VwGH 14.05.1965, 2338/64
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Bei einem Kinogebäude kann in der Regel eine Nutzungsdauer von 50 Jahren als betriebsgewöhnlich angenommen werden. Die Elektroinstallationen und die Wasserleitungsanlagen eines Gebäudes können nicht gesondert von diesem bewertet werden. Weiters Ausführungen zur Frage der AfA-Bemessung für eine Zentralheizungsanlage; danach ist eine von dem AfA-Satz des Gebäudes abweichende AfA dann gerechtfertigt, wenn die Möglichkeit einer abgesonderten Bewertung der Zentralheizungsanlage besteht. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Wasniczek, und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Eichler und Dr. Leibrecht als Richter, im Beisein des Schriftführers, Ministerialsekretärs Dr. Walter, über die Beschwerde der ET in O, vertreten durch Dr. Gustav Adler, Rechtsanwalt in Wien I, Riemergasse 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat, vom , Zl. VI - 2129/2130/64, betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer für 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin betreibt in O ein einem 1960 neu errichteten Kinogebäude ein Kino und ein Espresso. Bei der Berechnung der Absetzung für Abnutzung ist sie beim Gebäude von einer Nutzungsdauer von 25 Jahren und bei den Elektroinstallationen, der Wasserleitungsanlage und der Heizungsanlage von einer Nutzungsdauer von zehn Jahren ausgegangen. Das Finanzamt anerkannte bei der Veranlagung die AfA sowohl für das Gebäude als auch für die genannten Anlagen nur mit jenen Beträgen, die sich bei Zugrundelegung einer Nutzungsdauer von 50 Jahren ergaben. Die Beschwerdeführerin berief und führte aus, daß es sich bei dem Gebäude um einen Zweckbau handle, der der technischen und wirtschaftlichen Abnutzung unterliege. Unter diesen Umständen sei die von ihr angenommene Nutzungsdauer von 25 Jahren eher zu lang als zu kurz. Dies vor allem im Hinblick auf die technischen Neuerungen, die sich gerade auf dem Gebiete des Fernsehens und des Filmwesens laufend ergeben. Der Kinobau könne in wenigen Jahren wegen Überalterung völlig wertlos sein. Die Möglichkeit einer Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert sei vom wirtschaftlichen Standpunkt aus nicht zu berücksichtigen, da die wirtschaftliche Nutzung auf die tatsächliche Nutzungsdauer möglichst gleichmäßig aufgeteilt werden solle. Das Finanzamt erließ eine abweisliche Berufungsvorentscheidung. Es wies darauf hin, daß der Bauaufwand zu einem erheblichen Teil auf das Espresso entfalle und daß das Gebäude massiv gebaut sei und daher eine lange Nutzungsdauer erwarten lasse. Eine allfällig außerordentliche technische und wirtschaftliche Abnutzung könne nicht schon von Anfang an bei der Bemessung der gewöhnlichen AfA berücksichtigt werden. Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung der belangten Behörde. Sie legte dazu ein Sachverständigengutachten vor. In dem Gutachten wird ausgeführt, daß es sich bei dem gegenständlichen Objekt um einen reinen Zweckbau, nämlich einen Laufbildvorführraum (Kino) mit den erforderlichen Nebenräumen handle und in der Eingangshalle, die mit einer durch eine Stiege verbundenen Zwischendecke unterteilt wird, ein Espresso eingerichtet sei. Das Bauwerk sei unterkellert und in massiven, zweiseitig verputzten Mauern errichtet. Die Abschlußdecke sei in Leichtbauweise durchgeführt. Der Bauweise nach, die zum Teil als massiv und zum Teil als Leichtbau zu bezeichnen sei, könne eine Bestanddauer von 30 Jahren zugemutet werden. Die Räumlichkeiten seien zur Vorführung von Filmen nach den neuesten Systemen (Cinemascope, Cinerama etc.) ohne erhebliche Umbauten nicht geeignet. Aus diesem Grunde sei die Nutzungsdauer dieses reinen Kinozweckbaues erheblich zu vermindern. Weiters legte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme der G.- Werke vor, in der zur Lebensdauer von Ölbrennern Stellung genommen und der Ansicht Ausdruck gegeben wird, daß Ölbrenner nach 20 Jahren veraltet seien.
Die belangte Behörde wies die Berufung ab. In der Begründung dieser Entscheidung führte sie unter anderem aus, daß es sich bei dem mit einem Kostenaufwand von ca. 1,3 Millionen Schilling erbauten Objekt um einen unter Benutzung von Stahlbeton und Ziegeln errichteten Massivbau mit einer Mauerstärke von 38 cm handle, bei dem die Abschlußdecke in Leichtmetallbauweise ausgeführt sei. 2/3 des Gebäudes nehme der Kinosaal ein. Das Espresso sei weder räumlich noch wirtschaftlich von untergeordneter Bedeutung. Von den 1962 erzielten Erlösen entfielen auf das Espresso ca. S 288.000,-- auf das Kino rund S 332.000,--. Die Behauptung des Gutachtens, es handle sich um einen reinen Kinozweckbau, sei unrichtig. Im Kinosaal seien auch andere Veranstaltungen abgehalten worden, die Erlöse aus Saalmieten hätten im Jahre 1962 S 6.125,-- betragen. Das Gutachten mute dem Gebäude der Bauweise nach ohne nähere Begründung eine Bestanddauer von 30 Jahren zu, obwohl erfahrungsgemäß sogar etwas solider gebaute Holzhäuser eine Bestanddauer von 20 bis 30 Jahren haben. Es sei daher ausgeschlossen, einem Massivbau der vorliegenden Art die gleiche Bestanddauer zuzuerkennen. Es erscheine auch abwegig, auf das streitgegenständliche Kino den Maßstab eines supermodernen Großstadtkinos anzulegen.
Selbst wenn das Kino nicht für die neuesten Systeme geeignet sein sollte, könne angenommen werden, daß die nach den heute üblichen Systemen hergestellten Filme noch lange Zeit ihr Publikum finden werden. Die ungewissen Möglichkeiten künftiger technischer Nutzungen hätten bei der Abschätzung der Nutzungsdauer außer Betracht zu bleiben. Der Kinoraum biete, selbst wenn der Kinobetrieb ganz eingestellt werden sollte, noch andere wirtschaftliche Möglichkeiten. Die Nutzungsdauer des Espressobetriebes könne keinesfalls mit 25 Jahren begrenzt werden. In dem Gutachten über die Lebensdauer der Ölbrenner sei sehr wenig von deren tatsächlicher Lebensdauer und gar nichts über die Nutzungsdauer der in das Gebäude eingebauten Frischluftheizung ausgesagt. Die Heizungsanlage bilde mit dem neu errichteten Gebäude ein wirtschaftliches Ganzes und könne hinsichtlich der Nutzungsdauer nicht getrennt behandelt werden. Ausgaben für eine frühere Erneuerung des Ölbrenners stellten im Jahr der Erneuerung Betriebsausgaben dar. Der Senat könne daher nicht finden, daß das Finanzamt die Nutzungsdauer des Gebäudes und der darin eingebauten Anlagen zu hoch angesetzt habe.
In der gegen diesen Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wird der Standpunkt der belangten Behörde als rechtswidrig bekämpft und der Vorwurf einer Verletzung von Verfahrensvorschriften erhoben. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Gemäß § 7 des Einkommensteuergesetzes kann bei Gebäuden und sonstigen Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, jeweils für ein Jahr der Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abgesetzt werden, der bei Verteilung dieses Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt (Absetzung für Abnutzung). Die Absetzung bemißt sich hiebei nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes. Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung sind zulässig.
Unter betriebsgewöhnlicher Nutzungsdauer ist die normale technische und wirtschaftliche Nutzungsdauer zu verstehen. Sie ist keine errechenbare, sondern nur im Schätzungswege feststellbare Größe. Für diese Schätzung stehen allerdings reiche Erfahrungen zur Verfügung, die in den von den Finanzbehörden angewendeten AfA-Sätzen ihren Ausdruck finden.
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer für das neu errichtete Kinogebäude auf 25 Jahre geschätzt. Die Behörde hat dagegen für ihre AfA-Berechnung eine 50jährige betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer angenommen. Die Beschwerdeführerin hat ihre Schätzung auf ein von einem Architekten abgegebenes Gutachten gestützt. Sie erblickt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, daß die belangte Behörde, ohne das beigebrachte Gutachten zur Grundlage ihrer Entscheidung zu nehmen oder einen weiteren Sachverständigen zu befragen und ohne in die vorgelegten Belege über die Lieferung austauschbarer Bestandteile der in Rede stehenden Anlagen Einsicht zu nehmen, Sachverhaltsfeststellungen getroffen hat. Die belangte Behörde sei dadurch zu einer mangelhaft begründeten Entscheidung gelangt. Sie habe überdies den Begriff der wirtschaftlichen Nutzungsdauer unrichtig ausgelegt.
Das bezogene Gutachten gibt nun zwar eine ausführliche Baubeschreibung. Zur Frage der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Kinogebäudes enthält es aber lediglich die Äußerung, daß der Bauweise nach, die zum Teil als massiv und zum Teil als Leichtbauweise zu bezeichnen sei, eine Bestanddauer von durchschnittlich 30 Jahren "zugemutet" werden könne. Mit Recht hält daher die belangte Behörde den auf die Nichtbeachtung der in dem Gutachten enthaltenen Schätzung gegründeten Einwendungen in der erstatteten Gegenschrift entgegen, daß die in dem Gutachten angegebene Nutzungsdauer von 30 Jahren nicht schlüssig abgeleitet sei und in dem streitgegenständlichen Belange das Gutachten daher als Beweismittel ungeeignet sei. Bei dieser Sachlage berechtigte die Kenntnis der Bauweise des Kinogebäudes die Behörde - von der Erfahrungstatsache ausgehend, daß schon ein solid gebautes Holzhaus eine Bestanddauer von 20 bis 30 Jahren habe - für das nach der Massivbauweise mit Mauern in der Stärke von 38 cm errichtete Bauwerk eine wesentlich längere betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer als die in dem Gutachten behauptete anzunehmen. Auch die in dem Gutachten enthaltene Äußerung, daß die Räumlichkeiten des Gebäudes zur Vorführung von Filmen neuester Systeme nicht geeignet seien und eine weitere Entwicklung der technischen Neuerungen in dieser Richtung nicht abgesehen werden könne, weshalb die Nutzungsdauer des Kinogebäudes als eines reisen Zweckbaues erheblich niedriger anzusetzen sei, kann im gegebenen Zusammenhang die Annahme einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von nur 25 Jahren nicht schlüssig begründen. Die Befürchtung einer möglichen künftigen Beeinträchtigung der Vorführung von Filmen durch die weitere Entwicklung des Filmwesens, wie z. B. neuer Systeme, berechtigt noch nicht dazu, eine von der technischen Lebensdauer abweichende wirtschaftliche Nutzungsdauer anzunehmen. Bei Aufrechterhaltung dieses Grundsatzes hat wohl der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom , BStBl. Nr. III 57 301, bei einem großstädtischen Lichtspieltheater aus der allgemein technischen Fortentwicklung des Filmwesens und aus der Notwendigkeit der modernen Gestaltung eine von der technischen Lebensdauer abweichende kürzere wirtschaftliche Lebensdauen von 40 Jahren als zutreffend erachtet. Besondere Verhältnisse der angegebenen Art liegen aber im Beschwerdefall nicht vor. Es kann daher der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie aus der Erwägung, daß auf das streitgegenständliche Kino der Maßstab eines supermodernen Großstadtkinos, das sich zur Aufgabe stellt, das Großstadtpublikum stets mit den neuesten Errungenschaften der Kinotechnik bekanntzumachen, nicht angewendet werden könne, der in Streit gezogenen AfA-Berechnung eine entsprechend längere als die vorerwähnte Nutzungsdauer zugrunde gelegt hat. Schon aus diesem Grunde kann in der Schätzung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des gegenständlichen Kinogebäudes auf 50 Jahre eine Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin nicht erblickt werden.
Die Beschwerde bekämpft weiters, daß die belangte Behörde der Berechnung der AfA für die durchgeführten Elektroinstallationen, die Wasserleitungsanlage und die Heizungsanlage statt der behaupteten zehnjährigen betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer eine solche im Ausmaß der Nutzungsdauer des Kinogebäudes und damit eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 50 Jahren zugrunde gelegt hat. Die gegenständlichen Elektroinstallationen und die Wasserleitungsanlage sind aber gleichermaßen, wie dies der Verwaltungsgerichtshof zur Frage der AfA für die in einer Fremdenpension installierten sanitären Anlagen in seinem Erkenntnis vom , Zl. 1226/63, ausgesprochen hat, einer gesonderten Bewertung nicht fähig. Auf die Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß Artikel 14 Abs. 4 der hg. Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen. Auf Verlangen werden den Parteien Ausfertigungen des Erkenntnisses zugemittelt. Mit Recht hält daher die belangte Behörde dem Begehren der Beschwerdeführerin nach einer AfA-Berechnung für die genannten Anlagen auf der Grundlage einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von zehn Jahren entgegen, daß die betreffenden Aufwendungen nicht vom Gebäude getrennt behandelt werden können.
Schließlich wendet die Beschwerde ein, daß die Heizungsanlagen sich erfahrungsgemäß zum geringsten Teil aus Bestandteilen zusammensetzen, die untrennbar mit dem Gebäude verbunden sind und daß nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom , BStBl. Nr. III 62 48, eine AfA von Sammelheizungsanlagen in Betriebsgebäuden gesondert von der AfA des übrigen Gebäudes angesetzt werden könne. Ferner weist die Beschwerde auf das beigebrachte Gutachten der G.-Werke hin. Die Beschwerdeführerin übersieht hier, daß die Berechnung der AfA einer Heizungsanlage gesondert von der AfA des Gebäudes nur dort in Betracht kommen könnte, wo nach den Grundsätzen des vorerwähnten hg. Erkenntnisses vom die Möglichkeit einer gesonderten Bewertung der Heizungsanlage besteht. Daß dies aber gegenständlich der Fall ist, wurde von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nicht dargetan. Vielmehr hat sie sich in der eingebrachten Berufung darauf beschränkt, ihren Standpunkt, daß der Kinobau als reiner Zweckbau lediglich eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 25 Jahren habe, auszuführen. Das vorgelegte Gutachten der G.-Werke, in dem ausgeführt wird, daß es durch den Fortschritt der Technik durch die häufigen Verbesserungen der von der Firma erzeugten Geräte zu einer relativ raschen Entwertung der Brenner komme und daß nach Ansicht der Firma ein Ölbrenner nach 20 Jahren "soweit veraltet und abgeschrieben ist, daß es empfehlenswert ist, ihn zu erneuern", besagt zur strittigen Frage überhaupt nichts und konnte daher von der belangten Behörde mit Recht nicht als taugliches Beweismittel für den von der Beschwerdeführerin vertretenen Standpunkt angesehen werden, daß die gegenständliche Heizungsanlage ein selbständig zu bewertendes Wirtschaftsgut sei und eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von zehn Jahren habe.
Es sind daher auch dadurch, daß die Behörde sowohl bei den Elektroinstallationen als auch bei der Wasserleitungsanlage und der Heizungsanlage die AfA nach dem gleichen Satz berechnet hat, der für das Kinogebäude angewendet wurde, Rechte der Beschwerdeführerin nicht verletzt worden.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:1965:1964002338.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAF-58522