gemacht worden sei, der soziale Charakter dieser Zuwendungen außer Zweifel stehe.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerden. Darin wendet sich die Beschwerdeführerin zunächst gegen die Qualifizierung der in Rede stehenden Geldaushilfen als "soziale Zuwendungen" im Sinne des § 49 Abs. 3 Z. 11 ASVG, da der "soziale Charakter" dieser Zahlungen lediglich als Vorwand für die in regelmäßigen Abständen anläßlich des Weihnachtsfestes an die Dienstnehmer erfolgende Ausschüttung von Sonderzahlungen diene. Folgte man der Ansicht der belangten Behörde, daß der soziale Charakter der "Geldaushilfen" deshalb gegeben sei, weil deren Gewährung von Steigerungsbeträgen zur Haushaltszulage abhängig gemacht worden sei, so käme man zum Ergebnis, daß jede freiwillige Zahlung an einen Dienstnehmer, der unversorgte Kinder habe, sozial sei und daher der Beitragspflicht nicht unterliege. Dies würde eine völlige Aushöhlung des Entgeltsbegriffes nach sich ziehen. Auch könne wohl nicht bestritten werden, daß sich unter den Dienstnehmern der mitbeteiligten Partei etliche befänden, die zwar keine unversorgten Kinder, die Gewährung einer "Geldaushilfe'' aber viel nötiger hätten als so manche Dienstnehmer mit "unversorgten'' Kindern. Bei den Geldaushilfen handle es sich vielmehr um "Sonderzahlungen" im Sinne des schon im erstinstanzlichen Bescheid zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes. Auch lägen im konkreten Fall die im § 25 Abs. 5 VBG angeführten Voraussetzungen nicht generell vor, da es zweifellos nicht in allen Fällen zutreffe, daß der mit einer "Geldaushilfe" bedachte Vertragsbedienstete unverschuldet in Notlage geraten sei oder sonst berücksichtigungswürdige Gründe vorlägen. Da darüber keinerlei Feststellungen getroffen worden seien, bedürften die angefochtenen Bescheide in wesentlichen Punkten einer Ergänzung und seien deshalb rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei beantragten in ihren Gegenschriften die Abweisung der Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und hat über sie erwogen:

Gemäß § 49 Abs. 1 ASVG sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr-)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr-)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält. Gemäß § 49 Abs. 2 leg. cit. sind Sonderzahlungen, das sind Bezüge im Sinne des § 49 Abs. 1 leg. cit., die in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen gewährt werden, wie z.B. ein 13. oder 14. Monatsbezug, Weihnachts- oder Urlaubsgeld, Gewinnanteile oder Bilanzgeld, als Entgelt nur nach Maßgabe des § 54 leg. cit. und der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, in denen Sonderzahlungen ausdrücklich erfaßt werden, zu berücksichtigen:

Gemäß § 49 Abs. 3 Z. 11 in der ursprünglichen Fassung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes galten nicht als Entgelt im Sinne der Abs. 1 und 2 "einmalige soziale Zuwendungen des Dienstgebers, die aus einem besonderen Anlaß gewährt werden, wie z. B. Geburtsbeihilfen, Heiratsbeihilfen, Ausbildungs- und Studienbeihilfen, Krankenstandsaushilfen."

Diese Bestimmung wurde durch die 19. Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 67/1967, abgeändert und hatte nach dessen Art. I Z. 5 lit. a f olgende Fassung:

"Freiwillige soziale Zuwendungen des Dienstgebers an die Gesamtheit oder die Mehrzahl der Dienstnehmer oder an den Betriebsratsfonds sowie einmalige soziale Zuwendungen des Dienstgebers, die individuell bezeichneten Dienstnehmern aus einem besonderen Anlaß gewährt werden, wie z.B. Geburtsbeihilfen, Heiratsbeihilfen, Ausbildungs- und Studienbeihilfen, Krankenstandsaushilfen."

Durch Art. I Z. 12 lit. a der 32. Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 775/1974 (gemäß Art. IV Abs. 2 lit. c dieser Novelle in Kraft getreten mit Beginn des Beitragszeitraumes Jänner 1975), wurde der Ausdruck "an die Gesamtheit oder die Mehrzahl der Dienstnehmer" durch den Ausdruck "an alle Dienstnehmer oder bestimmte Gruppen seiner Dienstnehmer" ersetzt.

Unbestritten ist, daß die in Rede stehenden Geldaushilfen über den Anspruch, den die Empfänger dieser Aushilfen aus ihrem Vertragsbedienstetenverhältnis hatten, hinaus auf Grund dieses Vertragsbedienstetenverhältnisses zugewendet wurden (die mitbeteiligte Partei bezeichnete ihre Gewährung im Einspruch als "Folge des Fürsorgeprinzips", als begrifflich identische Leistung mit § 25 Abs. 5 VBG) und daher an sich unter den Entgeltbegriff des § 49 Abs. 1 leg. cit. fielen. Da sie in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen, aber regelmäßig aus Anlaß des Weihnachtsfestes der Jahre 1970 bis 1975 gewährt wurden, weisen sie auch die Tatbestandsmerkmale der Sonderzahlungen gemäß § 49 Abs. 2, leg. cit. auf. Unter Sonderzahlungen im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung sind nämlich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (verpflichtende oder freiwillige) Zuwendungen im Sinne des § 49 Abs. 1 leg. cit. (gleich welcher Benennung) zu verstehen, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit in bestimmten, über die Beitragszeiträume hinausreichenden Zeitabschnitten wiederkehren, wobei die Regelmäßigkeit der Leistungen im wesentlichen aus der Dienstgeberzusage oder dem tatsächlichen Ablauf der Ereignisse zu beurteilen ist (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N.F. Nr. 5295/A, vom , Zl. 628/62, und vom , Zl. 929/66).

Mit der Qualifizierung der strittigen Geldaushilfen als Sonderzahlungen im Sinne des § 49 Abs. 2 ASVG ist freilich, wie die belangte Behörde mit Recht betont, noch nicht geklärt, ob sie nicht der Ausnahmebestimmung des § 49 Albs. 3 Z. 11 leg. cit. zu subsumieren sind. Denn § 49 Abs. 3 leg. cit. enthält eine Aufzählung jener Geld- und Sachbezüge, die nicht als Entgelt im Sinne der Abs. 1 und 2 leg. cit. gelten, d, h, die an sich die Merkmale der in den Abs. 1 und 2 angeführten Art aufweisen, jedoch kraft besonderer gesetzlicher Vorschriften in Abs. 3 des § 49 von der Bewertung als beitragspflichtiges Entgelt ausgenommen sind.

Die ersten drei Tatbestände des § 49 Abs. 3 Z. 11 leg. cit. in der Fassung der 19. Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 67/1967 (nämlich freiwillige soziale Zuwendungen an die Gesamtheit der Dienstnehmer, die Mehrzahl der Dienstnehmer oder den Betriebsratsfonds), wurden (zusammen mit anderen Tatbeständen des § 49 Abs. 3 leg. cit.) durch die genannte Novelle zwecks einer "gewissen Angleichung" (EBzRV 286 BlgNR. XI. GP., Seite 14) an § 3 Abs. 1 Z. 33 Einkommensteuergesetz 1953 - EStG 1953, BGBl. Nr. 1/1954, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 187/1964, wonach freiwillige soziale Zuwendungen des Arbeitgebers an die Gesamtheit oder die Mehrzahl der Arbeitnehmer oder den Betriebsratsfonds steuerfrei, jedoch Zuwendungen an individuell bezeichnete Arbeitnehmer als steuerpflichtiger Arbeitslohn erklärt wurde, eingeführt. Auch die Änderungen der ersten beiden Tatbestände des § 49 Abs. 3 Z. 11 ASVG durch die 31. Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 775/1974, erfolgte (wiederum zusammen mit anderen Tatbeständen des § 49 Abs. 3 leg. cit.) "im Interesse der Vereinheitlichung der Bestimmungen des Sozialversicherungsrechtes und des Lohnsteuerrechtes" (EBzRV 1286 B1gNR. XIII. GP., Seite 13) in Angleichung an die vorangegangene Novelle zum Einkommensteuergesetz 1972 - EStG 1972, BGBl. Nr. 440, nämlich das Bundesgesetz vom , BGBl. Nr. 469, durch das die Bestimmung des § 3 Z. 28 EStG 1972 (die mit jener des § 3 Z. 33 EStG 1954 in der Fassung der genannten Novelle und des Einkommensteuergesetzes 1967 wortgleich war) derart geändert wurde, daß statt der Wendung "an die Gesamtheit oder die Mehrzahl der Arbeitnehmer" der Ausdruck "an alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen seiner Arbeitnehmer" trat.

Zu dieser in den zitierten Regierungsvorlagen zur 19. und 31. Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz ausgedrückten Absicht einer (weiteren) Angleichung der sozialversicherungsrechtlichen und einkommensteuerrechtlichen Bestimmungen wurde in den Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur 19. Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz ausgeführt, daß schon bei der Schaffung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes der Wunsch vorgebracht worden sei, den Lohnabzug für Zwecke der Lohnsteuer und der Sozialversicherung nach Möglichkeit zu vereinheitlichen. Diesem Wunsch habe allerdings nur in bescheidenem Ausmaß Rechnung getragen werden können, was vor allem darin begründet sei, daß die Beitragsgrundlage vielfach auch die Grundlage für die Bemessung der Leistung der Sozialversicherung bilde; eine zu weitherzige Freistellung einzelner Bezüge in der Sozialversicherung würde zwar eine Entlastung auf der Beitragseite bringen, gleichzeitig aber auch geringere Leistungen bewirken. Trotz dieser mit Recht betonten Verschiedenartigkeit der Zwecke der beiden Rechtsgebiete (die sogar für eine strengere Handhabung der Ausnahmetatbestände im Sozialversicherungsrecht spricht) ist dennoch nicht nur hinsichtlich jener Tatbestände, in denen der Gesetzgeber ausdrücklich auf die steuerlichen Vorschriften hinweist (§ 49 Abs. 3 Z. 2, 3, 4, und 24 ASVG), eine Wertung nach steuerrechtlichen Vorschriften geboten; die Parallelität der Formulierungen im Sozialversicherungs- und im Einkommensteuerrecht gebietet auch (unter Beachtung der verschiedenartigen Zwecke) in den Fällen eine möglichst einheitliche Interpretation, in denen der Gesetzgeber den steuerrechtlichen Tatbestand (aus dem Grund der Angleichung des Sozialversicherungs- und des Steuerrechtes) wörtlich übernommen hat (so mit Recht Krejci, Das Sozialversicherungsverhältnis, Seite 124).

§ 3 Z. 28 EStG 1972 stellt eine Ergänzung zu anderen Tatbeständen des § 3 (nämlich der Z. 18 bis 20), somit eine "subsidiär anzuwendende Generalklausel", dar (vgl. Hofstätter-Reichel, Die Einkommensteuer III A, Kommentar, § 3 EStG 1972, Anm. 26). Als freiwillige soziale Zuwendungen an die Gesamtheit oder die Mehrzahl der Arbeitnehmer im Sinne des § 3 Z. 33 EStG 1967 sind, im Hinblick auf den letzten Halbsatz dieser Bestimmung, nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N. F. Nr. 3636/F, nur solche Leistungen des Arbeitgebers zu verstehen, deren Empfängerkreis zwar durch die Betriebszugehörigkeit eingeschränkt ist, bei denen aber im Zeitpunkt ihrer Erbringung nicht feststeht, wie vielen und im einzelnen welchen Arbeitnehmern sie überhaupt und in welchem Ausmaß sie den einzelnen von ihnen zugute kommen. Die Neufassung des ersten Halbsatzes des § 3 Z. 28 EStG 1972 durch die genannte Einkommensteuergesetz-Novelle 1974 hat zufolge Beibehaltung des zweiten Halbsatzes dieser Bestimmung an diesem Auslegungsergebnis nichts geändert (vgl. Hofstätter-Reichel, Einkommensteuer, § 3 EStG 1972, Anm. 17, Punkt 2).

§ 49 Abs. 3 Z. 11 ASVG unterscheidet sich in seinem Wortlaut von § 3 Z. 28 EStG 1972 freilich gerade darin, daß nicht generell Zuwendungen an individuell bezeichnete Arbeitnehmer von der Ausnahmebestimmung ausgeklammert sind. Dies scheint von vornherein eine einheitliche Interpretation auch der ersten drei Tatbestände in beiden Rechtsgebieten auszuschließen, trifft aber nicht zu. Denn nach § 49 Abs. 3 Z. 11 letzter Halbsatz ASVG sind zwar soziale Zuwendungen an individuell bezeichnete Dienstnehmer nicht grundsätzlich beitragspflichtig, ihre Beitragsfreiheit hängt aber von zwei weiteren Voraussetzungen ab: nämlich der Einmaligkeit (im Gegensatz zur Regelmäßigkeit der Sonderzahlungen) und der Gewährung aus einem (die persönliche oder die familiäre Sphäre des Dienstnehmers selbst betreffenden) besonderen Anlaß (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N. F. Nr. 5200/A). Aus dieser Einschränkung folgt zwingend, daß soziale Zuwendungen an alle Dienstnehmer oder die Mehrzahl der Dienstnehmer (bzw. bestimmte Gruppen der Dienstnehmer), hinsichtlich derer nicht die einschränkenden Tatbestandsmomente des § 49 Abs. 3 Z. 11 letzter Halbsatz gegeben sind, nicht den beiden ersten Tatbeständen unterliegen können, wenn diese Zuwendungen an individuell bezeichnete Dienstnehmer erfolgen, mag die individuelle Bezeichnung auch nicht ausdrücklich ausgesprochen werden, sondern sich durch die im Zeitpunkt der Zuwendung bestehende Zugehörigkeit zu den Dienstnehmern (bei Zuwendungen an alle Dienstnehmer) oder der bestimmten Gruppe (bei Zuwendungen an bestimmte Gruppen von Dienstnehmern) ergeben. Andernfalls bliebe für den 4. Tatbestand des § 49 Abs. 3 Z. 11 leg. cit. kein Anwendungsbereich.

Unter freiwilligen sozialen Zuwendungen im Sinne der beiden ersten Tatbestände des § 49 Abs. 3 Z. 11 leg. cit. sind daher (wie im Einkommensteuerrecht) nicht direkte Geld- oder Sachzuwendungen an individuell bezeichnete Dienstnehmer, sondern nur solche Zuwendungen zu verstehen, deren Empfängerkreis zwar durch die betriebliche Zugehörigkeit oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe eingeschränkt ist, bei denen aber im Zeitpunkt ihrer Erbringung nicht feststeht, wie vielen und im einzelnen welchen Dienstnehmern sie überhaupt und in welchem Ausmaß sie den einzelnen von ihnen zugute kommen.

Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß die strittigen Geldaushilfen aus Anlaß des Weihnachtsfestes der Jahre 1970 bis 1975 an jene Vertragsbedienstete, die Anspruch auf einen Steigerungsbetrag zur Haushaltszulage hatten, zufolge der unmittelbaren Zahlung an die solcherart individuell bezeichneten Vertragsbediensteten, unbeschadet der Richtigkeit der Qualifizierung dieser Aushilfen als "sozial", nicht als freiwillige soziale Zuwendungen im Sinne der beiden ersten Tatbestände des § 49 Abs. 3 Z. 11 leg. cit. zu werten sind und mangels Einmaligkeit und Gewährung der Aushilfen aus einem die persönliche oder familiäre Sphäre dieser Vertragsbediensteten selbst betreffenden besonderen Anlaß auch nicht unter den vierten Tatbestand des § 49 Abs. 3 Z. 11 leg. cit. (so zur Rechtslage vor der 19. Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 628/62, und vom , Zl. 929/66) fielen.

Die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß die strittigen Geldaushilfen freiwillige soziale Zuwendungen an bestimmte Gruppen von Dienstnehmern im Sinne des § 49 Abs. 3 Z. 11 leg. cit. waren, erweist sich somit als rechtswidrig, weshalb die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben waren. Zufolge der Irrelevanz des sozialen Charakters der Geldaushilfen für die vorliegende Entscheidung brauchte auf die behaupteten Verfahrensmängel nicht eingegangen zu werden.

Soweit nichtveröffentlichte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
ASVG §49 Abs3 Z11;
Sammlungsnummer
VwSlg 10159 A/1977
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1980:1977002814.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
VAAAF-58987