VwGH 30.05.1956, 2349/54
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Die Zulässigkeit der Berichtigung eines Schreibfehlers oder Rechenfehlers ist nicht davon abhängig, an welcher Stelle des Bescheides er unterlaufen ist (daher Zulässigkeit der Berichtigung auch des Spruches). |
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RS 2 | Wurde ein verwaltungsbehördlicher Bescheid später berichtigt und ist erst aus der berichtigten Fassung des Bescheides zu erkennen, daß oder in welchem Ausmaß dieser einen Eingriff in die Rechte oder rechtlichen Interessen des Betroffenen bedeutet, dann eröffnet dies die Möglichkeit, mit einem Rechtsmittel innerhalb der Rechtsmittelfrist gegen den Berichtigungsbescheid nicht nur die Überprüfung der Zulässigkeit der Berichtigung, sondern auch die Überprüfung des Bescheides in seiner berichtigten Fassung zu begehren. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Mahnig und die Räte Dr. Donner, Dr. Strau, Penzinger und Dr. Lehne als Richter, im Beisein des Landesgerichtsrates Dr. Linzmeier als Schriftführer, über die Beschwerde des JR in W gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Sch.Zl. I - 14.962, betreffend Berichtigung eines Bescheides über eine Beschädigtenrente und Versorgungskrankengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Der Beschwerdeführer hatte am einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz gestellt und dabei Verletzungen durch einen Straßenbahnzusammenstoß mit einem Lastkraftwagen der sowjetischen Besatzungsmacht und ein Herzleiden als Dienstbeschädigungen geltend gemacht. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens erging am ein Bescheid des Landesinvalidenamtes, der nicht nach Spruch und Begründung gegliedert war. Er lautete: "Auf Ihren Antrag vom wurde bei Ihnen als Dienstbeschädigung im Sinne des § 4 des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 197, über die Versorgung der Kriegsbeschädigten und Hinterbliebenen festgestellt: Zahnverlust eines Schneidezahnes im rechten Oberkiefer, Narbe an der rechten Stirn nach Unfall. Herzleiden ist keine Dienstbeschädigung." Dieser Wortlaut war im Konzept enthalten und entsprach auch der Äußerung des Sachverständigen, während die dem Beschwerdeführer zugegangene Ausfertigung den Wortlaut "Herzleiden ist eine Dienstbeschädigung" aufwies.
Daran waren folgende Sätze angeschlossen: "Da bei Ihnen nach dem ärztlichen Sachverständigengutachten vom die Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen der anerkannten Dienstbeschädigung weniger als 30 v.H. beträgt, haben Sie gemäß § 7 des KOVG keinen Anspruch auf Beschädigtenrente. Sie haben jedoch Anspruch auf Heilfürsorge nach den §§ 23 bis 31 KOVG bei jeder als Dienstbeschädigung anerkannten Gesundheitsstörung und deren Folgen." Der Beschwerdeführer ließ diesen Bescheid rechtskräftig werden. Mit Bescheid vom wies das Landesinvalidenamt einen von dem Beschwerdeführer erhobenen Anspruch auf Krankengeld nach einer Herzerkrankung mit der Begründung ab, daß das Herzleiden keine Dienstbeschädigung sei. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer ein Rechtsmittel ein und wies auf den Wortlaut der Bescheidausfertigung vom hin, aus der er entnommen habe, daß das Herzleiden als Dienstbeschädigung anerkannt worden sei. Nunmehr erließ das Landesinvalidenamt gemäß § 62 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes einen Bescheid vom , mit dem der Bescheid vom dahingehend berichtigt wurde, daß er bei Anführung der Dienstbeschädigungen zu lauten habe: Zahnverlust eines Schneidezahnes im rechten Oberkiefer und Narbe an der rechten Stirn nach Unfall. Herzleiden ist keine Dienstbeschädigung. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer gleichfalls Berufung ein und führte aus, er habe annehmen können, daß sein Herzleiden rechtskräftig als Dienstbeschädigung anerkannt worden sei. Somit habe er keine Veranlassung gehabt, ein Rechtsmittel einzulegen. Die vorliegende Berichtigung schaffe jedoch einen völlig geänderten Sachverhalt, da die Anerkennung des Herzleidens als Dienstbeschädigung nunmehr abgelehnt werde. Der Beschwerdeführer gab an, vollkommen gesund und mit dem Tauglichkeitsgrade "K.V." zum Wehrdienst eingerückt zu sein und sich durch die Eigentümlichkeiten dieses Dienstes ein Herzleiden zugezogen zu haben, welches seither seine Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtige. Es wurde beantragt, einen Krankenstandauszug einzuholen, eine neuerliche fachärztliche Begutachtung durchzuführen, den Sachverhalt einer neuen Prüfung zu unterziehen, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Herzleiden als Dienstbeschädigung anzuerkennen. Die belangte Behörde gab den Berufungen gegen die beiden Bescheide des Landesinvalidenamtes keine Folge und bestätigte diese aus ihren zutreffenden Gründen. Sowohl aus dem Bescheidentwurf als auch aus dem übrigen Inhalte des Bescheides gehe hervor, daß es sich um einen Schreibfehler gehandelt habe. Der Hinweis auf die Versäumung der Rechtsmittelfrist sei insofern unrichtig, als Gegenstand der Entscheidung nur der Anspruch auf Beschädigtenversorgung sein könne und die Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Anspruchsvoraussetzung nur ein Teil der Begründung sei. Aus der Bestätigung des Berichtigungsbescheides ergebe sich auch die Richtigkeit des Bescheides über die Abweisung des Anspruches auf Versorgungskrankengeld. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wird zunächst eingewendet, daß die Abweisung der Berufung gegen den das Versorgungskrankengeld betreffenden Bescheid rechtswidrig sei, weil zur Zeit der Erlassung des Bescheides des Landesinvalidenamtes rechtskräftig festgestellt gewesen sei, daß das Herzleiden eine Dienstbeschädigung darstelle. Das Landesinvalidenamt hätte daher auf Grund des Bescheides das Versorgungskrankengeld bewilligen müssen, da der Berichtigungsbescheid erst ein Jahr nach der Entscheidung über das Versorgungskrankengeld erlassen worden sei. Diese Überlegungen sind unzutreffend. Wie bereits hervorgehoben, war der erstinstanzliche Bescheid nicht nach Spruch und Begründung gegliedert. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom , Slg. Nr. 2750/A) ist im Spruche nur über den Versorgungsanspruch, nicht aber über die Anspruchsvoraussetzungen abzusprechen. Wenn nun ein Bescheid den Spruch nicht von der Begründung trennt, so kann nicht ohne weiteres angenommen werden, daß die Behörde in gesetzwidriger Weise einen rechtskräftigen Abspruch über Anspruchsvoraussetzungen beabsichtigt habe. Auch bildet der Berichtigungsbescheid mit dem berichtigten Bescheid eine Einheit und die belangte Behörde war somit berechtigt und verpflichtet, bei ihrer Schlußfassung vom berichtigten Bescheide auszugehen. Gemäß § 62 Abs. 4 AVG kann die Behörde jederzeit von Amts wegen die Berichtigung von Schreib- und Rechenfehlern oder anderen offenbar auf einem Versehen beruhenden Unrichtigkeiten in Bescheiden vornehmen. Der Beschwerdeführer ist der Meinung, daß die Auslegung, die diese Gesetzesstelle durch die Erkenntnisse bzw. Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 172/A, und vom , Slg. Nr. 595/A, erfuhr, für die Gesetzwidrigkeit des Vorgehens der belangten Behörde spreche. In dem ersten der beiden angeführten Fälle hatte die Behörde unter Zitierung des § 62 AVG dem Bescheid unter Beibehaltung des Spruches eine in ihrem wesentlichen Inhalt durchaus neue Begründung gegeben. Sie hatte auf diese Weise versucht, nachträglich aufgetauchten Bedenken an der Zulänglichkeit der Gründe Rechnung zu tragen. Der Verwaltungsgerichtshof sprach hiezu aus, daß in einem solchen Falle von einem offenbaren Versehen im Sinne des § 62 AVG nicht die Rede sein könne. In dem Beschlusse vom wurde ausgesprochen, daß der Inhalt eines Spruches eines Bescheides nicht durch berichtigende oder erklärende Auslegung geändert werden könne und daß die Berichtigung von Schreib- oder Rechenfehlern in Bescheidform vorzunehmen sei. Auch mit diesem Erkenntnisse bzw. der darin enthaltenen Gesetzesauslegung stand das Vorgehen der belangten Behörde nicht in Widerspruch. Denn im vorliegenden Falle wurde ein nach der Aktenlage als Schreibfehler erkennbares Wort berichtigt und es geschah dies auch in Bescheidform. Daß es sich um einen Schreibfehler handelte, ist aus dem Wortlaute des Konzeptes und des dem Bescheide zugrunde liegenden Gutachtens erkennbar. Wenn der Beschwerdeführer vermeint, in dem eben zitierten Beschlusse vom sei ein Rechtssatz enthalten, demzufolge Schreibfehler im Spruch überhaupt nicht berichtigt werden könnten, so beruht dies offenbar auf einem Mißverständnisse. Ein Schreib- oder Rechnungsfehler bleibt, was er ist, gleichgültig, an welcher Stelle des Bescheides er unterlaufen ist. Ferner macht der Beschwerdeführer geltend, daß die Berichtigung von Schreib- und Rechnungsfehlern unzulässig sei, wenn die Fehlerhaftigkeit der Partei nicht erkennbar war. Diese Auffassung entspricht nicht der Vorschrift des § 62 Abs. 4 AVG, die durch die Worte "oder andere" auch Schreib- und Rechnungsfehler in die Unrichtigkeiten einbezieht, die "offenbar auf einem Versehen" beruhen. Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, daß die Vorgangsweise der belangten Behörde in Widerspruch mit dem in dem Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 210/F, für den Bereich der Abgabenordnung aufgestellten aber allgemein gültigen Rechtsatz stehe, wonach nur Mißgriffe in der Wahl eines Ausdruckes, nicht aber Irrtümer über den Sachverhalt oder den Sinn von Gesetzen der Berichtigung fähig seien. Jedoch handelte es sich im vorliegenden Falle nicht um die Berichtigung eines Irrtums über den Sachverhalt oder über den Sinn des Gesetzes, sondern um die Berichtigung eines Schreibfehlers. Der angefochtene Bescheid erweist sich aber aus anderen Gründen als rechtswidrig. Der Beschwerdeführer hatte, nachdem ihm die Tatsache erkennbar geworden war, daß der Spruch des Bescheides über die Abweisung der Beschädigtenrente auf der Annahme beruhte, daß das Herzleiden nicht als Dienstbeschädigung zu gelten habe, in dem Rechtsmittel gegen den Berichtigungsbescheid auch zur Sache selbst Stellung genommen. Nun ergibt sich aus den Versorgungsakten, daß bei Überprüfung des in erster Instanz erstellten Gutachtens die Ausführungen über die Wertung des Herzleidens gestrichen worden waren, sodaß sich in dem Gutachten nur die dort unzulässige rechtliche Beurteilung "Herzleiden keine DB", nicht aber eine fachliche Beurteilung der tatsächlichen Grundlagen einer solchen Beurteilung findet. Somit war eine hinreichende Grundlage für die diesbezügliche Annahme der Behörde nicht gegeben. Nun berührte im vorliegenden Fall die Berichtigung des Schreibfehlers den Sinn des Bescheides sowohl hinsichtlich der Abweisung des Anspruches auf Beschädigtenrente als hinsichtlich der Heilfürsorge in ganz wesentlichem Maß. Durch die Berichtigung erschienen einerseits die Gründe der Abweisung des Antrages auf Beschädigtenrente in ganz anderem Licht, anderseits verschob sich auch der Sinn der Zuerkennung der Heilfürsorge. Somit liegt ein Fall vor, in dem die an sich zulässige Berichtigung den Inhalt des Bescheides veränderte. Mit der Berichtigung des Bescheides eröffnete sich dem Beschwerdeführer daher das Rechtsmittel in doppelter Hinsicht, nämlich einerseits zur Überprüfung der Zulässigkeit der Berichtigung, anderseits zur Überprüfung des Bescheides in seiner berichtigten Fassung. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 317/A, in dem ausgesprochen wurde, daß im Falle einer Berichtigung nach § 62 Abs. 4 AVG die Beschwerdefrist dann von der Zustellung des Berichtigungsbescheides an zu berechnen ist, wenn erst in der berichtigten Fassung ein Eingriff in die Rechte oder rechtlichen Interessen des Beschwerdeführers zum Ausdruck gekommen ist. Die belangte Behörde war somit verpflichtet, auch auf die Sache selbst einzugehen, hinsichtlich des Herzleidens eine fachliche Stellungnahme einzuholen und sodann die rechtliche Beurteilung vorzunehmen
Aus den angeführten Gründen mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG wegen Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes aufgehoben werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 4082 A/1956 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1956:1954002349.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAF-58533