VwGH 30.10.1978, 2413/77
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Die Einschränkung einer Berufung ist nicht identisch mit der Zurücknahme einer Berufung; sie ist auch keine teilweise Zurücknahme. Das Wesen der Berufungseinschränkung liegt darin, daß der Berufungswerber die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird ( § 250 Abs 1 lit b BAO), später dahin korrigiert, daß die Anfechtung in bestimmten Punkten nicht mehr aufrechterhalten wird. Im Umfang einer Berufungseinschränkung verliert der Berufungswerber den Anspruch auf Entscheidung. Ebenso wie die Zurücknahme der Berufung ist die Berufungseinschränkung eine prozessuale Erklärung, deren Motive für ihre Wirksamkeit ohne Bedeutung sind. |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2414/77
2415/77
2776/78
2774/78
2775/78
2773/78
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Hofstätter, Dr. Simon, Dr. Iro und Dr. Drexler als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Gaismayer, über die Beschwerde des MH in W, vertreten durch Dr. Helmut Meindl, Rechtsanwalt in Wien I, Freyung 6, Stiege 7, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat III, vom , Zl. 6 - 2379/13/77, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1968 bis 1973 und Einheitswert des Betriebsvermögens zum , , , und , und vom , Zl. 6 - 2614/7/77, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften sowie Gewerbesteuer 1973 der Gesellschaft bürgerlichen Rechts MH und GN, und vom , Zl. 6 - 2405/5/77, betreffend Gewerbesteuer 1973, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 1.200,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer hatte im strittigen Zeitraum mehrere Gewerbebetriebe (Handelsunternehmen, Werbemittlung, Appartementhäuser in Wien 3 und in Wien 14). Hinsichtlich des Appartementhauses in Wien 14 wurde eine Mitunternehmerschaft zwischen dem Beschwerdeführer und seiner früheren Ehefrau angenommen und erfolgte demgemäß eine einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte.
Bei einer 1974 und 1975 vorgenommenen Betriebsprüfung wurden u. a. zahlreiche gravierende Buchführungsmängel in den Betrieben des Beschwerdeführers festgestellt. Außerdem wurden zahlreiche Anschaffungen, die als betrieblich veranlaßte Aufwendungen behandelt worden waren, wegen ihres privaten Charakters aus den Betriebsausgaben ausgeschieden (z.B. handelte es sich dabei um Aufwand im Zusammenhang mit dem Einfamilienhaus des Beschwerdeführers in Wien 13, G-gasse, und um Erzeugnisse der Photoindustrie, die bei der Werbeagentur als Betriebsausgaben abgesetzt wurden). Soweit Anschaffungen nicht als betriebsbedingt anerkannt wurden, wurde auch eine vorzeitige Abschreibung nicht zugelassen. Die Vortragsfähigkeit von Verlust und die Bildung von Investitionsrücklagen wurde mangels Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nicht anerkannt. Die Entnahme einer Liegenschaft in Wien 13, J-gasse, bewertete die Betriebsprüfung mit S 2,498.500,-- . Schließlich wurde ein Sicherheitszuschlag für notwendig erachtet (für 1969 bis 1972 je S 400.000,--, für 1973 S 100.000,--).
Das Finanzamt schloß sich den Prüferfeststellungen an und erließ - zum Teil im wiederaufgenommenen Verfahren - entsprechende Abgaben- und Feststellungsbescheide. Der Beschwerdeführer erhob mit einem 22 Maschinschreibseiten umfassenden Schriftsatz Berufungen gegen alle auf Grund der Betriebsprüfung ergangenen Bescheide.
Im weiteren Berufungsverfahren brachte der Beschwerdeführer (zum Teil über Vorhalt) vier weitere äußerst umfangreiche Schriftsätze ein, wobei er im Schriftsatz vom verlangte, künftig alle Schriftstücke ihm persönlich zuzustellen, und einen gewissen FC als "Beistand" und "diesbezüglichen Machthaber" bezeichnete. Am wurde vor der belangten Behörde eine Niederschrift aufgenommen, derzufolge dem Beschwerdeführer und dem FC einzelne Buchführungsmängel vorgehalten wurden und seitens des Behördenorgans auf das Fehlen von Belegen hingewiesen wurde. Am (das ist ca. 1 1/2 Jahre nach Berufungseinbringung) ersuchte der Beschwerdeführer, eine mündliche Verhandlung "vorläufig noch nicht anzusetzen, damit eine unbillige Härte für mich vermieden wird". Einem weiteren Schriftsatz des Beschwerdeführers vom folgte die Ladung der belangten Behörde vom zu der für den anberaumten mündlichen Berufungsverhandlung. Mit Vorhalt vom wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer darauf hin, daß eine Berufung nur Anträge betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1968 bis 1973 enthalte, das Finanzamt jedoch auch die Wiederaufnahme verfügende Bescheide und Sachbescheide betreffend die Einheitswerte des Betriebsvermögens zum , , und sowie einen Bescheid über die Nichtveranlagung zur Vermögensteuer zum erlassen habe. Der Beschwerdeführer werde aufgefordert zu erklären, in welchen Punkten diese Bescheide angefochten und welche Änderungen beantragt würden, sowie die Berufung zu begründen. Nachdem der Beschwerdeführer schon vorher einen weiteren Schriftsatz eingebracht, die belangte Behörde am den Beschwerdeführer schriftlich in Kenntnis gesetzt, daß allfällige Beweismittel spätestens bei der mündlichen Verhandlung vorzulegen seien, der Beschwerdeführer vergeblich Vertagung der Berufungsverhandlung auf den beantragt und weitere Schriftsätze eingebracht hatte, fand am von 9:10 bis 13:15 Uhr die mündliche Verhandlung vor dem Berufungssenat statt, bei der der Beschwerdeführer und mit ihm FC erschienen. Als Auskunftspersonen waren die beiden Betriebsprüfer erschienen. Laut der Niederschrift bezog sich das Thema der Verhandlung auf die Frage der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und auf zahlreiche Einzelpunkte im Zusammenhang mit von den Prüfern aus dem betrieblichen Aufwand ausgeschiedenen Posten. Der Beschwerdeführer legte das Schätzungsgutachten des Dipl.-Ing. FS vom betreffend den Verkehrswert der Liegenschaft Wien 13, J-gasse, vor. Der Sachverständige gelangte durch Mitteilung des Sachwertes von S 1,642.250,-- und des Ertragswertes von S 1,059.850,-- zu einem Verkehrswert von S 1,351.050,--. Von diesem Betrag zog er jedoch S 502.170,-- wegen der am größten Teil des Hauses bestehenden Dienstbarkeit der Ehefrau des Beschwerdeführers (rund 180 m2 von rund 245 m2 Gesamtnutzfläche) ab. Die Verhandlung wurde schließlich auf den vertagt.
Zu der am fortgesetzten mündlichen Verhandlung erschien der Beschwerdeführer außer mit FC in rechtsfreundlicher Vertretung des nunmehrigen Beschwerdevertreters. Die Niederschrift über diese Berufungsverhandlung hat wörtlich folgenden wesentlichen Inhalt:
"Vorsitzender: In das gegenständliche Berufungsverfahren werden auch die Berufungen gegen die Feststellungsbescheide betreffend den Einheitswert der Betriebsvermögen aufgenommen.
Vorsitzender: Abgabepflichtiger wird aufgefordert, allenfalls vorhandene Beweismittel für bereits besprochene Streitpunkte vorzulegen.
Herr HH erklärt unter Zustimmung des RA Dr. Meindl und des Herrn C:
Die Berufung wird auf nachfolgende Punkte bzw. nachfolgendes Ausmaß eingeschränkt:
1) Verminderung der Sicherheitszuschläge auf 2 % des Umsatzes der Jahre 1968 - 1972 = S 667.548,--,
Verminderung des Teilwertes J-gasse um S 700.000,--.
Anerkennung der gebildeten Investitionsrücklage im ziffernmäßig zulässigen Ausmaß,
4) entsprechende Anpassung der Gewerbesteuerrückstellungen, der Umsatzsteuerpassivierungen und allfälliger anderer sich rein rechnungsmäßig aus dieser teilweisen Stattgebung ergebenden Änderungen.
Hinsichtlich aller anderen Punkte werden die Berufungen zurückgezogen."
Mit den nun angefochtenen Bescheiden wurde den Berufungen teilweise Folge gegeben. Mit dem Bescheid vom , Zl. 6- 2379/13/77, wurde unter Hinweis auf die Berufungseinschränkung der Sicherheitszuschlag 1968 bis 1972 auf 2 % des Umsatzes vermindert und für 1973 von der Vornahme eines solchen Zuschlages Abstand genommen. Zum Teilwert der Liegenschaft in Wien 13 wies die belangte Behörde auf die Diskrepanz zwischen der Prüfungsfeststellung und dem Schätzungsgutachten hin. Schon der vom Gutachter herangezogene Quadratmeterpreis von S 700,-- sei nach den Erfahrungen der Finanzbehörde auf Grund von Grundstücksverkäufen wenig realistisch, so daß der Senat dem von den Prüfern ermittelten Sachwert den Vorzug gebe. Bei diesem Wert bleibe aber der Ertragswert der Liegenschaft unberücksichtigt. Berücksichtige man den Ertragswert in der vom Sachverständigen dargestellten Berechnung, gegen die der Senat keine Bedenken habe, so gelange man zu folgendem Wert:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Sachwert laut Prüfer | S 2,498.500,-- |
Ertragswert lt. Sachverständigen | S 1,059.850,-- |
S 3,558.350,-- | |
arithmetisches Mittel | S 1,779.170,-- |
Die vom Beschwerdeführer begehrte Herabsetzung des von den Prüfern ermittelten Teilwertes von S 2,498.500,-- um rund S 700.000,-- auf S 1,798.500,-- erweise sich deshalb als berechtigt. Mit den beiden anderen vor dem Verwaltungsgerichtshof in Beschwerde gezogenen Bescheiden wurde dem Begehren des Beschwerdeführers insoweit Rechnung getragen, als die Bildung einer Investitionsrücklage zugelassen wurde.
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer hat die Beschwerde im wesentlichen wie folgt ausgeführt:
Bei der Berufungsverhandlung sei dem Beschwerdeführer bedeutet worden, daß die Prüfungsergebnisse unverändert beibehalten würden, wenn er seine Berufungen nicht teilweise zurückzöge. Dies hätte die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Beschwerdeführers zur Folge gehabt, weil seine Bankgläubiger über S 15,000.000,-- sofort Konkursanträge gestellt hätten. Wegen dieser "Zwangssituation" sei die Zurückziehung der Berufung nicht rechtswirksam zustandegekommen. Dazu komme noch, daß diese Einschränkung mit dem Willensmangel des Irrtums belastet sei, weil der Beschwerdeführer die Verminderung des Teilwertes der Liegenschaft Wien 13 nicht um, sondern auf S 700.000,-- habe erreichen wollen. Hier handle es sich offensichtlich um einen Hörfehler oder ein Mißverständnis. Für die Anerkennung der vorzeitigen Abschreibung sei ordnungsmäßige Buchführung überhaupt nicht erforderlich. Rechtswidrig sei auch die Annahme einer 50 %igen Beteiligung der früheren Ehefrau des Beschwerdeführers an den Einkünften aus dem Objekt Wien 14, Kgasse. Eine vertragliche Beteiligung der früheren Ehefrau des Beschwerdeführers bestehe erst ab .
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Gemäß § 256 Abs. 1 BAO ist die Zurücknahme einer Berufung zulässig. Nach Absatz 3 leg. cit. hat die Abgabenbehörde erster Instanz bei Zurücknahme der Berufung die Berufung als gegenstandslos zu erklären und das Berufungsverfahren einzustellen. Eine Zurücknahme der Berufungen in diesem prozeßtechnischen Sinn liegt im Beschwerdefall nicht vor. Es handelt sich vielmehr um eine sogenannte Einschränkung der Berufung. Die Berufungseinschränkung besteht verfahrensrechtlich darin, daß der Berufungswerber die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird (§ 250 Abs. 1 lit. b BAO), später dahin korrigiert, daß die Anfechtung in bestimmten Punkten nicht mehr aufrecht erhalten wird. Diese ebenfalls eine prozessuale Erklärung bildende Willensäußerung hat zur Folge, daß der Berufungswerber seinen Anspruch auf Entscheidung im Ausmaß der Berufungseinschränkung verliert (siehe Reeger-Stoll, 5. Auflage, S. 397 und 407 sowie das dort zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 1258/60, Slg. Nr. 2417/F).
Ungeachtet der unterschiedlichen weiteren Folgen, die sich an eine Zurücknahme der Berufung im technischen Sinn (§ 256 BAO) und eine Berufungseinschränkung knüpfen, gilt hinsichtlich der Maßgeblichkeit und Gültigkeit beider prozessualer Erklärungen dasselbe. So gilt für eine Berufungseinschränkung besonders auch, daß es auf die Motive der Partei für diesen Schritt - von Zwang und Drohung abgesehen - nicht ankommt (siehe das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1502/72). Zwang und/oder Drohung in dem hier maßgeblichen Sinn lägen aber nur vor, wenn die Behörde den Beschwerdeführer durch Anwendung dieser ungesetzlichen Mittel zur Berufungseinschränkung genötigt hätte. Das behauptet der Beschwerdeführer selbst nicht. Seine Ausführungen laufen darauf hinaus, daß er wegen seiner schlechten wirtschaftlichen Lage in eine Zwangslage geraten sei, bei der ihm - angeblich - nichts anderes übrig geblieben sei, als die Berufungen einzuschränken. Damit vermag der Beschwerdeführer allenfalls seine Motive aufzuzeigen, die ihm zur Einschränkung der Berufung veranlaßten. Da nach dem Gesagten die Motive des Beschwerdeführers nicht ausschlaggebend sind, ist mit ihrer Darlegung für den Beschwerdeführer nichts gewonnen. Das gilt im Beschwerdefall im erhöhten Maß deswegen, weil der Beschwerdeführer bei der mündlichen Verhandlung durch einen Rechtsanwalt vertreten war, dem die Wirkung der mit seiner Zustimmung erklärten Berufungseinschränkung ohne jeden Zweifel völlig klar sein mußte.
Es erübrigt sich daher ein Eingehen auf die laut Beschwerde angeblich zu Unrecht nicht anerkannte vorzeitige Abschreibung und auf die ebenfalls als rechtswidrig bezeichnete Annahme einer Mitunternehmergemeinschaft betreffend die Liegenschaft Wien 14. Denn selbst wenn der Beschwerdeführer in diesen Punkten im Recht wäre, hat er sie in der wiedergegebenen Berufungseinschränkung außer Streit gestellt und damit den Anspruch verloren, daß die belangte Behörde darauf weiter eingehen hätte müssen.
Was den behaupteten Irrtum betreffend die Entnahmebewertung der Liegenschaft Wien 13 anlangt, so ist maßgeblich, daß das vom Beschwerdeführer vorgelegte Sachverständigengutachten - selbst unter Abzug der Belastung durch die Dienstbarkeit - den Wert der Liegenschaft mit rund S 849.000,-- ausweist und der Beschwerdeführer in keinem Stadium auch nur behauptet hat, dieses von ihm vorgelegte Beweismittel sei untauglich, weil es einen zu hohen Wert ausweise. Da anderseits im erstinstanzlichen Bescheid von einem Teilwert von S 2,498.500,-- ausgegangen wurde, ist es mangels irgendeines ersichtlichen Grundes mit Sicherheit auszuschließen, daß die Finanzverwaltung ihrerseits das "Angebot" unterbreitet hätte, einen Wert zum Ansatz zu bringen, der noch erheblich unter jenem liegt, den der Beschwerdeführer durch Vorlage des Sachverständigengutachtens als richtig behauptete. Es ist daher ebenso mit Sicherheit auszuschließen, daß die erfolgte Protokollierung dem tatsächlichen Verhandlungsablauf widerspricht. Die nunmehrige Behauptung eines Irrtums bei der Zustimmung des Beschwerdeführers zu einer Herabsetzung des strittigen Wertestem. S 700.000,-- qualifiziert sich daher nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes zumindest als reine Zweckbehauptung.
Insgesamt steht somit fest, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtswidrigkeiten nicht vorliegen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 542/1977.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 5311 F/1978 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1978:1977002413.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAF-58614