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VwGH 26.05.1981, 2489/80

VwGH 26.05.1981, 2489/80

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
BauO Wr §76 Abs10 Satz2 idF 1976/018
BauO Wr §81 Abs2 Satz1 idF 1976/018
RS 1
§ 76 Abs 10 zweiter Satz ist so zu verstehen, dass die bebaute Fläche je Gebäude nicht mehr als 470 m2 bzw 700 m2 betragen darf (pro domo: Ausführliche Begründung).
Normen
BauO Wr §76 Abs10 Satz2 idF 1976/018
BauO Wr §81 Abs2 Satz1 idF 1976/018
RS 2
Hinsichtlich der Überschreitung des im § 81 Abs 2 erster Satz festgesetzten Höchstausmaßes der Flächeninhalte aller Gebäudefronten ist davon auszugehen, was Rechtens wäre, wenn sowohl der Altbestand als auch der Zubau in einem errichtet worden wäre. Im Beschwerdefall konnten aber durch die Lage des Zubaues (auf der dem Grundstück des bfr Nachbarn abgewandten Seite) keine subjektiv öffentlichen Rechte verletzt werden.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Draxler, DDr. Hauer, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. Dworak, über die Beschwerde des Dr. WS in W, vertreten durch Dr. Axel Friedberg, Rechtsanwalt in Wien I, Gonzagagasse 3, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. MDR-B XVIII-8,9,10/80, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: C GmbH in W), nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Gerhard Schütz, des Vertreters der belangten Behörde, Senatsrat Dr. HH, sowie des Vertreters der mitbeteiligten Partei, CS, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 5.100,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom suchte die mitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens beim Magistrat der Stadt Wien um eine baubehördliche Bewilligung an. Nach den vorgelegten Plänen sollte auf den Grundstücken Nr. 995/7 und 995/12 inneliegend in EZ. 1780 des Grundbuches der Katastralgemeinde X ein Neubau und Zubauten zum bestehenden Wohnhaus errichtet werden. Außerdem sollten im bestehenden Wohngebäude bauliche Abänderungen durchgeführt werden, die eine Änderung der Wohnungsanzahl und der Raumeinteilung bezwecken, wodurch insgesamt 19 Wohnungen geschaffen werden. Im Keller und unter einem Teil des Gartens sollte eine Tiefgarage hergestellt werden.

Aus den Plänen ist ersichtlich, daß die oben genannten Grundstücke eine Gesamtgröße von 3.193 m2 aufweisen und die bebaute Fläche für den Altbestand samt Zubauten 596,96 m2 und für den Neubau 234,49 m2 betragen sollte. Das Ausmaß der bebauten Fläche sollte daher insgesamt 831,45 m2, das sind 26 % des Bauplatzes, betragen. In dem allerdings erst im zweitinstanzlichen Verfahren beigebrachten "Fassadenabwicklungsplan" wurde für den Altbestand eine maximale Höhe von 11,45 m, für den Zubau von 10,50 m und für den Neubau von 10,45 m ausgewiesen. In diesem "Fassadenabwicklungsplan" wurde für den Altbestand als Flächeninhalt aller Gebäudefronten 1.208,68 m2 (gegenüber einer "erlaubten Fläche" von 1.120,77 m2), für den Zubau von 378 m2 (gegenüber einer "erlaubten Fläche" von 378 m2) und für den Neubau von 694,68 m2 (gegenüber einer "erlaubten Fläche" von 695,10 m2) ausgewiesen.

Zu der für den anberaumten Bauverhandlung wurde unter anderem der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Nachbar unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG 1950 geladen. In seiner schriftlichen Stellungnahme vom - abgegeben bei der mündlichen Verhandlung - sprach sich der Beschwerdeführer gegen das Bauvorhaben aus. Er wendete unter anderem - soweit dies für das gegenständliche verwaltungsgerichtliche Verfahren noch von Belang ist - ein, gemäß § 76 Abs. 10 der Bauordnung für Wien - in der Folge BO genannt - dürfte im Wohngebiet maximal ein Drittel der Fläche bebaut werden, wobei überdies bei der Bauklasse II - diese liege vor - maximal 700 m2 verbaut werden dürften. Das Bauvorhaben sei daher schon wegen Verstoßes gegen die zwingende Bestimmung des § 76 Abs. 10 BO nicht genehmigungsfähig. Der Ausbau des Altbestandes durch Zubauten sei nur durch eine Absenkung der Gebäudehöhe um 1,30 m rechtlich möglich, weil in Wahrheit die Gebäudehöhe nicht 10,45, sondern 11,75 m betrage und damit weit über das gesetzlich zulässige Ausmaß gehe. Weiters rügte der Beschwerdeführer das Fehlen einer "Gebäudeabwicklung" für die Berechnung der Gebäudehöhe gemäß § 81 BO (tatsächlich wurde ein "Fassadenabwicklungsplan", wie schon oben ausgeführt, nach Ausweis der Akten erst im zweitinstanzlichen Verfahren vorgelegt).

Mit Bescheid vom des Magistrates der Stadt Wien wurde die beantragte Baubewilligung gemäß § 70 der Bauordnung und in Anwendung des Wiener Garagengesetzes LGBl. Nr. 22/1957 unter Vorschreibung für das verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht maßgeblicher Auflagen erteilt. Gleichzeitig wurden die Einwendungen unter anderem des Beschwerdeführers als im Gesetz nicht begründet abgewiesen. Im einzelnen wurde dargetan, aus welchen Gründen nach Ansicht der Baubehörde die Einwendungen nicht berechtigt seien.

In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer - soweit dies noch für das vorliegende verwaltungsgerichtliche Verfahren maßgeblich ist - aus, gemäß § 76 Abs. 10 BO - für die zu bebauende Liegenschaft gelte nach dem Flächenwidmungsplan die Bauklasse II bei der offenen Bauweise - dürfe im Wohngebiet bei offener Bauweise das Ausmaß der bebauten Fläche nicht mehr als ein Drittel der Bauplatzfläche betragen. Außerdem dürfe die bebaute Fläche von Gebäuden in der Bauklasse II nicht mehr als 700 m2 betragen. Selbst wenn man der Drittelberechnung im angefochtenen Bescheid mit einer insgesamt bebaubaren Fläche von 1.064,33 m2 folge, bleibe doch unbestreitbar die Tatsache bestehen, daß die gesamt bebaute Fläche 831,45 m2 betragen soll, somit also mehr als die maximal bebaubare Fläche von 700 m2 in der Bauklasse II. Auf Grund der Einreichpläne und des angefochtenen Bescheides sei weiters davon auszugehen, daß nicht ein Baukörper, sondern insgesamt zwei Baukörper auf dem Bauplatz errichtet werden sollen.

§ 76 Abs. 10 BO sei auslegungsbedürftig. Insbesondere sei die Frage zu klären, ob die Beschränkung auf eine Gebäudefläche von maximal 700 m2 durch Errichtung mehrerer Gebäude bis zur Drittelbegrenzung umgangen werden könne oder nicht. Eine wörtliche Interpretation des § 76 Abs. 10 leg. cit. führe zunächst dazu, daß im Zusammenhang des Gesetzestextes (Satz 1 und Satz 2) innerhalb der Drittelbeschränkung eine weitere Beschränkung auf eine maximale Gesamtgrundfläche von Gebäuden enthalten sei. Die Verwendung der Mehrzahl ("Gebäuden") im zweiten Satz der zitierten Bestimmung könne aus der in Österreich üblichen Gesetzestechnik nicht dahin gehend interpretiert werden, daß zwar auch bei offener Bauweise in Bauklasse II mehrere Gebäude errichtet werden dürfen, deren jedes für sich maximal eine Grundfläche von 700 m2 umfassen dürfe, wobei die Summe aller Gebäudegrundflächen nicht mehr als ein Drittel der Gesamtbauplatzfläche betragen dürfe. Diese Art der Auslegung würde nämlich zu einer erheblich dichteren Verbauung bei offener Bauweise und damit zu einer wesentlich stärkeren Beeinträchtigung der Anrainer führen, als die umgekehrte Auslegung dieser Bestimmung, daß nämlich innerhalb der Drittelbegrenzung eine weitere Obergrenze geschaffen wurde, sodaß die gesamt verbaute Fläche auf einem Bauplatz in offener Bauweise bei Bauklasse II nur 700 m2 betragen dürfe. Zum gleichen Ergebnis gelange man bei einer Interpretation nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers. Nach einer Aussendung des Amtes der Wiener Landesregierung sei die bisherige Regelung des § 84 Abs. 1 BO alt auf Wohngebiet beschränkt worden und sollte Vorteile für Betriebe im gemischten Baugebiet bringen. Der strittige Bauplatz liege im Wohngebiet, sodaß also nach dem Willen des Gesetzgebers Begünstigungen aus § 76 Abs. 10 BO für den Bauwerber nicht ableitbar seien, da es sich bei dem Bauvorhaben der mitbeteiligten Partei nicht um Betriebe in einem gemischten Baugebiet handle. Hinsichtlich des Zubaues zum Altbestand sei weiters davon auszugehen, daß die angebliche Nichtüberschreitung der zulässigen Gebäudehöhe nur dadurch ermöglicht wird, daß von einem um 1,3 m verringerten Niveau für den Zubau ausgegangen werde. Da die Gebäudehöhe jedoch zumindest vom verglichenen Niveau zu bemessen sei, überschreite der Zubau zum Altbestand die auf 10,5 m beschränkte Gebäudehöhe und zudem auch noch die Höchstgrenze des § 75 Abs. 1 BO. Gleichfalls fehle eine Gebäudeabwicklung zwecks Überprüfung der Berechnung der Gebäudehöhe gemäß § 81 BO.

Im Zuge einer von der Bauoberbehörde für Wien neuerlich anberaumten Bauverhandlung vom wurde dem Beschwerdeführer der bereits genannte "Fassadenabwicklungsplan" zur Kenntnis gebracht. In der in der Folge eingebrachten Äußerung des Beschwerdeführers führte dieser aus, die erlaubte Fläche des Altbestandes wäre 1.120,77 m2. Tatsächlich sei aus der Flächenabwicklung eine Fassadenfläche von 1.208,68 m2 zu entnehmen. Da auch der Zubau hinsichtlich der erlaubten Fläche und der beabsichtigten Hausfläche ganz genaue deckungsgleiche Flächenmaße zeige, erweise sich, daß der Zubau aus rechtlichen Gründen unzulässig sei. Hinsichtlich des Altbaues sei von seiner ehemaligen Konsensmäßigkeit auszugehen. Eine Erweiterung eines schon übergroßen Altbaues durch einen weiteren Zubau erscheine nach den einschlägigen Bestimmungen der Wiener Bauordnung nicht zulässig.

Die Bauoberbehörde für Wien wies auf Grund des Sitzungsbeschlusses vom  mit dem angefochtenen Bescheid unter anderem die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab und bestätigte den angefochtenen erstinstanzlichen Bescheid. In den für das verwaltungsgerichtliche Verfahren maßgeblichen Ausführungen in der Begründung dieses Bescheides vertrat die belangte Behörde die Auffassung, das auf § 76 Abs. 10 BO gestützte Berufungsvorbringen sei nicht zielführend. Der Gesetzgeber habe mit dieser Bestimmung nicht normiert, daß bei Errichtung mehrerer Gebäude in den Bauklassen I und II diese insgesamt nicht mehr als 470 m2 bzw. 700 m2 bebauter Flächen umfassen dürften. Es treffe zwar zu, daß durch die Bauordnungsnovelle 1976 der Gesetzestext im Vergleich zum letzten Satz des § 84 Abs. 1 BO in der Fassung vor Erlassung der Bauordnungsnovelle 1976 so geändert worden sei, daß anstelle der Worte "die bebaute Fläche je Gebäude" die Worte "die bebaute Fläche von Gebäuden" getreten seien. Schon eine grammatikalische Auslegung der neu gefaßten Bestimmung des § 76 Abs. 10 BO führe nicht zwingend zu dem Schluß, daß durch die Neufassung des Gesetzestextes normiert werden sollte, daß etwa in der Bauklasse II bei offener Bauweise lediglich Gebäude mit einem Gesamtflächenausmaß von 700 m2 errichtet werden dürfen. Auch die Erläuternden Bemerkungen zu § 76 BO in der Fassung der Bauordnungsnovelle 1976 sprächen nicht für die vom Beschwerdeführer für richtig gehaltene Gesetzesauslegung. In diesen Erläuternden Bemerkungen heiße es nämlich, die Regelung im Absatz 10 gehe auf die bisherige Bestimmung des § 84 Abs. 1 BO zurück, beschränke jedoch aus wirtschaftlichen Gründen die bisherige Regelung auf Wohngebiete. Diese Regelung bringe daher insbesondere einen Vorteil für Betriebe im gemischten Baugebiet. Den Erläuternden Bemerkungen nach sei daher nicht an eine Beschränkung der Baufreiheit, sondern an deren Erweiterung gedacht worden. Mit Rücksicht auf das verfassungsmäßig gewährleistete Recht der Unverletzlichkeit des Eigentums könne nach Auffassung der Berufungsbehörde im Hinblick auf die vorliegende Textierung des § 76 Abs. 10 BO nicht davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber die vom Beschwerdeführer für richtig gehaltene Beschränkung der Baufreiheit normiert habe. Es sei vielmehr davon auszugehen, daß der Gesetzeswortlaut in der in Rede stehenden Hinsicht lediglich aus sprachlichen Erwägungen verändert worden sei und demnach die bebaute Fläche 700 m2 je Gebäude nicht überschreiten dürfe, während eine absolute Bebauungsbeschränkung durch die Vorschrift, daß das Ausmaß der bebauten Fläche nicht mehr als ein Drittel der Bauplatzfläche betragen dürfe, gegeben sei. Wäre die Auslegung des Beschwerdeführers richtig, so würde nach Auffassung der belangten Behörde die gesetzliche Bestimmung wohl dem verfassungsmäßig postulierten Gleichheitsgebot widersprechen, da dann selbst sehr große Bauplätze lediglich mit einem Gebäude von nicht mehr als 700 m2 verbauter Fläche bebaut werden dürften.

Entgegen dem Berufungsvorbringen - so führte die belangte Behörde weiter aus - ergebe sich aus den Projektsplänen und der beim Akt erliegenden Fassadenabwicklung weiters, daß die gesetzlich zulässige Gebäudehöhe durch das Bauvorhaben eingehalten sei. Wenn in der Berufung ausgeführt werde, hinsichtlich des Zubaues zum Altbestand sei davon auszugehen, daß die angebliche Nichtüberschreitung der zulässigen Gebäudehöhe dadurch ermöglicht werde, daß von einem um 1,3 m verringerten Niveau für den Zubau ausgegangen werde, so sei dieses Vorbringen insofern nicht recht verständlich, als sich die zulässige Gesimsoberkante des Gebäudes bei Ausgehen von einem niedrigeren als dem vor Beginn der Bauführung vorhanden gewesenen Niveau ja verringere und nicht erhöhe. Es treffe zu, daß im Bereich der beabsichtigten Bauführungen geringe Niveauabgrabungen vorgesehen seien. Daraus resultiere aber eine geringere höchstzulässige Gebäudehöhe, als dies ansonsten der Fall wäre. Bei Einhaltung der verbaubaren Fläche und der zulässigen Gebäudehöhe sei eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte von Anrainern oder Nachbarn im Hinblick auf § 78 BO nicht möglich. Daß der Altbestand die nach der Bauordnung in der geltenden Fassung zulässige Gebäudehöhe übersteige, sei deshalb nicht entscheidungswesentlich, weil dieser Altbestand ja einen rechtskräftigen Konsens besitze und der Beurteilung des Projektes daher nur der Zubau zugrunde zu legen sei. Die Errichtung des als Zubau bezeichneten Baukörpers sei nach den geltenden Bebauungsbestimmungen an sich zulässig. Entgegen dem Berufungsvorbringen finde sich eine Gebäudeabwicklung zwecks Überprüfung der Gebäudehöhe im Verwaltungsakt.

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Versagung der Baubewilligung des Bauvorhabens der mitbeteiligten Partei verletzt, da dieses gegen Bestimmungen, die dem Schutze des Nachbarn dienen, verstoße.

Über die Beschwerde und über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erwogen:

Gemäß § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien (BO), in der Fassung der Bauordnungsnovelle 1976, LGBl. Nr. 18, sind im Baubewilligungsverfahren die Eigentümer (Miteigentümer) der benachbarten Liegenschaften dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre in diesem Gesetz festgelegten subjektivöffentlichen Rechte berühren. Solche Rechte werden durch jene Bestimmungen begründet, die dem Schutze der Nachbarn dienen; hiezu zählen jedenfalls alle Bestimmungen des Bebauungsplanes für die Bebauung der Liegenschaft sowie alle jene Bestimmungen, die Rechte zum Schutz vor Gefahren und Belästigungen, die sich auf die Nachbargrundstücke erstrecken können, zum Inhalt haben. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erwächst den Nachbarn aus den Bestimmungen über die Beschränkung der Ausnützbarkeit der Bauplätze ein subjektiv-öffentliches Recht (vgl. unter anderem das Erkenntnis vom , Zl. 1705/67, auf das unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der hg. Geschäftsordnung BGBl. Nr. 45/1965 verwiesen wird), weshalb die Baubehörde über die diesbezüglichen Einwendungen des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren zu erkennen hat.

Für die Entscheidung des vorliegenden Beschwerdefalles maßgeblich sind zunächst die Festlegungen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes, daß es sich bei den verfahrensgegenständlichen Grundstücken um Wohngebiet, Bauklasse II, mit offener oder gekuppelter Bauweise und einer maximalen Gebäudehöhe von 10,5 m handelt.

Gemäß § 76 Abs. 10 BO darf im Wohngebiet bei offener, bei offener oder gekuppelter, bei gekuppelter und bei der Gruppenbauweise das Ausmaß der bebauten Fläche nicht mehr als ein Drittel der Bauplatzfläche betragen. Außerdem darf die bebaute Fläche von Gebäuden in der Bauklasse I nicht mehr als 470 m2, in der Bauklasse II nicht mehr als 700 m2 betragen. Bei gekuppelter Bebauung ist diese Fläche auf die beiden Bauplätze nach dem Verhältnis der Bauplatzflächen aufzuteilen, wobei aber auf den kleineren Bauplatz in der Bauklasse I eine bebaubare Fläche von mindestens 100 m2, in der Bauklasse II eine bebaubare Fläche von mindestens 150 m2 entfallen muß; in beiden Bauklassen darf die bebaubare Fläche jedoch nicht mehr als ein Drittel der Fläche des Bauplatzes betragen.

Nach § 81 Abs. 2 BO darf bei den über eine Gebäudetiefe von 15 m hinausragenden Teilen von Gebäuden an der Baulinie, Straßenfluchtlinie oder Verkehrsfluchtlinie sowie bei allen nicht an diesen Fluchtlinien gelegenen Gebäuden die Summe der Flächeninhalte aller Gebäudefronten nicht größer als das Produkt aus der Summe der Längen aller Gebäudefronten und der höchsten zulässigen Gebäudehöhe sein; hiebei darf die höchste zulässige Gebäudehöhe an der Grundgrenze und bis zu einem Abstand von 3 m von derselben überhaupt nicht und an den übrigen Fronten an keiner Stelle um mehr als 3 m überschritten werden. Bei dieser Ermittlung sind die Feuermauern ab 15 m hinter der Baulinie, Straßenfluchtlinie oder Verkehrsfluchtlinie wie Fronten in Rechnung zu stellen. Die der Dachform entsprechenden Giebelflächen bleiben jedoch bei der Bemessung der Gebäudehöhe außer Betracht.

Nach den erwähnten Vorschriften ist die Frage der Zulässigkeit des Bauvorhabens der mitbeteiligten Partei zu überprüfen.

Hauptfrage des Beschwerdeverfahrens ist die Auslegung des § 76 Abs. 10 zweiter Satz BO. Während nämlich die belangte Behörde die in dieser Bestimmung festgesetzte Bebauungsbeschränkung, daß die bebaute Fläche "von Gebäuden" in der Bauklasse I nicht mehr als 470 m2 und in der Bauklasse II nicht mehr als 700 m2 betragen darf, so versteht, daß damit die bebaute Fläche je Gebäude nicht mehr als 470 m2 bzw. 700 m2 betragen darf, ist der Beschwerdeführer der Ansicht, daß sich diese Bebauungsbeschränkung (zusätzlich zu der im § 76 Abs. 10 erster Satz BO festgelegten Bebauungsbeschränkung, wonach die bebaute Fläche nicht mehr als ein Drittel der Bauplatzfläche betragen darf) auf die gesamte Bauplatzfläche beziehe.

Schon eine rein grammatikalische Auslegung führt jedoch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes zu dem von der belangten Behörde vertretenen Ergebnis. Wenn der Gesetzgeber nämlich tatsächlich im Sinne des Vorbringens des Beschwerdeführers die Absicht gehabt hätte, in diesem Punkt eine Änderung der Rechtslage herbeizuführen, so hätte er dies wohl deutlich gesagt. Gerade das Fehlen einer in diese Richtung weisenden deutlichen Formulierung spricht gegen die vom Beschwerdeführer vertretene Annahme, der Gesetzgeber habe insoweit durch die Bauordnungsnovelle 1976 eine Änderung der Gesetzeslage erreichen wollen.

Aber auch die historische Interpretation führt nicht zu der vom Beschwerdeführer vertretenen Auslegung. Es trifft zwar - wie auch die belangte Behörde ausführt - zu, daß die Formulierung des zweiten Satzes des § 76 Abs. 10 BO durch die Bauordnungsnovelle 1976 im Vergleich zum letzten Satz des § 84 Abs. 1 der Bauordnung vor der Erlassung dieser Novelle so geändert wurde, daß anstelle der Worte "die bebaute Fläche je Gebäude" die Worte "die bebaute Fläche von Gebäuden" verwendet wurden. Den Erläuternden Bemerkungen zu der Bauordnungsnovelle 1976 ist ein Hinweis auf den Grund dieser Änderung nicht zu entnehmen. In diesen Erläuternden Bemerkungen wird lediglich ausgeführt, die Regelung im Absatz 10 gehe auf die bisherige Bestimmung des § 84 Abs. 1 zurück, beschränke jedoch aus wirtschaftlichen Gründen die bisherige Regelung auf Wohngebiete. Diese Regelung bringe daher insbesondere einen Vorteil für Betriebe im gemischten Baugebiet. Es kann daher auch aus diesen Erwägungen der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgegangen ist, daß diese Änderung nicht auf eine Beschränkung der Baufreiheit, sondern im Gegenteil, auf deren Erweiterung abgezielt hat.

Zweck der Regelung des § 84 Abs. 1 letzter Satz BO in der Fassung vor der Bauordnungsnovelle 1976 war es schließlich eindeutig, die Ausnutzbarkeit der Bauplätze hinsichtlich der Größe der Gebäude zu beschränken. Es besteht auch kein Anhaltspunkt, daß der Wiener Gesetzgeber mit den in der Bauordnungsnovelle 1976 vorgenommenen sprachlichen Änderungen den Sinn der Regelung ändern wollte. Eine teleologische Interpretation der in Rede stehenden Bestimmung des zweiten Satzes des § 76 Abs. 10 BO führt daher ebenfalls dazu, daß die in dieser Bestimmung normierte Bebauungsbeschränkung im Sinne der Auffassung der belangten Behörde eine Bebauungsbeschränkung mit Bezug auf die optisch einen einheitlichen Baukörper bildenden Gebäude, nicht aber hinsichtlich der (gesamten) Bauplatzfläche bewirkt hat. In diese Richtung weist auch - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - die Regelung des dritten Satzes des § 76 Abs. 10 BO, wonach bei gekuppelter Bebauung "diese Fläche" - gemeint sein können auf Grund der Verweisung "diese" nur die im vorangehenden Satz genannten Flächen von 470 m2 in der Bauklasse I und 700 m2 in der Bauklasse II - auf die beiden Bauplatzflächen nach dem Verhältnis der Bauplatzflächen aufzuteilen ist, wobei aber auf den kleineren Bauplatz in der Klasse I eine bebaubare Fläche von mindestens 100 m2, in der Bauklasse II eine bebaubare Fläche von mindestens 150 m2 entfallen muß; in beiden Bauklassen darf die bebaubare Fläche jedoch nicht mehr als ein Drittel der Flächen des Bauplatzes betragen. Zweck dieser Regelung ist es auch bei der gekuppelten Bauweise, optisch zusammenhängende Baukörper mit einer 470 m2 bzw. 700 m2 übersteigenden bebauten Fläche zu verhindern. Dem Sinn der Regelung des zweiten und dritten Satzes des § 76 Abs. 10 BO widerspricht es daher nicht, wenn auf einem größeren Bauplatz mehrere Gebäude mit der höchstzulässigen bebauten Fläche errichtet werden, wenn die absolute Bebauungsbeschränkung des ersten Satzes dieser Gesetzesstelle hinsichtlich der maximalen Drittelverbauung eingehalten wird.

Der Verwaltungsgerichtshof pflichtet in diesem Zusammenhang der belangten Behörde auch insoweit bei, als die Auslegung des Beschwerdeführers, die Bebauungsbeschränkung des zweiten Satzes des § 76 Abs. 10 BO beziehe sich auf die gesamte Bauplatzfläche, unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgebotes nicht verfassungskonform sein könnte, weil die Auslegung des Beschwerdeführers bedeuten würde, daß auch größere Bauplätze nur mit einem Baukörper von nicht mehr als 470 m2 bzw. 700 m2 bebauter Fläche verbaut werden dürften.

Unbeschadet der obigen Erwägungen kann der belangten Behörde weiters auch grundsätzlich nicht entgegengetreten werden, wenn sie bei zwei zunächst denkmöglichen Auslegungen einer Bebauungsbeschränkung derjenigen Auslegung den Vorzug eingeräumt hat, die dem Grundsatz der Baufreiheit entspricht. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist nämlich im Zweifel grundsätzlich die für die Bauführung des Eigentümers günstigere Lösung zu wählen (vgl. u. a. das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 7423/A).

Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte unrichtige Auslegung des § 76 Abs. 10 zweiter Satz BO durch die belangte Behörde liegt daher nicht vor, sodaß in dieser Hinsicht die Beschwerde unbegründet ist.

Der Beschwerdeführer erachtet sich weiters in seinen Rechten verletzt, weil die Erweiterung des schon übergroßen Altbaues durch einen weiteren Zubau nach den Bestimmungen der Bauordnung unzulässig sei. Der angefochtene Bescheid enthalte zu dieser Frage keine Ausführung und sei daher in diesem Punkte begründungslos geblieben. Dieser so generell formulierten Rüge kann nicht beigepflichtet werden, weil die belangte Behörde ausdrücklich zur Höhe des Altbestandes in der Begründung des angefochtenen Bescheides Stellung bezogen hat; lediglich zu der im Berufungsverfahren (Stellungnahme vom ) behaupteten Überschreitung der höchstzulässigen Fassadenflächen - gemeint ist das im § 81 Abs. 2 erster Satz BO festgesetzte Höchstausmaß der Flächeninhalte aller Gebäudefronten - enthält der angefochtene Bescheid, abgesehen von einem Hinweis auf den im Akt erliegenden Fassadenabwicklungsplan, keine nähere Begründung. Die belangte Behörde hat zu Recht in der Begründung des in Beschwerde bezogenen Bescheides ausgeführt, daß der Umstand, daß der Altbestand die nach der Bauordnung in der geltenden Fassung zulässige Gebäudehöhe übersteigt, nicht entscheidungswesentlich ist, weil der Altbestand einen rechtskräftigen Konsens besitzt und der Beurteilung des Projektes daher nur der Zubau zugrunde zu legen ist.

Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer gerügten Überschreitung des im § 81 Abs. 2 erster Satz BO festgesetzten Höchstausmaßes der Flächeninhalte aller Gebäudefronten ist allerdings der Verwaltungsgerichtshof der Meinung, daß grundsätzlich davon auszugehen ist, was Rechtens wäre, wenn sowohl der Altbestand als auch der Zubau in einem errichtet worden wäre, ergibt sich dies doch aus der Verwendung des Begriffes "Front". Trotz des objektiven Verstoßes gegen die Vorschrift des § 81 Abs. 2 erster Satz BO kann der Verwaltungsgerichtshof dennoch im Beschwerdefall nicht auf die Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes des Beschwerdeführers erkennen, weil hier die Situierung des Zubaues so ist - das Grundstück des Beschwerdeführers liegt südlich des konsentierten Altbestandes, wogegen sich der Zubau auf der Nordseite des Altbestandes befindet -, daß schon der Lage nach in subjektive Rechte des Beschwerdeführers nicht eingegriffen werden kann. Die belangte Behörde hätte daher auch bei Vermeidung des behaupteten Begründungsmangels nicht zu einem anderen Ergebnis kommen können.

Auch hinsichtlich des vom Beschwerdeführer geltend gemachten Rechtes auf Einhaltung der gesetzlich zulässigen Gebäudehöhe und der Flächeninhalte der Gebäudefronten wurde daher der Beschwerdeführer in seinen Rechten nicht verletzt.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 sowie die Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am

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Normen
BauO Wr §76 Abs10 Satz2 idF 1976/018
BauO Wr §81 Abs2 Satz1 idF 1976/018
Sammlungsnummer
VwSlg 10469 A/1981
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1981:1980002489.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
QAAAF-58698