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VwGH 14.12.1979, 2516/79

VwGH 14.12.1979, 2516/79

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Norm
WRG 1959 §122 Abs1;
RS 1
Jede einstweilige Verfügung nach § 122 Abs 1 WRG 1959 muß ihre materiell-rechtliche Grundlage in einer Bestimmung des Wasserrechtsgesetzes haben, nach der auch die Verpflichtung zur Tragung der Kosten beurteilt werden kann. § 105 WRG 1959 ist keine geeignete Grundlage, aus der die Pflicht zur Kostentragung der aufgetragenen Maßnahmen abgelehnt werden kann. Die Pflicht zum Ersatz eines verursachten Schadens ist eine nur von den ordentlichen Gerichten zu entscheidende Frage.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hinterauer und die Hofräte Dr. Schima, Dr. Salcher, Dr. Hoffmann und Dr. Hnatek als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Aigner, über die Beschwerde der Firma S AG. in G, vertreten durch Dr. Manfred Thorineg, Rechtsanwalt in Graz, Kalchberggasse 8, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom , Zl. 3-345 St 76/3-1978, betreffend eine einstweilige Verfügung in einer Wasserrechtsangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seinen Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 3.520,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf Grund einer Meldung des Bürgermeisters der Gemeinde Lannach am , dass infolge von Arbeiten an der Umfahrung Lannach die Wasserleitung des Wasserverbandes "Lannach-St.Josef" beschädigt und mehrmals unterbrochen worden sei, führte die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg am 27. September und Lokalaugenscheine durch. Dabei wurde im wesentlichen festgestellt, dass durch die Beschwerdeführerin als bauausführende Firma im Bereiche des Waldgrundstückes nnn KG Lannach der Rohausbau der Umfahrung Lannach durchgeführt worden sei. Im Bereich der östlichen Straßenböschung sei eine Schüttung von Erdmaterial vorgenommen worden, durch die es vermutlich zu Anrissen in der Böschungsfläche und zur Rutschung des Hanges gekommen sei, die in der Folge die Unterbrechung der Wasserleitung bewirkt haben dürften. Bei der Leitung handle es sich um die Transportleitung vom Brunnen zum Hochbehälter. Das rechte Ufer des Oisnitzbaches habe sich durch die Rutschung um rund 1,5 m in das Bachbett verschoben. Da eine Abschätzung über den Zeitraum der Rutschung und über das endgültige Ausmaß ohne nähere Untersuchung nicht vorgenommen werden könne, werde es notwendig sein, die im Rutschgebiet befindliche Leitung stillzulegen und durch eine bewegliche (Feuerwehrschlauch) Leitung zu ersetzen. Hinsichtlich der Verursachung werde bemerkt, dass in diesem Bereich keine andere Baumaßnahme als der Neubau der "Umfahrung Lannach" stattgefunden habe bzw. stattfinde. Nach Aussage des Amtssachverständigen für Sanitätswesen sei die derzeit provisorische mittels Feuerwehrschläuchen hergestellte Überbrückung der Schadenstellen in einer Länge von etwa 40 bis 50 m hygienisch bedenklich, sie müsse im Sinne einer qualitativ einwandfreien Versorgung der Bevölkerung - zirka 3000 bis 3500 Personen - im Versorgungsgebiet ehestmöglich und fachgerecht behoben werden. Da diese derzeitige Lage eine akute Gefährdung der Versorgungsleitung darstelle, könne eine weitere Versorgung auf diese Weise wegen dauernder Gefährdung nicht hingenommen werden. Mit endgültigen Sanierungsmaßnahmen müsse sofort und unverzüglich begonnen werden. Es sei zu erwarten, dass durch die mehrfachen Wasserrohrbrüche der zentralen Leitung Verunreinigungen des Netzes eingetreten seien.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom wurde im Spruch I gemäß den §§ 105 lit. a und e und 122 Abs. 1 WRG 1959 die Beschwerdeführerin zum Schutze der Wasserversorgungsanlage des Wasserverbandes "Lannach-St. Josef" verpflichtet, wegen Gefahr im Verzug unter anderem folgende Maßnahmen durchzuführen bzw. durchführen zu lassen:

"1) Auf Grund einer Detailplanung eines hiezu Befugten ist die Trasse über die Grundstücke nnn/1, nnn/2, nnn/3 KG Lannach so zu verlegen, dass auch bei einem geringen Weiterrutschen des Hanges, die Möglichkeit einer Beschädigung der Leitung nicht mehr besteht. Die derzeit aktiven Gleitflächen sind bei der geplanten Verlegung in das Gesamtkonzept einzubeziehen.

2.) Bei der Trassenverlegung ist so vorzugehen, dass keine weitere Beeinträchtigung gegenüber dem derzeitigen Provisorium in quantitativer Hinsicht erfolgen darf.

3.) Die Arbeiten dürfen nur durch eine hiezu befugte Unternehmung, die über die notwendige Erfahrung verfügt, durchgeführt werden.

4.) Eine Bauaufsicht auf Kosten des Verpflichteten ist zu bestellen, wobei die Nominierung dieser Bauaufsicht dem Wasserverband obliegt.

5.) Es sind auf Grund eines geologischen Gutachtens geeignete Maßnahmen zu treffen, um im gegenständlichen Bereich die Vorflut im Oisnitzbach zu erhalten und zwar so, dass bei Normalwasserführung ein Rückstau nicht eintritt. Diese Maßnahme dient dazu, um die bestehenden Anschlussschächte vor Überflutung zu schützen."

In weiteren sechs Vorschreibungen wurden Untersuchungen des Wassers und bestimmte Maßnahmen für den Fall angeordnet, dass das Wasser für den menschlichen Genuss und für Nutzzwecke ungeeignet wäre. Zur Durchführung der unter 1) bis 5) angeführten Maßnahmen wurde eine Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Bescheides bestimmt. In Punkt II des Spruches wurden gemäß § 122 Abs. 1 WRG 1959 AH als Eigentümerin der Gp. nnn/1 und nnn/2 KG Lannach und A und E S als Eigentümer der Gp. nnn/3 KG Lannach wegen Gefahr im Verzug verpflichtet, ihre Grundstücke zur Durchführung der angeordneten Maßnahmen gegen Ersatz der hiedurch verursachten vermögensrechtlichen Nachteile auf Kosten der Beschwerdeführerin zu dulden und ihre Grundstücke zur Durchführung dieser Arbeiten auch betreten und mit Arbeitsmaschinen befahren zu lassen. Einer allfälligen Berufung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Schließlich wurde der Beschwerdeführerin gemäß §§ 76 bis 78 AVG 1950 die Entrichtung der Verfahrenskosten in der Höhe von S 1.824,-

- auferlegt.

Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin berufen. Begründend wurde ausgeführt, dass die Übernahme sämtlicher Kosten aus diesem Vorfall abgelehnt werde, die Wasserleitung in einer unüblichen Tiefe verlegt gewesen, eine Neutrassierung der Wasserleitung nicht in dem in der einstweiligen Verfügung auferlegten Ausmaß notwendig und überhaupt nicht erwiesen sei, ob nicht auch durch die projektsgemäßen Anschnitte des Hanges im Zuge des Umfahrungsstraßenbaues die Bundesstraßenverwaltung, in deren Auftrag die Firma arbeitet, zur Durchführung der Maßnahmen der einstweiligen Verfügung heranzuziehen sei, die Beschwerdeführerin werde daher Regressansprüche geltend machen. Sämtliche auferlegten Maßnahmen würden jedoch auf Grund der gesetzlichen Lage durchgeführt.,

Aus einem Amtsvermerk der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin die unter 1) bis 5) auferlegten Maßnahmen im Sinne der einstweiligen Verfügung vom durchgeführt hat.

Mit dem nun bekämpften Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 39. Juli 1979 wurde gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 die Berufung der Beschwerdeführerin gegen Spruch I der einstweiligen Verfügung der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 3. Oktober 9978 als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, die Behörde erster Instanz sei zur Erlassung der einstweiligen Verfügung zuständig gewesen; das Einschreiten von Amts wegen zur Wahrung öffentlicher Interessen sei gerechtfertigt. Dies ergebe sich hinlänglich aus den Ergebnissen der örtlichen Erhebungen vom 27. September und , bei denen eine akute Gefährdung der Wasserversorgung durch die im Zuge der Straßenbauarbeiten der Umfahrung Lannach bewirkte Beschädigung der Wasserversorgungsanlage des Wasserverbandes "Lannach-St.Josef" sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht festgestellt worden sei. Dass durch eine derartige Beschädigung einer Wasserversorgungsanlage einerseits öffentliche Interessen berührt würden, andererseits aber auch Gefahr im Verzug durch die Nichtsanierung der Schadstellen bestehe, die Sofortmaßnahmen erfordern, ergebe sich schon aus den Erfahrungen des täglichen Lebens. Aber auch aus dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit der Vorschreibung der in der einstweiligen Verfügung vom angeordneten Maßnahmen ergebe sich, dass diese zu Recht erfolgt seien, denn im vorliegenden Fall habe die einstweilige Verfügung der vorläufigen Gefahrenabwehr gedient. Diesfalls könne aber nicht Inhalt einer einstweiligen Verfügung sein, was nicht Gegenstand einer endgültigen Maßnahme sein könne. Die vorläufige Festlegung und Verlegung der Trasse der Wasserversorgungsanlage des Wasserverbandes "Lannach-St.Josef" im Schadensbereich sowie die weiteren Maßnahmen im Bereiche der Schadensstellen stünden aber mit der endgültigen Bereinigung in sachlichem und rechtlichem Zusammenhang. Wenn die Beschwerdeführerin meine, der Kausalzusammenhang zwischen den Bauarbeiten und der Beschädigung der Wasserversorgungsanlage sei deshalb nicht erwiesen, weil es sich um einen Projekts- und Bauauftrag der Bundesstraßenverwaltung handle, diese Arbeiten projektsgemäß ausgeführt worden seien und deshalb die Bundesstraßenverwaltung für die Kosten der auferlegten Maßnahmen heranzuziehen sei, so übersehe sie dabei, dass es sich hiebei um Regressansprüche, die sich aus einem Innenverhältnis ergeben, handle. Nach außen sei aber die Beschwerdeführerin Verpflichtete, da nur von ihr im gegenständlichen Bereich Baumaßnahmen durchgeführt worden seien. Für die Austragung von Regressansprüchen sei aber im Wasserrechtsverfahren kein Platz, vielmehr handle es sich hiebei um eine in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fallende Angelegenheit. Was allerdings die Entschädigung für die unter Spruch II der einstweiligen Verfügung aufgezählten Grundinanspruchnahmen anlange, werde hierüber die Wasserrechtsbehörde bei endgültiger Regelung der Angelegenheit zu entscheiden haben, ebenso wie über das endgültige Ausmaß der Trassenführung der Wasserversorgungsanlage sowie der Tiefe der Führung der Wasserleitung im Schadensbereich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes des bekämpften Bescheides und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erblickt einen Verfahrensmangel darin, dass lediglich über einen Teil der Berufung, und zwar über den Spruch I entschieden worden sei, nicht aber auch über Spruch II, der von ihr mit Berufung bekämpft worden sei. Die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des bekämpften Bescheides erblickt die Beschwerdeführerin im wesentlichen darin, dass sie nicht Adressat der Maßnahme sein könne, die ihr mit dem bekämpften Bescheid auferlegt worden sei. Adressat hätte nach Ansicht der Beschwerdeführerin nur der Wasserverband "Lannach-St.Josef" sein können, da dieser für die Wasserversorgung verantwortlich sei.

§ 105 WRG 1959 spreche nur von der Unzulässigkeit eines Unternehmens, das zu bewilligen sei. Die Beschwerdeführerin treffe diese materiellrechtliche Bestimmung überhaupt nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 122 Abs. 1 WRG 1959 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei Gefahr im Verzug - zur Wahrung öffentlicher Interessen von Amts wegen, zum Schutze Dritter auf deren Antrag - die erforderlichen einstweiligen Verfügungen treffen. Welche öffentlichen Interessen bei Gefahr im Verzug zu schützen sind, ergibt sich aus den materiellrechtlichen Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes, z.B. jene der §§ 9, 30 bis 33 und 50 WRG 1959. Die belangte Behörde hat zur Wahrung öffentlicher Interessen nach § 105 lit. a und e WRG 1959 von Amts wegen eine einstweilige Verfügung erlassen. Dient eine einstweilige Verfügung der vorläufigen Gefahrenabwehr, dann muss zwischen der einstweiligen Verfügung und einer künftigen endgültigen Maßnahme sowohl ein sachlicher wie auch ein rechtlicher Zusammenhang bestehen. Dies ergibt sich aus der Erwägung, dass in derartigen Fällen nicht Inhalt einer einstweiligen Verfügung sein kann, was nicht Gegenstand einer endgültigen Maßnahme sein kann (vgl. Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnis vom , Zl. 1147/68).

Bei einer im öffentlichen Interesse erlassenen einstweiligen Verfügung handelt es sich wie im vorliegenden Fall um ein Verfahren zwischen der Wasserrechtsbehörde und den durch die einstweilige Verfügung verpflichteten Parteien, gegen die sich der Bescheid über die endgültige Regelung richten wird; dies vor allem deshalb, weil jede einstweilige Verfügung ihre materiellrechtliche Grundlage in einer Bestimmung des Wasserrechtsgesetzes haben muss, nach der auch die Verpflichtung zur Tragung der Kosten beurteilt werden kann. § 105 WRG 1959, in dem die öffentlichen Interessen beispielsweise aufgezählt sind, erweist sich aber nicht als eine geeignete Grundlage, aus der die Pflicht der Beschwerdeführerin zur Kostentragung der ihr aufgetragenen Maßnahmen abgeleitet werden könnte. Auch sonst ist eine entsprechende Rechtsgrundlage im Wasserrechtsgesetz nicht zu finden. Der Beschwerdeführerin wurde mit dem bekämpften Bescheid unter anderem eine Neutrassierung einer Teilstrecke einer wasserrechtlich bewilligten Wasserleitung des Wasserverbandes "Lannach-St. Josef" aufgetragen, um den an der Wasserleitung eingetretenen Schaden zu beheben. Gewiss ist die Bewilligung der Änderung einer bestehenden Wasserversorgungsanlage gemäß § 9 WRG 1959 als endgültige Maßnahme möglich, doch kann eine solche Änderung nur dem Wasserberechtigten der Wasserversorgungsanlage bewilligt werden, zu dessen Gunsten auch die Einräumung der erforderlichen Zwangsrechte hinsichtlich der durch die Neutrassierung berührten Grundstücken ausgesprochen werden kann. Zur Instandhaltung oder Instandsetzung der Wasserversorgungsanlage ist der Wasserberechtigte gemäß § 50 Abs. 7 WRG 1959 verpflichtet, sofern keine rechtsgültigen Verpflichtungen anderer bestehen. Eine solche rechtsgültige Verpflichtung zur Instandsetzung der Wasserversorgungsanlage durch die Beschwerdeführerin wurde im Verwaltungsverfahren nicht festgestellt. Allein die ausgesprochene Vermutung des Amtssachverständigen für Wasserbau beim Augenschein, dass die Baumaßnahmen der Beschwerdeführerin die Ursache der Zerstörung der Wasserversorgungsanlage seien, reicht aber nicht aus, um die Beschwerdeführerin zur Durchführung von einstweiligen Verfügungen zu verhalten. Ob die Beschwerdeführerin zur Schadenersatzleistung verpflichtet ist, ist eine nur in einem Schadenersatzprozess vor den ordentlichen Gerichten zu beurteilende Frage; sie kann aber nicht in einem wasserrechtlichen Verfahren gelöst werden.

Da sich der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grunde seinem Inhalte nach als rechtswidrig erweist, war er gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben, ohne dass es notwendig war, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

Der Spruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542.

Wien, am

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Norm
WRG 1959 §122 Abs1;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1979:1979002516.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
FAAAF-58722