VwGH 27.04.1981, 2299/79
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Von einem steuerlich beachtlichen Zufluß von Einnahmen kann nur gesprochen werden, wenn der Steuerpflichtige rechtlich und wirtschaftlich über die Einnahmen verfügen kann. Eine solche Verfügungshandlung kann auch darin bestehen, daß der Steuerpflichtige seine Zustimmung erteilt, daß Einnahmen in Hinkunft einem Dritten ausbezahlt werden. |
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RS 2 | Leistungen aus einer ausländischen (im Beschwerdefall: Schweizerischen) gesetzlichen Pensionsversicherung sind wiederkehrende Bezüge iS des § 29 Z 1 EStG. Sie sind aber nicht als Gegenleistungsrenten anzusehen, wenn sie nicht nur auf den Beitragsleistungen (Pflichtbeiträgen) der Versicherten beruhen, sondern weitgehend nach anderen als rein wirtschaftlichen Überlegungen festgesetzt werden. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Pokorny, Dr. Wetzel und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gancz, über die Beschwerde des KW in B, vertreten durch Dr. Hans Widerin, Rechtsanwalt in Bludenz, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat) vom , Zl. 2715-1/1979, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1977, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.290,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wies in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 1977 unter den sonstigen Einkünften Rentenbezüge aus der Schweizerischen Ausgleichskasse (Genf) in Höhe von S 68.686,-- aus. Im Veranlagungsverfahren wurde festgestellt, daß es sich hiebei um eine Ehepaar-Altersrente handelte, daß die Ehefrau des Beschwerdeführers mit Wirkung ab die halbe Ehepaar-Altersrente für sich beansprucht hatte und daß die daraufhin an sie ausbezahlten Rentenbeträge in dem erklärten Betrag nicht enthalten waren.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, daß ungeachtet der Auszahlung der halben Ehepaar-Altersrente an die Ehefrau des Beschwerdeführers die gesamte Rente dem Beschwerdeführer zuzurechnen sei, weil dieser allein den Rentenanspruch als seinerzeit in der Schweiz beschäftigter Grenzgänger erworben habe, und erhöhte dementsprechend die vom Beschwerdeführer erklärten Rentenbezüge um den an seine Ehegattin ausbezahlten Betrag von S 23.526,-- auf insgesamt S 92.212,--.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung und wandte sich nunmehr nicht nur gegen die Zurechnung der an seine Ehefrau ausbezahlten halben Ehepaar-Altersrente, sondern beantragte, die Rentenbezüge überhaupt außer Ansatz zu lassen, da es sich dabei um wiederkehrende Bezüge im Sinne des § 29 Z. 1 EStG handle, die als Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern, nämlich für die jahrelang geleisteten Beiträge, geleistet würden und die daher gemäß der zitierten Bestimmung erst mit Übersteigen des kapitalisierten Wertes der Rentenverpflichtung der Einkommensbesteuerung unterlägen.
Die belangte Behörde wies die Berufung ab. Der Umstand, daß die Ehefrau berechtigt sei, die halbe Ehepaar-Altersrente für sich zu beanspruchen, ändere nichts daran, daß der Rentenanspruch selbst nur dem Beschwerdeführer zugerechnet werden könne, denn nur dieser habe als in der Schweiz beschäftigter pflichtversicherter Grenzgänger den Rentenanspruch erworben. Was die Steuerrentenbezüge selbst betreffe, sei zu sagen, dabei wohl um wiederkehrende Bezüge im Sinne § 29 Z. 1 EStG handle; es könne jedoch nicht gesagt werden, daß diese Bezüge als Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern geleistet würden. Vielmehr beruhe die Rente auf einem gesetzlichen Anspruch, der mit der ebenfalls gesetzlich geregelten Beitragspflicht "nicht in unmittelbarer Beziehung von Leistung und Gegenleistung" stehe.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die Schweizerische Ausgleichskasse habe bescheidmäßig den Anspruch der Ehefrau des Beschwerdeführers auf die halbe Ehepaar-Altersrente festgestellt. Darin sei eine Überlassung der Einkünfte samt Einkunftsquelle zu erblicken. Die halbe Ehepaar-Altersrente könne daher nur der Ehefrau des Beschwerdeführers zugerechnet werden. Dies ergäbe sich auch aus § 19 EStG, wonach Einnahmen im Jahr des Zufließens zu besteuern seien. Einnahmen, die dem Beschwerdeführer nicht zugeflossen seien, könnten sohin auch nicht bei ihm besteuert werden. Im übrigen wird in der Beschwerde das Berufungsvorbringen wiederholt, wonach die Ehepaar-Altersrente als Gegenleistung für die durch viele Jahre hindurch an die Schweizerische Alters-und Hinterlassenenversicherung "geleisteten Bargeldbeträge" anzusehen und daher gemäß § 29 Z. 1 letzter Satz EStG nur insoweit steuerpflichtig sei, als die Summe der vereinnahmten Beträge den auf den Zeitpunkt der Übertragung kapitalisierten Wert der Rentenverpflichtung übersteige.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Bei der in Rede stehenden Rente handelt es sich um eine Ehepaar-Altersrente gemäß Art. 22 des Schweizerischen Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung vom , Bbl. 1947 I 1; AS 1947 837, in der Fassung des Bundesgesetzes vom , Bbl. 1972 II 1057; AS 1972 2483, in der Folge AHVG genannt. Unbestritten ist, daß derartige Renten wiederkehrende Bezüge im Sinne des § 29 Z. 1 EStG 1972 darstellen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2997/53, Slg. Nr. 1182/F, sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 213/66). Die eben zitierte Gesetzesstelle lautet:
"Sonstige Einkünfte sind:
1. wiederkehrende Bezüge, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z. 1 bis 6 gehören. ... Werden die wiederkehrenden Bezüge als Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern geleistet, so sind sie, nur insoweit steuerpflichtig, als die Summe der vereinnahmten Beträge den auf den Zeitpunkt der Übertragung kapitalisierten Wert der Rentenverpflichtung (§ 16 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes 1955) übersteigt, …….."
Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, daß die Ehepaar-Altersrente aus der Schweizerischen Alters- und Hinterlassenenversicherung deswegen "als Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern" geleistet wird und daher erst nach Übersteigen ihres kapitalisierten Wertes steuerlich zu erfassen ist, weil sie auf Beitragsleistungen (= Wirtschaftsgütern) beruhe. Dem kann der Verwaltungsgerichtshof nicht zustimmen. Eine Übertragung von Wirtschaftsgütern als Gegenleistung für den Erwerb eines Rentenanspruches setzt eine wechselseitige Leistungsbeziehung nach Art eines entgeltlichen Rechtsgeschäftes voraus. Nur in einem solchen Fall kann der Erwerb eines Rentenanspruches einerseits und die Hingabe von Wirtschaftsgütern andererseits in dem vom Gesetz geforderten Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stehen. Die bloße Verknüpfung einer gesetzlichen Leistungsverpflichtung mit einem gesetzlichen Leistungsanspruch begründet jedoch für sich allein noch kein derartiges Verhältnis. Gerade im Bereich einer gesetzlichen Sozialversicherung, wie der hier zu beurteilenden Schweizerischen obligatorischen Versicherung in der Alters- und Hinterlassenenversicherung, wird dies deutlich. Einerseits besteht nämlich die gesetzliche Beitragspflicht losgelöst davon, ob im Einzelfall tatsächlich einmal mit einer "Gegenleistung" in Form einer entsprechenden Altersversorgung gerechnet werden kann und andererseits beruhen die Leistungen aus einer gesetzlichen Altersversorgung nicht nur auf den Beitragsleistungen der Versicherten, sondern werden auch weitgehend nach anderen als rein wirtschaftlichen Überlegungen festgesetzt.
Die Schweizerische Alters- und Hinterlassenenversicherung ist in ihrer Grundkonzeption durchaus vergleichbar mit dem System der österreichischen gesetzlichen Pensionsversicherung. Sie hat Pflichtmitglieds- und Pflichtbeitragscharakter (Art. 1 und Art. 3 ff AHVG) und sieht bei Arbeitnehmern eine zusätzliche Beitragspflicht der Arbeitgeber vor (Art. 12 AHVG). Unabhängig von den tatsächlich geleisteten Beiträgen haben die versicherten Personen Anspruch auf eine Mindestrente (sogenannter "fester Rententeil", Art. 34 AHVG). Bei Ermittlung des "veränderlichen Rententeiles" der sogenannten Vollrente wird nicht auf die tatsächliche Summe sämtlicher Beiträge, sondern bloß auf einen durchschnittlichen Jahresbeitrag abgestellt (Art. 34 AHVG). Obwohl die nichterwerbstätige Ehefrau von der Beitragspflicht befreit (Art. 3 Abs. 2 lit. b AHVG), für sie sohin vom Ehemann kein Beitrag zu entrichten ist, hat der Ehemann grundsätzlich einen Anspruch auf eine Ehepaar-Altersrente, die 150 % der einfachen Altersrente beträgt (Art. 22 und 35 AHVG). Die Finanzierung der Versicherungsleistungen erfolgt durch die Beiträge der Versicherten und der Arbeitgeber, durch Beiträge der öffentlichen Hand (Bund, Kantone) sowie durch die Zinsen des Ausgleichsfonds (Art. 102 AHVG).
Aus dieser Kurzdarstellung ist bereits erkennbar, daß die gesetzliche Beitragspflicht und die gesetzlichen Rentenansprüche keinesfalls im Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stehen. Fehlt es aber an diesem Kriterium, dann kann auch die Bestimmung des § 29 Z. 1 letzter Satz EStG nicht zum Tragen kommen, sodaß die Rentenbezüge im vollen Umfang der Steuerpflicht unterliegen. Die Beschwerde erweist sich daher in diesem Punkt als unbegründet.
Anders verhält es sich mit dem Beschwerdevorbringen, daß die halbe Ehepaar-Altersrente, die von der Ehefrau des Beschwerdeführers beansprucht und seit an sie ausbezahlt wurde, steuerlich nicht dem Beschwerdeführer zugerechnet werden könne. Die maßgebende Bestimmung des Art. 22 Abs. 2 AHVG lautet:
"Die Ehefrau ist befugt, für sich die halbe Ehepaar-Altersrente zu beanspruchen. Bei Beginn des Ehepaar-Rentenanspruches hat die Ehefrau zu erklären, ob sie die halbe Ehepaar-Altersrente beanspruchen will. Sie kann in einem späteren Zeitpunkt auf ihren Entscheid zurückkommen. Vorbehalten bleiben abweichende zivilrichterliche Anordnungen."
Unbestritten ist, daß die Ehefrau des Beschwerdeführers einen derartigen Antrag gestellt hat und daß die halbe Ehepaar-Altersrente seit unmittelbar an sie ausbezahlt wird. Damit ist aber dieser Teil der Rentenbezüge zweifellos sowohl der rechtlichen wie auch der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Beschwerdeführers entzogen. Gemäß § 19 Abs. 1 EStG sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Nach Lehre und Rechtsprechung kann von einem steuerlich beachtlichen Zufluß nur dann gesprochen werden, wenn der Steuerpflichtige rechtlich und wirtschaftlich über die Einnahmen verfügen kann (siehe Hofstätter-Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar Tz. 3 zu § 19 und die dort angeführte Judikatur). Da ein Antrag gemäß Art. 22 Abs. 2 AHVG die Zustimmung des Ehemannes nicht voraussetzt, ist auch nicht zu untersuchen, ob der Beschwerdeführer eine solche Zustimmung erteilt und damit eine an sich denkbare einmalige, zeitlich vorgezogene Verfügungshandlung gesetzt hat, die eine steuerliche Erfassung der betreffenden Rentenbezüge bei ihm rechtfertigen könnte. Hatte aber der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit, über jene Teile der Ehepaar-Altersrente zu verfügen, die seine Ehefrau für sich beansprucht hat und die ihr auch tatsächlich ausbezahlt wurden, dann sind ihm diese gemäß § 19 Abs. 1 EStG nicht zugeflossen und können ihm daher einkommensteuerlich auch nicht zugerechnet werden.
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig; er war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil ein Zuspruch von Umsatzsteuer über den für den Ersatz des Schriftsatzaufwandes in der zitierten Verordnung des Bundeskanzlers vorgesehenen Pauschbetrag von S 3.000,-- hinaus nicht vorgesehen ist.
Wien, am
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1981:1979002299.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAF-58452