VwGH 12.02.1980, 2309/79
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | VStG §25 Abs2; VStG §45 Abs1 lita; |
RS 1 | In den Verfahrensgesetzen ist nicht festgehalten, daß bei JEDEM Zweifel an den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens mit Einstellung vorzugehen ist; dieser Grundsatz greift nur Platz, wenn die für und gegen den Beschuldigten sprechenden Umstände (§ 25 Abs 2 VstG 1950) nach der Beweiswürdigung der Behörde gleiches Gewicht haben. |
Norm | VStG §32 Abs2; |
RS 2 | Der Auftrag zur Ausforschung des Lenkers eines Kraftwagens mit einem bestimmten Kennzeichen im kritischen Zeitpunkt stellt noch keine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs 2 VStG dar, weil den Behörden im Zeitpunkt des Auftrages zur Ausforschung noch nicht bekannt war, welche bestimmte Person als Lenker und damit als Beschuldigter in Betracht zu kommen hatte. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 0751/53 E VwSlg 3055 A/1953 RS 2 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Baumgartner, Dr. Weiss und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Richters Dr. Gerhard als Schriftführer, über die Beschwerde des JF in L, vertreten durch Dr. Günther Kraus, Rechtsanwalt in Linz, Goethestraße 61, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. VerkR-10074/1-1979-II/Kp, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am gegen 18.25 Uhr ereignete sich auf der S-Straße 537 im Gemeindegebiet von E ein Verkehrsunfall, bei dem der Beschwerdeführer schwer, die Insassen des mit seinem Personenkraftwagen kollidierenden Lastkraftwagens aber gar nicht verletzt wurden. Hinsichtlich der behaupteten Alkoholisierung des Beschwerdeführers lagen folgende Ermittlungsergebnisse vor:
Beim Eintreffen der Gendarmerie am Unfallsort war der Beschwerdeführer bereits von HN weggebracht worden; der Lenker des Lastkraftwagens gab an, der Beschwerdeführer sei vermutlich alkoholisiert gewesen. Um 19.00 Uhr stellten die Gendarmeriebeamten über Funk fest, daß der verletzte Beschwerdeführer noch nicht beim Gemeindearzt eingetroffen sei; nach diesem Zeitpunkt stellten die Gendarmeriebeamten fest, daß sich der Beschwerdeführer noch im Hause des HN aufhielt. Erst gegen 19.50 Uhr wurde der Beschwerdeführer zum Gemeindearzt Dr. G gebracht. Laut dem von diesem Gemeindearzt ausgefüllten Formblatt gab der Beschwerdeführer an, vor dem Unfall einen Schnaps und zwei Achtel Weißwein getrunken zu haben, hievon ein Achtel Weißwein in der Zeit zwischen 16.00 und 17.00 Uhr. Nach dem Unfall habe er nichts getrunken. Die klinische Untersuchung, ab 19.55 Uhr vorgenommen, ergab eine sichere Romberg-Probe, einen sicheren Finger-Nasenversuch, eine prompte Pupillenreaktion, einen Nystagmus von 5 Sekunden, der vom Arzt als grobschlächtig bezeichnet wurde, eine leichte Rötung der Bindehäute, einen Schockzustand, deutliche Sprache, leichten Geruch der Atemluft nach Alkohol, beherrschtes Benehmen. Die Eintragung über den Gang ist wegen ihrer Unklarheit nicht zu verwerten. Die klinische Beurteilung durch den Arzt lautete auf leichte Alkoholisierung. Das ärztliche Gutachten lautete auf Alkoholbeeinträchtigung in einem Zustand, der mindestens 0,8 %o Blutalkohol entspricht. Von den beiden vorgedruckten Kästchen bei der Frage auf Fahruntüchtigkeit wurde das mit "Nein" bezeichnete mit einem Fragezeichen ausgefüllt; das mit "Ja" bezeichnete blieb unausgefüllt. Die Fahruntüchtigkeit wurde als überwiegend durch Alkohol verursacht gekennzeichnet. Mit Zustimmung des Beschwerdeführers wurde diesem um 19.50 Uhr Blut abgenommen; das Blutalkohol-Gutachten der Bundesanstalt für bakteriologische und serologische Untersuchungen in Linz ergab, auf die Tatzeit unigerechnet, einen Wert von 1,94 %o. In einer von der Gendarmerie am mit dem Beschwerdeführer aufgenommenen Niederschrift gab dieser an, von etwa 12.00 Uhr des Unfalltages bis zur Unfallszeit an verschiedenen Orten ein Sechzehntelliter Weißwein, zwei Viertel Most und ein Stamperl Bauernschnaps getrunken zu haben. Erstmals brachte er vor, er sei nach dem Unfall von seinem Kollegen HN in dessen Haus gebracht worden, wo ihm auf Grund seines Schockzustandes zwei Schmerztabletten (Pyramidon) und zwei "große Kognak" verabreicht worden seien. Um zirka 17.00 Uhr habe er eine Schweinsstelze mit Beilage und zwei Fruchtgetränke zu sich genommen.
Auf Grund der gegen den Beschwerdeführer erstatteten und gemäß § 29 a VStG 1950 an die Bundespolizeidirektion Linz abgetretenen Anzeige datierte die letztgenannte Behörde am einen Beschuldigten-Ladungsbescheid gegen den Beschwerdeführer, in dem ihm unter anderem hinsichtlich des oben genannten Sachverhaltes die Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) zum Vorwurf gemacht wurde; diese Ladung wurde am vom Postamt Linz an der Donau Nr. 4010 zur Zustellung übernommen.
Das Verwaltungsstrafverfahren wurde, nachdem der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers erklärt hatte, eine schriftliche Rechtfertigung einbringen zu wollen, in der Folge deshalb nicht weiter betrieben, weil beim Bezirksgericht Lambach ein gerichtliches Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen des eingangs genannten Unfalles anhängig war. Mit Schriftsatz vom brachte der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren vor, seine Alkoholisierung sei auf einen Nachtrunk bei HN zurückzuführen, dieser habe ihm am Tattage zwischen 18.30 Uhr und 19.00 Uhr zwei "große Kognaks", das seien "gut zwei Doppelte" gewesen, gegeben. Außerdem habe der Beschwerdeführer dort zwei Pyramidon zu sich genommen.
Am erstattete der Polizeiarzt Dr. HW ein Gutachten dahin, es müsse zugunsten des Beschwerdeführers angenommen werden, er habe tatsächlich 80 ccm Kognak nach dem Unfall getrunken, welche Menge zur Zeit der Blutabnahme bereits voll resorbiert gewesen sei. Diese getrunkene Alkoholmenge ergab nach Widmark ohne Berücksichtigung des Zeitfaktors bei einem Körpergewicht von 80 kg einen Blutalkoholgehalt von 0,64 %o; zöge man diesen Wert vom festgestellten Blutalkoholwert 1,94 %o ab, so komme man auf 1,3 %o; zöge man davon noch 0,15 %o ab - was einem Zeitabstand von 50 Minuten vom Unfall entspräche - so bleibe im Ergebnis immer noch ein Wert zum Tatzeitpunkt, der eindeutig über 0,8 %o liege. Der Beschwerdeführer legte in der Folge das im gerichtlichen Strafverfahren erstattete Gutachten des D. Prof. Dr. KJ vor und beantragte, das im Verwaltungsstrafverfahren eingeholte Gutachten überprüfen zu lassen.
Das in der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht Lambach am mündlich erstattete Gutachten des genannten Univ. Professors läßt sich wie folgt zusammenfassen: Wurden nur zwei Doppelstamperl Kognak, wie anfänglich vom Beschwerdeführer behauptet, getrunken, dann sei der Blutalkoholspiegel zum Unfallszeitpunkt auf jeden Fall über 1 %o gewesen. Dies würde auch mit der Fahrweise des Beschwerdeführers in Einklang zu bringen sein. Nur wenn der Beschwerdeführer zwei Achtelliter eines konzentrierten alkoholischen Getränkes konsumiert hätte, wäre ein Blutalkoholwert unter 0,8 %o anzunehmen. Diese Version des Gerichtssachverständigen bezog sich auf die Verantwortung des Beschwerdeführers vor Gericht, HN habe ihm gesagt, er habe ihm nach dem Unfall zwei sehr große doppelte Kognaks verabreicht; der Beschwerdeführer selbst könne sich an die genaue Alkoholmenge nicht erinnern; ferner aber auch auf die vor Gericht abgelegte Zeugenaussage des HN, seine Frau habe dem Beschwerdeführer einen großen Kognak verabreicht, er selbst habe ihm ebenfalls einen großen Kognak gegeben, es dürfte zirka ein Achtelliter gewesen sein. Seine Frau habe dem Beschwerdeführer Kognak gegeben, er, N, aber ein Glas Dubonet. In der genannten Hauptverhandlung kam das Bezirksgericht Lambach zu einem Schuldspruch des Beschwerdeführers wegen Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB unter besonders gefährlichen Verhältnissen im Sinne des § 81 Z. 2 StGB. Das Bezirksgericht nahm hiebei einen Nachtrunk von 80 ccm Alkohol, und zwar Kognak und Dubonet, an und erklärte, der Aussage des Zeugen N über eine verabreichte Alkoholmenge von zirka einem Achtelliter nicht folgen zu können. Es falle nämlich auf, daß von Mal zu Mal größere Alkoholmengen als Nachtrunk angegeben werden. Das Gericht komme daher, unter Außerachtlassung der Annahme, der Beschwerdeführer habe zwei Achtel Alkohol nachgetrunken, mit dem Sachverständigen Dr. J zum Schluß, es sei im Tatzeitpunkt ein Blutalkoholgehalt von zirka 1,22 %o vorgelegen. Daher lägen beim Beschwerdeführer die erschwerenden Umstände nach § 81 Z. 2 StGB vor. Dieses Urteil wurde vom Beschwerdeführer mit Berufung bekämpft; mit Urteil des Kreisgerichtes Wels vom wurde aus Anlaß der Berufung dieses Urteil aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Bezirksgericht Lambach zurückverwiesen. Die Urteilsaufhebung erfolgte nach den Gründen des Berufungsgerichtes in erster Linie deshalb, weil keine Feststellungen über die Gefährdung der Insassen des Lastkraftwagens vorlägen, was aber Voraussetzung für den Tatbestand nach § 89 StGB wäre. Ferner lasse das Ersturteil nicht deutlich erkennen, worauf es seine Feststellungen über den Nachtrunk eigentlich stütze, insbesondere, ob es der ersten oder der zweiten Version des Zeugen N folge und warum dies geschehe. In der Folge wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Bezirksgerichtes Lambach vom von der wider ihn erhobenen Anklage freigesprochen; das Urteil liegt nur in der Form eines Protokolls- und Urteilsvermerkes vor, so daß aus dem Akt die Gründe des Freispruches nicht ersichtlich sind.
Noch vor diesem endgültigen gerichtlichen Freispruch fällte die Bundespolizeidirektion Linz am das Straferkenntnis über den Beschwerdeführer, er habe zur Tatzeit am Tatort seinen Personenkraftwagen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt; er habe hiedurch die Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO begangen, gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO wurde eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzarreststrafe 21 Tage) verhängt. In der Begründung berief sich die genannte Behörde auf die Ergebnisse der klinischen ärztlichen Untersuchung, auf die der Blutuntersuchung, auf das polizeiärztliche Gutachten sowie auf das Gutachten des Univ. Prof. Dr. KJ. Hinsichtlich des Nachtrunkes verwies die Begründung auf das polizeiärztliche Gutachten und auf jene Variante des Gutachtens Dris. J, die sich auf die Version des Beschwerdeführers bezog, zwei Doppelstamperl Kognak getrunken zu haben. Schließlich ermögliche die Fahrweise des Beschwerdeführers vor dem Unfall Schlüsse auf seine Fahruntüchtigkeit.
Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er behauptete, am Unfallstag zwischen 18.30 Uhr und 19.00 Uhr bei HN "eine ziemliche Menge Alkohol konsumiert und außerdem zwei Pyramidon-Tabletten" zu sich genommen zu haben. Die in der Folge aufgetretenen Ausfallserscheinungen wie Schock, Blässe, Unsicherheit seien auf jeden Fall auf die beim Unfall erlittenen schweren Verletzungen bzw. auf eine allfällige Alkoholisierung nach dem Unfall zurückzuführen. Es werde die Einholung eines weiteren medizinischen Gutachtens beantragt.
Am erstattete der Amtssachverständige Dr. T ein Aktengutachten. Er ging unter anderem von einer Nachtrunkmenge von zwei großen Kognaks aus. 120 ml enthielten 36 Gramm Aethanol. Wegen des ausgiebigen Essens des Beschwerdeführers fielen davon mindestens 30 % überhaupt weg; es blieben 25,2 Gramm Aethanol. Dies ergebe bei 80 kg Körpergewicht einen Blutalkoholgehalt von 0,45 %o. Der rückgerechnete Blutalkoholgehalt von 1,94 %o abzüglich den Nachtrunk von 0,45 %o ergäbe somit für den Zeitpunkt des Unfalls mindestens einen Blutalkoholgehalt von 1,49 %o. Im übrigen seien die vom Beschwerdeführer insgesamt angegebenen Trinkmengen mit Sicherheit wesentlich zu gering. Das Medikament Pyramidon habe keine Auswirkung auf den Blutalkoholgehalt.
In der Folge verwies der Beschwerdeführer auf die Aufhebung des Ersturteils des Bezirksgerichtes Lambach und darauf, daß im fortgesetzten gerichtlichen Strafverfahren ein weiterer Sachverständiger zur Frage der Alkoholisierung Stellung nehmen werde; in einem weiteren Schriftsatz vom gab der Beschwerdeführer seinen nunmehr erfolgten gerichtlichen Freispruch bekannt und brachte hinsichtlich der Hauptverhandlung vom vor dem Bezirksgericht Lambach vor, die Ehegatten N hätten nunmehr völlig unabhängig voneinander angegeben, dem Beschwerdeführer als Nachtrunk je ein Achteil Kognak bzw. Dubonet gegeben zu haben. Das Bezirksgericht Lambach habe in der Hauptverhandlung sogar die verwendeten Kognakschwenker holen lassen und sodann feststellen können, daß ein Achtelliter Flüssigkeit in einem solchen Schwenker Platz habe. Daraufhin habe das Bezirksgericht Lambach in Übereinstimmung mit dem Gutachten Dris. J angenommen, daß die Nachtrunkmenge von zusammen einem Viertelliter einen rückgerechneten Blutalkoholgehalt von unter 0,8 %o ergebe.
Am ergänzte der Amtssachverständige Dr. T sein Aktengutachten. Er ging nunmehr von einem Nachtrunk in der Menge von zwei Achtelliter aus, wobei er zugunsten des Beschwerdeführers den alkoholschwächeren Dubonet dem alkoholstärkeren Kognak gleichstellte. Nach dem ausgiebigen Essen einer Schweinsstelze mit Beilagen um 17.00 Uhr müsse aber ein Resorptionsdefizit von mindestens 30 % angenommen werden, so daß von den durch den Nachtrunk aufgenommenen 75,4 Gramm Aethanol nur mehr 52,8 Gramm zurückblieben. Diese erbrächten bei einem Körpergewicht von 80 kg einen Blutalkoholgehalt von 1,0 %o; dieser Wert, abgezogen vom rückgerechneten Blutalkoholgehalt von 1,94 %o ergebe immer noch einen Blutalkoholgehalt von 0,94 %o. Der Gerichtssachverständige Dr. J habe kein Resorptionsdefizit einbezogen.
Dazu erstattete der Beschwerdeführer am eine Stellungnahme. Richtig sei, daß er seinerzeit angegeben habe, in der Zeit von etwa 17.00 Uhr eine Schweinsstelze mit Beilagen und zwei Fruchtgetränken zu sich genommen zu haben. Die Einnahme der Speise könne allerdings auch eine halbe Stunde vorher oder nachher gewesen sein. Dies ergebe zweifellos einen anderen Alkoholwert, als nunmehr errechnet. Das Fruchtgetränk sei das zitrushaltige Getränk Cappy gewesen. Bei der Blutalkoholbestimmung nach den drei herkömmlichen Methoden sei zweifellos, wenn auch nur geringfügig, Aceton miteinbezogen worden, welches aber von diesen zitrushaltigen Getränken herrühre. Der Sachverständige habe ein Resorptionsdefizit von 30 % angenommen; dies sei nur ein Annahmewert, weil die Resorptionsfähigkeit von Mensch zu Mensch verschieden sei. Es seien durchschnittliche Schwankungen bis zu 20 % plus oder minus möglich. Bei Reihenuntersuchungen habe sich ergeben, daß der Resorptionsverlust bis zu 60 % ausmachen könne. Es sei daher der Nachweis nicht zu erbringen, daß beim Beschwerdeführer ein 0,8 %o übersteigender Blutalkoholgehalt vorgelegen sei.
Am l0. Mai 1979 erstattete der Amtssachverständige Dr. T eine weitere ergänzende Stellungnahme. Darnach falle es nicht ins Gewicht, ob die Schweinsstelze eine halbe Stunde früher oder später gegessen worden sei. Das im Fruchtgetränk enthaltene Aceton habe auf die Blutanalyse keinen Einfluß. Wenn der Beschwerdeführer anstatt 30 % Resorptionsdefizit nun 60 % einsetze, dann bleibe für den Abzug ein geringerer Wert übrig, der so rückgerechnete Blutalkoholgehalt müsse höher liegen. Das Ergebnis des Gutachtens bleibe somit unverändert.
Daraufhin äußerte sich der Beschwerdeführer am dahin, diese Ausführungen seien nicht stichhaltig. Die Untersuchungen nach Widmark wiesen einen Fehlerspielraum von plus oder minus 20 % auf. Es werde diesbezüglich auf Jarosch, "Alkohol und Recht2, S 86, verwiesen. Außerdem könne durch die Einnahme von zitrushaltigen Getränken sehr wohl Fehlerquellen bis zu 0,7 auftreten, wozu auf die Ausführungen in ZVR 1978, Heft 10, hingewiesen werde. Der Sachverständige wolle hiezu noch einmal ergänzend gehört werden. "
Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab und bestätigte das erstbehördliche Straferkenntnis sowohl hinsichtlich des Schuldausspruches als auch hinsichtlich der verhängten Strafe. Nach Wiedergabe der mehreren Sachverständigengutachten und der mehreren Stellungnahmen des Beschwerdeführers vertrat die belangte Behörde die Ansicht, es stehe auf Grund der letzten Ergänzung des Amtsgutachtens für sie fest, daß der Beschwerdeführer zur Tatzeit ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand mit einem Blutalkoholgehalt von mehr als 0,8 %o gelenkt habe. Er habe hiedurch die Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO begangen. Der gerichtliche Freispruch vermöge daran nichts zu ändern, weil einerseits die Voraussetzungen für die Erfüllung des qualifizierten Tatbestandes nach § 81 Z. 2 StGB ganz andere seien als diejenigen nach § 5 Abs. 1 StVO und andererseits die Verwaltungsbehörde an die Verfahrensergebnisse und die Beweiswürdigung des Strafgerichtes im vorliegenden Fall nicht gebunden sei. Es sei auch nicht erwiesen, daß der Nachtrunk dem Beschwerdeführer gegen seinen Willen eingeflößt worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 5 Abs. 1 StVO darf, wer sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befindet, ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Blutalkoholgehalt von 0,8 %o und darüber gilt der Zustand einer Person als von Alkohol beeinträchtigt.
Insoweit der Beschwerdeführer auf seinen gerichtlichen Freispruch verweist, muß darauf hingewiesen werden, daß dessen Begründung aus dem Gerichtsakt nicht ersichtlich ist und daß selbst dann, wenn das Bezirksgericht Lambach eine Alkoholisierung des Beschwerdeführers im Sinne des § 81 Z. 2 StGB nicht angenommen haben sollte, die Behörden Verwaltungsstrafverfahrens an diese gerichtliche Ansicht nicht gebunden waren. Diesbezüglich kann somit der belangten Behörde kein Rechtsirrtum vorgeworfen werden.
In der Frage des Nachtrunkes ging der Amtssachverständige Dr. T in seinen beiden letzten Stellungnahmen ohnehin davon aus, daß der Nachtrunk in zwei Achtelliter Kognak bestanden habe. Wenn der Sachverständige hiebei aber ferner noch das Resorptionsdefizit durch die laut Angaben des Beschwerdeführers gegen 17.00 Uhr gegessene Schweinsstelze berücksichtigte, so hat er sein Gutachten damit weder mit Unschlüssigkeit behaftet noch steht es im Widerspruch mit dem in der Hauptverhandlung vom abgegebenen Gutachten Dris. J, weil dieser die Frage des Resorptionsdefizites überhaupt nicht - weder positiv noch negativ -
behandelte. In der weiteren gerichtlichen Hauptverhandlung am wurde aber, so laut Protokolls- und Urteilsvermerk, dieser Sachverständige gar nicht vernommen.
Zu den auf die medizinische Literatur gestützten Einwänden der Beschwerde gegen das Gutachten Dris. T ist zu sagen:
In dem Buch des Sachverständigen Dr. J "Alkohol und Recht2", heißt es auf Seite 86 nur, die Widmark-Formel mit einer Fehlerbreite von plus oder minus 20 % laute wie folgt. Daraus kann nicht abgeleitet werden, daß jedes Gutachten über den Blutalkoholgehalt auf Grund eben dieser Formel mit einem solchen Fehler behaftet sein müsse. Unter dem weiteren Hinweis auf "ZVR 1978, Heft 10", kann offenbar nur der Aufsatz von Herbich, Alkoholisierung bei Verkehrsunfällen und anderen Unfällen unter besonderer Berücksichtigung der Alkoholisierung bei Berufschauffeuren und der Zunahme der Blutalkoholwerte über 3,0 %o, ZVR 1978, S 308 ff, verstanden werden. In diesem Aufsatz findet sich nichts über den Einfluß der Einnahme von zitrushaltigen Getränken auf den Blutalkoholgehalt. Richtig ist, daß in diesem Aufsatz ganz allgemein von Fehlerquellen bei der Ermittlung des Blutalkoholgehaltes die Rede ist, doch sagt der Autor (S 314), von einem Versagen der klinischen Untersuchung oder von Fehldiagnosen schlechthin zu sprechen, sei absurd; ferner sagt der Autor auf S 315, die einzige sichere Basis zu einem Befund über den Ablauf der Alkoholaufnahme sei der durch Untersuchungen einer Blutprobe ermittelte Promillewert.
Daß schließlich die Auswertung abgenommenen Blutes - bei aller gegebenen Möglichkeit, daß hiebei Fehler unterlaufen - eine an sich zulässige und verwertbare Maßnahme darstellt, ergibt sich aus den Bestimmungen der Abs. 6 und 7 des § 5 StVO.
Sofern die Beschwerde behauptet, der Beschwerdeführer habe "im Schriftsatz vom " (richtig wohl vom ) beantragt, Prof. Dr. J nochmals einzuvernehmen, ist dies aktenwidrig. Nach dem Zusammenhang in diesem Schriftsatz ist unter dem Sachverständigen, der "hiezu noch einmal ergänzend gehört werden möge" der Amtssachverständige Dr. T zu verstehen; schließlich wurde Dr. J von den Verwaltungsstrafbehörden im vorliegenden Verfahren nie einvernommen, so daß Dr. J auch nicht "nochmals" einvernommen werden konnte.
Sofern der Beschwerdeführer ein gleichsam abstraktes Recht auf Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" behauptet, irrt er. Es ist in den Verfahrensgesetzen nicht festgehalten, daß bei jedem Zweifel an den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens mit Einstellung vorzugehen sei; dieser Grundsatz greift nur Platz, wenn die für und gegen den Beschuldigten sprechenden Umstände (vgl. § 25 Abs. 2 VStG 1950) nach der Beweiswürdigung der Behörde gleiches Gewicht haben. Daß dies aber hier nicht der Fall ist, hat die belangte Behörde ausreichend dargetan.
Schließlich ist es rechtlich unerheblich, ob der Nachtrunk vom Beschwerdeführer freiwillig und im Zustand voller Zurechnungsfähigkeit eingenommen wurde oder unter Schockeinwirkung oder auf Einwirkung anderer Personen; der Beschwerdeführer wurde nämlich nicht wegen des Nachtrunkes einer Verwaltungsübertretung schuldig erkannt.
Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Verjährungseinrede ist festzuhalten:
Gemäß § 31 Abs. 2 VStG 1950, in der Fassung vor der am in Kraft getretenen Novelle BGBl. Nr. l01/1977, betrug die Verjährungsfrist bei der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO drei Monate. Sie endete somit, vom Zeitpunkt der am gesetzten Tat berechnet, gemäß § 32 Abs. 2 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) mit Ablauf des . An diesem Tag war aber, wie bereits oben erwähnt, der Beschuldigten-Ladungsbescheid der Bundespolizeidirektion Linz bereits beim Postamt Linz Nr. 4010 eingelangt. Die Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG 1950 war demnach innerhalb der Verjährungsfrist nach außen in Erscheinung getreten. Dies genügt aber zur Wahrung der Verjährungsfrist (vgl. Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 3055/A).
Die Frist des § 31 Abs. 3 VStG 1950 endete mit Ablauf des . Da die belangte Behörde den bestätigenden Berufungsbescheid vom durch seine Zustellung bereits am erlassen hat, hat sie nicht gegen das Verbot der genannten Gesetzesstelle verstoßen, daß ein Straferkenntnis nach Ablauf der Dreijahresfrist nicht mehr gefällt werden darf. Sohin erweist sich auch diese Rechtsrüge der Beschwerde als unbegründet.
Da es dem Beschwerdeführer insgesamt nicht gelungen ist, die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften darzutun, war seine Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VWGG 1965 als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 2 lit. b, 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | VStG §25 Abs2; VStG §32 Abs2; VStG §45 Abs1 lita; |
Sammlungsnummer | VwSlg 10033 A/1980 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1980:1979002309.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
AAAAF-58472