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VwGH 13.03.1978, 2790/76

VwGH 13.03.1978, 2790/76

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
EGVG Art8 Abs1 lita Fall3 Lärmerregung idF 1977/232;
RS 1
Hat der Wohnungsinhaber selbst keinen störenden Lärm erregt (hier Klavierspiel), so kann er nach Art VIII Abs 1 lit a 3.Fall EGVG nur bestraft werden, wenn er es unterlassen hat, den in seiner Wohnung entstandenen Lärm abzustellen, wenn ihm dies möglich gewesen wäre. Diese Möglichkeit muss die Behörde näher begründen.
Normen
EGVG Art8 Abs1 lita Fall1 Ordnungsstörung;
VwRallg;
RS 2
Unter störendem Lärm sind die wegen ihrer Lautstärke für das menschliche Empfindungsvermögen unangenehm in Erscheinung tretenden Geräusche, mögen sie vom Täter unmittelbar durch Bestätigung der menschlichen Sprechorgane oder durch Verwendung von Werkzeugen, Lautsprechern und dgl Gegenständen oder mittelbar dadurch hervorgerufen werden, dass sich der Täter eines willenslosen, wenn auch lebenden Werkzeuges bedient, wie etwa eines bellenden Hundes (Hinweis E BGH 29.1.1935 A 613/34 VwSlg 241 A/1935).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 1192/47 E VwSlg 543 A/1948 RS 1
Norm
EGVG Art8 Abs1 lita Fall3 Lärmerregung;
RS 3
Die Strafbarkeit der ungebührlichen Erregung störenden Lärms ist bereits dann gegeben, wenn die Lärmerregung nach einem objektiven Maßstab geeignet erscheint, von anderen nichtbeteiligten Personen als ungebührlich und störend empfunden zu werden.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 0853/49 E VwSlg 2375 A/1951 RS 2
Norm
EGVG Art8 Abs1 lita Fall3 Lärmerregung;
RS 4
Auch eine Musikdarbietung von künstlerischem Wert (Klavierspiel und Gesang) kann sich objektiv als ungebührliche Lärmerregung darstellen.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 0315/71 E RS 1
Norm
EGVG Art8 Abs1 lita Fall3 Lärmerregung;
RS 5
Da durch die Benützung einer Bohrmaschine bei Bastelarbeiten am Wochenende (hier: Sonntag) der Tatbestand der ungebührlichen Lärmerregung verwirklicht wird, ist ein Hinweis auf eine bestehende Hausordnung nicht erforderlich.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 0468/74 E VwSlg 8766 A/1975 RS 4
Norm
VStG §5 Abs1;
RS 6
Die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes allein genügt nicht, um einem Beschuldigten eine Verwaltungsübertretung zurechnen zu können. Es ist nach § 5 Abs 1 VStG zur Anrechnung einer Verwaltungsübertretung immer ein Verschulden, und zwar mindestens fahrlässiges Verhalten notwendig. Dies gilt auch für Ungehorsamsdelikte, wozu auch eine Bauführung ohne Baubewilligung gehört. Fehlt ein Verschulden, dann ist eine Bestrafung nicht möglich.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 0269/47 E VwSlg 214 A/1947; RS 1
Norm
EGVG Art8 Abs1 lita Fall3 Lärmerregung;
RS 7
Der Inhaber öffentlicher Gast- und Kaffeehauslokalitäten ist für den durch seine Gäste erregten Lärm in gleicher Weise verantwortlich, als wenn er selbst der Erreger des Lärms gewesen wäre. Er kann sich in einem solchen Falle nur durch den Nachweis straflos halten, dass er alle Vorkehrungen getroffen habe, um eine derartige Lärmerregung zu verhindern (Hinweis E , A 1308/36 VwSlg 1115 A/1937).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 0853/49 E VwSlg 2375 A/1951 RS 1
Norm
EGVG Art8 Abs1 lita Fall3 Lärmerregung;
RS 8
Der Wohnungsinhaber haftet nicht schlechtwegs für jeden durch andere Personen in seiner Wohnung verursachten ungebührlichen Lärm. Er verwirklicht den Tatbestand des Art VIII Abs 1 lit a dritter Fall nur dann, wenn er es unterläßt, umgehend Abhilfe zu schaffen.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 0693/77 E VwSlg 9384 A/1977 RS 1
Normen
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 litc Z3 impl;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc impl;
RS 9
Die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes genügt den Anforderungen, die das AVG an die Begründung eines Bescheides stellt, nicht.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 1707/54 E VwSlg 3787 A/1955 RS 2
Normen
VwGG §42 Abs2 Z3 litc impl;
VwGG §42 Abs2 Z3;
RS 10
Aufhebung wegen Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes und mangelhafter Begründung (Schätzung bei Wiener Anzeigeabgaben).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 0686/74 E RS 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Raschauer und die Hofräte Kobzina, Öhler, Meinl und Dr. Würth als Richter, im Beisein der Schriftführer Rat im Verwaltungsgerichtshof Dr. Feitzinger und Dr. Hailzl, über die Beschwerde des Ing. AH in W, vertreten durch Dr. Helga Prokopp, Rechtsanwalt in Wien I, Volksgartenstraße 5/7, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 62- III/161/76/Str, wegen Verwaltungsübertretung nach Art. VIII Abs. 1 lit. a EGVG (dritter Fall), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.075,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis vom , Pst 2923-D/74 We, erkannte die Bundespolizeidirektion Wien (Bezirkspolizeikommissariat Döbling) den Beschwerdeführer schuldig, in der Wohnung Wien 19., An den langen Lüssen 11/3/1, als "Verantwortlicher" dieser Wohnung es zugelassen zu haben, dass

1) am von 15.00 Uhr bis 16.00 Uhr und von 16.30 Uhr bis 19.00 Uhr und 2) am von 14.30 Uhr bis 18.30 Uhr in der Wohnung Klavier mit unerträglicher Lautstärke gespielt und dadurch ungebührlicherweise störender Lärm erregt wurde. Dadurch habe er Verwaltungsübertretungen je nach Art. VIII Abs. 1 lit. a EGVG dritter Fall begangen; gemäß Art. VIII Abs. 1 letzter Satz EGVG wurden deshalb über den Beschwerdeführer Geldstrafen von je

S 500,-- (zusammen S 1.000,--), im Nichteinbringungsfall je drei Tage Ersatzarreststrafe verhängt. Die Behörde erster Instanz begründete das Straferkenntnis damit, dass die "Tatbestände" (richtig: der tatbestandliche Sachverhalt) auf Grund der Zeugenaussagen von Ing. Peter N., Sabine N. und Ute N. als erwiesen anzusehen seien. Der Beschuldigte bestreite nicht, dass zur angeführten Zeit Klavier gespielt worden sei, sondern nur, dass die vorher festgestellten Schallpegelwerte erreicht worden seien, da er das ursprünglich vorhandene Klavier gegen ein Pianino ausgewechselt habe und dieses erheblich leiser sei. Bei der am in der Wohnung des Ing. Peter N. durchgeführten Hörprobe seien Schallpegelwerte zwischen 35 und 45 dB(A) und häufig Spitzen bis 50 dB(A) gemessen worden, ein Geräusch sei jedoch dann als unzumutbar anzusehen, wenn es "den Geräuschpegel von mehr als 10 dB(A)" übersteige. Der Lärm müsse auch nicht durch eigenes aktives Verhalten verursacht sein, es genüge vielmehr, dass seine Abstellung unterlassen werde, obwohl die Möglichkeit dazu bestehe. Die erkennende Behörde sei der Ansicht, dass auch durch das neue Klavier (Pianino) Lärm erzeugt werde, der in der Wohnung des Ing. N. zu einem Geräuschpegel von erheblich mehr als 10 dB(A) führe. Der Lärm des Klavierspielens sei aber auch schon deshalb ungebührlich, da die in der Anzeige angeführte Zeit das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreite und ein anderer dadurch in seiner Lebensweise, deren Berücksichtigung von seiner Umwelt billigerweise verlangt werden könne, beeinträchtigt worden sei.

In seiner Berufung gegen das Straferkenntnis machte der Beschwerdeführer vor allem geltend, dass selbst im Fall ungebührlicher Lärmerregung durch das Klavierspiel der Söhne des Beschwerdeführers nur diese, nicht aber der Beschwerdeführer als Täter gemäß Art. VIII EGVG zur Verantwortung gezogen werden könnte. Eine Verantwortung des Beschwerdeführers für seine Söhne bestehe nicht, zumal er nicht einmal Gelegenheit gehabt hätte, in irgendeiner Weise in das Geschehen einzugreifen, da am (Freitag) bzw. am (Dienstag) seiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen sei. Er wies auch auf die mangelnde Schlüssigkeit der Begründung der Behörde erster Instanz hin, da trotz Auswechslung des ursprünglich vorhandenen Klaviers gegen ein wesentlich leiseres Pianino die Ergebnisse der Hörprobe vom den Vorfällen vom 26. April und zu Grunde gelegt worden seien. Schließlich wurde in der Berufung noch darauf hingewiesen, dass das Straferkenntnis erster Instanz zwar die Aussagen des Ing. Peter N., der Sabine N. und der Ute N., jedoch nicht die Aussagen der übrigen Mitbewohner des Hauses berücksichtigt habe. Überdies sei auf Grund der bestehenden Hausordnung Klavierspielen in der Zeit zwischen 7.00 Uhr früh und 22.00 Uhr abends erlaubt. In einer weiteren Äußerung im Berufungsverfahren wies der Beschwerdeführer überdies darauf hin, dass die von den Aussagen der übrigen Hausparteien abweichenden Angaben der Mitglieder der Familie N. auf die seinerzeit bestehenden persönlichen Differenz zwischen den beiden Mietern N. und H. zurückzuführen seien.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde das Straferkenntnis erster Instanz mit der "Richtigstellung - Abänderung - Maßgabe", dass nur eine Verwaltungsübertretung nach Art. VIII Abs. 1 lit. a dritter Fall EGVG 1950 vorläge und die beiden Strafen demnach in Anwendung des § 51 Abs. 4 VStG 1950 in eine von S 600, -- (im Nichteinbringungsfalle drei Tage Arrest) umgewandelt würden. In der Begründung des Berufungsbescheides führte die belangte Behörde aus, dass in der Schuldfrage "im wesentlichen" die Gründe des Straferkenntnisses erster Instanz maßgebend gewesen seien. Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verwaltungsübertretung sei durch die Aussagen der Zeugen Ing. Peter N., Sabine N. und Ute N. erwiesen und finde auch eine gewisse Bestätigung im Ergebnis der am durchgeführten Hörprobe, da in dieser sehr deutlich zum Ausdruck komme, in welcher Weise der aus der Wohnung des Beschwerdeführers dringende Lärm sich zur Wohnung "des Aufforderers" fortgepflanzt habe. (Die Schallübertragung erfolge vor allem als Körperschall durch die Decke und das aufsteigende Mauerwerk). Dadurch erscheine es auch erklärlich, dass die Zeugen Dr. T. (als unmittelbarer Wohnungsnachbar des Beschwerdeführers) und Johann G., der schräg über der Wohnung des Beschwerdeführers wohne, von den durch das Klavierspielen verursachten Lärmstörungen nicht in solcher Weise wie Ing. Peter N. betroffen gewesen seien. Für diesen und seine Familie sei das Klavierspielen in einer Lautstärke zu vernehmen gewesen, die das im Zusammenleben übliche Maß bei weitem überschritten und zu einer Beeinträchtigung der Lebensweise geführt habe. Dass diese Familie in der Zwischenzeit aus ihrer Wohnung ausgezogen sei, könne dem Beschwerdeführer in keiner Weise zugute gehalten werden, da ein Zusammenhang zwischen den jahrelangen Lärmbelästigungen und dem Wunsch nach einer anderen Wohnumgebung durchaus möglich sei. Zu der vom Beschwerdeführer angezweifelten Täterschaft sei zu bemerken, dass störender Lärm nicht bloß durch eigenes Tun erregt werden könne, sondern auch durch Unterlassung seiner Abstellung, obwohl dazu die Möglichkeit bestehe. In seiner Eigenschaft als "Wohnungsbesitzer, Haushaltungsvorstand und Vater der beiden klavierspielenden Brüder" wäre es dem Beschwerdeführer wohl auch möglich gewesen, sich auf gütlichem Wege mit seinem Nachbarn etwa dahin gehend zu einigen, dass während ganz bestimmter Zeiten bzw. in bestimmter Lautstärke kein Einwand gegen das Klavierspiel bestünde, und die strikte Einhaltung dieser Vereinbarung innerhalb seiner Familie durchzusetzen. Da der Beschwerdeführer jedoch der Familie N. gegenüber keinerlei sich in verminderter Lautstärke niederschlagende Rücksichtnahme gezeigt habe, bestehe das angefochtene Straferkenntnis dem Grunde nach zu Recht. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die einzelnen Tatzeiträume innerhalb einer Woche lägen, sei lediglich im Hinblick auf diese zeitliche Kontinuität davon auszugehen, dass es sich um ein fortgesetztes Delikt gehandelt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Durch den in Beschwerde gezogenen Bescheid fühlt sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt, nicht bestraft zu werden. Hiezu führt er im wesentlichen aus:

Der Bescheid sei vor allem deshalb mangelhaft, da er die Gründe des Straferkenntnisses erster Instanz einfach übernommen habe, ohne dem ausdrücklich vorgebrachten Umstand Rechnung zu tragen, dass seit der Hörprobe (am ) das Instrument als solches ausgetauscht worden sei und daher die am festgestellten Geräuschwerte ebenfalls nicht mehr am 26. April und angenommen werden könnten. Ein weiterer Verfahrensmangel ergebe sich daraus, dass sich der Bescheid zwar auf die Aussagen der Zeugen Ing. Peter N., Sabine N. und Ute N. stütze, sich aber nicht mit den durch den Beschwerdeführer vorgebrachten Argumenten auseinander gesetzt habe, dass diese Aussagen an sich widersprüchlich seien, da sie nicht einmal den genauen Zeitpunkt der angeblichen Tathandlungen wiederzugeben vermöchten. Überdies stünden diese Aussagen in einem auffallenden Widerspruch mit denen der übrigen Hausbewohner, die als Zeugen nicht nur erklärt hätten, sich in keiner Weise durch das Klavierspiel gestört zu fühlen, sondern darüber hinaus auch bestätigt hätten, dass auf Grund einer mit dem Beschwerdeführer getroffenen Vereinbarung in der Zeit zwischen 12.00 Uhr und 14.00 Uhr nicht gespielt worden sei. Weiters habe sich die belangte Behörde mit dem wiederholten Vorbringen des Beschwerdeführers nicht befasst, dass auf Grund der geltenden Hausordnung das Musizieren lediglich in der Zeit zwischen 22.00 Uhr und 7.00 Uhr früh verboten sei. Auch hätte sich die belangte Behörde von Amts wegen damit auseinander setzen müssen, dass seit dem Vorfall im Jahre 1974 keine wie immer geartete Beanstandung dieser Art mehr erfolgt sei. Wenn in diesem Zusammenhang im angefochtenen Bescheid ausgeführt werde, dass der Auszug der Familie N. aus ihrer Wohnung unter Umständen auf die jahrelangen Lärmbelästigungen zurückzuführen sei, so sei diese Begründung lediglich eine Annahme der belangten Behörde, die keineswegs berechtigt erscheine. Vielmehr werde dadurch das Vorbringen des Beschwerdeführers erhärtet, es hätten sich in erster Linie um Anzeigen gehandelt, die aus einem gewissen persönlichen Konfliktverhältnis heraus erstattet worden seien.

Die belangte Behörde habe sich aber auch nicht damit auseinander gesetzt, dass der Beschwerdeführer keine Kenntnis über die Vorgänge in seiner Wohnung erlangen hätte können und es ihm auch als Haushaltungsvorstand, Wohnungsbesitzer und Vater schon aus diesem Grund nicht möglich gewesen sei, seine Söhne bzw. seine Frau dazu zu veranlassen, das Klavierspiel leiser zu gestalten. Eine Einstellung desselben könne zu den angegebenen Zeiten jedoch nicht verlangt werden, zumal es sich um eine Ausbildung der beiden Söhne handle, die bereits durch mehrere Jahre erfolgreich betrieben werde.

Die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides erblickt der Beschwerdeführer darin, dass nur derjenige, der ein positives Verhalten im Sinne des Art. VIII Abs. 1 lit. a dritter Fall EGVG setze, nach dieser Gesetzesbestimmung zur Verantwortung gezogen werden könne. Darüber hinaus habe er aber auch gar keine Möglichkeit zur Überprüfung bzw. Abstellung zu lauten Klavierspielens zu den ihm jeweils vorgeworfenen Zeitpunkten gehabt.

Über diese Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof unter Bedachtnahme auf die Gegenschrift der belangten Behörde erwogen:

Gemäß Art. VIII Abs. 1 lit. a dritter Fall EGVG 1950 (in der auf den vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 232/1977) begeht eine Verwaltungsübertretung, wer ungebührlicherweise störenden Lärm erregt. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 1192/47, Slg. Nr. 543/A, und vom , Zl. 315/71, uam) ausgesprochen hat, erfolgt das Erregen störenden Lärms im Sinne dieser Gesetzesstelle dann ungebührlicherweise, wenn das Tun oder Unterlassen, das zur Erregung des Lärms führt, gegen ein Verhalten verstößt, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden muss, und jene Rücksichtnahme vermissen lässt, die die Umwelt verlangen kann. Dabei genügt es, dass die Lärmerregung nach einem objektiven Maßstab geeignet erscheint, von nichtbeteiligten Personen als ungebührlich und störend empfunden zu werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 2375/A). Als eine derartige Lärmerregung können durchaus auch Musikdarbietungen, selbst von künstlerischem Wert, in Betracht kommen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zln. 414, 415, 446/68, sowie vom , Zl. 315/71). Es ist daher rechtlich ohne Bedeutung, dass nach der Hausordnung das Musizieren zwischen 22.00 Uhr und 7.00 Uhr früh verboten ist; dies erlaubte höchstens den Schluss, dass in dieser Zeit jegliches Musizieren als "ungebührlich" anzusehen ist. Ein Umkehrschluss, ein Musizieren gleichgültig in welcher Lautstärke, außerhalb dieser Zeiten sei unter allen Umständen erlaubt, ist nicht zulässig. Dazu kommt noch, dass Art. VIII Abs. 1 lit. a dritter Fall EGVG auf einen objektiven Maßstab abstellt, während die Hausordnung lediglich die privatrechtlichen Rechtsverhältnisse zwischen den Hausbewohnern regelt.

Selbst die belangte Behörde geht jedoch davon aus - dies zeigt die Hörprobe vom -, dass der Störlärm als Sachverhaltselement in objektiver Weise festzustellen ist. Die belangte Behörde verkannte indessen, dass die zur Erhebung des objektiven Störlärms durchgeführten Ermittlungen ein anderes als das in dem dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Sachverhalt verwendete Instrument zum Gegenstand hatten. Damit leidet der in Beschwerde gezogene Bescheid aber an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Überhaupt ist ihm nicht mit Sicherheit zu entnehmen, welchen Grad der Lärmerregung die belangte Behörde als erwiesen angenommen hatte, da für sie "in der Schuldfrage" "im wesentlichen" (also inwieweit ?) die Gründe des Straferkenntnisses erster Instanz maßgebend waren. Da sie selbst nur anführte, dass sie "die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verwaltungsübertretung", nicht aber einen näher konkretisierten Sachverhalt als erwiesen angenommen hatte, fehlen daher die erforderlichen objektivierbaren Feststellungen. Bemerkt wird, dass die "Ansicht" der Behörde erster Instanz, dass auch durch das neue Klavier Lärm erzeugt werde, der in der Wohnung des Ing. N. zu einem Geräuschpegel "von erheblich mehr als 10 dB(A)" führe, offensichtlich das Amtsgutachten missverstanden hatte, in dem richtig auf die Differenz zwischen dem Grundgeräuschpegel und einer konkreten Lärmbelästigung abgestellt worden war.

Weiters handelt es sich bei der zitierten Verwaltungsübertretung um ein Erfolgsdelikt. Gemäß § 5 Abs. 1 erster Satz VStG 1950 hat die Behörde bei diesen Delikten dem Täter nicht nur die Erfüllung des objektiven Tatbestandes, sondern auch das Verschulden nachzuweisen. Wohl hat der Verwaltungsgerichtshof (vgl. das Erkenntnis vom , Slg. Nr. 2375/A) ausgesprochen, dass es zum besonderen Pflichtenkreis eines jeden Inhabers öffentlicher, allgemein zugänglicher Gast- und Kaffeehauslokalitäten gehört, von sich aus alle Vorkehrungen zu treffen, um die Ruhe und Ordnung in seinem Betrieb zu sichern und eine allfällige Erregung ungebührlichen Lärms durch Gäste abzustellen. Unterlässt er dies, ist er für den durch seine Gäste erregten Lärm in gleicher Weise verantwortlich, als wenn er selbst der Erreger des Lärms gewesen wäre. Dieser Grundsatz kann aber nicht schlechtwegs auf jeden Wohnungsinhaber, gleichsam wie die Haftung für Schäden, die durch aus der Wohnung herabfallende Gegenstände entstanden sind, ausgedehnt werden. Hat der Wohnungsinhaber selbst keinen ungebührlich störenden Lärm erregt, so kann er wegen der Verwaltungsübertretung nach Art. VIII Abs. 1 lit. a dritter Fall EGVG 1950 nur dann schuldig erkannt werden, wenn er, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, es unterlassen hat, den in seiner Wohnung entstandenen ungebührlichen Lärm abzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 693/77).

Es kann daher den Ausführungen der Beschwerde nicht gefolgt werden, dass nach dem Wortlaut des Art. VIII Abs. 1 lit. a dritter Fall EGVG unbedingt ein positives Verhalten gesetzt werden müsse. Mit Recht weist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darauf hin, dass hier ein Kommissivdelikt per omissionem vorliege. Hingegen kann auch der - allerdings nur in der Gegenschrift vertretenen - Rechtsansicht der belangten Behörde nicht beigepflichtet werden, die Notwendigkeit der Bestrafung des Haushaltungsvorstandes ergebe sich daraus, dass sonst im Falle einer Mehrheit von Bewohnern oder zur Tatzeit Anwesenden die den Lärm effektiv hervorrufende Person nur im Fall einer "diesbezüglichen schwer erzwingbaren Mitwirkung der übrigen" eruiert werden könnte. Schwierigkeiten in der Sachverhaltsermittlung können nicht dazu führen, dass die Behörde eine von mehreren in Betracht kommenden Personen, sei es auch den Haushaltungsvorstand - gleichsam in Stellvertretung der übrigen, bestraft.

Diese offensichtlich unrichtige Rechtsansicht liegt aber dem in Beschwerde gezogenen Bescheid nicht ersichtlich zu Grunde. Denn in diesem Bescheid ist die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer die Abstellung des von anderen verursachten störenden Lärms unterlassen habe, obwohl die Möglichkeit dazu bestanden hätte. Diese unbedenkliche Rechtsansicht hat die belangte Behörde allerdings nicht hinreichend begründet. Ebenso wenig wie die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes den Anforderungen, die das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz an die Begründung eines Bescheides stellt, nicht genügen kann (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 3787/A, ua), reicht es auch nicht hin, eine an sich richtige Rechtsansicht dem Bescheid zu Grunde zu legen, ohne die dazu erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen zu treffen. Dabei handelt es sich aber schon deshalb um einen wesentlichen Mangel, weil die Strafbarkeit der Unterlassung von der konkreten Möglichkeit der Verhinderung und nicht einer bloß von der Behörde abstrakt angenommenen abhängt. Der Beschwerdeführer hat nämlich von Anfang an nicht nur seine Verantwortlichkeit für das Klavierspiel seiner Söhne bestritten, sondern sogar konkret vorgebracht, dass er, um eine Lärmbelästigung der Nachbarn zu vermindern, sogar den vorhandenen Flügel durch ein Pianino ersetzt habe, das nach Zusicherung des Verkäufers wesentlich weniger laut sei.

Da die belangte Behörde in dieser Richtung keinerlei Ermittlungen vornahm und im angefochtenen Bescheid jegliche Feststellungen fehlen, aus denen eine konkrete Schuld des Beschwerdeführers im Sinne der vom Verwaltungsgerichtshof gebilligten Rechtsansicht des in Beschwerde gezogenen Bescheides abgeleitet werden könnte, leidet der Bescheid auch deshalb an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Nicht ganz einsichtig sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen der Begründung des in Beschwerde gezogenen Bescheides, dass es dem Beschwerdeführer wohl auch möglich gewesen wäre, sich auf gütlichem Weg mit seinem Nachbarn etwa dahin gehend zu einigen, dass während ganz bestimmter Zeiten bzw. in bestimmter Lautstärke kein Einwand gegen das Klavierspiel bestünde. Die belangte Behörde ist ja an anderer Stelle offensichtlich richtig davon ausgegangen, dass es lediglich auf die objektive Eignung zur Störung ankommt und nicht darauf, ob sich eine bestimmte Person gestört fühlt oder sich mit der Störung einverstanden erklärt.

Bemerkt sei schließlich noch, dass die Richtigkeit der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht, die (Zulassung der) Lärmerregung an zwei (innerhalb einer Woche liegenden) Tagen sei nur als ein fortgesetztes Delikt zu betrachten, dahingestellt bleiben kann, da sich der Beschwerdeführer dadurch in einem Recht nicht verletzt erachtet (und dies wohl auch nicht könnte).

Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 und 3 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 542/1977; das über den in dieser Verordnung festgesetzten Pauschalbetrag für den Ersatz des Schriftsatzaufwandes hinausgehende, sowie das auf den Ersatz der Umsatzsteuer gerichtete Kostenersatzbegehren war mangels einer rechtlichen Grundlage abzuweisen.

Wien, am

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Normen
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
EGVG Art8 Abs1 lita Fall1 Ordnungsstörung;
EGVG Art8 Abs1 lita Fall3 Lärmerregung idF 1977/232;
EGVG Art8 Abs1 lita Fall3 Lärmerregung;
VStG §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 litc Z3 impl;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc impl;
VwGG §42 Abs2 Z3;
VwRallg;
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7
Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel
als wesentlicher Verfahrensmangel
Begründung Begründungsmangel
Andere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten Baurecht
Verfahrensbestimmungen Beweiswürdigung Antrag
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1978:1976002790.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
TAAAF-58966