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VwGH 27.02.1959, 2811/55

VwGH 27.02.1959, 2811/55

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
EStG 1939 §15 Abs1 Z2;
EStG 1953 §15 Abs1 Z2;
RS 1
Ist eine Person im Handelregister als öffentlicher Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft eingetragen, dann muß auch die Steuerbehörde dieses Gesellschaftsverhältnis mit allen sich daraus ergebenden steuerlichen Rechtsfolgen anerkennen, und zwar auch dann, wenn der Gesellschafter nur seine Arbeitskraft widmet und am Vermögen der Gesellschaft nicht beteiligt ist. Nur dann, wenn die Eintragung dieser Person als Gesellschafter einen Mißbrauch von Formen oder Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes darstellt, kann die Steuerbehörde die Anerkennung als Gesellschafter verweigern.
Normen
EStG 1939 §15 Z2;
EStG 1953 §15 Abs1 Z2;
RS 2
Treffen die Voraussetzungen des § 105 Abs 1 HGB bei einer Personengesellschaft zu, dann ist eine besondere Feststellung, ob die Gesellschaft als Mitunternehmer anzusehen sind, nicht notwendig.
Norm
BAO §22;
RS 3
Die Abgabenbehörde muß ein behauptetes Rechtsverhältnis so lange als bestehend ansehen müssen, als sie nicht nachzuweisen vermag, daß in diesem Rechtsverhältnis ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes zu erblicken sei.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Ondraczek und die Räte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Eichler und Dr. Kaupp als Richter, im Beisein des Sektionsrates Dr. Heinzl als Schriftführer, über die Beschwerde der Firma JB in W gegen den Bescheid der Berufungskommission für Wien bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. VI - 2212/1955, betreffend einheitliche Feststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb, und Gewerbesteuer für 1950, 1951 und 1952, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben,

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine offene Handelsgesellschaft, (OHG). Als Gesellschafter werden in den Steuererklärungen ab 1950 Adele B., Dr. Gustav B., Paul B., Alice T. und Franz D. angegeben. Für die Jahre 1950 und 1951 wurde die einheitliche Gewinnfeststellung und die Veranlagung zur Gewerbesteuer zunächst im wesentlichen den Steuererklärungen entsprechend vorgenommen. Anläßlich einer im Februar 1954 durchgeführten Betriebsprüfung wurde auch in ein zwischen den Gesellschaftern getroffenes Übereinkommen vom Einsicht genommen. Aus diesem ergab sich, daß der als Geschäftsführer auftretende Franz D. durch diese Vereinbarung als Gesellschafter aufgenommen wurde, während die übrigen Gesellschafter durch Erbgang an der OHG beteiligt sind. Auch Franz D. ist als öffentlicher Gesellschafter im Handelsregister eingetragen. Nach dem erwähnten Übereinkommen ist er jedoch nicht "an der Substanz des Unternehmens", wohl aber am Gewinn und Verlust, beteiligt. Für den Fall des Ausscheidens hat er lediglich einen Anspruch auf Auszahlung des Betrages, der dem Stand seines Kapitalkontos am Austrittstag entspricht. Er hat jedoch keinen Anspruch auf irgendeinen Anteil an den im Unternehmen vorhandenen ideellen Werten. Im Fall seines Todes haben seine Erben nur das Recht, die Auszahlung eines etwaigen Guthabens zu Verlangen. Eine Einlage hat er nicht zu leisten, dagegen aber seine volle Arbeitskraft der Gesellschaft zu widmen. Das Finanzamt hat auf Grund dieses Übereinkommens angenommen, daß Franz D. trotz seiner Eintragung im Handelsregister als Gesellschafter der OHG nicht als Mitunternehmer anzusehen ist. Er hat dementsprechend seine Bezüge aus der Gesellschaft nicht als Anteile am Gewinn aus Gewerbebetrieb angesehen. In steuerlicher Hinsicht wirkte sich dies für die Jahre 1950, 1951 und 1952 dahin aus, daß die für diese Jahre beantragte Investitionsrücklage infolge der Herabsetzung des Gewinnes aus Gewerbebetrieb durch die Nichtanerkennung des Gesellschafters ebenfalls eine Verminderung erfuhr. Gegen die vom Finanzamt auf Grund dieser Erwägungen hinausgegebenen berichtigten Steuerbescheide für 1950 bis 1952 hat die Beschwerdeführerin Berufungen erhoben und darin die vom Finanzamt vertretene Rechtsansicht bekämpft. Maßgebend für die Eigenschaft einer Person als öffentlicher Handelsgesellschafter sei vor allem die unbeschränkte Haftung dieser Person gegenüber den Gesellschaftsgläubigern, nicht dagegen die Teilnahme am Gesellschaftsvermögen. Es sei auch nicht anhängig, daß eine im Handelsregister als öffentlicher Gesellschafter eingetragene Person steuerrechtlich nicht als solcher angesehen werde.

Die Berufungskommission hat mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die Berufungen als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, die Gesellschafter einer OHG seien nach herrschender Rechtsansicht steuerlich als Mitunternehmer anzusehen, wenn sie an der Substanz des Unternehmens und am Gewinn und Verlust beteiligt sind. Wer lediglich am Gewinn und Verlust beteiligt ist, könne begrifflich nicht Mitunternehmer sein, da ihm nicht die gleichen Rechte wie den anderen Unternehmern zukommen. Die Tatsache, daß eine solche Person die gleichen Pflichten durch die Haftung mit ihrem gesamten Vermögen für Schulden des Betriebes auf sich genommen hat, verleihe ihr noch nicht die Eigenschaft des Mitunternehmers. Wer nach dem Handelsgesetz bei Zutreffen gewisser formaler Bestimmungen als öffentlicher Gesellschafter anzusehen ist, müsse noch nicht "Unternehmer" bzw. "Mitunternehmer" im Sinne der steuerrechtlichen Bestimmungen sein. Das Steuerrecht knüpfe nicht an die Form, sondern an die tatsächlichen Verhältnisse an. Lediglich die Gewinnanteile der Mitunternehmer bildeten in ihrer Gesamtheit den Gewinn der Gesellschaft, der der Berechnung der Investitionsrücklage zugrunde zu legen ist. Die Bezüge anderer allenfalls auch am Gewinn beteiligter Personen, die nicht an der Substanz des Unternehmens beteiligt sind, zählten zu den Betriebsausgaben und verminderten den Gewinn der Gesellschaft.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 15 Z. 2 des Einkommensteuergesetzes 1939 sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb die Gewinnanteile der Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft und einer anderen Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen ist. Die Summe der Gewinnanteile ist der bei Ermittlung der Investitionsrücklage zugrunde zu legende Gewinn. Eine offene Handelsgesellschaft ist nach § 105 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, wenn bei keinem der Gesellschafter die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern beschränkt ist. Treffen diese Voraussetzungen bei einer Personengesellschaft zu, dann ist eine besondere Feststellung, ob die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, auf Grund des Wortlautes des § 15 Z. 2 des Einkommensteuergesetzes überhaupt nicht erforderlich. Im vorliegenden Beschwerdefall ergibt sich aus der Aktenlage, daß der Gesellschafter Franz D. zu dem Zweck in die Gesellschaft aufgenommen wurde, um als allein im Inland weilender Gesellschafter, den Handelsbetrieb zu führen und daß er als öffentlicher Gesellschafter, in welcher Eigenschaft er auch im Handelsregister eingetragen ist, die unbeschränkte Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern übernommen hat. Er bildet also unbestreitbar mit den übrigen Gesellschaftern eine offene Handelsgesellschaft im Sinne des § 105 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches. Diese Tatsache mußte die belangte Behörde, abgesehen von einer steuerrechtlich regelmäßig nicht anerkannten Rückwirkung solcher Verträge, auch steuerlich solange gelten lassen, als sie nicht nachzuweisen vermochte, daß in dem Gesellschaftsvertrag (Übereinkommen vom ) ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes im Sinne des § 6 des Steueranpassungsgesetzes (vom , DRGBl. I S. 925) zu erblicken sei, was sie jedoch gar nicht versucht hat. Sie hat mithin, da sie die strittigen Bezüge des Franz D. nicht als Gewinnanteile an einer OHG und daher nicht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb behandelte, das Gesetz rechtsirrig angewendet. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1952 aufzuheben. Bei dieser Rechtslage war auf die Vorbringen der Beschwerde betreffend Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht weiter einzugehen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BAO §22;
EStG 1939 §15 Abs1 Z2;
EStG 1939 §15 Z2;
EStG 1953 §15 Abs1 Z2;
Sammlungsnummer
VwSlg 1968 F/1959
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1959:1955002811.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
RAAAF-58984