VwGH 11.06.1951, 2729/49
Entscheidungsart: ErkenntnisVS
Rechtssätze
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Norm | VStG §32 Abs2; |
RS 1 | Eine nur der Aufklärung einer erst anzuzeigenden Preisüberschreitung dienende behördliche Einvernahme ist keine die Verjährung der Strafverfolgung unterbrechende Verfolgungshandlung. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 0553/47 E VwSlg 390 A/1948 RS 2 |
Norm | VStG §32 Abs2; |
RS 2 | Die Weiterleitung einer Anzeige durch die Verwaltungbehörde an das Strafgericht ist keine Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs 2 VStG. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 0295/48 E VwSlg 784 A/1949 RS 2 |
Normen | BedarfsdeckungsstrafG 1947 §12 Abs4; BedarfsdeckungsstrafG 1947 §7 Abs1; VStG §32 Abs2; |
RS 3 | Die Verjährung (§ 12 Abs 4 BDStG) einer Übertretung des Bedarfsbedeckungsstrafgesetzes, deren Ahndung von den ordentlichen Gerichten auf die Verwaltungsbehörden übergegangen ist, wird durch eine Verfolgungshandlung, die das Gericht während des Bestandes seiner Zuständigkeit innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist vorgenommen hat, unterbrochen. |
Norm | VStG §5 Abs1; |
RS 4 | Der Gewerbetreibende hat als solcher nicht jedes Verschulden der im Gewerbebetrieb beschäftigen Personen zu verantworten, es trifft ihn die strafrechtliche Verantwortlichkeit aber dann, wenn er den Eintritt des gesetzwidrigen Erfolges bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit hätte hintanhalten können (Hinweis E BGH , 937/34). |
Normen | AVG §46; VStG §24; |
RS 5 | Der Grundsatz der Unbeschränktheit und Gleichwertigkeit der Beweismittel ist auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Ehrhart und die Räte Dr. Guggenbichler, Dr. Borotha, Dr. Vejborny und Dr. Hrdlitzka als Richter, im Beisein des Landesregierungsrates Dr. Riemer als Schriftführer, über die Beschwerde des ML in X gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten, Preisbehörde, vom , Zl. 9.910-1209-20-1949, betreffend Übertretung der Preisvorschriften, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund einer Vorladung wurde der Beschwerdeführer ML am , bei der Polizeidirektion in Klagenfurt Abteilung IV - Preisüberwachung über die Preise der in der Gastwirtschaft L verabreichten Speisen sowie über die Größe der Portionen einvernommen. Über den gleichen Gegenstand wurde am die Kellnerin dieses Gasthauses HK von der Preisüberwachungsgruppe der Preisbehörde des Amtes der Kärntner Landesregierung einvernommen. Auf Grund dieser Vorerhebungen wurde von der Bundespolizeidirektion Klagenfurt die Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt mit dem Antrag auf Einleitung eines gerichtlichen Strafverfahrens gestellt. Die Preisüberwachungsgruppe des Amtes der Kärntner Landesregierung erstattete ihrerseits eine Anzeige an die Preisbehörde des Amtes der Kärntner Landesregierung.
Die Preisbehörde verfügte die Abtretung an die Polizeidirektion Klagenfurt, so daß auch dieses Material schließlich der Gerichtsanzeige beigeschlossen war.
Das Landesgericht Klagenfurt hat zwar auf Grund des Antrages der Staatsanwaltschaft am umfangreiche Vorerhebungen durchgeführt, den Strafakt jedoch mit Beschluß vom im Hinblick auf die BDStG-Novelle 1948 gemäß § 20 Abs. 2 BDStG zuständigkeitshalber an die Bundespolizeidirektion in Klagenfurt abgetreten. Die Bundespolizeidirektion Klagenfurt hat den Beschwerdeführer ML erstmalig am und ebenso auch die Kellnerin HK als Beschuldigte einvernommen. Über ML wurde eine Arreststrafe in der Dauer von 8 Wochen wegen Übertretung des § 7 Abs. 1 BDStG in der Fassung der Zweiten Bedarfsdeckungsstrafgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 48/1948, gemäß § 7a Abs. 1 BDStG verhängt. Als strafbarer Tatbestand wurde angenommen, daß er in der Zeit vom bis als Mittäter für an Gäste verabfolgte Speisen wiederholt ein offenbar übermäßiges Entgelt gefordert und angenommen hätte. Der dagegen eingebrachten Berufung wurde von der belangten Behörde mittels des angefochtenen Bescheides keine Folge gegeben. Es wurde jedoch die Arreststrafe in eine Geldstrafe von 1000,-- S umgewandelt. In der dagegen eingebrachten Beschwerde wurde Gesetzwidrigkeit des Inhaltes und Gesetzwidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Bei Prüfung der vorgelegten Akten hatte sich der Gerichtshof vor allem mit der Frage zu befassen, ob nicht gemäß § 31 Absatz 1 VStG Strafbarkeitsverjährung eingetreten ist, weil binnen der sechsmonatigen Verjährungsfrist von der Behörde (im Sinne des Art. VI Abs. 1 EGVG) keine Verfolgungshandlung vorgenommen wurde.
In dieser Hinsicht zeigen die Akten folgendes Bild: Wohl haben sich bereits am , bzw. Organe der Preisüberwachung der Bundespolizeidirektion Klagenfurt, bzw. des Landeshauptmannes von Kärnten mit dem vorliegenden Tatbestand befaßt. Diese Wach- bzw. Erhebungsorgane haben auch den Beschwerdeführer einvernommen. Hier handelt es sich jedoch noch nicht um eine gegen den Beschwerdeführer als Beschuldigten gerichtete Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG. Denn diese von den Wach- bzw. Erhebungsorganen aufgenommene Niederschrift diente lediglich zur Aufklärung der erst anzuzeigenden und tatsächlich erst nachträglich angezeigten Preisüberschreitung (vgl. E vom , Slg. 390 A). Es zeigt sich deutlich, dass diese Erhebungsorgane bzw. die Preisüberwachungsgruppe lediglich die Aufgabe hatten, Übertretungen aufzudecken und diese dann bei der zuständigen Behörde, sei es bei Gericht, sei es bei der Preisbehörde anzuzeigen. Es handelte sich hier um die Tätigkeit von Wachorganen, nicht aber um die Setzung behördlicher Hoheitsakte. Auch die Anzeige an das Strafgericht oder an die Preisbehörde ist noch nicht als eine Verfolgungshandlung anzusehen (vgl. E vom , Slg. 784 A). Hingegen hat der Gerichtshof mit Beschluß des verstärkten Senates vom , Zl. 3/3- Pr/1951, den Rechtssatz ausgesprochen, daß die Verjährung (§ 12 Abs. 4 BDStG 1947) einer Übertretung des BDStG. Deren Ahndung von den ordentlichen Gerichten auf die Verwaltungsbehörden übergegangen ist, auch durch eine Verfolgungshandlung unterbrochen wird, die das Gericht während des Bestandes seiner Zuständigkeit innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist vorgenommen hat. Verfolgungshandlungen wurden aber seitens des Gerichtes vorgenommen, vor allem durch Einvernahme des Beschwerdeführers als Beschuldigten durch das Landesgericht Klagenfurt am über den gegenständlichen Tatbestand.
Der Beschwerdeführer ML ist der Meinung, daß er als Betriebsinhaber für die Preisüberschreitungen seiner Kellnerin HK nicht die Verantwortung zu tragen habe, sondern lediglich gemäß § 18 BDStG allenfalls für Geldstrafen hafte. Da die Behörde selbst angenommen habe, daß sich der Beschwerdeführer ML um die Preisfestsetzung in seiner Gastwirtschaft nicht gekümmert habe, dürfte auch eine Mittäterschaft nicht angenommen werden. In diesem Gedankengang vermag jedoch der Gerichtshof dem Beschwerdeführer nicht zu folgen. Unbestritten ist, daß für die Gastgewerbekonzession des ML weder ein Pächter noch ein verantwortlicher Geschäftsführer gewerbebehördlich genehmigt war. Insbesondere war HK lediglich eine in der Gastwirtschaft angestellte Kellnerin, aber keine gewerbebehördlich genehmigte Geschäftsführerin. Nun hat zwar der Gewerbeinhaber als solcher nicht jedes Verschulden der im Gewerbebetrieb beschäftigten Personen zu verantworten; es trifft ihn die strafrechtliche Verantwortlichkeit aber dann, wenn er den Eintritt des gesetzwidrigen Erfolges bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit hätte hintanhalten können, diese aber nicht aufgewendet hat (vgl. E d. BGH v. (A) 937/34, Mannlicher "das Verwaltungsverfahren" S. 636). Ein verantwortlicher Geschäftsführer hätte selbst die Pflicht gehabt sich die Grundlagen der gesetzmäßigen Preiserstellung zu beschaffen, ohne daß den Gewerbeinhaber selbst eine gleiche Pflicht getroffen hätte. Wenn aber der Gewerbeinhaber die Preiserstellung einer Angestellten überläßt, so trifft ihn auch die Verantwortung dafür, daß er seine Angestellte über die Preisklasse seines Betriebes und über die Existenz der amtlich festgesetzten Preistarife entsprechend unterrichtet und sie gleichzeitig beauftragt die Preisgebarung innerhalb der gesetzlichen Vorschriften vorzunehmen. Dies ist unbestrittenermaßen nicht geschehen und auf die Verantwortlichkeit für diese Unterlassung hat auch die Begründung des angefochtenen Bescheides durchaus richtig hingewiesen. Der Beschwerdeführer hat zwar geltend gemacht, infolge chronischer Ischias an der persönlichen Ausübung des Gewerbes behindert gewesen zu sein, daß er aber außerstande gewesen sei, infolge schwerer Krankheit auch die oben geschilderten Aufträge zu geben und zu überwachen ist gar nicht behauptet worden. Es würde zu unmöglichen Konsequenzen führen, wenn ein Gewerbetreibender einerseits eine Verantwortlichkeit auf einen Angestellten unter den geschilderten Umständen abwälzen dürfte, anderseits aber den Gewinn aus den resultierenden Preisübertretungen ungestraft an sich nehmen könnte.
Der Beschwerdeführer beruft sich darauf, daß die gerichtliche Zeugenaussage der HK im Zuge des ursprünglichen gerichtlichen Strafverfahrens vor dem Landesgericht in Klagenfurt im Verwaltungsverfahren keine Berücksichtigung hätte finden dürfen, weil HK im Verwaltungsstrafverfahren selbst Beschuldigte geworden ist. Diese Ausführungen finden im Gesetz keine Deckung. Denn nach § 46 AVG kommt als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Diese Bestimmung, welche den Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel und damit zugleich auch den Grundsatz der Gleichwertigkeit aller Beweismittel ausspricht, ist gemäß § 24 VStG auch im Strafverfahren anzuwenden.
Zusammenfassend ist zu sagen: Unbestritten ist, daß der Betrieb des Beschwerdeführers von der Preisbehörde preisklassenmäßig eingeteilt und daß die Preise für die einzelnen Preisklassen tarifmäßig festgesetzt waren. Nach der ebenfalls im Akt befindlichen Speisekarte und dem sonstigen Beweismaterial des Aktes sind Preisüberschreitungen der von der belangten Behörde beanstandeten Art tatsächlich vorgekommen. Da nun der Beschwerdeführer, wie oben dargelegt, für diese Preisüberschreitungen verantwortlich ist, ist der belangten Behörde im angefochtenen Bescheide keine Gesetzwidrigkeit unterlaufen. Die Beschwerde war als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AVG §46; BedarfsdeckungsstrafG 1947 §12 Abs4; BedarfsdeckungsstrafG 1947 §7 Abs1; VStG §24; VStG §32 Abs2; VStG §5 Abs1; |
Sammlungsnummer | VwSlg 2142 A/1951 |
Schlagworte | Grundsatz der Unbeschränktheit |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1951:1949002729.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
BAAAF-58907