VwGH 14.04.1961, 2330/60
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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RS 1 | Wurde einem Abgabepflichtigen seitens des Finanzamtes das Recht eingeräumt, den Gewinn seines Betriebes nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr zu ermitteln und wird ein solcher Bescheid von der Behörde nicht unter den in § 294 BAO genannten Voraussetzungen zurückgenommen, so darf sich der Abgabepflichtige, sofern nicht einer der im § 294 BAO aufgezählten Ausnahmefälle vorliegt, auf eine einmal eingeräumte Bewilligung oder Genehmigung verlassen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Wasniczek und die Räte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Eichler und Dr. Kaupp als Richter, im Beisein des Ministerialoberkommissärs Skarohlid als Schriftführer, über die Beschwerde des JB in T, gegen den Bescheid der Berufungskommission bei der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. S 29 - 543 - I - 1960, betreffend Einkommensteuer 1958, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Beschwerdeführer betreibt ein Friseurgeschäft und eine Geschäftsstelle der österreichischen Klassenlotterie. Seine Firma ist nicht im Handelsregister eingetragen. Laut Mitteilung vom 16. Jänner 1947 bewilligte ihm das Finanzamt, die Einkünfte aus dem Lotterieunternehmen bei der Besteuerung nach einem jeweils mit dem 30. April endenden Wirtschaftsjahr anzuweisen. Diese Bewilligung wurde weder von einer Auflage abhängig gemacht noch wurde ein Widerruf vorbehalten. Es war lediglich bemerkt, daß die Einkünfte aus dem Friseurgeschäft weiterhin nach dem Kalenderjahr zu ermitteln seien. Bei der Veranlagung für das Jahr 1958 berechnete das Finanzamt die Einkünfte aus dem Lotterieunternehmen unter Hinweis darauf, daß die Firma des Beschwerdeführers nicht im Handelsregister eingetragen ist, nach dem Kalenderjahr. Es schlug dem erklärten Gewinn einen für die Zeit vom 1. Mai bis geschätzten Betrag von S 122.064 hinzu. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Einkommensteuerbescheid Berufung. Er beantragte unter Hinweis auf die vom Finanzamt erteilte Bewilligung, die Gewinne auch weiterhin mach dem Wirtschaftsjahr ermitteln zu können, weil eine Gewinnermittlung nach dem Kalenderjahr im Hinblick auf die Vorauszahlungen für laufende Lose sehr schwierig sei und die Einstellung einer zusätzlichen Arbeitskraft erfordern würde. Die Berufungskommission wies die Berufung mit der Begründung ab, daß der Gewinn aus Gewerbebetrieb nur für Gewerbetreibende, deren Firma im Handelsregister eingetragen sei, nach § 2 Abs. 5 EStG auf Grund eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres ermittelt werden könne. Hingegen müßte der Gewinn nach Abschnitt 7 Abs. 3 des Durchführungserlasses zum Einkommensteuergesetz (DEEStG) 1954 geschätzt werden, wenn Gewerbetreibende, deren Firma nicht im Handelsregister eingetragen sei, ihn nicht nach dem Kalenderjahr, sondern nach einem von diesem abweichenden Wirtschaftsjahr ermitteln. Dem Beschwerdeführer sei daher seinerzeit vom Finanzamt zu Unrecht bewilligt werden, den Gewinn nach einem mit dem 30. April endenden Wirtschaftsjahre zu ermitteln. Mit der Höhe des zugeschätzten Betrages habe sich der Berufungssenat nicht auseinandersetzen müssen, weil dieser unangefochten geblieben sei.
Die gegen diesen Bescheid an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Beschwerde beruft sich auf die Bewilligung des Finanzamtes vom , die noch nicht widerrufen worden sei. Es widerspreche dem Grundsatz des Vertrauensschutzes, wenn eine behördliche Bewilligung einfach übergangen werde, ohne daß sie zuvor durch einen formellen Bescheid außer Kraft gesetzt wurde. Die Zuschätzung im Betrage von S 122.964 sei nicht begründet worden. Die Berufungskommission habe sich mit der Schätzung überhaupt nicht auseinandergesetzt, obwohl diese schon deshalb, weil sie dem Grunde nach bekämpft wurde, auch der Nähe nach bestritten worden sei. Jedenfalls dürfe der Besteuerung nur der Gewinn eines Kalenderjahres - wenn die Gewinnermittlung nach dem Wirtschaftsjahr nicht anerkannt werde - zugrunde gelegt werden. Es sei daher nicht zulässig, einen nur in der Zeit vom 1. Mai bis erzielten Gewinn der Besteuerung für das Wirtschaftsjahr 1957/58 zu unterwerfen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Das Finanzamt hat die Bewilligung vom , mit der dem Beschwerdeführer das Recht eingeräumt wurde, den Gewinn aus der Lotteriestelle nach einem vorn Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr zu ermitteln, mit Bescheid vom "aufgehoben". Der Beschwerdeführer hat gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben. Die Berufungskommission hat aber über die gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1958 erhobene Berufung mit Bescheid vom entschieden, ohne daß bis dahin eine Entscheidung über die Beschwerde getroffen war, obwohl diese dieselbe Frage zum Gegenstand hatte, nämlich, ob dem Beschwerdeführer im Hinblick auf die vom Finanzamt am erteilte Bewilligung das Recht zusteht, den Gewinn aus der Lotteriestelle nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr zu ermitteln. Jedenfalls hat die belangte Behörde damit bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Vorschrift des § 96 AO außer acht gelassen. Nach dieser kann "eine Anerkennung, Genehmigung, Bewilligung oder Erlaubnis", soweit nicht Widerruf oder weitere Bedingungen vorbehalten sind, unter den in Ziffer 1 - 3 oder im § 96 Abs. 2 genannten Voraussetzungen zurückgenommen werden. Der angefochtene Bescheid spricht nun eine solche Zurücknahme nicht ausdrücklich aus. Er verweigert aber dem Beschwerdeführer die Gewinnermittlung nach dem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ohne Rücksicht darauf, daß der Bewilligungsbescheid des Finanzamtes noch dem Rechtsbestand angehört hat. Die belangte Behörde verletzt sohin den im § 96 AO niedergelegten Grundsatz, daß sich der Steuerpflichtige, sofern nicht einer der im genannten Paragraphen aufgezählten Ausnahmsfälle vorliegt, auf eine eingeräumte Bewilligung oder Genehmigung verlassen darf. Der Beschwerdeführer hat sich daher zutreffend darauf berufen, daß eine rechtskräftige Zurücknahme des Bewilligungsbescheides noch nicht erfolgt ist und daß er ohne Vorhalt für das Jahr 1958 mit einem geschätzten Gewinn der Lotteriestelle zur Einkommensteuer herangezogen wurde. Was aber die Ermittlung des Gewinnes im Wege der Schätzung anlangt, so wird darauf verwiesen, daß eine solche nur bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 217 AO zulässig ist. Die Bestimmungen des Erlasses des Bundesministeriums für Finanzen aber, dem mangels gehöriger Kundmachung keine allgemeine Rechtsverbindlichkeit zukommt, bilden keine gesetzmäßige Grundlage für eine Schätzung. Mithin war der angefochtene Bescheid seinem Inhalte nach rechtswidrig und mußte demnach gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG aufgehoben werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:1961:1960002330.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
FAAAF-58508