VwGH 07.04.1981, 2763/80
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Norm | EStG 1972 §16 Abs1; |
RS 1 | Grundsätzlich dienen die Kosten für ein Hochschulstudium der Berufsausbildung und sind daher als Werbungskosten nicht abzugsfähig. Hat der Steuerpflichtige jedoch ein Hochschulstudium abgeschlossen und übt er einen diesem adäquaten Beruf aus, so können die Kosten eines zweiten Hochschulstudiums Werbungskosten sein, wenn die beiden Wissenschaftsgebiete qualifiziert verflochten sind, wie zB bei dem an das Studium der Rechtswissenschaften anschließende Studium der Sozialwissenschaften und Wirtschaftswissenschaften (betriebswirtschaftliche Studienrichtung). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Kirschner und Dr. Schubert als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. König, über die Beschwerde des Mag. Dr. WM in L, vertreten durch Dr. Eduard Saxinger und Dr. Peter Baumann, Rechtsanwälte in Linz, Fadingerstraße 15, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. 187/1-5/Se-1979, betreffend Eintragung eines steuerfreien Betrages auf der Lohnsteuerkarte für 1978, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.300,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beendete 1971 sein Studium der Rechts- und Staatswissenschaften mit der Promotion zum Dr. iuris. Im Streitjahr war er bei der Arbeiterkammer für Oberösterreich in der Abteilung für Arbeitsrecht tätig, ab 1979 ist er in einem Privatbetrieb als Personalchef beschäftigt. 1978 beendete der Beschwerdeführer ein zweites Universitätsstudium und erlangte den akademischen Grad eines Magisters der Sozial- und Wirtschaftswirtschaften (Betriebswirtschaftliche Studienrichtung). Die im Instanzenzug angerufene belangte Behörde gab mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der Berufung des Beschwerdeführers in dem vor dem Gerichtshof allein strittigen Punkt, ob die 1978 vom Beschwerdeführer geltend gemachten Kosten für das zweite Universitätsstudium von S 10.147,-- Werbungskosten sind, keine Folge. Sie begründete den angefochtenen Bescheid unter Berufung auf § 16 Abs. 1 EStG 1972 und die hg. Rechtsprechung hiezu damit, daß zwar Kosten der Berufsfortbildung Werbungskosten seien, nicht aber Kosten der Berufsausbildung. Nach dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 767/69, diene das Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule der Ausbildung für einen Beruf, könne aber keineswegs als Berufsfortbildung angesehen werden. Auch die Kosten eines einem bereits abgeschlossenen Erststudium verwandten Zweitstudiums seien Ausbildungskosten, wenn der Steuerpflichtige bereits auf Grund des Erststudiums einen Beruf ausübe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Der Beschwerdeführer räumt ein, daß ein an die Matura anschließendes Hochschulstudium ebenso der Berufsausbildung diene wie ein "Zweitstudium", dessen "Studieninhalt" mit dem bereits abgeschlossenen Studium nichts zu tun habe. In diesen Fällen liege keine "Fortbildung" in dem hier maßgebenden Sinn vor. Anders sei es im Falle des Beschwerdeführers. Die Rechtswissenschaften gehörten wie die Betriebswirtschaftslehre zu den Gesellschaftswissenschaften. Die Beschwerde zählt sodann Pflicht- und Wahlfächer beider Studienrichtungen auf und untermauert die Ähnlichkeit der beiden gegenständlichen Studienrichtungen mit dem Umstand, daß dem Beschwerdeführer für das Studium der Betriebswirtschaftslehre wegen der vorangegangenen rechtswissenschaftlichen Studien drei von acht Studiensemestern bescheidmäßig "erlassen" worden seien. Dasselbe Bild ergebe sich bei näherer "Beleuchtung" der "beruflichen Situation" des Beschwerdeführers. Als Vertreter von Arbeitnehmern und Berater von Betriebsräten habe sich für den Beschwerdeführer bei seiner Beschäftigung bei der Arbeiterkammer anläßlich von Verhandlungen mit der Arbeitgeberseite über Löhne, Sozialleistungen etc. immer wieder die Notwendigkeit ergeben, auch die betriebswirtschaftliche und wirtschaftliche "Seite eines Unternehmens zu sehen, um zu gerechten Ergebnissen zu gelangen". Dies habe den Beschwerdeführer bewogen, sein Studium abzuschließen, ohne daß sich dadurch an seiner beruflichen Tätigkeit etwas geändert habe. Erst später habe der Beschwerdeführer die Chance erhalten, als Personalleiter in ein Industrieunternehmen überzuwechseln. Engagiert sei der Beschwerdeführer wegen seiner Kenntnisse auf dem Gebiete des Arbeitsrechtes worden; die "dazu getretenen Kenntnisse" aus der Betriebswirtschaftslehre hätten sicherlich eine "willkommene Abrundung" dargestellt und dienten damit der "Sicherung der Einnahmen", wie dies § 16 Abs. 1 EStG voraussetze. Sie seien aber nicht Voraussetzung für die künftige Berufsausübung auf dem neuen Arbeitsplatz des Beschwerdeführers. Es habe auch kein "Übergang auf eine andere Berufsart" stattgefunden. Hätte der Beschwerdeführer Fortbildungskurse über Betriebswirtschaft besucht, wären die Kosten hiefür steuerlich sicherlich als Kosten der Berufsfortbildung anerkannt worden. Die belangte Behörde habe § 16 Abs. 1 EStG 1972 unrichtig ausgelegt, wenn sie ein Hochschulstudium stets als Berufsausbildung beurteilte. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde im Falle des Beschwerdeführers erkennen müssen, daß er lediglich seine bisherigen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten verbesserte, um seinen Beruf besser ausüben zu können.
Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe es unterlassen, Feststellungen "über die inhaltliche Ähnlichkeit der beiden absolvierten Studien, über die Art" der beruflichen Tätigkeit und darüber zu treffen, inwieweit dafür ein akademisches Studium Voraussetzung sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1972 sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung zwischen Kosten der Berufsausbildung und Kosten der Berufsfortbildung unterschieden. Die Kosten der Berufsausbildung sind danach keine Werbungskosten, die Kosten der Berufsfortbildung hingegen finden als Werbungskosten Berücksichtigung (vgl. beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 3170/54, Slg. Nr. 1572/F, vom , Zl. 454/58, Slg. Nr. 1939/F, und vom , Zl. 262/67, Slg. Nr. 3616/F). Zu den Kosten eines Hochschulstudiums hat der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht vertreten, daß dieses der Ausbildung für einen Beruf dient, keineswegs der Berufsfortbildung (siehe die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 294/58, Slg. Nr. 2348/F, und vom , Zl. 767/69).
Von dieser Rechtsansicht abzugehen, besteht im Beschwerdefall kein Anlaß. Die allgemeine Aussage, daß ein Hochschulstudium keine Berufsfortbildung im Sinne einer Weiterbildung im erlernten Beruf ist, schließt jedoch nicht aus, daß dies nach den Gegebenheiten des Einzelfalles nicht doch zutreffen kann. Es wird das - abweichend von der allgemeinen Regel - insbesondere dann bejaht werden können, wenn es sich um einen zweiten Studiengang handelt, dessen Gegenstand ein Wissenschaftszweig ist, der mit dem abgeschlossenen Studium qualifiziert verflochten ist. Das wird dann zutreffen, wenn der Steuerpflichtige einen Beruf ausübt, für den die durch ein Universitätsstudium gewonnenen Kenntnisse wesentliche Grundlage sind und ein zweites Universitätsstudium nach seiner Art geeignet ist, den für die praktische Berufsausübung gegebenen Wissensstand auszubauen. Unter dieser Voraussetzung ist die Absolvierung des zweiten Studiums nicht als Ausbildung für das Ergreifen eines Berufes zu betrachten, sondern stellt sich als eine den Beruf fördernde Ergänzung, Vermehrung und Vertiefung vorhandener Kenntnisse im Sinne einer Berufsfortbildung dar. Es unterliegt nun keinem Zweifel, daß für die Mehrzahl der Berufstätigen, von denen die mit dem Abschluß der rechtswissenschaftlichen Studien verbundenen Kenntnisse verlangt werden, der durch das Studium der Betriebswirtschaftslehre erweiterte Wissensstand sich als das Ergebnis einer Fortbildung darstellt.
Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich daher dem Beschwerdeführer an, der im Ergebnis zum Ausdruck bringt, daß das Studium der Betriebswirtschaftslehre für einen mit arbeitsrechtlichen Fragen und Verhandlungen bei einer Arbeiterkammer beschäftigten Juristen eine Berufsfortbildung sein kann. Das Argument der belangten Behörde in der von ihr erstatteten Gegenschrift, der Beschwerdeführer habe sich durch das zweite Studium den Weg eröffnet, "während seiner ganzen Aktivzeit ... sich auch um solche Posten bewerben zu können, die das abgeschlossene Studium der Betriebswirtschaftslehre zur Voraussetzung haben", schlägt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht durch. Denn auch jede andere Berufsfortbildung, die mit einem formellen Abschluß endet (wie z. B. im Falle des schon zitierten hg. Erkenntnisses Slg. Nr. 1572/F der Werdegang vom Gehilfen zum Werkmeister), ist wesensmäßig geeignet, dem Betreffenden im Falle eines künftigen Stellenwechsels förderlich zu sein.
Aus dem Gesagten folgt, daß die belangte Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides von einer irrigen Rechtsansicht ausging. Sie hat deshalb auch den vom Beschwerdeführer gerügten Verfahrensmangel zu vertreten, weil sie es unterließ, Feststellungen zu treffen, ob im Sinne der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes die strittigen Aufwendungen des Beschwerdeführers zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (allenfalls höherer Einnahmen) bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geeignet waren.
Der angefochtene Bescheid war demnach gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 542/1977. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der pauschalierte Schriftsatzaufwand nicht S 4.500,--, sondern S 3.000,-- beträgt und damit der Aufwand an Umsatzsteuer schon abgegolten ist. Ersatz für Stempelgebühren wurde in dem Umfang zugesprochen, als solche nach den in Betracht kommenden Vorschriften zu entrichten waren.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | EStG 1972 §16 Abs1; |
Sammlungsnummer | VwSlg 5571 F/1981 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1981:1980002763.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
BAAAF-58946