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VwGH 03.10.1978, 2288/77

VwGH 03.10.1978, 2288/77

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
BauO Stmk 1968 §4;
BauRallg impl;
RS 1
Nach § 4 Abs1 Stmk BauO besteht ein Wahlrecht nur zwischen Aneinanderkuppeln oder beiderseitigen Abrücken von der Grundgrenze; § 4 Abs 1, 3. Satz BauO ist NEBEN der Regelung des Gebäudeabstandes maßgeblich für das Vorliegen eines "ausreichenden" Abstandes im Sinne des § 4 Abs 1, 1. Satz BauO.
Norm
AVG §42 Abs1;
RS 2
Die Präklusionsfolgen nach § 42 AVG beziehen sich nur auf das Recht selbst, deren Verletzung geltend gemacht wird, nicht aber auf die Gründe, auf die sich diese Behauptung stützt. (Hinweis auf E , 120/74).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rath und die Hofräte Dr. Straßmann, Dr. Griesmacher, DDr. Hauer und Dr. Würth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsrat Dr. Thumb, über die Beschwerde des AS und der BS, beide in K, beide vertreten durch Dr. Hans Exner, Rechtsanwalt in Judenburg, Friedhofgasse 1, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. 3-338 Fe 16/3-1977, betreffend Erteilung einer Widmungsbewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1) JF in Z 1 und 2) Stadtgemeinde Z, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 3.300,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom ersuchte der Erstmitbeteiligte bei der Stadtgemeinde Z um die Erteilung der baubehördlichen Widmungsbewilligung für die Errichtung von Zubauten zu beiden Seiten einer bestehenden Montagehalle auf dem Grundstück 502/1 (richtig: 502/6) der KG Z. Mit Kundmachung des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom wurden die Beschwerdeführer in ihrer Eigenschaft als Nachbarn unter Hinweis auf die Rechtsfolgen nach § 42 AVG 1950 zur mündlichen Verhandlung am geladen. Bei dieser Verhandlung begehrten die Beschwerdeführer die Einhaltung eines Abstandes von 4 m von ihrer Grundgrenze.

Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der Stadtgemeinde Z gemäß § 3 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 (BO), LGBl. Nr. 149, die angestrebte Widmungsbewilligung unter gleichzeitiger Vorschreibung einer Reihe von Auflagen. Die Einwendung der Beschwerdeführer betreffend Einhaltung eines Abstandes von 4 m wurde als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung führte die Baubehörde erster Instanz aus, nach § 4 Abs. 1 BO sei grundsätzlich die Errichtung eines Gebäudes unmittelbar an der Grundgrenze zulässig.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachten die Beschwerdeführer im wesentlichen vor, die Baubehörde habe übersehen, daß mit Bescheid vom für ihr angrenzendes Grundstück 500/2 die offene Bebauung festgelegt worden sei. Die Behörde sei insoweit an diesen Bescheid gebunden, als grundsätzlich auch für das Nachbargrundstück die offene Verbauung vorzuschreiben sei. Auch für die umliegenden Grundstücke sei die offene Verbauung festgelegt worden.

Mit Bescheid vom gab der Gemeinderat der Stadtgemeinde Z der Berufung keine Folge. Die Berufungsbehörde teilte die Ansicht der Behörde erster Instanz, nach § 4 BO sei die Errichtung eines Gebäudes unmittelbar an einer Nachbargrundgrenze zulässig. Auch bei Festlegung einer offenen Bebauung, wie sie für das Grundstück 500/2 erfolgt sei, könne an die Grundgrenze gebaut werden. Eine Widmungsbewilligung erlaube als individueller Verwaltungsakt eine bestimmte Bauführung im Rahmen der erteilten Auflagen, verpflichte jedoch nicht zu einer Bauführung; eine Bindung entstehe nur für den Widmungswerber im Falle der Abweisung seines Bauvorhabens.

Die dagegen eingebrachte Vorstellung der Beschwerdeführer wies die Steiermärkische Landesregierung mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet ab. Die Aufsichtsbehörde schloß sich hinsichtlich der Zulässigkeit der Verbauung bis an die Grundgrenze der Beschwerdeführer der Auffassung der Gemeindebehörden an. Die in der Vorstellung erstmals erhobenen Einwendungen betreffend Immissionen wurden als nach § 42 AVG 1950 präkludiert angesehen. Die Aufsichtsbehörde erachtete ferner das Vorbringen der Beschwerdeführer als präkludiert, zwischen dem auf der Liegenschaft des Erstmitbeteiligten bestehenden Gebäude und dem geplanten würde eine unzulässige Reiche entstehen.

In ihrer gegen diesen Bescheid vom gerichteten Beschwerde machen die Beschwerdeführer als Beschwerdepunkte die Zulassung der geschlossenen Verbauung des Grundstückes 502/6, insbesondere an die Grundgrenze zu ihrem Grundstück 500/2, sowie die Unterbrechung der an der Ostgrenze vorgesehenen Verbauung des Grundstückes 502/6 auf mindestens 2 m und die Schaffung einer sogenannten Reiche geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie die belangte Behörde in der Begründung des in Beschwerde gezogenen Bescheides zutreffend dargetan hat, haben die Beschwerdeführer anläßlich der Verhandlung im erstinstanzlichen Verfahren, zu der sie unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG 1950 geladen worden waren, zu dem Widmungsvorhaben des Erstmitbeteiligten nur die Einwendung erhoben, das Vorhaben müsse von ihrer Grundgrenze einen Mindestabstand von 4 m einhalten. Das bedeutet aber, daß die Beschwerdeführer hinsichtlich später erhobener Einwendungen als präkludiert anzusehen sind. Diese Folgen der Präklusion hatte auch die Aufsichtsbehörde und hat auch der Verwaltungsgerichtshof zu beachten (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Slg. Nr. 6246/A). Der Verwaltungsgerichtshof hatte daher den angefochtenen Bescheid nur dahin zu überprüfen, ob die Beschwerdeführer hinsichtlich ihrer rechtzeitig erhobenen Einwendungen im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte in ihren Rechten verletzt wurden. Rechtzeitig machten die Beschwerdeführer als Nachbarn geltend, das Bauvorhaben des Erstmitbeteiligten müsse einen Mindestabstand von ihrer Grundgrenze einhalten. In diesem Zusammenhang verwiesen sie zu Recht darauf, daß ihnen anläßlich der Erteilung einer Widmungsbewilligung die Einhaltung eines Abstandes von der gemeinsamen Grundgrenze im Hinblick auf den Bestand einer Baulichkeit auf der nun zu verbauenden Liegenschaft vorgeschrieben worden war. In der Folge hätten die Beschwerdeführer von der Widmungsbewilligung Gebrauch gemacht und unter Einhaltung dieses Abstandes auf ihrer Liegenschaft ein Gebäude errichtet. Für die Frage, welche Abstände einzuhalten sind, sind die Bestimmungen des § 4 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 (BO), LGBl. Nr. 149, entscheidend. Nach § 4 Abs. 1 des Gesetzes müssen Gebäude entweder unmittelbar aneinandergebaut werden oder von einander einen ausreichenden Abstand haben. Werden zwei Gebäude nicht unmittelbar aneinander gebaut, muß ihr Abstand mindestens soviele Meter betragen, wie die Summe der beiderseitigen Geschoßanzahl, vermehrt um vier, ergibt. Eine Gebäudefront, die nicht unmittelbar an der Nachbargrundgrenze errichtet wird, muß von dieser mindestens soviele Meter entfernt sein, als die Anzahl der Geschosse, vermehrt um zwei, ergibt. Bei Gebäuden ohne die übliche Geschoßeinteilung errechnet sich die Geschoßzahl aus der Gebäudehöhe in Metern, geteilt durch drei. § 4 Abs. 2 BO sieht die Möglichkeit von geringeren Abständen unter bestimmten Voraussetzungen vor und normiert ein Verbot von Reichen. Nach § 4 Abs. 3 BO kann die Behörde auch größere Abstände als die im Abs. 1 festgelegten festsetzen, wenn der Verwendungszweck von Bauten eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung und eine Gefährdung der Nachbarschaft erwarten läßt. Wie der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 8331/A, ausgeführt hat, kennt das Gesetz somit nur zwei Alternativen: entweder das Aneinanderbauen von Gebäuden oder das Errichten von Gebäuden in einem ausreichenden Abstand. Welcher Abstand ausreichend im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 BO ist, ergibt sich aus den weiteren Bestimmungen dieses Absatzes. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde war also die Bestimmung des § 4 Abs. 1 Satz 3 BO nicht isoliert zu betrachten, sondern im Sinne eines ausreichenden Abstandes nach Satz 1 dieser Gesetzesstelle. Es besteht daher das Wahlrecht nur darin, entweder an der gemeinsamen Grundgrenze aneinander zu kuppeln oder von dieser gemeinsamen Grundgrenze einen entsprechenden Abstand einzuhalten. Da im vorliegenden Fall ein Aneinanderbauen an der Grundgrenze nicht erfolgte, hatten die Beschwerdeführer zu Recht die Verletzung der Einhaltung eines Abstandes von der Grundgrenze geltend gemacht.

Im fortgesetzten Verfahren wird die Baubehörde auch zu prüfen haben, ob nicht im Hinblick auf eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung und eine Gefährdung der Nachbarschaft ein entsprechender Abstand nach § 4 Abs. 3 BO festzusetzen sein wird. Wenn die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vor der Baubehörde erster Instanz auch nicht ausführten, im Hinblick auf zu befürchtende Immissionen sei der von ihnen beanspruchte Mindestabstand von vier Meter einzuhalten, und Immissionen erst in ihrer Vorstellung an die Aufsichtsbehörde behaupteten, so kann ihnen doch nicht zu Recht eine Präklusion nach § 42 AVG 1950 entgegengehalten werden; die Präklusionsfolgen beziehen sich nämlich nur auf die Einwendung selbst, das ist das Recht, dessen Verletzung behauptet wird, nicht aber auf die Gründe, auf die sich diese Behauptung stützt (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 120/74). Im durchgeführten Ermittlungsverfahren hätte daher sowohl ein technischer als auch ein medizinischer Sachverständiger ein Gutachten darüber abgeben müssen, welche Auswirkungen durch den Betrieb des Mitbeteiligten auf die Liegenschaft der Beschwerdeführer zu erwarten sein werden und ob es sich dabei um das örtliche Ausmaß übersteigende Belästigungen und Gefährdungen handelt. Dadurch, daß die belangte Behörde den auf einem solcherart mangelhaften Ermittlungsverfahren beruhenden Bescheid der Gemeindebehörde aufrechterhalten hat, hat sie ihren Bescheid mit einer weiteren inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet. Bei dieser Sach- und Rechtslage erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren Beschwerdeausführungen.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben. Soweit nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, wird auf Art. 14 Abs. 4 der hg. Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 sowie die Verordnung BGBl. Nr. 542/1977.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §42 Abs1;
BauO Stmk 1968 §4;
BauRallg impl;
Sammlungsnummer
VwSlg 9644 A/1978
Schlagworte
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche
Rechte BauRallg5/1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1978:1977002288.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
KAAAF-58434