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VwGH 22.03.1979, 2273/76

VwGH 22.03.1979, 2273/76

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
BauO NÖ 1969 §109 Abs4;
BauO NÖ 1969 §92;
BauRallg impl;
RS 1
Die Rechtskraft einer Baubewilligung steht für deren Gültigkeitsdauer der Erteilung weiterer Baubewilligungen für denselben Bauplatz nicht entgegen. Erst wenn der Bauwerber mit der Bauausführung nach einer dieser Bewilligungen begonnen hat, gelten die übrigen Baubewilligungen als konsumiert. Hiebei kommt es weder darauf an, von welcher der in zeitlicher Abfolge nacheinander erteilten Baubewilligungen der Bauwerber während ihrer Gültigkeitsdauer Gebrauch macht, es sei denn, dass etwa bei zwei für den selben Bauplatz erteilten Baubewilligungen die spätere ausdrücklich in den Rechtsbestand der früheren eingreift oder deren Inhalt in rechtsförmlicher Weise ändert. Noch auch kann dem Umstand rechtserhebliche Bedeutung beigemessen werden, dass die später ohne förmlichen Zusammenhang mit der früheren erteilten Baubewilligung auf einem Planwechselbewilligungsgesuch beruht.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rath und die Hofräte Dr. Draxler, Mag. Onder, DDr. Hauer und Dr. Degischer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsrat Dr. Thumb, über die Beschwerde des Ing. JH in W, vertreten durch DDr. Wilhelm Hein, Rechtsanwalt in Wien XVIII, Anastasius Grüngasse 25, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Z1. II/2-163/4-1976, betreffend Abweisung einer Vorstellung in einer Bausache (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister, dieser vertreten durch Dr. Walter Schlesinger, Rechtsanwalt in Baden, Annagasse 8), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom hatte der Bürgermeister der Marktgemeinde X auf Ansuchen des Beschwerdeführers vom diesem gemäß den §§ 16 und 26 der damals noch in Geltung gestandenen NÖ. Bauordnung 1883 die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines voll unterkellerten Wohnhauses auf der Parzelle Nr. 1521/6, inliegend in der EZ. 3126 des Grundbuches über die Katastralgemeinde X, erteilt. In der Folge erwirkte der Beschwerdeführer nach Vorlage von "Auswechslungsplänen" für die Herstellung eines zweigeschossigen, nun nicht unterkellerten Wohnhauses auf demselben Bauplatz mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde X, vom eine weitere Baubewilligung. Im Zuge des folgenden Verwaltungsgeschehens fand am an Ort und Stelle ein baubehördlich angeordneter Augenschein statt, bei welchem festgestellt wurde, daß der Beschwerdeführer entgegen den mit Bescheid vom genehmigten Einreichplänen, sohin also konsenslos, einen Keller errichtet habe. Anknüpfend an diese behördliche Feststellung untersagte daraufhin der Bürgermeister mit Bescheid vom wegen konsensloser Bauführung gemäß § 109 Abs. 3 der NÖ. Bauordnung, LGBl. Nr. 166/1969, die Fortsetzung der Arbeiten. Eine dagegen rechtzeitig erhobene Berufung wies der Gemeinderat der Marktgemeinde X mit seinem Bescheid vom bei gleichzeitiger Bestätigung des erstinstanzlichen Einstellungsauftrages ab. Gegen diese Rechtsmittelentscheidung brachte der Beschwerdeführer im Sinne des Art. 119a Abs. 5 B-VG in Verbindung mit § 61 der NÖ. Gemeindeordnung 1973 Vorstellung ein, doch wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom auch diese mit der Begründung abgewiesen, daß das mit Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom bewilligte Bauvorhaben des Beschwerdeführers eine Unterkellerung des zu errichtenden Wohnhauses nicht vorgesehen habe und sich daher die Ausführung eines Kellergeschosses als konsenswidrig darstelle. Da die Tatsache, daß eine zur Herstellung eines Kellers berechtigende Bewilligung nicht vorliege, im gemeindlichen Bauverfahren vom Beschwerdeführer nicht entkräftet worden sei, sei die Untersagung der Fortsetzung der Bauarbeiten begründet gewesen. Eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers liege demnach nicht vor.

Gegen diesen Vorstellungsbescheid richtet sich die vorliegende, sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. In Ausführung seiner Verfahrensrüge wendet der Beschwerdeführer in der Hauptsache ein, die belangte Behörde habe sich ebenso wie die Baubehörden erster und zweiter Instanz nur auf den Baubewilligungsbescheid vom , dem ein nur irrtümlich nicht auch die Unterkellerung ausweisender Auswechslungsplan zugrundelag, gestützt, es im übrigen aber unterlassen, sich auch mit dem Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde X vom auseinanderzusetzen. Auch das Vorliegen weiterer Auswechslungspläne und damit verbundener Bauanzeigen sowie die Verwendungsmöglichkeit des Kellers als Baustelleneinrichtung seien außer Betrachtung geblieben. Hätte sich die Behörde anhand des Parteienvorbringens des Beschwerdeführers und der ihr vorgelegenen Aktenunterlagen unter Bedachtnahme darauf, daß der Beschwerdeführer "fristgerecht mit den Bauarbeiten begonnen und auf Grund der rechtskräftigen Baubewilligung vom das Kellergeschoß errichtet" habe, mit allen diesen Sachverhaltselementen befaßt" so hätte sich gezeigt, daß die ausgeführte Unterkellerung baubehördlich bewilligt worden oder allenfalls nur eine unwesentliche, nachträglich bewilligungsfähige Abweichung oder gar eine nicht bewilligungspflichtige Baustelleneinrichtung vorgelegen sei. Die Außerachtlassung der mit erteilten Baubewilligung bedinge auch eine dem angefochtenen Vorstellungsbescheid anhaftende inhaltliche Rechtswidrigkeit. Aber selbst wenn man annehmen wollte, der Kellerbau sei nicht bewilligt gewesen, wäre ein Untersagungsgrund im Sinne des § 109 Abs. 3 der NÖ. Bauordnung nicht vorgelegen, da gegebenenfalls nur von einer auch nachträglich bewilligungsfähigen Abweichung gesprochen werden könnte. Unter diesem Gesichtspunkt liege aber auch kein Anwendungsfall des § 109 Abs. 4 leg. cit. vor.

Im Zuge des über diese Beschwerde eingeleiteten Vorverfahrens legte die belangte Behörde die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. In ihrer Gegenschrift trat die Behörde der Behauptung des Beschwerdeführers, mit Bescheid vom sei ihm seinerzeit die Unterkellerung baubehördlich bewilligt worden, nicht entgegen. Sie meinte allerdings, daß für die Frage der Rechtmäßigkeit des strittigen Baueinstellungsauftrages schon deshalb nur der spätere Baubewilligungsbescheid vom  maßgebend sein könne, weil dieser Bescheid - wie der Beschwerdeführer selbst zugestehe - auf einem Auswechslungsplan beruhe, der keine Unterkellerung vorsah, und der Beschwerdeführer durch sein Ansuchen um Bewilligung des Auswechslungsplanes zum Ausdruck gebracht habe, daß das Bauvorhaben in der geänderten Form (also ohne Unterkellerung) ausgeführt werden solle. Im übrigen vertrat die Landesregierung die - in abstracto gewiß zutreffende - Ansicht, daß die konsenslose Errichtung eines ganzen Kellergeschosses in keinem Fall als unwesentliche Abweichung gewertet werden könne.

Die mitbeteiligte Gemeinde X erstattete gleichfalls eine Beschwerdegegenschrift, in der sie ausdrücklich als richtig zugestand, daß dem Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Bescheid vom die Errichtung eines unterkellerten Wohnhauses bewilligt worden sei, im übrigen aber der Meinung Ausdruck gab, daß die neue Baubewilligung vom an die Stelle des Bewilligungsbescheides vom getreten sei, sodaß aus diesem keine Rechte mehr abgeleitet werden könnten. Schließlich liege weder eine nur unwesentliche Abweichung vom genehmigten Bauplan vor noch lasse sich das ausgeführte Kellergeschoß als Baustelleneinrichtung qualifizieren.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 109 Abs. 3 der NÖ. Bauordnung, auf dessen ersten Satz sich die Bescheide der Baubehörden beider Instanzen im Beschwerdefalle stützten, hat die Behörde die Fortsetzung der Arbeiten zu untersagen, wenn ein Vorhaben, das einer Bewilligung bedarf, ohne Bewilligung ausgeführt wird. Kann eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt werden, so hat die Baubehörde - dem zweiten Satz der bezogenen Gesetzesstelle zufolge - überdies auch die Herstellung des ursprünglichen Zustandes zu verfügen. Auf dem Boden dieser Rechtslage sind sowohl der Bürgermeister der Marktgemeinde X als auch der Gemeinderat - eine andere Deutung läßt die von der Gemeinde im Gegenstand erstattete Gegenschrift im Verein mit den Akten des Verwaltungsverfahrens offensichtlich nicht zu - bei Erlassung des Bauverbotsauftrages und im Vorstellungsverfahren wohl auch die belangte Behörde davon ausgegangen, daß dem Beschwerdeführer zunächst, nämlich mit dem Bescheid vom , zwar rechtskräftig die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines zur Gänze unterkellerten Wohnhauses erteilt worden war, daß diese Baubewilligung aber mit Derogationswirkung durch den späteren Bescheid vom , gerichtet auf den Bau eines nicht unterkellerten Wohnhauses, ersetzt worden ist, so zwar, daß aus der früheren Bewilligung keine Rechte mehr abgeleitet werden konnten.

Mit dieser Rechtsauffassung verkannten die Behörden des gemeindlichen Verfahrens und in gleicher Weise auch die belangte Behörde, daß es sich bei der Baubewilligung - wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrmals zum Ausdruck gebracht hat (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 163/69, Slg. Nr. 7586/A, und vom , Slg. Nr. 8227/A) - um eine Polizeierlaubnis handelt, von der derjenige, der sie erwirkt hat, Gebrauch machen kann, aber nicht Gebrauch machen muß. Hieraus ergibt sich, daß eine Bindung des Bauwerbers an die einmal erwirkte Baubewilligung in dem Sinne, daß er verpflichtet wäre, nur so und nicht anders zu bauen, nicht besteht, sondern es ihm - die rechtzeitige Erwirkung einer weiteren, den geänderten Bauwillen deckenden Baubewilligung vorausgesetzt - jederzeit freisteht, nicht das ursprünglich bewilligte, sondern ein anderes Bauvorhaben auszuführen (siehe Erkenntnis Slg. Nr. 8227/A/1972). Da es dem Bauwerber offensteht, auch während der Gültigkeitsdauer einer Baubewilligung für ein und denselben Bauplatz um mehrere Baubewilligungen unterschiedlichen Inhaltes anzusuchen, so ist es ihm anderseits rechtlich auch nicht verwehrt, insolange mit der Bauführung noch nicht begonnen wurde, auch auf eine frühere, noch gültige Baubewilligung zurückzugreifen (vgl. hiezu auch Krzizek, System des österreichischen Baurechts, Band II, S. 47). Wird auf dem Boden dieser Bewilligung der Bau begonnen, so ist er - vorbehaltlich der baubehördlichen Bewilligung einer Planabweichung - auch nach dem Inhalt dieser Baubewilligung auszuführen. Erst jetzt können weitere erwirkte Bewilligungen als konsumiert gelten. Nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei dieser Betrachtungsweise weder darauf an, von welcher der in zeitlicher Abfolge nacheinander erteilten Baubewilligungen der Bauwerber während ihrer Gültigkeitsdauer Gebrauch macht, es sei denn, daß etwa bei zwei für denselben Bauplatz erteilten Baubewilligungen die spätere ausdrücklich in den Rechtsbestand der früheren eingreift oder deren Inhalt in rechtsförmlicher Weise ändert. Noch auch kann dem Umstand rechtserhebliche Bedeutung beigemessen werden, daß die später ohne förmlichen Zusammenhang mit der früheren erteilte Baubewilligung auf einem Planwechselbewilligungsgesuch beruht.

Da die Behörde in ihrer Sachverhaltsannahme offenkundig nicht davon ausgegangen ist, daß die Gültigkeitsdauer der mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde X vom erteilten Bewilligung zur Errichtung eines unterkellerten Wohnhauses im Lichte der Bestimmungen des § 39 der NÖ. Bauordnung 1883 und der §§ 121 Abs. 1 und 103 Abs. 1 der NÖ. Bauordnung 1969 bereits abgelaufen war (allein aus der mit Schreiben des Bürgermeisters vom dem Beschwerdeführer gegenüber getroffenen Feststellung, daß der Bauplatz "mit sehr hohem Unkraut verwuchert sei", könnte eine derartige Annahme noch nicht abgeleitet werden), hätte eine Untersagung nach § 109 Abs. 3 der NÖ. Bauordnung Rechtens nur ausgesprochen werden dürfen, wenn die Ausführung des Kellergeschosses auch durch den Bescheid vom nicht gedeckt gewesen wäre. Demgegenüber haben die Baubehörden beider Instanzen in der rechtsirrigen Annahme, daß der Bescheid des Bürgermeisters vom voll an die Stelle der mit Bescheid vom erteilten Baubewilligung getreten sei, eine Prüfung in dieser Richtung unterlassen. Mangels dieser Prüfung wurde der Beschwerdeführer durch den an ihn unter Berufung auf § 109 Abs. 3 der NÖ. Bauordnung ergangenen Baueinstellungsauftrag in seinen Rechten verletzt. Zugleich belastete die diese Rechtsverletzung im Vorstellungsverfahren nicht wahrnehmende belangte Behörde ihre Entscheidung mit Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war demgemäß und ohne, daß es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedurfte, nach § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung vom , BGBl. Nr. 542/1977, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BauO NÖ 1969 §109 Abs4;
BauO NÖ 1969 §92;
BauRallg impl;
Sammlungsnummer
VwSlg 9804 A/1979
Schlagworte
Baubewilligung BauRallg6
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1979:1976002273.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
TAAAF-58405