Suchen Hilfe
VwGH 08.01.1957, 2408/55

VwGH 08.01.1957, 2408/55

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
BauO Wr §129 Abs10 impl;
B-VG Art130 Abs2;
RS 1
Eingehende rechtliche Ausführungen zum Begriff freies Ermessen.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Werner und die Räte Dr. Kaniak, Dr. Hrdlitzka, Dr. Dorazil und Dr. Krzizek als Richter im Beisein des Landesregierungsoberkommissärs Kinscher als Schriftführer, über die Beschwerde des FK in W gegen den Beschluß der Bauoberbehörde für Wien (Bescheid des Magistrates der Stadt Wien im selbständigen Erwirkungsbereich vom , Zl.M.Abt. 64 - B XX/11 - 55), betreffend Versagung einer Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde das am eingebrachte Ansuchen des Beschwerdeführers um nachträgliche Baubewilligung für die Errichtung eines Zubaues auf der Liegenschaft Wien XX., P-gasse O.Nr. 16, EZ. nnnn des Grundbuches der Kat.Gem. Brigittenau, gemäß § 71 der Bauordnung für Wien abgewiesen und dem Beschwerdeführer gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien der Auftrag erteilt, den ohne baubehördliche Bewilligung an der Baulinie errichteten Zubau binnen drei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides abzutragen und den konsensgemäßen Zustand wieder herzustellen.

Die dagegen rechtzeitig eingebrachte Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Beschwerdeführer führt hiezu im wesentlichen aus, daß vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides ein Wechsel im Eigentum der Liegenschaft eingetreten sei, indem mit dem Stichtag vom die Liegenschaft vom Chorherrnstift Klosterneuburg an die Stadt Wien verkauf wurde. Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, dem Beschwerdeführer eine Frist zur Beibringung der Zustimmung des neuen Eigentümers einzuräumen. Ferner hätte gemäß § 133 Abs. 2 der Bauordnung die Bauführung der Bestätigung durch den zuständigen Gemeinderatsausschuß bedurft. Es hätte daher dieser gehört werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, liege eine Nichtigkeit im Sinne des § 137 der Bauordnung vor. Die Begründung des angefochtenen Bescheides entspreche nicht der Vorschrift des § 60 AVG, da sie nur allgemeine und unpräzise Formulierungen enthalten. Die Erteilung einer Baubewilligung nach § 71 der Bauordnung sei zwar in das Ermessen der Behörde gestellt, es liege aber ein Ermessensmißbrauch vor, wenn in dem gleichen Gebiet auf benachbarten Gründen (z.B. P-gasse 14) zur gleichen Zeit ebenfalls nicht der Bauklasse entsprechende Bauführungen auf Widerruf genehmigt worden seien. Dadurch hätte die Behörde auch den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz verletzt. Zur Durchführung des Baues habe den Beschwerdeführer die wirtschaftliche Lage veranlaßt; er wäre gezwungen, im Falle des Abbruches des Zubaues seinen Betrieb wesentlich einzuschränken. Gemäß § 133 Abs. 3 der Bauordnung könne die Baubehörde von dem Bebauungsplan Abstand nehmen, wenn es zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde, mit Rücksicht auf diesen Plan ein Bauansuchen abzuweisen. Die belangte Behörde spreche zwar von öffentlichen Rücksichten und einer beabsichtigten Assanierung dieses Gebietes, ohne jedoch anzugeben, wann dies geschehen solle. Ein dahingehender Beschluß sei noch nicht veröffentlicht; daraus müsse geschlossen werden, daß verbindliche Beschlüsse in dieser Hinsicht noch nicht vorliegen. Aber selbst wenn diese vorliegen würden, wäre nicht einzusehen, warum eine Bewilligung nach § 71 der Bauordnung nicht erteilt werden könne.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach den unwidersprochenen Feststellungen der Baubehörde erster Instanz ist für die gegenständliche Liegenschaft nach dem geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan die geschlossene Bauweise und die Bauklasse IV festgesetzt. Das Ansuchen des Beschwerdeführers betrifft die nachträgliche Genehmigung eines an der Baulinie errichteten 6,5 m breiten, 11,00 m tiefen, ebenerdigen Zubaues. Da das Bauvorhaben sohin den geltenden Bebauungsvorschriften nicht entspricht, besteht kein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Baubewilligung. Dies wird auch vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt. Er erblickt die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides jedoch darin, daß die Behörde für seine Bauführung nicht von der Möglichkeit des § 71 der Bauordnung Gebrauch gemacht und eine zeitlich befristete Baubewilligung erteilt habe. Nach § 71 der Bauordnung für Wien kann die Behörde Bauten, die vorübergehenden Zwecken dienen oder nicht dauernd bestehen bleiben können, sei es wegen des bestimmungsgemäßen Zweckes des Grundes, sei es, weil die Baulichkeit den Bestimmungen dieser Bauordnung nicht voll entspricht, auf eine bestimmte Zeit oder auf Widerruf bewilligen. Für solche Bauten gelten die Bestimmungen der Bauordnung für Wien nur insoweit, als sie nach der Lage des Falles geboten sind, worüber der Bescheid das Nähere zu enthalten hat. Der Beschwerdeführer räumt zwar ein, daß die Erteilung einer solchen Baubewilligung in das Ermessen der Behörde gestellt ist, behauptet aber, daß sich die Abweisung seines Ansuchens als ein Ermessensmißbrauch darstelle.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 1138/A) an der Anschauung festgehalten, daß der Verwaltungsgerichtshof nicht berufen ist, die das Ermessen der Behörde determinierenden Erwägungen im einzelnen nachzuprüfen, solange die Ermessensübung nicht klar erkennen läßt, daß unsachliche Motive, die im "Sinne" des Gesetzes keine Deckung finden, die Entscheidung beeinflußt haben. In der Begründung des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde die Nichtanwendung der Vorschrift des § 71 der Bauordnung damit begründet, daß öffentliche Rücksichten gegen die Erteilung der Baubewilligung sprechen, weil das betreffende Gebiet in absehbarer Zeit einer baulichen Assanierung zugeführt werden solle. Diese Ausführungen nehmen offenbar Bezug auf eine im Verwaltungsakt befindliche Äußerung der Magistratsabteilung 18 vom , wonach auf Grund des vor der Genehmigung stehenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes für das Gebiet in der P-gasse Nr. 16 eine Trakttiefe von 16 m beantragt wird, sohin eine Randverbauung in der Bauklasse IV, geschlossene Bauweise, vorgesehen ist, wogegen im Inneren des Baublockes für gewerbliche Betriebe eine ebenerdige Bebauung zugelassen werden soll. Außerdem falle das gegenständliche Bauvorhaben in ein Assanierungsgebiet. Wenn daher die Behörde - wenn auch nicht im einzelnen ausgeführt - mit dieser Begründung die Erteilung einer Baubewilligung nach § 71 der Bauordnung abgelehnt hat, so kann nicht davon gesprochen werden, daß für ihre Entscheidung unsachliche Motive maßgebend waren.

Der Beschwerdeführer hat den Ermessensmißbrauch auch darin erblickt, daß ein fast gleichzeitig eingebrachtes Bauansuchen für die Nachbarliegenschaft gemäß § 71 der Bauordnung bewilligt worden sei, obwohl auch dieses Ansuchen den geltenden gesetzlichen Bestimmungen nicht entsprochen habe. Hiezu hat die belangte Behörde in der Gegenschrift ausgeführt, daß es im Wesen des Ermessens liege, daß unter annähernd gleichen Voraussetzungen die Entscheidungen über verschieden gelagerte Anbringen verschieden lauten können. So könne es wohl vertretbar sein, in einem Gebiet eine begrenzte Anzahl von Baubewilligungen gegen Widerruf zu erteilen; daraus könne aber niemand ein subjektives Recht auf Erteilung einer solchen Bewilligung ableiten. Es müsse einzig und allein der Entscheidung der Behörde überlassen bleiben, ob und wie viele Baubewilligungen gegen Widerruf sie erteile. Eine andere Auffassung müsse dazu führen, daß die Bestimmungen der Bauordnung und die Vorschriften des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes jede praktische Bedeutung verlören. Diesen Ausführungen kann der Verwaltungsgerichtshof nicht vorbehaltslos zustimmen. Wohl ist es zutreffend, daß bei Ermessensentscheidungen bei verschieden gelagerten Anbringen auch verschieden lautende Entscheidungen ergehen können. Wenn aber "annähernd gleiche Voraussetzungen" vorliegen, dann muß die unterschiedliche Entscheidung auf jene Umstände gegründet werden, in welchen sich die Anbringen voneinander unterscheiden; diese Gründe müssen sachliche Gründe sein. Auch bei Ermessensentscheidungen kann es nicht einzig und allein der Entscheidung der Behörde überlassen bleiben, ob und wie viele Baubewilligungen gegen Widerruf erteilt werden. Zutreffend ist nur, daß der Hinweis auf eine oder mehrere gegen Widerruf erteilte Baubewilligungen allein einen Mißbrauch des Ermessens nicht darzutun vermag. Die belangte Behörde hat aber in der Gegenschrift nicht nur mit diesen Ausführungen ihre von dem Bauvorhaben auf der Nachbarliegenschaft abweichende Erledigung begründet, sondern sie hat auch darauf hingewiesen, daß die Versagung der Baubewilligung deswegen erfolgt sei, weil inzwischen das Projekt einer Abänderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes in Ausarbeitung steht und die Erledigung des Bauansuchens auf der Nachbarliegenschaft zehn Monate vor Erlassung des angefochtenen Bescheides ergangen ist. Der Gerichtshof ist nun der Meinung, daß die beabsichtigte Abänderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes und die sich daraus kundtuende Absicht der Gemeindeverwaltung das fragliche Gebiet einer baulichen Sanierung zuzuführen, ein durchaus ausreichendes und sachliches Motiv für eine abweichende Erledigung des gegenständlichen Vorhabens ist. Daß es sich bei diesen Ausführungen in der Gegenschrift nicht um spätere zur Stützung der Entscheidung herangezogene Gründe handelt, ergibt sich einerseits aus der Aktenlage, nämlich der vorangeführten Äußerung der Mag.Abt. 18, andererseits daraus, daß das Bauansuchen auf der Liegenschaft P-gasse 14 am eingebracht und am baubehördlich bewilligt wurde, während das gegenständliche Bauansuchen am eingebracht und von der Baubehörde erster Instanz am erledigt wurde.

Wenn der Beschwerdeführer die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auch darin erblickt, daß der zuständige Gemeinderatsausschuß mit der Angelegenheit nicht befaßt wurde, so befindet er sich in einem Rechtsirrtum. Gemäß § 133 Abs. 1 der Bauordnung für Wien obliegt die Erteilung der Baubewilligung für Bauten der Stadt Wien oder eines von ihr verwalteten Fonds dem zuständigen Gemeinderatsausschuß, wenn nach den Bestimmungen der Verfassung der Bundeshauptstadt Wien der Beschluß über die Ausführung eines solchen Baues nicht dem Stadtsenat oder Gemeinderat vorbehalten ist. Nach Abs. 2 der gleichen Gesetzesstelle bedarf die Bauführung eines Dritten auf eine der Gemeinde gehörigen oder von ihr verwalteten Grunde der Bestätigung des zuständigen Gemeinderatsausschusses. Aus der Gegenüberstellung dieser beiden Bestimmungen ergibt sich, daß nicht die Erteilung (oder Versagung) der Baubewilligung, sondern nur die Bauführung eines Dritten auf einen der Gemeinde gehörigen oder von ihr verwalteten Grunde der Bestätigung des Gemeinderatsausschusses bedarf. Die Zuständigkeit zur Erteilung oder Versagung der Baubewilligung liegt vielmehr zufolge der Vorschrift des § 132 Abs. 1 der Bauordnung für Wien beim Magistrat als Baubehörde erster Instanz. Bei der Bestätigung nach § 133 Abs. 2 der Bauordnung, handelt es sich um die Zustimmung des Grundeigentümers im Sinne des § 63 Abs. 1 letzter Satz der Bauordnung, nur daß diese Zustimmung nicht bereits dem Ansuchen um die Erteilung der Baubewilligung beizuschließen ist, sondern von der Behörde im Zuge des Bauverfahrens eingeholt wird. Eine solche Zustimmung (Bestätigung) ist aber nur dann erforderlich, wenn die Behörde zu dem Ergebnis kommt, daß das Bauansuchen aus baupolizeilichen Gründen genehmigt werden kann.

Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erwies, mußte sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 abgewiesen werden.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
BauO Wr §129 Abs10 impl;
B-VG Art130 Abs2;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1957:1955002408.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
NAAAF-58608