VwGH 14.06.1982, 2457/79
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | DienstgeberabgabeG Wr §8 Abs1 |
RS 1 | Von einer Verkürzung der Dienstgeberabgabe kann erst gesprochen werden, wenn die Abgabe nicht ordnungsgemäß entrichtet UND die Erklärungspflicht verletzt wurde. (Hinweis auf E vom , 93/17/0036, RS 1) |
Norm | VStG §5 Abs1 |
RS 2 | Von einem bloßen Ungehorsamsdelikt gem § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG kann bei einer fahrlässigen Abgabenverkürzung schon deswegen keine Rede sein, weil in solchen Fällen die Verwaltungsvorschrift dadurch, dass sie an die Schuldform der Fahrlässigkeit anknüpft, sehr wohl eine Aussage über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden enthält. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Pokorny, Dr. Wetzel und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Ratz, über die Beschwerde des Ing. WV in W, vertreten durch Dr. Heinrich Nesvadba, Rechtsanwalt in Wien I, Stubenring 24, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MDR-V 2/79/Str., betreffend Bestrafung wegen fahrlässiger Verkürzung der Dienstgeberabgabe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.330,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Geschäftsführer einer Gesellschaft m.b.H. Anläßlich einer am durchgeführten Prüfung durch den Magistrat der Stadt Wien wurde festgestellt, daß die von der Gesellschaft m.b.H. für die Monate April bis Juni 1978 in Höhe von S 11.040,-- geschuldete Dienstgeberabgabe nicht entrichtet worden war.
Daraufhin wurde der Beschwerdeführer als verantwortlicher Geschäftsführer der Gesellschaft m.b.H. mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom für schuldig erkannt, „die Dienstgeberabgabe für die bei seiner Gesellschaft in Wien beschäftigten Dienstnehmer für die Monate April bis Juni 1978 nicht rechtzeitig bezahlt und erklärt, hiedurch die Dienstgeberabgabe um den Betrag von S 11.040,-- fahrlässig verkürzt und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 8 Abs. 1 des Dienstgeberabgabegesetzes, LGBl. für Wien Nr. 17/1970, im Zusammenhalt mit § 9 VStG 1950 begangen“ zu haben. Gemäß § 8 Abs. 1 des Dienstgeberabgabegesetzes wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 20.000,-- (Ersatzarreststrafe 20 Tage) verhängt.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung und wandte gegen die Bestrafung insbesondere ein, daß die Behörde sich mit der Frage seines Verschuldens an der Nichtentrichtung der Dienstgeberabgabe nicht auseinandergesetzt habe. Für die Abführung der Dienstgeberabgabe seien zwei vom Beschwerdeführer angestellte Buchhalter und Lohnverrechner, nämlich LW und AP zuständig gewesen, deren zeugenschaftliche Einvernahme beantragt werde. Der Beschwerdeführer selbst habe die Funktion des Geschäftsführers der Gesellschaft m.b.H. erst vor kurzem übernommen gehabt und sich während der Zeit seines Einarbeitens voll und ganz auf die Buchhalter verlassen.
Die belangte Behörde wies die Berufung ab. Der Beschwerdeführer sei seit als alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft m.b.H. im Handelsregister eingetragen und damit zur Vertretung der Gesellschaft m.b.H. nach außen berufen gewesen. Gemäß § 8 Abs. 1 Dienstgeberabgabegesetz genüge für das dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Delikt die Schuldform der Fahrlässigkeit. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , Zl. 1887/68) liege Fahrlässigkeit auch dann vor, wenn die Partei, falls sie der Erfüllung einer ihr auferlegten Pflicht nicht persönlich nachkommt, sich nicht davon überzeugt, ob ihr Auftrag im Sinne des Gesetzes befolgt wird.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Abgesehen davon, daß die belangte Behörde dem Beschwerdeführer kein Verschulden im Sinne des § 5 VStG 1950 nachgewiesen habe, habe sie es auch unterlassen, die beiden vom Beschwerdeführer angebotenen Zeugen darüber einzuvernehmen, ob sie vom Beschwerdeführer kontrolliert worden seien bzw. inwieweit sie überhaupt innerhalb des relativ kurzen Deliktszeitraumes kontrolliert hätten werden können.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 6 Abs. 1 des Dienstgeberabgabegesetzes, LGBl. für Wien Nr. 17/1970, hat der Abgabepflichtige bis zum 10. Tag jedes Monates die im Vormonat entstandene Abgabenschuld zu entrichten. Absatz 2 der zitierten Bestimmung, in der Fassung vor dem Landesgesetz, LGBl. für Wien Nr. 5/1979, sah vor, daß der Abgabepflichtige jeweils bis zum 10. Jänner, 10. April, 10. Juli und 10. Oktober die im vorangegangenen Kalenderviertel entstandene Abgabenschuld beim Magistrat schriftlich zu erklären hatte.
Gemäß § 8 Abs. 1 Dienstgeberabgabegesetz sind Handlungen und Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen mit Geld bis zum Zehnfachen des Verkürzungsbetrages zu bestrafen. Im Falle der Uneinbringlichkeit tritt an die Stelle der Geldstrafe Arrest bis zu drei Monaten. Die sonstigen Übertretungen der Gebote und Verbote des genannten Gesetzes sind gemäß Absatz 2 der zitierten Bestimmung als Verwaltungsübertretungen mit Geld bis zu S 3.000,-- zu bestrafen.
Aus der Bestimmung des § 6 Abs. 2 des Dienstgeberabgabegesetzes über die Verpflichtung zur schriftlichen Erklärung der Abgabenschuld ergibt sich, daß von einer Verkürzung der Dienstgeberabgabe nicht schon gesprochen werden kann, wenn die Dienstgeberabgabe bis zum Fälligkeitstag nicht ordnungsgemäß entrichtet wird, sondern erst dann, wenn der Abgabepflichtige zusätzlich auch gegen die Erklärungspflicht verstößt. Das ergibt sich aus dem untrennbaren Zusammenhang, in dem die Erklärungspflicht mit der Pflicht zur ordnungsgemäßen Abgabenentrichtung steht, sodaß ohne Verletzung der Erklärungspflicht auch noch kein Abgabenverkürzungstatbestand verwirklicht sein kann. Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof in dem von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zitierten Erkenntnis vom , Zl. 94/69, darauf hingewiesen, daß eine Abgabenverkürzung vorliegt, wenn eine Abgabe „unter Verletzung einer Anzeigepflicht nicht zu den vorgesehenen Terminen entrichtet wurde“ (das Erkenntnis ist zum Wiener Fremdenverkehrsgesetz, LGBl. für Wien Nr. 21/1962, ergangen, das in seinem § 13 ebenfalls eine Erklärungspflicht vorsieht).
Im Beschwerdefall ist sohin der dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tatbestand der fahrlässigen Abgabenverkürzung gemäß § 8 Abs. 1 Dienstgeberabgabegesetz - anders als möglicherweise ein Tatbestand gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit., der aber von der Strafbehörde nicht aufgegriffen worden ist - erst mit der Verletzung der Erklärungspflicht verwirklicht worden. Diese Pflichtverletzung bestand darin, daß der Beschwerdeführer die im Kalenderviertel April bis Juni 1978 entstandene Abgabenschuld nicht bis zum beim Magistrat der Stadt Wien schriftlich erklärt hatte. Die Pflichtverletzung wurde vom Prüfungsbeamten des Magistrates am , sohin nur vier Tage nach Ablauf der gesetzlichen Frist, festgestellt. Bei dieser Sachlage konnte aber die belangte Behörde keinesfalls ohne weitere Erhebungen als erwiesen annehmen, daß dem Beschwerdeführer an der Abgabenverkürzung ein entsprechendes Verschulden, und zwar wegen mangelhafter Überwachung seiner Angestellten, anzulasten war, zumal aus den Verwaltungsakten zu entnehmen ist, daß es sich beim Beschwerdeführer um eine erstmalige Pflichtverletzung dieser Art gehandelt hat. Die belangte Behörde hätte vielmehr durch Einvernahme der vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen LW und AP Feststellungen darüber treffen müssen, ob und in welcher Weise der Beschwerdeführer die ihm obliegende Pflicht zur Überwachung seiner Angestellten, auf die die belangte Behörde unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1887/68, grundsätzlich zu Recht verweist, wahrgenommen hat. Statt dessen hat sie sich, was die Verschuldensfrage betrifft, mit folgender Feststellung begnügt:
„Wenn sich der Berufungswerber zum Geschäftsführer bestellen ließ, ohne zumindest über die für die Kontrolle der Abgabengebarung unbedingt notwendigen Kenntnisse zu verfügen, hat er schon dadurch fahrlässig gehandelt. Sollte er trotz der Kenntnisse eine Kontrolle der Angestellten unterlassen haben, hat er die Verkürzung der Dienstgeberabgabe fahrlässig verschuldet.“
Bezüglich des wesentlichen Faktums, ob nämlich der Beschwerdeführer seine Kontrollpflicht tatsächlich in einem solchen Maße verletzt hat, daß ihm der strafbare Tatbestand der fahrlässigen Abgabenverkürzung angelastet werden kann, hat die belangte Behörde sohin nur Vermutungen angestellt. Sie hat dabei übersehen, daß es gemäß § 5 Abs. 1 VStG nicht Sache des Täters ist, seine Schuldlosigkeit zu beweisen, sondern daß der Nachweis des Verschuldens der Behörde obliegt. Von einem bloßen Ungehorsamsdelikt gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG, bei dem der Täter seine Schuldlosigkeit zu beweisen hätte, kann bei einer fahrlässigen Abgabenverkürzung schon deswegen keine Rede sein, weil in solchen Fällen die Verwaltungsvorschrift dadurch, daß sie an die Schuldform der Fahrlässigkeit anknüpft, sehr wohl eine Aussage über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden enthält.
Dadurch, daß die belangte Behörde die oben erwähnten Sachverhaltsfeststellungen unterlassen und für das Verschulden des Beschwerdeführers keine hinreichenden Beweise erhoben hat, hat sie Verfahrensvorschriften verletzt, die den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belasten, was zu dessen Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 lit. c VwGG 1965 führte, wobei von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 lit. c VwGG 1965 abgesehen werden konnte.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 221, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | DienstgeberabgabeG Wr §8 Abs1 VStG §5 Abs1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1982:1979002457.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
NAAAF-58660