VwGH 14.11.1978, 2751/76
Entscheidungsart: ErkenntnisVS
Rechtssätze
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RS 1 | Der VwGH hält an der Auffassung fest, daß der Tatbestand des Erwerbes durch Erbanfalll nur dann verwirklicht ist, wenn der Vermögensanfall auf einem Erbrecht, sohin auf einem der Berufungsgründe des § 533 ABGB, beruht. Daher kann weder ein Erbschaftskauf noch eine Erbschaftsschenkung dem Tatbestand des Erwerbes durch Erbanfall zugeordnet werden (Hinweis E VS , 90/16/0167). |
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RS 2 | Der Einantwortungsbeschluß des Abhandlungsgerichts stellt für die Beurteilung der Frage, ob bzw in wessen Person ein Erwerb durch Erbanfall vorliegt, keine verbindliche Vorfragenentscheidung iSd § 116 Abs 2 BAO dar (Hinweis E VS , 2203/71, RS 3). |
Entscheidungstext
Beachte
Vorgeschichte:
2311/71 E VwSlg 4404 F/1972;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kadecka, Senatspräsident Dr. Raschauer und die Hofräte Dr. Schima, Dr. Reichel, Dr. Simon, Dr. Seiler, Dr. Iro, Dr. Schubert und Dr. Drexler als Richter, im Beisein der Schriftführerinnen Kommissär Dr. Forster und Ministerialsekretär Papp, über die Beschwerde der MH in W, vertreten durch Dr. Kurt Bielau, Rechtsanwalt in Graz, Neutorgasse 50, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. B 88-V/74, betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 3.210,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Was die Vorgeschichte des Beschwerdefalles anlangt, ist zunächst auf das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 4404/F, (im folgenden abgekürzt „Vorerkenntnis“) zu verweisen, dem nachstehender Sachverhalt zugrunde lag:
Die 1969 im Inland verstorbene TN hatte in der Erklärung ihres letzten Willens vom ihre Nichten ET, HK sowie ihren Neffen LV zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt. Laut Vertrag vom vereinbarten die Genannten jedoch mit der Beschwerdeführerin, daß sie sich zugunsten letzterer der Erbschaft entschlagen würden, wogegen die Beschwerdeführerin das ihr auf Grund der Erbsentschlagung zufallende Vermögen für die drei Erben bloß treuhändig innehabe und verpflichtet sei, ihnen nach Maßgabe ihres Erbteiles das Erbschaftsvermögen samt Erträgnissen jederzeit über Verlangen auszufolgen. Entsprechend diesen Abreden entschlugen sich ET, HK und LV zugunsten der Beschwerdeführerin der Erbschaft und letztere erklärte sich laut Niederschrift des Gerichtsabgeordneten vom unter Berücksichtigung der Erbrechtsentschlagung der drei testamentarischen Erben vom zu ihren Gunsten unbedingt aus dem Titel des erblasserischen Testamentes vom als Alleinerbin des gesamten Nachlasses. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes K. vom wurde diese Erbserklärung zu Gericht angenommen, sodann mit Beschluß desselben Gerichtes vom die Verlassenschaftsabhandlung für beendet erklärt und der Nachlaß nach TN der Beschwerdeführerin eingeantwortet.
Zwischen Annahme der Erbserklärung und Einantwortung des Nachlasses - am - hatten ET, HK und LV mit der Beschwerdeführerin eine weitere, notariell beurkundete Vereinbarung getroffen, deren Punkt I Drittens zufolge die Vertragsteile übereinkamen, den Treuhandvertrag vom rückwirkend auf dessen Abschluß aufzulösen. Laut Punkt II der Vertragsurkunde vom , mit „Erbschaftskaufvertrag“ überschrieben, verkauften ET, HK und LV. „hiemit“ die ihnen nach TN zu je einem Drittel angefallene Erbschaft an die Beschwerdeführerin, und zwar im wesentlichen gegen Leibrentenzahlungen und Übernahme sämtlicher Verbindlichkeiten, Gebühren, Kosten und Steuern aller Art.
Ungeachtet der Einantwortung des Nachlasses an die Beschwerdeführerin erließ das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Graz vorerst an ET, HK und LV gerichtete, vorläufige Erbschaftssteuerbescheide, in welchen es von der Rechtsansicht ausging, den Genannten sei die Erbschaft nach TN anteilig zu je einem Drittel zuzurechnen. An die Beschwerdeführerin ergingen am zwei vorläufige Abgabenbescheide, in denen das Finanzamt unter Hinweis auf § 33 TP 17 Abs. 1 Z. 4 des Gebührengesetzes 1957 eine Rechtsgebühr in der Höhe von S 212.015,-- und Grunderwerbsteuer in der Höhe von S 157.614,-- festsetzte.
Während die an die Beschwerdeführerin gerichteten Bescheide unangefochten blieben und in Rechtskraft erwuchsen, erhoben ET, HK und LV gegen die Erbschaftssteuerbescheide Berufungen, die die Finanzlandesdirektion für Steiermark mit Bescheiden vom als unbegründet abgewiesen hat. Dabei ließ sich die Finanzlandesdirektion von der Erwägung leiten, im Hinblick auf den eingangs erwähnten Treuhandvertrag seien die Berufungswerber als diejenigen anzusehen, die die Erbschaft nach TN erworben hätten. Da den Berufungswerbern also erbschaftssteuerlich nicht das durch den Erbschaftskauf erworbene Vermögen zuzurechnen sei - wie sie in ihren Berufungen verlangt hätten, habe der Abgabenbemessung je ein Drittel des Nachlaßvermögens nach TN zugrunde gelegt werden müssen.
Die eben erwähnten Berufungsentscheidungen vom gehören indes nicht mehr dem Rechtsbestand an, weil sie vom Verwaltungsgerichtshof mit dem Vorerkenntnis wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben wurden. Der Rechtsansicht der Finanzlandesdirektion für Steiermark - so lautet im wesentlichen die Begründung des Vorerkenntnisses - die Beschwerdeführerin habe die Erbserklärung am nur als Treuhänderin der ET, HK und des LV abgegeben, weshalb den Genannten der Erwerb der Erbschaft als den Treugebern gemäß § 24 Abs. 1 lit. c BAO auch erbschaftssteuerlich zuzurechnen sei, könne nicht gefolgt werden. Denn eine Zurechnung, wie sie diese Gesetzesstelle anordne, könne für den Bereich der Verkehrsteuern - wie der Erbschaftssteuer - in dem in formaler Betrachtungsweise in der Regel ein rechtlich relevantes Geschehen in der Außenwelt die Steuerpflicht auslöse, nicht erfolgen. Gegenstand der Besteuerung nach § 2 Abs. 1 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes 1955, BGBl. Nr. 141, (ErbStG) sei der Erwerb von Todes wegen und als solcher gelte zufolge Z. 1 der eben zitierten Rechtsvorschrift unter anderem der Erwerb durch Erbanfall. Davon abgesehen sei die von der damals belangten Behörde vertretene Auffassung auch deshalb verfehlt, weil sie bei ihrer Entscheidung berücksichtigen hätte müssen, daß die Parteien durch die Vereinbarung vom in zulässiger Weise den zunächst abgeschlossenen Treuhandvertrag mit rückwirkender Kraft aufgehoben hätten. Ein Erwerb durch Erbanfall könne also nur bei einem Erben eintreten. Im Falle der ET, HK und des LV sei aber davon auszugehen, daß die Genannten keine Erbserklärung abgegeben, sondern sich ihres Erbrechtes entschlagen hätten. Sie seien vom Verlassenschaftsgericht demnach auch nicht als Erben behandelt worden. Eingeantwortet sei der Nachlaß nach TN vielmehr der Beschwerdeführerin worden. In einem derartigen Falle verneine aber die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , Slg. Nr. 3821/F) einen steuerpflichtigen Erwerb durch Erbanfall im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 ErbStG. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes seien nun die Abgabenbehörden daran gebunden, daß das zuständige Gericht die Genannten nicht als Erben behandelt habe (Erkenntnis vom , Zl. 380/62). Eine Überprüfung der gerichtlichen Feststellung des oder der Erben stehe den Abgabenbehörden auch schon deshalb nicht zu, weil die Lösung der Frage, ob jemand Erbe sei, an sich nicht in die Dispositionsbefugnis der Parteien gestellt werde. Vielmehr habe der Abhandlungsrichter von Amts wegen zu prüfen, ob jemandem die behauptete Erbenstellung zukommt (§ 799 ABGB, § 116 Abs. 1, § 122 AußStrG). Da die damals belangte Behörde diese Rechtslage aber nicht erkannt habe, seien die angefochtenen Bescheide vom wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben gewesen.
Hierauf erließ das Finanzamt am einen weiteren, an die Beschwerdeführerin gerichteten Abgabenbescheid, in dem es - vorläufig gemäß § 200 BAO - eine Erbschaftssteuer für den Erwerb von Todes wegen nach TN in der Höhe von S 2,877.010,-- festsetzte. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, die die Finanzlandesdirektion für Steiermark mit Bescheid vom ebenfalls abgewiesen hat. In der Begründung der Rechtsmittelentscheidung hat sich die Finanzlandesdirektion zunächst auf das Vorerkenntnis berufen und sodann der Beschwerdeführerin entgegengehalten, ein Erwerb von Todes wegen im Sinne des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes fuße auf der Annahme der Erbschaft. Mit der Abgabe der Erbserklärung gebe der präsumtive Erbe zu erkennen, daß er gewillt und bereit sei, in die Rechte und Pflichten des Erblassers einzutreten (§ 799 ABGB). Die laut Testament Berufenen, ET, HK und LV hätten nun unbestrittenermaßen eine Erbserklärung nicht abgegeben, sondern die ihnen angefallene Erbschaft zugunsten der Beschwerdeführerin ausgeschlagen. Da das österreichische Recht dem Erben im Hinblick auf die Rechtseinrichtung der „hereditas jacens“ nur ein Anwartschaftsrecht auf den Nachlaß gebe, das erst durch die Erbserklärung gerechtfertigt werden müsse, könnten die drei testamentarisch berufenen Erben nicht als Erben im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 ErbStG angesehen werden. Gemäß § 797 ABGB dürfe niemand eine Erbschaft eigenmächtig in Besitz nehmen, vielmehr müsse erst vom Gericht die Einantwortung des Nachlasses - die Übergabe in den rechtlichen Besitz - durchgeführt werden. Es sei daran festzuhalten, daß der durch den Verzicht Begünstigte die Erbschaft oder den Erbteil nur kraft der gerichtlichen Einantwortung erwerbe und daß der Verzichtende keine Möglichkeit habe, das Gericht zur Einantwortung an die von ihm als Begünstigter bezeichnete Person zu zwingen. Erst durch die gerichtliche Einantwortung erhalte dieser die „erbliche Gewere“. Nun sei der Beschwerdeführerin das Verlaßvermögen nach TN laut Beschluß des Bezirksgerichtes K. vom mit Rücksicht auf die Erbsentschlagung der testamentarischen Erben als Alleinerbin eingeantwortet worden. Den Finanzbehörden stehe nach dem Erkenntnis vom , Zl. 380/62, auf welche sich der Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis berufen habe, eine Prüfung der Frage, ob das Gericht jemanden zu Recht als Erben behandle oder nicht, nicht zu. Es sei also das Gericht, das den oder die Erben bestimme. Somit handle es sich bei der gerichtlichen Feststellung, ob jemand Erbe sei, um eine Vorfrage im Sinne des § 116 BAO, an deren Lösung durch das Gericht die Abgabenbehörde gebunden sei (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 2657/F). Im gegebenen Fall habe das Gericht die Beschwerdeführerin als Erbin angesehen, und zwar, wie bereits ausgeführt, auf Grund der Erbsentschlagung der testamentarischen Erben. Auch sei die von der Beschwerdeführerin abgegebene Erbserklärung vom Gericht anerkannt worden und die Einantwortung in diesem Sinne erfolgt. Wenn nun die Beschwerdeführerin einwende, daß sie zur Erbschaft nicht berufen gewesen sei, so müsse ihr entgegengehalten werden, daß der Gerichtsabgeordnete in der Niederschrift vom ausdrücklich ausführe, daß die Beschwerdeführerin unter Zugrundelegung der Erbsentschlagung als Alleinerbin im Verlaß nach TN berufen sei. Im Anschluß an diese Feststellung habe die Beschwerdeführerin die unbedingte Erbserklärung abgegeben und es sei diese vom Gericht, wie dargestellt, angenommen worden. Angenommene Erbserklärungen könnten aber nicht ohne weiteres für unwirksam erklärt werden und es sei eine Unwirksam-Erklärung auch von der Beschwerdeführerin gar nicht behauptet worden. Daher komme dem Einwand, daß am der abgeschlossene Treuhandvertrag aufgehoben worden und daher auch der vermeintliche Berufungsgrund weggefallen sei, keine Bedeutung zu. Wenn weiters vorgebracht werde, daß die Beschwerdeführerin ja auf Grund des Erbschaftskaufvertrages in die Rechte und Verbindlichkeiten der Erblasserin eingetreten sei und mangels eines gültigen Erbrechtstitels auch keinen Erbanfall aufzuweisen habe, müsse dem entgegengehalten werden, daß die Beschwerdeführerin ja bereits am 8. (richtig wohl 11.) Februar 1969 auf Grund der Erbsentschlagung der drei testamentarischen Erben die unbedingte Erbserklärung abgegeben habe und daß diese Erbserklärung - wie dargestellt - auch unwiderruflich sei (die Gründe für die Erbsentschlagung spielen in diesem Zusammenhang keine Rolle). Es sei somit nochmals festzuhalten, daß die Finanzlandesdirektion die Meinung vertrete, die Beschwerdeführerin habe die Erbserklärung nicht „in ihrer Funktion“ als Erbschaftskäuferin, sondern unter Zugrundelegung der Erbsentschlagung der drei testamentarischen Erben abgegeben, weshalb die vorgebrachten Argumente hinsichtlich der Erwerbung des Verlaßvermögens durch den Erbschaftskauf nicht Platz greifen könnten. Sei aber die Beschwerdeführerin als Alleinerbin anzusehen, dann sei ihr auch die Erbschaft (abzüglich der zu leistenden Zahlungen an die testamentarisch Berufenen und abzüglich der Legate und Passiva) gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 ErbStG von Todes wegen angefallen.
Gegen diesen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom erhob die Beschwerdeführerin gemäß Art. 144 B-VG Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, die dieser mit Erkenntnis vom , B 266/74-21, abgewiesen und antragsgemäß zur Entscheidung darüber, ob die Beschwerdeführerin in einem sonstigen Recht verletzt worden sei, an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat.
Die Beschwerdeführerin macht in ihrer mit Schriftsatz vom ergänzten Beschwerde Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Sie hält im Einklang mit ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren daran fest, daß der Erbschaftskauf (Punkt II des Notariatsaktes vom ) zwar teils einer Rechtsgebühr, teils der Grunderwerbsteuer unterliege, nicht aber der Erbschaftssteuer, weil ein Erwerb durch Erbanfall im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 ErbStG im Hinblick auf das Fehlen eines erbrechtlichen Berufungsgrundes nicht gegeben sei. Weiters wendet sie ein, daß die belangte Behörde sich zu Unrecht auf die Bindungsvorschrift des § 116 Abs. 2 BAO berufen und auch die Bestimmung des § 115 Abs. 3 BAO verletzt habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift durch einen gemäß § 13 Z. 1 VwGG 1965 verstärkten Senat erwogen:
Der Steuer nach dem Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz unterliegen gemäß dessen § 1 Abs. 1 der Erwerb von Todes wegen, Schenkungen unter Lebenden und Zweckzuwendungen. Als Erwerb von Todes wegen gilt unter anderem nach § 2 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. der Erwerb durch Erbanfall. Strittig ist nun, ob im Beschwerdefall dieser steuerliche Tatbestand verwirklicht worden ist oder nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Auslegung des bezeichneten Tatbestandes zuletzt eingehend in seinem von einem verstärkten Senat beschlossenen Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 3356/F, befaßt. In dem entschiedenen Fall hatte die Erblasserin ihren Sohn als Erben eingesetzt. Der Sohn schenkte, ohne eine Erbserklärung abgegeben zu haben, die Erbschaft mit Notariatsakt seiner Ehegattin, der damaligen Beschwerdeführerin. Diese gab die Erbserklärung ab und es wurde ihr daraufhin der Nachlaß als Alleinerbin eingeantwortet. Ihr wurde auch Erbschaftssteuer vorgeschrieben, wobei ein unmittelbarer Erwerb von der Erblasserin, der in die Steuerklasse IV fiel, angenommen wurde. Dagegen wendete die damalige Beschwerdeführerin ein, es seien tatsächlich zwei Rechtsvorgänge vorgelegen, nämlich zum einen ein Erbanfall von der Erblasserin an ihren Sohn und zum anderen eine Schenkung des Sohnes an sie. Die Veräußerung der Erbschaft - als Oberbegriff für den Erbschaftskauf und die Erbschaftsschenkung - sei überhaupt kein erbrechtlicher Vorgang. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat die Auffassung, daß als ein Erwerb durch Erbanfall im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 ErbStG nur ein Vermögensanfall von Todes wegen gelten könne, der auf einem Erbrecht beruhe. Ein solches gründe sich zufolge § 533 ABGB auf den nach den gesetzlichen Vorschriften erklärten Willen des Erblassers, auf einen nach dem Gesetz zulässigen Erbvertrag oder auf das Gesetz schlechthin. Ein solches Erbrecht sei aber der damaligen Beschwerdeführerin nicht zugestanden. Der Rechtstitel, der ihr zum Erwerb des Nachlaßvermögens verholfen habe, sei der mit dem testamentarischen Erben abgeschlossene Schenkungsvertrag gewesen. Das Nachlaßvermögen sei ihr also nicht durch Erbanfall, sondern auf Grund eines Rechtsgeschäftes unter Lebenden zugeflossen. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, daß sie kraft des Schenkungsvertrages in die Rechte und Pflichten des testamentarischen Erben eingetreten sei. Denn ein solcher Eintritt in die Rechte und Pflichten des Erben bedeute nur, daß die damalige Beschwerdeführerin eine Gesamtrechtsnachfolge angetreten habe, nicht aber, daß ihr nunmehr das erworbene Vermögen durch Erbanfall zugeflossen sei.
Die Auffassung, daß der Tatbestand des Erwerbes durch Erbanfall nur dann verwirklicht ist, wenn der Vermögensanfall auf einem Erbrecht, sohin auf einem der Berufungsgründe des § 533 ABGB, beruht, hat der Verwaltungsgerichtshof auch in der Folge vertreten. Erwähnt seien etwa die Erkenntnisse vom , Slg. N.F. Nr. 3424/F, vom , Slg. N.F. Nr. 3821/F, vom , Zl. 1568/68, und vom , Zl. 1780/69. Auch in seinem Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 4404/F, das in der gegenständlichen Nachlaßsache zur Besteuerung der drei testamentarischen Erben ergangen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß der Erwerb durch Erbanfall im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 ErbStG voraussetze, daß der Steuerpflichtige auf Grund des Gesetzes, einer letztwilligen Verfügung oder auf Grund eines Erbvertrages als Erbe berufen worden sei. Auf die Einantwortung des Nachlasses durch das Gericht komme es dabei nicht an.
Der Verwaltungsgerichtshof hält an der dargelegten Auslegung weiterhin fest. Nach den §§ 536 und 545 ABGB bedeutet „Erbanfall“ die Entstehung des Erbrechts, die grundsätzlich mit dem Tod des Erblassers eintritt. Die „Titel zu dem Erbrecht“ sind im § 533 ABGB erschöpfend angeführt. Der Erbschaftskauf zählt nicht dazu, er hat nach der Definition des § 1278 ABGB zur Voraussetzung, daß der Verkäufer die Erbschaft angetreten hat oder daß sie ihm wenigstens angefallen ist. Es ist daher ausgeschlossen, im Erbschaftskauf einen Erwerb durch Erbanfall zu erblicken. Das gleiche gilt für die im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch nicht ausdrücklich geregelte Erbschaftsschenkung, auf die nach zivilrechtlicher Rechtsprechung und Lehre die Vorschriften über den Erbschaftskauf analog anzuwenden sind (vgl. unter anderem die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom , SZ XXX/64, und Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts II, 3. Aufl., S. 268). Erbschaftskauf oder Erbschaftsschenkung - je nachdem, ob eine Abfindung gezahlt wird oder nicht - liegt auch vor, wenn der zur Erbschaft Berufene im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung Verzicht leistet, um einem anderen, der nicht Nächstberufener ist, das Erbrecht zuzuwenden (vgl. Gschnitzer, Lehrbuch des österreichischen bürgerlichen Rechts, Erbrecht, S. 95). Dieser im Schrifttum mitunter als „qualifizierte Erbsausschlagung“ bezeichnete Vorgang ist zu unterscheiden von der schlichten Ausschlagung der Erbschaft im Sinne des § 805 ABGB, der wiederum die Ausschlagung zugunsten des Nächstberufenen gleichzuhalten ist.
Was nun den Beschwerdefall anlangt, so ist unbestritten, daß die Beschwerdeführerin in der Verlassenschaftssache TN weder durch Testament noch durch Gesetz noch durch Erbvertrag zur Erbfolge berufen war. Ihr wurde der Nachlaß vom Abhandlungsgericht unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die zu ihren Gunsten erfolgte Ausschlagung der Erbschaft seitens der drei testamentarischen Erben eingeantwortet. Es ist dies eine Folge dessen, daß im Fall der Veräußerung einer angefallenen Erbschaft der Erwerber anstelle des Erben in das Verlassenschaftsverfahren eintritt und die Übergabe der erworbenen Erbschaft im Wege der Einantwortung zu erfolgen hat. Der Erwerbsgrund (Titel) wird dadurch in keiner Weise berührt. Im Fall der Beschwerdeführerin bestand dieser Titel stets in einer vertraglichen Vereinbarung mit den drei Erben. Zunächst war, wie bereits in der Sachverhaltsdarstellung ausgeführt, ein treuhändiger Erbschaftserwerb vorgesehen, der Eintritt der Beschwerdeführerin in das Verlassenschaftsverfahren wurde durch die entsprechenden Ausschlagungserklärungen der Erben bewirkt. Am kam es sodann zwischen den Vertragsparteien zur rückwirkenden Aufhebung des Treuhandschaftsvertrages und zum Abschluß eines Erbschaftskaufvertrages. Aus den bereits dargelegten Gründen vermochte dieser rechtsgeschäftliche Vorgang für die Beschwerdeführerin keinen Erwerb durch Erbanfall im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 ErbStG zu begründen und das gleiche wäre rechtens gewesen, wenn die ursprüngliche vertragliche Gestaltung beibehalten worden wäre. Daher ist es unmaßgeblich, daß die Beschwerdeführerin nach den Worten des angefochtenen Bescheides ihre Erbserklärung vom „nicht in ihrer Funktion als Erbschaftskäuferin, sondern unter Zugrundelegung der Erbsentschlagung der drei testamentarischen Erben“ abgegeben hat.
Im wesentlichen hat die belangte Behörde die bekämpfte Besteuerung darauf gestützt, daß das Abhandlungsgericht den Nachlaß nach TN der Beschwerdeführerin als Alleinerbin eingeantwortet hat. Sie ist der Ansicht, daß die Abgabenbehörde gemäß § 116 Abs. 2 BAO an diese gerichtliche Entscheidung gebunden sei. Dem vermag sich der Verwaltungsgerichtshof jedoch aus folgendem Grund nicht anzuschließen:
Gemäß § 116 Abs. 2 BAO ist die Abgabenbehörde an Entscheidungen der Gerichte, durch die privatrechtliche Vorfragen als Hauptfragen entschieden wurden, insoweit gebunden, als in den betreffenden gerichtlichen Verfahren bei der Ermittlung des Sachverhaltes von Amts wegen vorzugehen war. Vorfragen im Sinne dieser Bestimmung sind im Zuge eines Verwaltungsverfahrens auftauchende Rechtsfragen, von deren Beantwortung die Lösung der Hauptfrage abhängt und zu deren Entscheidung als Hauptfrage ein Gericht berufen ist (Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2203/71). Unter einer Vorfrage kann demnach nur eine Frage verstanden werden, die ein konkretes Rechtsverhältnis zum Gegenstand hat, das für den zu fällenden Bescheid ein Tatbestandselement bildet (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N.F. Nr. 1196/A). Für die Besteuerung eines Erwerbes durch Erbanfall bildet es nun im Sinne der oben dargestellten Gesetzesauslegung ein unerläßliches Tatbestandselement, daß sich der Erwerb auf einen Erbrechtstitel gründet. Dagegen kommen, wie gleichfalls bereits aufgezeigt, nach dem Zivilrecht für die Einantwortung eines Nachlasses nicht nur Erben, sondern auch Personen in Betracht, die den Nachlaß oder einen Teil desselben durch Erbschaftskauf oder Erbschaftsschenkung erworben haben. Es besteht sohin eine divergierende Rechtslage, was zur Folge hat, daß dem Einantwortungsbeschluß des Abhandlungsgerichtes im gegebenen Zusammenhang nicht der Charakter einer Vorfragenentscheidung beigemessen werden kann.
Aus den angeführten Gründen ergibt sich mithin, daß im Beschwerdefall ein der Erbschaftssteuer unterliegender Erwerb durch Erbanfall nicht vorlag. Der angefochtene Bescheid, der auf der gegenteiligen Rechtsauffassung beruht, mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Der Spruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I A Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 542/1977. Mit dem Pauschbetrag für den Schriftsatzaufwand ist auch die Umsatzsteuer abgegolten. Ein Anspruch der Beschwerdeführerin auf Ersatz der Stempelgebühren, die von ihr im vorausgegangenen Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof entrichtet wurden, besteht nicht, weil gemäß § 48 Abs. 1 lit. a VwGG 1965 nur Anspruch auf Ersatz der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entrichtenden Stempelgebühren besteht (Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1086/71 ff).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 5319 F/1978; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1978:1976002751.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAF-58934