VwGH 21.06.1965, 2255/64
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Norm | |
RS 1 | Für das Vorliegen der wirtschaftlichen Eingliederung einer juristischen Person in ein übergeordnetes Unternehmen ist zwar nicht erforderlich, daß sie gewerblich auf demselben Gebiet tätig wird; die gewerbliche Betätigung der juristischen Person muß aber im Rahmen des Gesamtunternehmens des übergeordneten Unternehmens zu dessen gewerblicher Tätigkeit in einer gewissen Unterordnung stehen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Ondraczek und die Hofräte Dr. Eichler, Dr. Raschauer, Dr. Frühwald und Dr. Riedel als Richter, im Beisein des Schriftführers, Finanzkomissärs Dr. Blaschek, über die Beschwerde der F-gesellschaft m. b. H. in Wien, vertreten durch Dr. Paul Bachmann, Rechtsanwalt in Wien I, Schottenring 14, gegen den Bescheid des Berufungssenates bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. VI-2579/1/64, betreffend Umsatzsteuer für 1961 und 1962, nach Durchführung einer Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vorbringens des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwaltes Dr. Paul Bachmann, und des Vertreters der belangten Behörde, Finanzrates Dr. KR, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wurde für die Jahre 1961 und 1962 auf Grund ihrer Umsatzsteuererklärungen veranlagt. Dessen ungeachtet brachte sie gegen den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1961 vom am und gegen den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1962 vom am Berufungen ein. Sie begründete diese damit, daß sie mit dem Einzelunternehmen ihres Gesellschafters Georg L., Maler- und Anstreichermeister in W, als "Organobergesellschaft" in einem Organverhältnis stehe und daß daher die Umsätze dieser Firma bei ihr nicht steuerbar seien. Die Annahme des Bestehens eines Organverhältnisses werde durch folgende Darlegungen erhärtet: Die Beschwerdeführerin sei mit Notariatsakt vom gegründet worden. Die Anteile am damaligen Stammkapitale von S 100.000,-- hätten Georg L. mit S 65.000,--, Rosa D. mit S 25.000,-- und Anton P. mit S 10.000,-- übernommen. Ebenfalls am hätten die Gesellschafter D. und P. Vollmachten für Georg L. unterzeichnet, mit denen sie sich jeglicher Rechte aus ihren Anteilen begeben hätten. Sie hätten auch bis zum Verkauf ihrer Anteile an keiner Generalversammlung mehr teilgenommen, sondern seien durch Georg L. vertreten worden. Einzelzeichnungsberechtigter und erster Geschäftsführer sei vom Beginne der Gesellschaft an Georg L. gewesen. Zweiter Geschäftsführer sei für die Zeit vom bis gewesen und sei auch derzeit Alois St. In der Zeit vom bis sei der ehemalige Schwiegersohn des Georg L., Johann N., zweiter Geschäftsführer gewesen. Dieser habe am den Anteil des durch Georg L. vertretenen P. übernommen und am selben Tag eine Vollmacht für Georg L. unterschrieben, der mit dieser am den genannten Anteil habe auf sich übertragen lassen. Als Vertreter der Rosa D. habe Georg L. schließlich auch die Übertragung der dieser gehörigen Geschäftsanteile auf sich am bewirkt, sodaß er nunmehr 100 % der Anteile am derzeitigen Stammkapital von S 300.000,-- besitze. Gegenstand des Unternehmens der Beschwerdeführerin sei nach dessen Erweiterung am die Vornahme von Entrostungen auf mechanischem und chemischem Wege, die Herstellung von Rostschutzanstrichen und technischen Anstrichen aller Art, wie Flammenschutzanstrichen, hitze- und säurefesten Anstrichen, Holzimprägnierungen, ferner der Handel mit Farben und Lacken sowie der Großhandel mit Materialien. Vor der Gründung der Beschwerdeführerin sei deren Tätigkeit - allerdings in geringem Umfange - schon vom Einzelunternehmen des Georg L. durchgeführt worden. Der zunehmende Umfang der Aufträge auf diesem Gebiete, werbetechnische Überlegungen sowie die Notwendigkeit der Haftungsbeschränkung hätten Georg L. zur Gründung einer Kapitalgesellschaft, die nach außen hin selbständig auftrete, im Innenverhältnisse jedoch nur als Abteilung des Einzelunternehmens angesehen werden könne, veranlaßt. Georg L. habe beiden Unternehmen dadurch eine "optimale Auslastung" gesichert, wobei sich das Einzelunternehmen größenmäßig als das Hauptgeschäft darstelle. In Einzelfällen erweise sich die "Auftragslancierung" als nicht zielführend, sodaß es zu Innenumsätzen komme, deren Besteuerung Gegenstand der Berufungen sei. Georg L. bemühe sich stets, Eisen- und Rostschutzanstriche von der Beschwerdeführerin durchführen zu lassen und andere Aufträge dem Einzelunternehmen zuzuführen, um solcherart eine fachliche Trennung beizubehalten. Da jedoch sämtliche Arbeiten demselben Geschäftszweig angehörten, gelinge das nicht immer, zumal Gesamtaufträge oft Arbeiten für beide Abteilungen umfaßten. Das sei ein weiterer Grund für das Zustandekommen der Innenumsätze. Die Umsatzsteigerung der letzten Jahre zeigten eindeutig, daß die Schaffung einer Spezialabteilung für Eisen- und Rostschutzanstriche eine sinnvolle organisatorische Maßnahme gewesen sei und daß sich beide Abteilungen hervorragend ergänzten nd solcherart als gegenseitige "Auftragsstimulantia" wirkten. Gegenüber anderen Unternehmen gleicher Größe habe die Beschwerdeführerin auch deshalb einen Vorteil, weil sie das Rohmaterial infolge der starken Stellung des Georg L. "am Markt zu besseren Konditionen kaufen" könne.
Die belangte Behörde wies die Berufungen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet ab. sie erkannte die finanzielle und organisatorische Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Einzelfirma Georg L. an, verneinte jedoch die wirtschaftliche Eingliederung. In den Entscheidungsgründen führte sie aus, wirtschaftliche Eingliederung bedeute, daß das Organ gemäß dem Willen des Unternehmers wirtschaftlich tätig sein müsse. Der übergeordnete Unternehmer müsse das Organ wirtschaftlich beherrschen, d. h. der Unternehmer und das Organ müßten eine wirtschaftliche Einheit bilden; der Zusammenhang müsse ein betrieblich wirtschaftlicher sein. Organschaft verlange ein Verhältnis der Über- und Unterordnung. die wirtschaftliche Eingliederung sei daher zu verneinen, wenn innerhalb desselben Geschäftszweiges sowohl Einzelunternehmer als auch juristische Person in gleicher Weise tätig werden. In der Berufungsschrift seien als Beweis der wirtschaftlichen Eingliederung zunehmender Umfang der Aufträge, werbetechnische Überlegungen und die Notwendigkeit der Haftungsbeschränkung angeführt worden. Dies seien aber Elemente der finanziellen und organisatorischen Eingliederung. Wenn die Beschwerdeführerin behaupte, Georg L. sichere durch seinen Einfluß die Auftragserteilung beider Unternehmungen eine "optimale Auslastung", so sei darauf hinzuweisen, daß gerade die wirtschaftliche Betätigung der beiden Firmen nach gemeinschaftlichen Gesichtspunkten ein Beweis dafür sei, daß keine Unterordnung, sondern nur eine Nebenordnung vorliege. Nach den Auftragserteilungen erfülle jede Firma gesondert für sich selbst die Aufträge. Dadurch stehe aber fest, daß die Beschwerdeführer keinesfalls dem Einzelunternehmen wirtschaftlich untergeordnet sei. Das Gesamtbild zeige zwei Firmen, die lediglich in kapitalistischer und organisatorischer Hinsicht miteinander verflochten seien.
Über die Beschwerde, die die Entscheidung der belangten Behörde als rechtswidrig bekämpft, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1959 (UStG 1959) umfaßt das Unternehmen die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gemäß § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG 1959 wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit einer juristischen Person nicht selbständig ausgeübt, wenn sie dem Willen eines Unternehmers derart untergeordnet ist, daß sie keinen eigenen Willen hat. Eine juristische Person ist dem Willen eines Unternehmers dann derart untergeordnet, daß sie keinen eigenen Willen hat (Organgesellschaft), wenn sie nach dem Gesamtbilde der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in sein Unternehmen eingegliedert ist.
§ 2 Abs. 1 UStG 1959 enthält somit die grundlegende Bestimmung, daß das Unternehmen die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers umfaßt (Unternehmereinheit).
§ 2 Abs. 2 Z. 2 UStG 1959 bestimmt dagegen, unter welchen Voraussetzungen die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit einer juristischen Person nicht selbständig ausgeübt wird. Voraussetzung ist hier, daß die juristische Person dem Willen eines Unternehmers derart untergeordnet ist, daß sie keinen eigenen Willen hat und für diese Unterordnung ist es notwendig, daß die juristische Person nach dem Gesamtbilde der tatsächlichen Verhältnisse auch wirtschaftlich in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Für die wirtschaftliche Eingliederung reicht es jedoch nicht aus, daß der Organträger in Auswirkung seiner Eigenschaft als Hauptgesellschafter einen wesentlichen Einfluß auf das Organ ausübt. Eine derartige geschäftsleitende Tätigkeit, die ein Ausfluß der Gesellschaftereigenschaft ist, bei der der Mehrheitsgesellschafter den Geschäftsbetrieb des Organes fördert, erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Annahme einer wirtschaftlichen Eingliederung. während es nämlich bei der Unternehmereinheit gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1959 ohne Bedeutung ist, ob die einzelnen Betriebe einander über-, neben- oder untergeordnet sind, muß bei einem Organverhältnisse das Organ dem organträger "untergeordnet" sein. Das Organverhältnis verlangt nämlich ein Dienen des Organes im Betriebe des Organträgers. Eine Förderung des Organes durch den organträger genügt nicht.
Die Gründung der Beschwerdeführerin verfolgte den Zweck, der Beschwerdeführerin ein bestimmtes Arbeitsgebiet und bestimmte Auftraggeber zuzuordnen; die Beschwerdeführerin erledigte auch in den Streitjahren neben der Einzelfirma bestimmte Aufträge, die die Einzelfirma nicht ausführen konnte oder ihr nicht übertragen worden wären oder deren Wagnisse sie nicht übernehmen wollte. Aus ihrer wirtschaftlichen Betätigung ergibt sich demnach, daß die Beschwerdeführerin nicht unter der Leitung der Einzelfirma, sondern neben der Einzelfirma selbständig tätig wurde, sodaß nicht eine Unterordnung, sondern eine Nebenordnung vorlag. Ein derartiges Schwesternverhältnis kann jedoch nur bei Vorhandensein eines gemeinsamen Organträgers zu nichtsteuerbaren Innenumsätzen führen. Im vorliegenden Falle fehlt aber eine wesentliche Voraussetzung für das Vorliegen eines Organverhältnisses, nämlich die wirtschaftliche Unterordnung der Beschwerdeführerin unter das Unternehmen der Einzelfirma. Der Gerichtshof konnte auch keine Verfahrensmängel feststellen, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Da die belangte Behörde somit durch ihren Bescheid das Gesetz nicht verletzt hat, war die Beschwerde unbegründet und mußte gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1065 abgewiesen werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | |
Sammlungsnummer | VwSlg 3297 F/1965 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1965:1964002255.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAF-58355