VwGH 06.10.1980, 2350/79
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Personen, die sich während der Arbeitswoche ständig am Betriebsort aufhalten, haben nur dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt iSd § 26 Abs 2 erster Satz BAO. Gleiches gilt für den im Haushalt tätigen Ehegatten, der wegen der Erwerbstätigkeit des anderen Ehegatten die während der Arbeitswoche gemeinsam benützte Wohnung nur vorübergehend an den Wochenenden verläßt. |
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RS 2 | Eine Partei des Abgabenverfahrens kann nicht dadurch in ihren Rechten verletzt werden, daß ein anderer - zu Recht oder zu Unrecht - nicht in das Verfahren einbezogen wurde. Die Voraussetzungen für einen Beitritt zur Berufung eines anderen iSd § 257 BAO sind in Angelegenheiten der Geburtenbeihilfe selbst bei sinngemäße Anwendung dieser Bestimmung nicht gegeben, da die Geltendmachung des Beitrittsrechtes voraussetzt, daß der der Berufung Beitretende entweder als Gesamtschuldner oder als Haftungspflichtiger für eine abgabenrechtliche Leistung in Betracht kommt. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Pokorny, Dr. Wetzel und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gancz, über die Beschwerde der Yvette T in X, vertreten durch Dr. Stefan Vargha und Dr. Herbert Waltl, Rechtsanwälte in Salzburg, Kaigasse 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom , Zl. 27-V-Fr/79, betreffend Geburtenbeihilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Finanzlandesdirektion für Salzburg) Aufwendungen in der Höhe von S 900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine mit einem Österreicher verheiratete französische Staatsbürgerin, stellte für ihren am in München, BRD, geborenen Sohn Thomas einen Antrag auf Gewährung des ersten Teiles der erhöhten Geburtenbeihilfe. Die Beschwerdeführerin hielt sich nach ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren ab in Österreich auf. Sie war zunächst in Wien wohnhaft, wo sie vom Dezember 1973 bis August 1976 arbeitete. Am heiratete sie den Dipl. Ing. Christoph T. aus X. Seit ist sie auch in X polizeilich gemeldet. In diesem Ort steht ihr auch eine Wohnung ihres Schwiegervaters zur Verfügung. Seit Februar 1977 arbeitet ihr Mann in München und seither lebt auch die Beschwerdeführerin dort in einer möblierten Zwei-Zimmer-Wohnung. Die Beschwerdeführerin verbrachte aber fast jedes Wochenende an dem Wohnsitz in X.
Das Finanzamt X wies den Antrag der Beschwerdeführerin deswegen als unbegründet ab, weil die im § 33 Abs. 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 646/1977 (in der Folge kurz FLAG 1967 genannt) geforderte Voraussetzung, daß sie sich mangels österreichischer Staatsbürgerschaft unmittelbar vor der Geburt des Kindes mindestens drei Jahre ständig im Bundesgebiet hätte aufhalten müssen, nicht erfüllt sei.
Die Beschwerdeführerin berief und führte in ihrem Schriftsatz auch aus, daß sich ihr Mann im Hinblick darauf, daß der Ablehnungsbescheid insofern gegen ihn wirke, als die Ehegatten einen gemeinsamen Haushalt hätten und er auch auf Grund des österreichischen Ehe- und Güterrechtes finanziell durch den Ablehnungsbescheid betroffen sei, dem Rechtsmittel anschließe.
Nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens mit dem Schwiegervater der Beschwerdeführerin betreffend Berufstätigkeit und Wohnverhältnisse der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes wies das Finanzamt die Berufung der Beschwerdeführerin mit Berufungsvorentscheidung ab, welche Entscheidung allerdings auf Grund eines rechtzeitig gestellten Antrages auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz gemäß § 276 BAO (in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 151/1980) wiederum ihre Wirkung verlor. Im Vorlageantrag vertrat die Beschwerdeführerin die Ansicht, daß das Erfordernis des ständigen Aufenthaltes nicht so verstanden werden könne, daß es nur auf die mathematisch errechnete Zahl von Aufenthaltstagen ankomme, maßgeblich sei vielmehr, an welchem Ort sie ihre hauptsächlichen Lebensinteressen habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin endgültig ab. Nach dem Wortlaut des Gesetzes habe nur die Mutter des Kindes allein Anspruch auf die Geburtenbeihilfe, weshalb von ihr die Anspruchsvoraussetzungen zu erfüllen wären und die Verhältnisse des Kindesvaters oder des Kindes außer Betracht bleiben müßten. Der Begriff des "ständigen Aufenthaltes" sei im FLAG 1967 nicht näher definiert. Für die Auslegung dieses Begriffes biete sich aber der des "gewöhnlichen Aufenthaltes" im Sinne des § 26 Abs. 2 erster Satz der Bundesabgabenordnung an. Ein nur vorübergehender Aufenthalt könne nicht als "ständiger" angesehen werden und unter "Aufenthalt" und "Verweilen" sei eine körperliche Anwesenheit zu verstehen, die aber nicht ununterbrochen oder für immer andauern müsse. Entscheidend sei, daß der Gesamtaufenthalt als durchgehend und fortlaufend anzusehen sei. Eine Person könne zwar mehrere Wohnsitze, für denselben Zeitraum jedoch nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben. An welchem von mehreren Wohnsitzen der gewöhnliche Aufenthalt liege, richte sich in Zweifelsfällen nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen. Hiebei sei der Begriff des "Mittelpunktes der Lebensinteressen" im Sinne des § 2 Abs. 8 FLAG 1967 nicht maßgebend. Aus der Berufstätigkeit ihres Mannes in München ergebe sich, daß die Beschwerdeführerin Österreich nicht nur vorübergehend verlassen und also keinen ständigen Aufenthalt in Österreich mehr habe. Bestätigt werde diese Ansicht durch den Umstand, daß die Beschwerdeführerin ihrem Mann in das Ausland gefolgt sei, dort mit ihm in einer eingerichteten familiengerechten Wohnung lebe und dort auch ihr Kind zur Welt gebracht habe. Auf Grund dieser persönlichen Verhältnisse (das Familienleben spiele sich in der BRD ab), wirtschaftlichen Verhältnisse (Beschaffung des Lebensunterhaltes in der BRD) und ebenso des zeitlichen Momentes (mehr Aufenthaltstage im Ausland als im gleichen Zeitraum in Österreich) müsse der ständige Aufenthalt der Beschwerdeführerin seit der Begründung des zweiten Wohnsitzes als in der BRD gelegen angesehen werden. Den Besuchen in ihrer Heimat in Frankreich und der Heimat ihres Mannes in Österreich an Wochenenden könne nur der Charakter kurzfristiger Unterbrechungen beigemessen werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und in dieser die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Eine von der Beschwerdeführerin hiezu unaufgefordert erstattete Gegenäußerung wurde in das verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht einbezogen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 33 Abs. 1 zweiter Satz FLAG 1967 hat auch eine Mutter, die die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt, unter der Voraussetzung, daß sie im Bundesgebiet einen Wohnsitz hat und sich unmittelbar vor der Geburt ihres Kindes mindestens drei Jahre ständig im Bundesgebiet aufgehalten hat, Anspruch auf den ersten Teil der Geburtenbeihilfe.
Im vorliegenden Beschwerdefall steht lediglich in Streit, ob sich die Beschwerdeführerin unmittelbar vor der Geburt ihres Kindes am mindestens drei Jahre ständig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Während die belangte Behörde diese Voraussetzung auf Grund des von ihr festgestellten unbestrittenen Sachverhaltes, wonach die Beschwerdeführerin die Arbeitswochen in München und nur die Wochenenden in X verbrachte, für nicht gegeben erachtet, meint die Beschwerdeführerin, bei der Auslegung der zitierten Gesetzesstelle sei auf unvorhersehbare Härten in Einzelfällen im Sinne des Grundgedankens "Familienlastenausgleich" Bedacht zu nehmen. Der angefochtene Bescheid hat auf die "soziale Komponente eines Sozialgesetzes Rücksicht" zu nehmen. Es dürfe daher nicht nur der Status der Kindesmutter eine Rolle spielen.
Durch diese Ausführungen vermag die Beschwerdeführerin indes eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu erweisen. Denn die von der Beschwerdeführerin vertretene Rechtsansicht läßt sich schon mit dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht in Einklang bringen. Nach dem Gesetzeswortlaut kann es auch keinem Zweifel unterliegen, daß die Vorschrift des § 33 Abs. 1 zweiter Satz FLAG 1967 nur auf die Verhältnisse der Kindesmutter, nicht aber auf die der übrigen Familienmitglieder abstellt. Davon abgesehen kann von einem "ständigen Aufenthalt" der Beschwerdeführerin in Österreich in den der Geburt ihres Kindes unmittelbar vorangegangenen drei Jahren keine Rede sein, stellt doch gerade das Wort "ständig" bei Bedachtnahme auf den allgemeinen Sprachgebrauch besonders hohe Anforderungen. Der Beschwerdeführerin ist zwar zuzugeben, daß das eben erwähnte Tatbestandsmerkmal der Vollziehung einen (gewissen) Auslegungsspielraum läßt, die relative Unbestimmtheit des Gesetzesbegriffes geht jedoch keineswegs so weit, wie die Beschwerdeführerin vermeint, zumal auch die von ihr ebenso wie von der belangten Behörde hilfsweise herangezogene Bestimmung des § 26 Abs. 2 erster Satz BAO den Standpunkt der Beschwerdeführerin nicht zu stützen vermag. Nach der zuletzt zitierten Bestimmung hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Auch wenn jemand mehrere Wohnsitze an verschiedenen Orten hat, so kann er jeweils nur an einem Ort oder in einem Land seinen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Daher haben Personen, die sich während der Arbeitswoche ständig am Betriebsort aufhalten, nur dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1982/71). Gleiches muß aber auf dem Boden der zuletzt zitierten Rechtsvorschrift auch für Fälle wie den vorliegenden gelten, wenn ein im Haushalt tätiger Ehegatte wegen der Erwerbstätigkeit des anderen Ehegatten die während der Arbeitswoche benützte Wohnung nur vorübergehend an den Wochenenden verläßt.
Nach dem Gesagten haftet dem angefochtenen Bescheid die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit nicht an.
Auch die im Beschwerdefall erhobene Verfahrensrüge ist nicht berechtigt. Der Beschwerdeführerin ist vor allem entgegenzuhalten, daß die entscheidungswesentlichen Feststellungen auf ihren eigenen Angaben beruhen.
Die belangte Behörde hat zwar auch andere Feststellungen getroffen und ihre Entscheidung damit begründet; durch diese weiteren Feststellungen wird aber der Spruch des angefochtenen Bescheides nicht wirklich getragen, sondern nur ergänzend abgestützt. Dies gilt etwa für die von der Beschwerdeführerin gerügte Feststellung, daß sie im, maßgeblichen Zeitraum in München über eine "familiengerechte Wohnung", in der sich das Familienleben abspielte, verfügt hat. Ebensowenig bedeutsam ist angesichts des zu dieser Zeit überwiegenden Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in München, daß die belangte Behörde auf den Einwand, der Wohnsitz der Beschwerdeführerin in X sei als ihr Hauptwohnsitz anzusehen, nicht näher eingegangen ist und diesem Umstand keine Bedeutung beigemessen hat.
Da nach den Ausführungen der Beschwerdeführerin solcherart nicht feststeht, daß die belangte Behörde selbst bei Vermeidung der behaupteten Verfahrensmängel zu einem anders lautenden Bescheid hätte gelangen können, war der Beschwerde auch in dieser Hinsicht ein Erfolg zu versagen.
Was schließlich die Frage anlangt, ob nicht die belangte Behörde infolge Nichterledigung des von der Beschwerdeführerin als Beitritt ihres Ehemannes zu ihrer Berufung aufgefaßten Vorbringens einen Verfahrensmangel zu vertreten hat, so ist auch dieser Einwand nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erweisen. Denn die Beschwerdeführerin kann nicht dadurch in ihren Rechten verletzt werden (Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG), daß ein anderer - zu Recht oder zu Unrecht - nicht in das Verfahren einbezogen wurde. Darüber hinaus trifft es schließlich auch nicht zu, daß dem Ehemann der Beschwerdeführerin ein aus den §§ 2 und 257 BAO abzuleitendes Beitrittsrecht zu ihrer Berufung im Verwaltungsverfahren zustünde. Setzt doch die Geltendmachung dieses Rechtes voraus, daß der einem Rechtsmittel Beitretende entweder als Gesamtschuldner oder als Haftungspflichtiger für eine abgabenrechtliche Leistung in Betracht kommt. Davon kann in den Angelegenheiten der Geburtenbeihilfe selbst bei sinngemäßer Anwendung der letztzitierten Bestimmung keine Rede sein.
Die Beschwerde erweist sich sohin als in allen Punkten unbegründet, weswegen sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 316/1976 als unbegründet abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542.
Soweit in diesem Erkenntnis auf nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichte Entscheidungen Bezug genommen ist, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen. Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:1980:1979002350.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
MAAAF-58536