VwGH 03.06.1980, 2701/79
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | BauO OÖ 1976 §29; BauO OÖ 1976 §32; BauO OÖ 1976 §4; BauO OÖ 1976 §46; BauRallg impl; |
RS 1 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Draxler, DDr. Hauer, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. Dworak, über die Beschwerde des Dr. RC und des GP, beide in W, beide vertreten durch Dr. Sepp Voitl, Rechtsanwalt in Wels, Kaiser-Josef-Platz 12, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. BauR-7785/2-1979 Ed/La, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1) a) SM, b) GM, beide in W, 2) Stadt Wels, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerdeführer haben zu gleichen Teilen dem Land Oberösterreich
Aufwendungen in der Höhe von zusammen S 900,-- und der Stadt Wels
Aufwendungen in der Höhe von zusammen S 3.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Stadtmagistrates Wels vom wurde den erstmitbeteiligten Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eine Bauplatzbewilligung (Spruchteil I) und unter anderem eine Baubewilligung (Spruchteil II) für den Umbau und die Aufstockung eines Wohn- und Geschäftshauses sowie für die Errichtung eines weiteren Gebäudes mit Garconnieren, Garagen und Pkw-Abstellplätzen erteilt. Die Baubehörde erster Instanz wies gleichzeitig (Spruchteil III) von den Beschwerdeführern als Nachbarn erhobene Einwendungen zurück bzw. ab. Die Zurückweisung betraf Einwendungen zur Frage der Trinkwasserversorgung, die Abweisung diverse Einwendungen betreffend die Schaffung eines Bauplatzes, die Errichtung eines zweiten Hauptgebäudes und eine zu dichte Verbauung der Grundflächen.
In der dagegen erhobenen Berufung führten die Beschwerdeführer unter anderem aus, die Größe der Bauplätze erreiche nicht das gesetzliche Ausmaß, die Verbauungsdichte widerspreche den gesetzlichen Grundsätzen und in Wahrheit sei die offene Bauweise anzuwenden.
Die Baubehörde zweiter Instanz holte das Gutachten eines Amtssachverständigen ein, in welchem der Sachverständige eine zu dichte Verbauung auch im Vergleich zu den angrenzenden Nachbarliegenschaften nicht als bestehend erachtete. Nach Gewährung des Parteiengehörs und Abgabe einer Stellungnahme durch die Beschwerdeführer beschloss der Stadtsenat der Stadt Wels die Abweisung der Berufung.
Der gegen den Berufungsbescheid vom von den Beschwerdeführern erhobenen Vorstellung gab die Oberösterreichische Landesregierung mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid keine Folge. Die Aufsichtsbehörde ging zunächst davon aus, dass dem Nachbarn im Bauplatzbewilligungsverfahren Parteistellung nicht zukomme und die Berufung gegen die Bauplatzbewilligung daher zurückzuweisen gewesen wäre. Im einzelnen wurde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt: Was die Größe des Bauplatzes betreffe, solle ein Bauplatz zwar in der Regel 500 m2 haben, aber eine Unterschreitung dieses Mindestausmaßes sei zulässig, wenn Interessen einer zweckmäßigen und geordneten Bebauung hiedurch nicht verletzt werden würden. Es handle sich hiebei um keine zwingende Norm, die dem Nachbarn ein subjektives Recht vermitteln würde. Zu den Einwendungen hinsichtlich Ausnutzbarkeit des Bauplatzes sei zu sagen, dass für die bauliche Ausnutzbarkeit eines Bauplatzes die Flächenwidmungs- und Bebauungspläne von ausschlaggebender Bedeutung seien. Während durch die Widmung in einem Flächenwidmungsplan die zulässigen Bauten und Anlagen bestimmt würden, enthalte der Bebauungsplan die die Bauführung auf einem Bauplatz weitgehend einschränkenden und auch durch den Nachbarn als subjektive Rechte verfolgbaren Bestimmungen. Im Bebauungsplan seien nämlich gemäß § 20 des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes zwingend unter anderem die Bauweise und die Baufluchtlinien festzulegen und es könnten weitere Regelungen, so insbesondere auch das Maß der baulichen Nutzung betreffend, getroffen werden.
Ein Flächenwidmungsplan sei vom Gemeinderat der Stadt Wels noch nicht beschlossen worden und auch ein den Bestimmungen des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes entsprechender Bebauungsplan sei für das hier in Rede stehende Gebiet der Stadt Wels nicht erlassen worden. Es existiere ein Stadtregulierungsplan aus dem Jahre 1909, der zufolge der Übergangsbestimmungen als Bebauungsplan rechtswirksam sei. Dieser Plan habe nur die Führung der öffentlichen Verkehrsflächen zum Inhalt, sage aber nichts über die Art und den Umfang der Bebauung bzw. über das Maß der baulichen Nutzung aus. Es kämen daher im konkreten Fall ausschließlich die Bestimmungen der Oberösterreichischen Bauordnung zur Anwendung. Da im Stadtregulierungsplan auch keine innere Baufluchtlinie ausgewiesen sei und der geplante Bau außerhalb eines geschlossen bebauten Gebietes errichtet werden solle, kämen an der Seite des Bauplatzes, an der nicht die gekuppelte Bauweise Anwendung finde, die Abstandsbestimmungen des § 32 Abs. 2 der Oberösterreichischen Bauordnung zum Tragen. Der gesetzlich normierte Mindestabstand zur Bauplatzgrenze gegen die Grundstücke der Beschwerdeführer werde aber, wie dem Lageplan des Bauplanes zu entnehmen sei, eingehalten.
Hinsichtlich der Einwendung auf Freihaltung der Hofräume sei zu sagen, dass der Nachbar auf deren Freihaltung in einem bestimmten Ausmaß im vorliegenden Fall keinen Rechtsanspruch besitze, zumal der Stadtregulierungsplan nichts über die Art und den Umfang der Bebauung aussage und die Oberösterreichische Bauordnung diesbezüglich konkrete Bestimmungen nur hinsichtlich der Mindestabstände gegen alle seitlichen und gegen die inneren Bauplatzgrenze enthalte, die aber, wie bereits festgestellt worden sei, bei den in Rede stehenden Bauten eingehalten würde. Aus dem im Zuge des Berufungsverfahrens eingeholten Sachverständigengutachten ergebe sich, dass nach Realisierung des geplanten Baues den Bauwerbern überdies noch genügend freie Räume für Stellplätze, für einen Kinderspielplatz sowie für entsprechende Erholungsflächen blieben.
Abschließend sei zu bemerken, es sei den Beschwerdeführern beizupflichten, dass ein Vergleich der Verbauungsdichte auf benachbarten Bauplätzen keine brauchbare Grundlage für die Entscheidung über die Zulässigkeit eines Bauvorhabens bilde. Mit Rücksicht auf die Einwendungen der Nachbarn gehe es hier vornehmlich um die Beantwortung der Frage, ob das zweite Hauptgebäude nach der Oberösterreichischen Bauordnung zulässig sei oder nicht. Hiefür würden, wenn ein Bebauungsplan keine Regelung treffe, die Vorschriften des § 32 der Oberösterreichischen Bauordnung über Abstände und Zulässigkeit von Hauptgebäuden gelten. Dazu müsse aber ergänzend festgestellt werden, dass es der Einflussnahme des Nachbarn entzogen sei, ob ein Grundeigentümer seinen Raumbedarf durch Aufstockung eines bestehenden Gebäudes oder durch Neubau eines weiteren Gebäudes decke; die Errichtung eines neuen Hauptgebäudes unterliege allerdings auch den Bestimmungen des § 32 Abs. 2 und 3 der Oberösterreichischen Bauordnung. Die Ausführungen hätten jedoch gezeigt, dass sich die Einwendungen der Nachbarn mit Aussicht auf Erfolg weder auf den Stadtregulierungsplan noch auf die Bestimmungen der Oberösterreichischen Bauordnung stützen könnten. Die Beschwerdeführer seien daher in ihren Rechten nicht verletzt worden.
In der Beschwerde wird beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht auf Einhaltung der Mindestgröße des Bauplatzes und auf Beschränkung der Verbauung auf höchstens ein Zehntel des Gesamtbauplatzes im Hof- und Gartenbereich verletzt.
Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde und der mitbeteiligten Stadtgemeinde erstatteten Gegenschriften hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Beschwerdeführer behaupten zunächst, es sei rechtlich verfehlt, wenn im angefochtenen Bescheid die Unterschreitung des gesetzlichen Mindestausmaßes des neu bewilligten Bauplatzes nach § 4 Abs. 5 der Oberösterreichischen Bauordnung (BO), LGBl. Nr. 35/1976, aus dem Bereich des subjektiven öffentlichen Nachbarrechtes ausgeklammert werde. Die Folgen, die sich aus der Bewilligung von Bauplätzen ergeben, hätten unmittelbare Auswirkungen auf die Anrainerliegenschaften.
Mit diesem Vorbringen übersehen die Beschwerdeführer, dass mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom die beiden Grundstücke der Erstmitbeteiligten zu einem gemeinsamen Bauplatz erklärt wurden und dieser Bauplatz eine Gesamtfläche von nahezu 950 m2 umfasst, also die Bestimmung des § 4 Abs. 5 Satz 2 BO, wonach der Bauplatz in der Regel nicht kleiner als 500 m2 sein dürfe, eingehalten ist. Die belangte Behörde prüfte jedoch die Möglichkeit der Schaffung eines zweiten Bauplatzes, weil nach § 32 Abs. 3 BO mehrere selbstständige Hauptgebäude auf einem Bauplatz so gelegen sein müssen, dass für jedes Hauptgebäude ein eigener Bauplatz geschaffen werden kann. Die Frage, ob die diesbezüglich von der belangten Behörde vertretene Ansicht, auf eine bestimmte Mindestgröße des Bauplatzes stehe den Nachbarn ein Rechtsanspruch nicht zu, auch für den Bereich der (neuen) Bauordnung für Oberösterreich zutrifft, ist daher im Beschwerdefall unmittelbar gar nicht zu beantworten. Zur Vermeidung von Missverständnissen sei jedoch bereits an dieser Stelle bemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof auf Grund des Beschwerdevorbringens nicht zu erkennen vermag, dass die Regelungen über die Mindestgröße eines Bauplatzes solche Bestimmungen des Baurechtes sind, die auch dem Interesse der Nachbarn im Sinne des § 46 Abs. 3 BO dienen, handelt es sich doch, wie sich aus § 4 Abs. 5 Satz 1 BO (Bauplätze müssen eine solche Gestalt und Größe aufweisen, dass darauf den Anforderungen dieses Gesetzes entsprechende Gebäude errichtet werden können) ergibt, hiebei um Vorschriften, die ausschließlich dem öffentlichen Interesse dienen, nämlich den Interessen einer zweckmäßigen und geordneten Bebauung im Bereich der zu verbauenden Liegenschaft (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N.F. Nr. 9373/A, vom , Slg. N.F. Nr. 7510/A, und andere).
Soweit sich die Beschwerdeführer auf die Bestimmungen des § 29 Abs. 2 BO berufen, verkennen sie, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend dargetan hat, dass diese Rechtsvorschriften im vorliegenden Fall schon deshalb nicht anzuwenden waren, weil die Errichtung eines Nebengebäudes gar nicht Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens war. Hinweise auf Beschränkungen betreffend das Ausmaß der zulässigen Errichtung von Nebengebäuden, welche, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift ausführt, eine Verhüttelung von Bauplätzen hindern sollen, können daher die Unrichtigkeit der Ansicht der belangten Behörde, die Baubewilligung entspreche den gesetzlichen Bestimmungen, nicht dartun.
Für die Rechtmäßigkeit der Abweisung der Einwendungen der Beschwerdeführer ist vielmehr entscheidend, ob von den Verwaltungsbehörden die Bestimmungen des § 32 Abs. 3 Satz 1 richtig ausgelegt wurden. Diese Gesetzesstelle lautet: "Mehrere selbstständige Hauptgebäude auf einem Bauplatz müssen so gelegen sein, dass für jedes Hauptgebäude ein eigener Bauplatz geschaffen werden kann."
Zunächst ist klarzustellen, dass diese Bestimmungen im Beschwerdefall anzuwenden sind, weil sich aus baurechtlichen Vorschriften oder aus einem Flächenwidmungsplan oder Bebauungsplan im Sinne des § 32 Abs. 1 BO nichts anderes ergibt. Ein nach den Bestimmungen des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes erlassener Flächenwidmungsplan oder Bebauungsplan besteht nicht, frühere Bebauungsbestimmungen sehen keine hier wesentlichen Bebauungsbeschränkungen vor, insbesondere keine innere (hintere) oder seitliche Baufluchtlinie. Auszugehen ist weiter davon, dass auf die Einhaltung der Vorschrift des § 32 Abs. 3 BO der Nachbar einen Rechtsanspruch besitzt, gehören doch Bestimmungen über die Lage des Bauvorhabens gemäß § 46 Abs. 3 leg. cit. zu jenen, die dem Interesse der Nachbarschaft dienen - § 32 ist betitelt "Lage der Gebäude".
Der Verwaltungsgerichtshof kann allerdings nicht finden, dass die belangte Behörde die Frage, ob für jedes Hauptgebäude ein eigener Bauplatz geschaffen werden kann, unrichtig beurteilt hat. Bei einem zirka 950 m2 großen Bauplatz und der getroffenen Anordnung der Hauptgebäude kann der Ansicht der belangten Behörde, es könne für jedes Hauptgebäude ein Bauplatz geschaffen werden, nichts stichhältiges entgegengehalten werden. Dass ein Bauplatz (oder beide Bauplätze) nicht das Ausmaß von 500 m2 erreicht, hindert nicht eine zweckmäßige und geordnete Bebauung. Der Amtssachverständige hat im Zuge des Berufungsverfahrens in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass die Geschoßflächenzahl der zu verbauenden Liegenschaft einen Wert von 1,30 ergebe, wogegen benachbarte Liegenschaften eine größere Baudichte dieser Art erreichen, nämlich 2,48, 1,75 und 1,31 (Liegenschaft der Beschwerdeführer).
Ergänzend sei noch bemerkt, dass mangels Bebauungsbeschränkungen (Fehlen innerer und seitlicher Baufluchtlinien) in einem Bebauungsplan bzw. nach den Bestimmungen der Oberösterreichischen Bauordnung auch eine noch größere "Baudichte", verstanden im Sinne des Beschwerdevorbringens zulässig gewesen wäre. Bei dieser Situation kann es dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde zu Recht die Anwendbarkeit des § 32 Abs. 2.BO im Beschwerdefall bejahte - ein Umstand, den die Beschwerdeführer nicht in Zweifel zogen -, weil diesen Bestimmungen durch das Bauvorhaben Rechnung getragen wurde; die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Planunterlagen sprechen eher dafür, dass das Bauvorhaben nicht außerhalb eines geschlossen bebauten Gebietes im Sinne des § 32 Abs. 2 BO zur Ausführung gelangen soll.
Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 sowie die Verordnung BGBl. Nr. 542/1977.
Wien, am
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Normen | BauO OÖ 1976 §29; BauO OÖ 1976 §32; BauO OÖ 1976 §4; BauO OÖ 1976 §46; BauRallg impl; |
Schlagworte | Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1980:1979002701.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
XAAAF-58888