VwGH 13.03.1959, 2537/56
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | WRG 1959 §9 Abs1 idF 1969/207 impl; |
RS 1 | Daß die Errichtung einer Stützmauer an einem Werkskanal einer Wasserkraftanlage als eine Änderung einer zur Benutzung eines Gewässers dienende Anlage iSd § 9 Abs 1 WRG zu gelten hat, kann nicht bezweifelt werden. |
Norm | WRG 1959 §103 idF 1969/207 impl; |
RS 2 | Wird in einem wasserrechtliche Verfahren seitens einer Partei auf die Untauglichkeit der beigebrachten Unterlagen hingewiesen und aus diesem Grunde Antrag auf Vertagung der Verhandlung gestellt, so kann die Nichtberücksichtigung dieses Antrages vor dem VwGH als Mangel des Verfahrens gerügt werden, weil mit einem solchen Vorbringen geltend gemacht wird, daß der Sachverhalt nicht ausreichend geklärt und der beschwerdeführenden Partei daher die Möglichkeit genommen sei, ihre Recht ausreichend wahrzunehmen. |
Normen | AVG §42 Abs1; VwRallg; |
RS 3 | Eine Einwendung eines Anrainers (hier: iSd Vorschriften über das Baubewilligungsverfahren - Salzburg Stadt) liegt nur dann vor, wenn vom Anrainer die Verletzung eines Rechtes behauptet wird. Gehört dieses Recht dem Privatrecht an, so liegt eine privatrechtliche Einwendung vor. Hat die Einwendung ihren Rechsgrund im öffentlichen Recht, dann handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Einwendung. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2547/53 E RS 1 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Guggenbichler und die Räte Dr. Borotha, Dr. Krzizek, Penzinger und Dr. Striebl als Richter, im Beisein des Sektionsrates Dr. Dolp als Schriftführer, über die Beschwerde der SS in K gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. L.A. III/1-1876/35, betreffend wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung einer Stützmauer zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Ein Kostenzuspruch findet nicht statt.
Begründung
Am richtete der Sägewerksbesitzer SB in K, die mitbeteiligte Partei dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, an die Bezirkshauptmannschaft Scheibbs eine Eingabe, in welcher er bekanntgab, daß der auf der Parzelle 679 fließende Werkskanal verschiedene Schäden aufweise, die nur durch die Errichtung von Betonsockeln behoben werden könnten. Außerdem sei auf Antrag der Straßenverwaltung die gegen die Landesstraße Nr. 106 bestehende Stützmauer zu verlängern. Er beantrage daher, die Bauführungen wasserrechtlich zu genehmigen, falls aber eine solche Genehmigung nicht erforderlich sei, die Eingabe an die Gemeinde O an der Melk - offenbar als Baubehörde - weiterzuleiten. Hierüber wurde "im Sinne der §§ 5, 9, 10, 34 WRG auf Grund der §§ 39 bis 44 AVG" für eine mündliche Verhandlung an Ort und Stelle anberaumt, zu der u.a. auch die Beschwerdeführerin geladen war. Diese erhob am gegen die Errichtung der Stützmauer schriftlich Einwendungen, in denen sie im wesentlichen vorbrachte: Die Einreichungsunterlagen seien derart mangelhaft, daß sie eine Feststellung der Situierung der Stützmauer nicht ermöglichen. Der Gesuchsplan stehe mit der Katastermappe in Widerspruch. Die Behörde könne demnach auf dieser ungenauen Grundlage keine Verhandlung abführen und solle den Bewilligungswerber zur Vorlage genauer Pläne auf der Grundlage des Mappenstandes verhalten. Des weiteren nehme der Bauplan keine gebührende Rücksicht auf die Grundgrenze der Beschwerdeführerin, über deren Verlauf übrigens ein Rechtsstreit beim Kreisgericht St. Pölten anhängig sei. Der Bewilligungswerber wolle mit seinem Vorhaben - hinsichtlich des Bereiches von der Schütze bachabwärts -
"durch seine beabsichtigten Bauten seinen Bach weiterhin in das Grundstück Nr. 674/1 hineindrängen''. Auf Grund eines vor der Wasserrechtsbehörde abgeschlossenen Vergleiches sei die mitbeteiligte Partei verpflichtet, den Ablaufgraben des Werkskanals durch taugliche Vorkehrungen gegen Unterwaschungen zu sichern.
In der am abgeführten Verhandlung - bei welcher die Beschwerdeführerin nicht vertreten war, ihre schriftlichen Einwendungen aber verlesen wurden - gelangte der wasserbautechnische Amtssachverständige "an Hand der Gemeindemappe sowie des Besitzbogens des Bezirksvermessungsamtes Waidhofen/Ybbs" zu dem Ergebnis, daß die fragliche Stützmauer auf Parzelle 675, EZ. 164 der Kat. Gemeinde O, Eigentümer SB, errichtet werden solle. Am gegenüberliegenden innenseitigen scharfen Bogen des Unterwerksgerinnes befinde sich eine Unterwaschung des rechtsseitigen Ufers, die auf den natürlichen Verlauf dieses Gerinnes zurückzuführen sei, da der Stromstrich direkt auf diese Uferstelle stoße. Die zu errichtende Mauer werde hierauf keine nachteilige Auswirkung zur Folge haben.
Auf der Grundlage dieser gutächtlichen Ausführungen, der vom Gutachter vorgeschlagenen Auflagen und des ansonst anstandslosen Verhandlungsergebnisses erging sodann der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs vom , mit welchem die geplanten Maßnahmen vom wasserrechtlichen Standpunkte für zulässig erklärt und hiefür gemäß den §§ 9, 34 und 93 des Wasserrechtsgesetzes (kurz WRG) die wasserrechtliche Bewilligung erteilt wurde. Der gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin eingebrachten Berufung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid keine Folge. In der Begründung dieses Bescheides hieß es, daß sämtliche vorgesehenen Maßnahmen nur eine Änderung der Bauweise von Teilen der Wasserbenutzungsanlage, zu der auch der Werkskanal gehöre, zum Inhalte hätten. Da keine Änderung der Art und des Maßes der Wasserbenutzung eintrete, sei auch keine Bewilligungspflicht gegeben. Es liege daher lediglich eine Feststellung und keine Rechtsverleihung vor. Eine Beeinträchtigung der Rechte der Beschwerdeführerin sei deshalb nicht gegeben, da die Bauführung ausschließlich auf eigenem Grund der mitbeteiligten Partei erfolge. Jeder Werkskanal habe die Vermutung für sich, ein künstliches Gerinne zu sein, selbst wenn der gegenständliche Kanal äußerlich den Anschein eines natürlichen Gerinnes erwecke. § 34 WRG finde auf Werkskanalanlagen keine Anwendung. Eine Hochwasserführung sei bei ordnungsgemäßer Wartung des Werkskanales nicht möglich. Wenn die Beschwerdeführerin befürchtet, daß durch die Errichtung der Stützmauer eine Verlegung des Wasserweges erfolgen sollte, wäre es Aufgabe des Wasserberechtigten, eine solche Entwicklung zu verhindern. Diese Verpflichtung ergebe sich schon aus § 45 WRG. Die Unrichtigkeit und Unvollständigkeit der vorgelegten Unterlagen sei niemals Gegenstand einer Anfechtung im Rechtswege. Ob die Unterlagen für ein Vorhaben ausreichend seien, liege im Ermessen der Wasserrechtsbehörde.
Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Ihr zufolge spreche der angefochtene Bescheid selbst von der Errichtung einer Stützmauer am Unterwasserkanal. Es handle sich hiebei um eine 14 m lange und 2,16 m hohe Mauer. Gemäß § 93 WRG bedürfe die Errichtung oder Änderung der zur Benutzung der Gewässer dienenden Anlagen einer Genehmigung der Wasserrechtsbehörde. Die Feststellung im angefochtenen Bescheid, daß die in Aussicht genommene Bauführung ausschließlich auf eigenem Grund des Wasserbenutzers erfolge, sei auf Grund eines mangelhaften, untauglichen und rechtswidrigen Verhaltens der ersten Instanz zustandegekommen. Bei einem Hochwasser der Melk müsse damit gerechnet werden, daß sich die Wassermengen auch aufwärts des Unterwassergrabens auf die Strecke der gegenständlichen Stützmauer auswirken. Es hätte die Behörde daher auch § 34 WRG für anwendbar erklären müssen. Der Hinweis auf die Instandhaltungspflicht des Wasserberechtigten verkenne den Sinn der Vorschriften des § 93 WRG. Aus dieser Vorschrift ergebe sich ferner, daß die Pläne die genaue Beschreibung der Anlage enthalten müssen, weshalb es auch unrichtig sei, daß undeutliche Pläne nicht angefochten werden können.
Der Verwaltungsgerichtshof fand diese Beschwerde in nachstehender Erwägung begründet:
Die belangte Behörde hat die Berufung der Beschwerdeführerin im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, daß die von der mitbeteiligten Partei beabsichtigten Herstellungen einschließlich der Stützmauer keiner wasserrechtlichen Bewilligung bedürfen, weil diese Maßnahmen nur eine Änderung der Bauweise von Teilen der Wasserbenutzungsanlage zum Inhalte haben. Die belangte Behörde hat allerdings die aus dieser Rechtsansicht sich ergebenden Folgerungen nicht gezogen. War die belangte Behörde der Meinung, daß für die vorgesehenen Maßnahmen eine wasserrechtliche Bewilligung nicht erforderlich ist, dann mußte sie zunächst den Bescheid der Vorinstanz abändern. Denn mit diesem Bescheid wurde nicht nur die Zulässigkeit der geplanten Maßnahmen ausgesprochen, sondern auch die hiefür erforderliche wasserrechtliche Bewilligung gemäß den § 9, 34 und 93 WRG erteilt. Der Hinweis auf § 93 WRG kann einen Zweifel über die rechtliche Natur dieses Ausspruches überhaupt nicht aufkommen lassen. Ferner hätte die belangte Behörde, wenn sie davon ausgegangen ist, daß für diese Maßnahmen eine wasserrechtliche Bewilligung nicht erforderlich ist, die Berufung der Beschwerdeführerin als unzulässig zurückweisen müssen. Der Beschwerdeführerin würde daher in dem über die Eingabe der mitbeteiligten Partei vom abgewickelten Verfahren die Rechtstellung einer Partei und damit das Recht zur Einbringung einer Berufung gefehlt haben. Die Ansicht der belangten Behörde, daß die Errichtung der Stützmauer - nur gegen diese Bauführung richten sich die Einwendungen der Beschwerdeführerin - keiner wasserrechtlichen Bewilligung bedarf, ist jedoch unrichtig. Die belangte Behörde ist bei ihrer Entscheidung selbst davon ausgegangen, daß es sich bei dem gegenständlichen Gewässer, in dessen Bereich die Mauer errichtet werden soll, um einen Teil einer Wasserbenutzungsanlage (eines Unterwasserkanals) handelt. Nach § 9 Abs. 1 WRG bedarf einer Bewilligung der Wasserrechtsbehörde unter anderem die Errichtung oder Änderung der zur Benützung der Gewässer dienenden Anlagen. Daß aber die Errichtung einer Stützmauer an einem Werkskanal einer Wasserkraftanlage als eine Änderung der zur Benutzung des Gewässers dienenden Anlagen zu gelten hat, kann nicht bezweifelt werden.
Bedarf aber die geplante Maßnahme einer wasserrechtlichen Bewilligung, dann war dem Bewilligungsverfahren gemäß § 84 Abs. 1 lit. b WRG die Beschwerdeführerin schon als Eigentümerin des angrenzenden Grundstückes, auf welches die geplante Mauer Rückwirkungen auszuüben geeignet sein könnte, in der Rechtstellung einer Partei beizuziehen. Mithin stand der Beschwerdeführerin das Recht zu, gegen die Bauführung Einwendungen zu erheben. Über diese Einwendungen muß in dem Bewilligungsbescheid, und zwar im Spruch desselben abgesprochen werden. Im vorliegenden Falle hat die Beschwerdeführerin Einwendungen erhoben. Ein Abspruch über diese Einwendungen findet sich in dem wasserrechtlichen Bescheid der ersten Instanz nicht. Es war daher Aufgabe der belangten Behörde, als sie durch die Berufung der Beschwerdeführerin zur Entscheidung in dem gegenständlichen Rechtsstreit angerufen wurde, den Bescheid der Vorinstanz in dieser Hinsicht zu ergänzen. Dies bedeutet, daß die belangte Behörde sich mit dem Vorbringen in der Eingabe der Beschwerdeführerin vom auseinanderzusetzen hatte. Dieses Vorbringen war von der belangten Behörde zunächst darauf zu überprüfen, ob es sich hiebei überhaupt um eine Einwendung im Sinne des Verfahrens betreffend die Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung handelt. Eine dem Gesetz entsprechende Einwendung liegt nur dann vor, wenn die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend gemacht wird. Des weiteren hatte die belangte Behörde zu entscheiden, ob die Einwendungen der Beschwerdeführerin öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Einwendungen betreffen. Denn von dieser Entscheidung ist die weitere Behandlung der Einwendungen abhängig. Während nach § 95 Abs. 2 WRG die Austragung der als privatrechtlich erkannten und im Bescheid anzuführenden Einwendungen dem Rechtsweg vorzubehalten ist, hat über öffentlich-rechtliche Einwendungen jedenfalls eine Entscheidung der Wasserrechtsbehörde zu ergehen.
Eine solche Behandlung des Vorbringens der Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe vom ist aber, wie bereits ausgeführt wurde, unterblieben. Dies deshalb, weil die belangte Behörde von der unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen ist, daß der erstinstanzliche Bescheid keine wasserrechtliche Bewilligung enthält und eine solche für die geplante Stützmauer auch nicht erforderlich ist.
Der angefochtene Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben werden.
Der von der mitbeteiligten Partei geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der Anwaltskosten durch die Beschwerdeführerin war gemäß § 47 Abs. 1 VwGG 1952 schon aus dem Grunde abzuweisen, weil die mitbeteiligte Partei nicht die vor dem Verwaltungsgerichtshof obsiegende Partei ist.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich jedoch veranlaßt, noch auf folgendes hinzuweisen: In dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Rechtsansicht vertreten, daß die Beschwerdeführerin die Unvollständigkeit und Untauglichkeit der Verhandlungsunterlage nicht geltend machen kann. Auch diese Ansicht ist unzutreffend. Wird in einem wasserrechtlichen Verfahren seitens einer Partei auf die Untauglichkeit der beigebrachten Unterlagen hingewiesen und aus diesem Grunde Antrag auf Vertagung der Verhandlung gestellt, so kann die Nichtberücksichtigung dieses Antrages vor dem Verwaltungsgerichtshof als Mangel des Verfahrens gerügt werden, weil mit einem solchen Vorbringen geltend gemacht wird, daß der Sachverhalt nicht ausreichend geklärt und der Beschwerdeführerin daher die Möglichkeit genommen sei, ihre Rechte ausreichend wahrzunehmen,
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 4910 A/1959 |
Schlagworte | Organisationsrecht Justiz - Verwaltung Verweisung auf den Zivilrechtsweg VwRallg5/1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1959:1956002537.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
GAAAF-58752