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VwGH 29.05.1980, 2671/78

VwGH 29.05.1980, 2671/78

Entscheidungsart: ErkenntnisVS

Rechtssätze


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Normen
GSPVG §172 Abs1;
GSPVG §172 Abs2;
GSPVG §172 Abs3;
Satzung SVgewerbl Wirtschaft 1977 §18;
Satzung SVgewerbl Wirtschaft 1977 §20;
VwGG §13 Z1;
VwGG §23 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
RS 1
Ordnungsgemäß kundgemachte Organisationsnormen für juristische Personen auch des öffentl Rechts können nach außen Handlungsbeschränkungen der zur Vertretung berufenen Organe vorsehen; sprechen die Normen jedoch von einer Vertretung nach außen schlechthin, so kann nicht auf anderweitige, bloß die Willensbildung im Innenverhältnis behandelnde Normen zurückgegriffen werden.
Normen
GSKVG 1966 §18 Abs4 litb;
GSKVG 1966 §19 Abs2 ;
GSKVGNov 05te 1976 Art2 Abs6;
RS 2
Unter der in Art II Abs 6 der 5. Novelle GSKVG genannten Mindestbeitragsgrundlage ist jene nach § 18 Abs 4 lit b GSKVG zu verstehen, nicht aber eine vorläufige Beitragsgrundlage nach § 19 Abs 2 GSKVG.

Entscheidungstext

Beachte

Besprechung in:

ZAS 1981/3, S 111;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Jurasek und die Hofräte Dr. Draxler, Dr. Liska, Dr. Iro, Mag. Öhler, Dr. Schubert, Dr. Pichler, Dr. Herberth und Dr. Degischer als Richter, im Beisein der Schriftführer Rat im Verwaltungsgerichtshof Dr. Feitzinger, Oberkommissär Mag. Gaismayer und Mag. Novak, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in Wien, vertreten durch Dr. Michael Graff, Rechtsanwalt in Wien I, Gonzagagasse 15, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 14-Z 14/77, betreffend Beitragsgrundlage nach dem Gewerblichen Selbständigen-Krankenversicherungsgesetz (mitbeteiligte Partei: Dr. WZ in W, vertreten durch Dr. Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien VII, Mariahilferstraße 4), nach der am durchgeführten Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters, sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Michael Graff, des Vertreters der belangten Behörde, Magistratskommissär Dr. GW, und des Vertreters der mitbeteiligten Partei, Rechtsanwalt Dr. Friedrich Willheim, für Rechtsanwalt Dr. Harald Schmidt, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 6.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Beschwerdeführerin vom wurde auf Antrag des Mitbeteiligten die vorläufige Beitragsgrundlage für 1977 gemäß § 19 Abs. 2 GSKVG 1971 in Verbindung mit § 18 Abs. 4 lit. b dieses Gesetzes mit monatlich S 4.000,--, der Grundbeitrag gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. mit monatlich S 308,-- und der Familienbeitrag gemäß § 20 Abs. 3 Z. 1 leg. cit. mit monatlich S 154,-- festgestellt. Ferner wurde festgestellt, daß die mit fällig gewordenen Beiträge für den Zeitraum vom 1. Jänner bis zu entrichten seien. In der Begründung wurde ausgeführt, der Einkommensteuerbescheid des Mitbeteiligten für 1974 habe noch nicht vorgelegt werden können, daher sei eine vorläufige Beitragsgrundlage zu bilden gewesen, als welche die Beitragsgrundlage 1976 zu gelten habe. Diese Beitragsgrundlage sei ebenfalls eine vorläufige Beitragsgrundlage; sie sei im Ausmaß der im Jahre 1976 geltenden Mindestbeitragsgrundlage von S 1.703,-- angenommen worden, ausgehend davon, daß im Jahre 1975 die Mindestbeitragsgrundlage von S 1.527,-- nach § 18 Abs. 4 GSKVG 1971 in der damals geltenden Fassung gegolten habe. Bei Feststellung der vorläufigen Beitragsgrundlage 1977 sei einerseits darauf Bedacht zu nehmen gewesen, daß die Einkommensbeträge gemäß § 18 Abs. 2 GSKVG 1971 in der Fassung der 5. Novelle, BGBl. Nr. 706/1976, entsprechend zu aktualisieren gewesen seien, andererseits, daß auch bei Feststellung einer vorläufigen Beitragsgrundlage das Ausmaß der jeweils geltenden Mindestbeitragsgrundlage nicht unterschritten werden dürfe. Eine Festsetzung der vorläufigen Beitragsgrundlage 1977 in Anwendung der Bestimmung des Art. II Abs. 6 der 5. Novelle zum Gewerblichen Selbständigen-Krankenversicherungsgesetz 1971 habe nicht vorgenommen werden können; die Anwendung dieser Bestimmung setze nämlich voraus, daß die Beitragsgrundlagen in den Jahren 1973 bis 1976 jeweils jener Mindestbeitragsgrundlage entsprochen hätten, die auf Grund der einkommensteuerbescheidmäßigen Feststellungen für das jeweils drittvorangegangene Kalenderjahr zu bilden gewesen sei. Der Umstand, daß hinsichtlich des Mitbeteiligten für die Jahre 1973 bis 1976 jeweils eine vorläufige Mindestbeitragsgrundlage gemäß § 19 Abs. 2 GSKVG 1971 habe festgesetzt werden müssen, schließe die Anwendung der "geschützten" Mindestbeitragsgrundlage nach Art. II Abs. 6 der 5. Novelle solange aus, als nicht auf Grund der nachträglich ergangenen rechtskräftigen Einkommensteuerbescheide feststehe, daß in allen Jahren des Zeitraumes 1973 bis 1976 die Mindestbeitragsgrundlage in der am geltenden Fassung zur Anwendung zu kommen gehabt hätte.

Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Einspruch, in dem er zunächst die unrichtige Unterfertigung des angefochtenen Bescheides rügte. Ferner liege deshalb entschiedene Sache vor, weil mit einer Note der Beschwerdeführerin vom die Beitragsgrundlage für 1977 bereits festgestellt worden sei. Im übrigen sei die Rechtsansicht, Art. II Abs. 6 der 5. Novelle zum Gewerblichen Selbständigen-Krankenversicherungsgesetz 1971 sei nicht anzuwenden, unrichtig. Die Ansicht finde im Gesetz keine Deckung und stelle eine grobe Umkehrung des Willens des Gesetzgebers dar.

In einer Stellungnahme zu diesem Einspruch betonte die Beschwerdeführerin, daß ihr bei ihrem Schreiben vom jeder Wille zur Bescheiderlassung gemangelt habe; dieses Schreiben beinhalte nur eine - wenn auch sachlich unrichtige - Information des Mitbeteiligten. Im übrigen beharrte die Beschwerdeführerin auf ihrer in ihrem Bescheid ausgesprochenen Rechtsansicht.

Mit Bescheid vom gab der Landeshauptmann von Wien dem Einspruch des Mitbeteiligten gegen den oben erwähnten Bescheid der Beschwerdeführerin statt und änderte ihn gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 wie folgt ab: Der Mitbeteiligte habe in der Krankenversicherung der gewerblichen Selbständigen im Jahre 1977 auf Grund des Art. II Abs. 6 der 5. Novelle zum Gewerblichen Selbständigen-Krankenversicherungsgesetz 1971 einen Grundbeitrag von S 140,29 monatlich von einer Beitragsgrundlage von S 1.703,-- monatlich sowie einen Familienbeitrag von S 70,15 zu entrichten. In der Begründung wurde ausgeführt, das Schreiben der Beschwerdeführerin vom stelle schon im Hinblick auf die umfangreiche Korrespondenz, die Beschwerden und Einsprüche des Mitbeteiligten im Verwaltungsverfahren und seine zahlreichen Klagen im Leistungsstreitverfahren keinen Bescheid dar. Die Beschwerdeführerin habe gar nicht die Absicht gehabt, einen Bescheid zu erlassen, sondern habe rasch einen durch die Vorschreibung der Beiträge nach der Höchstbeitragsgrundlage entstandenen Irrtum bereinigen wollen, für welche Ansicht auch der letzte Satz dieses Schreibens spräche. Im übrigen habe die Beschwerdeführerin die Anwendung des Art. II Abs. 6 der 5. Novelle zum Gewerblichen Selbständigen-Krankenversicherungsgesetz 1971 zu Unrecht abgelehnt. Die persönlichen Voraussetzungen dieser Übergangsbestimmung lägen beim Mitbeteiligten vor (Geburtsdatum ). Er habe in den Jahren 1973 bis 1976 Beiträge von der jeweils in Geltung gestandenen Mindestbeitragsgrundlage zu entrichten gehabt. Dafür, daß unter der "jeweils in Geltung gestandenen Mindestbeitragsgrundlage" keine vorläufige, sondern nur eine endgültige Mindestbeitragsgrundlage zu verstehen sei, biete das Gesetz keinen Anhaltspunkt. Daher sei in Anwendung der erwähnten Übergangsbestimmung eine Mindestbeitragsgrundlage von S 1.703,-- festzusetzen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde der Beschwerdeführerin.

Die belangte Behörde hat die Akten der Beschwerdeführerin sowie die des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Mitbeteiligte beantragte primär, die Beschwerde mangels Legitimation der Beschwerdeführerin zurückzuweisen; allenfalls möge die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 11 Abs. 1 VwGG 1965 gebildeten Senat eine Verhandlung durchgeführt und sodann in einem gemäß § 13 VwGG 1965 gebildeten Senat über die Beschwerde erwogen (§ 39 Abs. 3 VwGG 1965):

I.) Zur Frage der Berechtigung der Beschwerdeführerin zur Beschwerdeerhebung:

Die an den einschreitenden Rechtsanwalt erteilte schriftliche Vollmachtsurkunde vom ist vom Generaldirektor und vom Obmann der beschwerdeführenden Partei gefertigt.

Gemäß § 13 GSKVG 1971 in der am geltenden Fassung ist Träger der Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für das ganze Bundesgebiet die Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft mit dem Sitz in Wien. Die Organisationsvorschriften dieses Versicherungsträgers finden sich im Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 292/1957, in der am geltenden Fassung (vgl. § 7 GSPVG). Gemäß § 172 Abs. 2 GSPVG hat der Vorstand die Versicherungsanstalt im Rahmen seiner Geschäftsführungsbefugnisse gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten; insoweit hat er die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Gemäß Abs. 3 dieses Paragraphen hat die Satzung zu bestimmen, inwieweit die Vorsitzenden und andere Mitglieder der geschäftsführenden Verwaltungskörper die Versicherungsanstalt vertreten können. Gemäß Abs. 1 dieses Paragraphen obliegt dem Vorstand die Geschäftsführung, soweit diese nicht durch Gesetz oder Satzung anderen Verwaltungskörpern oder Einrichtungen zugewiesen ist. Der Vorstand kann einzelne seiner Obliegenheiten engeren Ausschüssen oder dem Obmann (Obmannstellvertreter) übertragen. Die Satzung der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft, ergangen auf Grund von Beschlüssen der Hauptversammlung vom , vom , vom und vom , veröffentlicht in Soziale Sicherheit 1974, S. 288; 1975, S. 642; 1976, S. 415; 1977, S. 376, und jeweils genehmigt mit Erlässen des Bundesministers für soziale Verwaltung, bestimmt in ihrem § 18 Abs. 1, daß die Anstalt nach außen durch den Obmann vertreten wird. Nach § 20 Abs. 1 dieser Satzung müssen schriftliche Ausfertigungen der Anstalt in allen Angelegenheiten, die eine Verbindlichkeit der Anstalt beinhalten und von grundsätzlicher Bedeutung sind, um rechtsverbindlich zu sein, sowohl vom Obmann als auch vom leitenden Angestellten der Anstalt unterfertigt sein.

Die oben erwähnte Vollmachtsurkunde entspricht in formeller Hinsicht den letzterwähnten Satzungsbestimmungen.

Der Mitbeteiligte behauptet in seiner Gegenschrift, der Nachweis der Vollmachtserteilung genüge nicht, es bedürfe zusätzlich einer Beschlußfassung über die Beschwerdeerhebung durch das für die Willensbildung der Beschwerdeführerin berufene Organ. Dies sei der Gesamtvorstand der Beschwerdeführerin. Mangels Legitimation zur Beschwerdeführung sei daher die Beschwerde zurückzuweisen.

Es ist dem Mitbeteiligten zuzugeben, daß die ältere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - nicht nur in den vom Mitbeteiligten zitierten und die Beschwerdeerhebung durch Gemeinden betreffenden Entscheidungen, sondern auch hinsichtlich der Sozialversicherungsträger, vgl. z. B. Beschlüsse vom , Zl. 1534/67, vom , Zl. 1778/67; vom , Zl. 1441/69, 218/70, vom , Zlen. 1298, 1299/69, Erkenntnis vom , Zl. 1716/74, Beschluß vom , Slg. N.F. Nr. 4873/F - bei der Beschwerdeerhebung durch juristische Personen des öffentlichen Rechtes verlangt hat, daß nicht nur die Erteilung der Vollmacht durch das nach außen vertretungsbefugte Organ, sondern auch die auf die Beschwerdeerhebung gerichtete Willensbildung des zuständigen Organes dem Verwaltungsgerichtshof nachgewiesen wird. Es muß aber auch festgehalten werden, daß der Verwaltungsgerichtshof zumindest in den letzten vier Jahren sich bei Beschwerdeerhebungen durch Sozialversicherungsträger mit der Vorlage von ordnungsgemäß gefertigten Vollmachtsurkunden begnügt hat, wobei allerdings jeweils von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine diesbezüglichen Einwände erhoben wurden, sodaß der Gerichtshof sich mit dieser Frage nicht mehr ausdrücklich auseinandergesetzt hat.

Das ist aber im vorliegenden Fall geboten. Der Verwaltungsgerichtshof vermag an der geschilderten älteren Rechtsprechung aus folgenden Gründen nicht mehr festzuhalten:

In dem die Beschwerde einer Aktiengesellschaft behandelnden Erkenntnis des verstärkten Senates vom , Zl. 137/70, Slg. N.F. Nr. 4123/F, wurde unter Heranziehung von Bestimmungen des Verwaltungsgerichtshofgesetzes, des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes, des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches und des Aktiengesetzes dargetan, daß die Vollmacht eine einseitige Erklärung des Machtgebers darstellt. Die gesetzmäßige Ausstellung der Vollmacht habe der Verwaltungsgerichtshof zu überprüfen. Eine Aktiengesellschaft werde durch ihren Vorstand gerichtlich und außergerichtlich vertreten, wobei die Satzung bestimmen könne, daß einzelne Vorstandsmitglieder allein oder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt seien. Eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung, die von vertretungsberechtigten Organen einer Aktiengesellschaft in gehöriger Form abgegeben werde, sei daher für die Gesellschaft verbindlich; dies gelte auch für die Ausstellung einer Vollmacht. Der Grundsatz des § 1017 ABGB, daß der Gewalthaber, insofern er nach dem Inhalte der Vollmacht den Gewaltgeber vorstelle, diesem Rechte erwerben und Verbindlichkeiten auflegen könne, gelte gemäß § 26 ABGB sowohl für physische als auch für juristische Personen. Innerhalb dieser Grenzen legitimiere eine Vollmacht auch dann zur Abgabe von Willenserklärungen, wenn dazu keine ausdrückliche Willensbildung seitens des Machtgebers vorliege, wie aus § 1002 ABGB abgeleitet werden könne. Maßgebend für die Beurteilung einer Beschwerdeberechtigung bei einer von einem Bevollmächtigten einer Aktiengesellschaft eingebrachten Beschwerde sei daher im Gegensatz zu den gesetzlich besonders geregelten Fällen, wie z. B. bei den Gemeinden, nur die offene Vollmacht, wobei es darauf ankomme, ob sie von den vertretungsberechtigten Organen ausgestellt sei. Durch eine solche Vollmacht, möge sie auch dem Innenverhältnis des Bevollmächtigungsvertrages zuwiderlaufen, werde das Außenverhältnis zwischen der vertretenen Gesellschaft und dem Dritten hergestellt. Daraus folge aber, daß ein mit formgültiger Vollmacht für die Aktiengesellschaft auftretender Rechtsanwalt dazu legitimiert sei, namens der Aktiengesellschaft die Beschwerde einzubringen, ohne daß es eines Nachweises der Willensbildung über die Erhebung der Beschwerde durch den Vorstand bedürfe, die Vollmacht möge innerhalb der Beschwerdefrist oder aber auch vor der Zustellung des angefochtenen Bescheides ausgestellt worden sein.

Diese auf eine Aktiengesellschaft abgestellten Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofes finden eine weitere Unterstützung durch Äußerungen der Literatur, in denen an der Rechtsprechung - sei es des Obersten Gerichtshofes in der Frage der Gültigkeit von Verträgen, sei es des Verwaltungsgerichtshofes in der Frage der Beschwerdelegitimation Kritik geübt wurde. Zu nennen sind vor allem Bydlinski, Die privatwirtschaftliche Tätigkeit des Staates in privatrechtlicher Sicht, JBl. 1968, S. 9; derselbe, Das Verhältnis von öffentlicher und privater Wirtschaft in privatrechtlicher Sicht, Wirtschaftspolitische Blätter 1966, Beilage S. 3; Wenger, Zur Problematik der österreichischen "Selbstbindungsgesetze", in Festschrift für Korinek "Wirtschaft und Verfassung in Österreich" (1972), S. 195; Wilhelm, Privatrechtliche Probleme der Subvention, im Sammelband "Förderungsverwaltung" (1973), S. 197, 199; Eccher-Purtscheller, "Zur Gültigkeit privatrechtlicher Verträge juristischer Personen des öffentlichen Rechts (§ 867 ABGB)", JBl. 1977, S. 561; Straube, "Die Bedeutung der 'Ultra-vires-Lehre' im österreichischen Recht", ÖJZ 1978, S. 343; Koziol-Welser, Grundriß I4, S. 63 f. In Übereinstimmung mit diesen Autoren ist der Verwaltungsgerichtshof der Ansicht, daß ordnungsgemäß kundgemachte Organisationsnormen für juristische Personen auch des öffentlichen Rechts nach außen Handlungsbeschränkungen der zur Vertretung berufenen Organe vorsehen können; sprechen die Normen jedoch von einer Vertretung nach außen schlechthin, so kann nicht auf anderweitige, bloß die Willensbildung im Innenverhältnis behandelnde Normen zurückgegriffen werden.

Im vorliegenden Fall delegiert das Gesetz (§ 172 Abs. 3 GSPVG) die Satzung, die Vertretung des Sozialversicherungsträgers durch die Vorsitzenden und andere Mitglieder der Verwaltungskörper zu regeln. Die Satzung hat diese Regelung in den oben zitierten §§ 18 und 20 auch getroffen. Die vorliegende Vollmachtsurkunde entspricht insbesondere dem Formerfordernis des § 20 Abs. 1 der Satzung. Mangels einer die Vertretungsmacht des Obmannes und des leitenden Angestellten beschränkenden Bestimmung ist es weder erforderlich noch zulässig, auf die die Geschäftsführung durch den Vorstand regelnde Generalklausel des § 172 Abs. 1 GSPVG zurückzugreifen, wobei diese Generalklausel ausdrücklich anderen durch Gesetz oder Satzung getroffenen Regelungen den Vorrang gibt.

Aus diesen Gründen sah der Verwaltungsgerichtshof keinen Anlaß, die vorliegende Beschwerde mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.

Zufolge obiger Rechtsansicht war auf die Frage, ob die innere Willensbildung bei der Beschwerdeführerin gesetz- und satzungsgemäß dahin ging, die vorliegende Beschwerde einzubringen -

so wie es die Beschwerdeführerin in ihrer Äußerung vom behauptet und wie es die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenäußerung vom bestreitet -, nicht einzugehen.

II.) In der Sache selbst hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß Art. II Abs. 6 der 5. Novelle zum Gewerblichen Selbständigen-Krankenversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 706/1976 ("Übergangsbestimmung"), gilt bei Pflichtversicherten, die am das 55. Lebensjahr vollendet und in den Kalenderjahren 1973 bis 1976 Beiträge ausschließlich von der nach den bisherigen Vorschriften jeweils in Geltung gestandenen Mindestbeitragsgrundlage entrichtet haben, abweichend von der Vorschrift des Art. I Z. 14 als Mindestbeitragsgrundlage der Beitrag von S 1.703,-- monatlich. An die Stelle dieses Betrages tritt ab 1. Jänner eines jeden Jahres der unter Bedachtnahme auf § 32 f des Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetzes in der jeweiligen Richtzahl (§ 32 a GSPVG) vervielfachte Betrag.

Es geht im vorliegenden Fall um die Auslegung der Worte "von der nach den bisherigen Vorschriften jeweils in Geltung

gestandenen Mindestbeitragsgrundlage ... entrichtet haben". Der

Gesetzestext selbst läßt es offen, ob darunter die Mindestbeitragsgrundlage nach § 18 Abs. 4 lit. b GSKVG oder auch eine vorläufige Beitragsgrundlage nach § 19 Abs. 2 GSKVG zu verstehen ist, obwohl schon aus der Bezeichnung "vorläufige Beitragsgrundlage" in der letzterwähnten Gesetzesstelle abgeleitet werden könnte, daß die Mindestbeitragsgrundlage schlechthin nicht mit diesem Begriff identisch ist.

Die Motive zur erwähnten 5. Novelle selbst bringen diesbezüglich keinen Aufschluß. Beachtenswert erscheinen allerdings dem Verwaltungsgerichtshof die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zur 24. Novelle zum Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz, welche Vorlage am gleichen Tag wie die der 5. Novelle zum Gewerblichen Selbständigen-Krankenversicherungsgesetz, nämlich am , im Nationalrat eingebracht wurde. Der Art. II Abs. 3 der 24. Novelle bringt nämlich, abgestellt auf die Pensionsversicherung, genau die gleiche Übergangsbestimmung wie Art. II Abs. 6 der 5. Novelle zum Gewerblichen Selbständigen-Krankenversicherungsgesetz, wobei allerdings die Beträge der Mindestbeitragsgrundlage differieren. Die hier entscheidenden Worte "von der nach den bisherigen Vorschriften jeweils in Geltung gestandenen Mindestbeitragsgrundlage" sind in beiden Gesetzen gleich. Nun sagt die Regierungsvorlage zur 24. Novelle zum Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz, 281 Blg stenographische Protokolle NR 14. GP, S. 20, folgendes:

"Die angeführten Erhöhungen der Mindestbeitragsgrundlage werden jedoch nicht für Versicherte Geltung erlangen, die am das 55. Lebensjahr vollendet und schon in den Jahren 1973 bis 1976 Beiträge ausschließlich nach der jeweils in Geltung gestandenen Mindestbeitragsgrundlage entrichtet haben. Damit wird, wie dies der Gesetzgeber schon in der Vergangenheit getan hat, auf jene Kleinstbetriebe Rücksicht genommen, die meist von Personen im fortgeschrittenen Alter geführt werden, die nicht mehr in der Lage sind, durch Investitionen, Umstellungen und Anpassung an die geänderten Wettbewerbsverhältnisse aus ihren Betrieben höhere Einkünfte zu erzielen."

Dieses geäußerte Motiv des Gesetzgebers zu einem anderen Gesetz liefert einen deutlichen Hinweis darauf, daß es auf die tatsächlichen Einkommensverhältnisse der Versicherten und nicht auf durch eine gesetzliche Fiktion geschaffene Mindestbeitragsgrundlagen ankommen soll. Der Verwaltungsgerichtshof ist der Ansicht, daß bei Schweigen des Gesetzestextes durchaus auf die Motive des Gesetzgebers, und zwar auch zu einem verwandten Gesetz, zurückgegriffen werden kann.

Dies ergibt, daß die Rechtsansicht des angefochtenen Bescheides, die jeweils in Geltung gestandene Mindestbeitragsgrundlage sei im vorliegenden Fall auch die vorläufige Beitragsgrundlage nach § 19 Abs. 2 GSKVG, unrichtig ist. Das vom Mitbeteiligten aus § 236 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes 1978, BGBl. Nr. 560/1978, abgeleitete Argument vermag den Verwaltungsgerichtshof nicht zu überzeugen. Diese Bestimmung bringt die in Art. II Abs. 3 der 24. Novelle zum Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz und in Art. II Abs. 6 der 5. Novelle zum Gewerblichen Selbständigen-Krankenversicherungsgesetz bezeichneten Personen auch unter der Geltung des neuen Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes 1978 in den Genuß der Mindestbeitragsgrundlage, ohne damit zu klären, was die beiden genannten Übergangsbestimmungen unter der "jeweils in Geltung gestandenen Mindestbeitragsgrundlage" verstehen. Die weiteren vom Mitbeteiligten gezogenen Schlüsse, hätte der Gesetzgeber die Auslegungsschwierigkeiten, die Anlaß zur gegenständlichen Beschwerde waren, erkannt, so hätte er sicherlich im Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz hiezu gesprochen, bleiben im Gebiet der Spekulation.

Aus der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung ergibt sich, daß die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet hat.

Hingegen hatte die belangte Behörde entgegen der Ansicht des Mitbeteiligten keinen Anlaß, den Bescheid der Beschwerdeführerin wegen entschiedener Sache aufzuheben. In Übereinstimmung mit der Rechtsansicht der belangten Behörde ist der Verwaltungsgerichtshof der Ansicht, daß das Schreiben der Beschwerdeführerin vom an den Mitbeteiligten keinen Bescheid darstellt, weder nach seiner Form noch auch seinem Inhalt nach. In dem Schreiben kommt nämlich keinerlei Wille, zu entscheiden oder zu verfügen, zum Ausdruck, vielmehr nur die Äußerung einer Rechtsansicht. Der mangelnde Bescheidwille der Beschwerdeführerin ergibt sich insbesondere aus der dortigen Wendung, es erübrige sich die Ausstellung eines Bescheides.

Aus dem weiter oben aufgezeigten Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 2 lit. a, 48 Abs. 1 lit. b und d VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I Z. 1 und 2 der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542.

Wien, am

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Normen
GSKVG 1966 §18 Abs4 litb;
GSKVG 1966 §19 Abs2 ;
GSKVGNov 05te 1976 Art2 Abs6;
GSPVG §172 Abs1;
GSPVG §172 Abs2;
GSPVG §172 Abs3;
Satzung SVgewerbl Wirtschaft 1977 §18;
Satzung SVgewerbl Wirtschaft 1977 §20;
VwGG §13 Z1;
VwGG §23 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
Sammlungsnummer
VwSlg 10147 A/1980
Schlagworte
Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde
subjektive Rechtsverletzung Mangel der Rechtsfähigkeit und
Handlungsfähigkeit sowie der Ermächtigung des Einschreiters
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1980:1978002671.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
VAAAF-58867