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VwGH 28.02.1964, 2176/63

VwGH 28.02.1964, 2176/63

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Norm
RS 1
Wurde ein Fahrtenbuch nicht laufend geführt, sondern immer erst in größeren Zeitabständen nachgeschrieben und widerspricht das aus dem Fahrtenbuch resultierende Verhältnis zwischen privaten und betrieblichen Fahrten im Hinblick auf den Beruf des Steuerpflichtigen den allgemeinen Lebenserfahrungen, so ist die Behörde befugt, den betrieblichen Anteil der PKW-Kosten zu schätzen.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Wasniczek, und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Eichler und Dr. Kadecka als Richter, im Beisein des Schriftführers, Ministerialsekretärs Dr. Walter, über die Beschwerde des Dr. WF in L gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom , Zl. 1.205- 2/1963, betreffend Einkommensteuer 1958 und 1959, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Zahnarzt in L. im Bregenzerwald. Seine Gattin arbeitet im Betrieb ihres Mannes vollbeschäftigt mit. Der Beschwerdeführer erwarb im Frühjahr 1958 einen Personenkraftwagen. In den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1958 bis 1959 behandelte er diesen Kraftwagen als betriebliches Anlagegut und schied von den angefallenen Kraftfahrzeugkosten (einschließlich der AfA) nur 24 % (1958) bzw. 18,5 % (1959) als auf die Privatnutzung entfallend aus, während er die übrigen Kosten als Betriebsausgaben geltend machte. Das Verhältnis zwischen den betrieblichen und privaten Fahrten errechnete der Beschwerdeführer an Hand eines Notizheftes, in welches die betrieblichen Fahrten unter Angabe des jeweiligen Zieles und der Kilometeranzahl eingetragen waren, während die privaten Fahrten jeweils bloß am Jahresende als Differenz der betrieblichen Fahrten zu der während des ganzen Jahres gefahrenen Gesamtkilometeranzahl errechnet wurden. Auf diese Weise ergab sich im Jahre 1958 ein Verhältnis von 9.101 km betrieblicher Fahrten zu

2.830 km Privatfahrten und im Jahre 1959 ein solches von 10.577 km betrieblicher Fahrten zu 2.381 km Privatfahrten. Bei den betrieblichen Fahrten handelte es sich nach den Aufzeichnungen im Notizheft zum überwiegenden Teil um Fahrten zur Apotheke nach Dornbirn und zu zwei Zahnlaboratorien nach Bregenz.

Im Zuge einer Betriebsprüfung vertrat der Prüfer die Ansicht, daß die große Anzahl von Betriebsfahrten (zum Teil fast täglich) für die Einkäufe von Materialien unglaubwürdig sei. Er stellte ferner fest, daß das Fahrtenbuch nachgeschrieben und daher als Beweismittel untauglich sei. Der vom Steuerpflichtigen erklärte betriebliche Anteil an den Kraftfahrzeugkosten komme dem eines praktischen Arztes gleich, sei aber bei einem Zahnarzt, der erfahrungsgemäß keine täglichen Hausbesuche bei Patienten mache, ungewöhnlich hoch. Daher könne bei einem Zahnarzt ein Kraftfahrzeug auch nicht dem notwendigen Betriebsvermögen zugerechnet werden. Für die fallweise betriebliche Nutzung anerkannte der Prüfer im Wege der Schätzung durchschnittlich zwei Fahrten in der Woche nach Dornbirn und Bregenz und für gelegentliche Fahrten zur Ärztekammer usw. weitere 700 km, sodaß er schließlich einen auf 5.000 km jährlich entfallenden Kraftfahrzeugkostenaufwand als Betriebsausgabe anerkannte. Das Finanzamt schloß sich dieser Argumentation des Betriebsprüfers an und erließ dementsprechende Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1958 und 1959.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er führte dabei aus, daß er im Jahre 1957 in L. eine zahnärztliche Praxis eröffnet habe, die sich sehr rasch und sehr günstig entwickelt habe. Für die Erzielung der getätigten Umsätze wäre an sich die dauernde Beschäftigung eines Zahntechnikers erforderlich gewesen. Da er aber einen solchen in L. nicht zur Verfügung gehabt habe, sei er gezwungen gewesen, die gesamten technischen Arbeiten in zwei Zahnlaboratorien in Bregenz durchführen zu lassen. Es sei deshalb erforderlich gewesen, daß in der Regel zwei bis dreimal in der Woche, bisweilen aber auch täglich Fahrten nach Bregenz unternommen wurden. Dies besorgte gewöhnlich die Ehegattin des Beschwerdeführers, da sie als Magistra der Pharmazie dem Techniker im Laboratorium die notwendigen Anleitungen am besten geben könne. Die Fahrten nach Dornbirn zur Apotheke seien dagegen von untergeordneter Bedeutung. Wohl würden aber vereinzelt Fahrten zu bettlägerigen Patienten gemacht oder Patienten nach Hause gefahren, wenn am Abend keine Verkehrsverbindung mehr bestehe. Schließlich sei der Beschwerdeführer, der seine zahnärztliche Ausbildung in Innsbruck erfahren habe, gelegentlich auch nach Innsbruck gefahren, um sich dort in der Universitätsklinik bei Vorliegen schwieriger Fälle eingehend zu informieren. Insgesamt seien die gefahrenen Kilometer gering, es erscheine nur der betriebliche Anteil prozentmäßig hoch, weil der Beschwerdeführer und seine Ehegattin in den Jahren des betrieblichen Aufbaues keine Zeit gehabt hätten, Urlaubsfahrten udgl. zu unternehmen. Was aber das Fahrtenbuch anlange, so sei dieses laufend geführt worden und die Betriebsprüfung habe keinerlei Beweis für die Behauptung erbracht, daß es nachgeschrieben worden sei.

Im Laufe der mündlichen Berufungsverhandlung gab jedoch der Vertreter des Beschwerdeführers zu, daß es sich bei dem vorgelegten Fahrtenbuch nicht um laufend geführte Originalaufzeichnungen, sondern um Zweitaufzeichnungen handle, deren ursprüngliche Unterlagen jedoch nicht aufbewahrt, sondern weggeworfen worden seien.

Die belangte Behörde gab der Berufung des Beschwerdeführers teilweise Folge. Sie sah zwar die vorgelegten Aufzeichnungen wegen Fehlens der Originalaufzeichnungen und im Hinblick darauf, daß die Privatfahrten im Fahrtenbuch nicht miterfaßt worden seien, gleichfalls nicht als hinreichendes Beweismittel an und erachtete daher die Schätzungsbefugnis auch als gegeben, erhöhte jedoch in Würdigung der in der Berufungsschrift glaubwürdig dargelegten Sonderumstände die Schätzungsgrundlage von 5.000 betrieblichen Kilometern auf 7.000 km jährlich, was einer ungefähr 55%igen betrieblichen Nutzung des Kraftfahrzeuges entsprach.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Gerichtshof erwogen:

Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Grundlage für die Abgabenerhebung, soweit sie diese nicht ermitteln oder errechnen kann, zu schätzen, Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

Im vorliegenden Falle waren bezüglich des Ausmaßes des betrieblichen Anteiles der Personenkraftwagenkosten des Beschwerdeführers Zweifel entstanden, weil es bei seinem Beruf als Zahnarzt auffallen mußte, daß der private Anteil der Kraftfahrzeugkosten nur 24 % bzw. 18,5 % betrage. Der Beschwerdeführer suchte diesen Zweifel durch Vorlage eines Notizheftes zu widerlegen, in welchem bloß die betrieblichen, nicht aber die privaten Fahrten aufgezeichnet waren, wobei überdies zugegeben werden mußte, daß auch diese Aufzeichnungen nicht laufend geführt, sondern immer in größeren Zeitabständen an Hand von nachträglich vernichteten Schmieraufzeichnungen festgehalten worden seien.

Bei dieser Sachlage kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie in freier Beweiswürdigung den vorgelegten Aufzeichnungen keine volle Beweiskraft zuerkannt hat. Denn die freie Beweiswürdigung der Behörde entzieht sich insoweit der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof, als die ihr zugrunde liegende Sachverhaltsannahme in einem einwandfreien Verfahren gewonnen wurde und die von der Behörde daraus gezogenen Schlußfolgerungen den Grundsätzen logischen Denkens nicht widersprechen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 281/F).

Die maßgebende Sachverhaltsannahme der Behörde besteht im vorliegenden Fall in der Feststellung, daß die vorgelegten Aufzeichnungen Zweitschriften darstellen, die jeweils in größeren Zeitabständen an Hand von nachträglich vernichteten Erstaufzeichnungen hergestellt wurden und überdies nur die betrieblichen Fahrten, nicht aber die privaten Fahrten enthalten. Daß diese Sachverhaltsannahme richtig ist, wird auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten.

Es ist daher nur noch zu prüfen, ob die aus dieser Sachverhaltsannahme von der Behörde gezogenen Schlüsse den Grundsätzen logischen Denkens nicht widersprechen. Hiebei kann ein dem logischen Denken widersprechender Schluß darin nicht erblickt werden, wenn die Behörde den jeweils in größeren Zeitabständen angefertigten Zweitschriften, deren Originalaufzeichnungen vernichtet worden waren, keine volle Beweiskraft zuerkannt hat, umsomehr als das aus diesen Aufzeichnungen resultierende Verhältnis zwischen privaten und betrieblichen Fahrten im Hinblick auf den vom Beschwerdeführer ausgeübten Zahnarztberuf selbst bei Berücksichtigung der im vorliegenden Fall ins Treffen geführten außerordentlichen Verhältnisse den allgemeinen Lebenserfahrungen widersprach, was anscheinend darauf zurückzuführen war, daß bei Führung des Fahrtenbuches die gemäß § 12 EStG erforderliche klare Scheidung zwischen privatem und betrieblichem Aufwand offenbar nicht mit genügender Sorgfalt vorgenommen wurde. Unter diesen Umständen war die belangte Behörde befugt, den betrieblichen Aufwand gemäß § 184 BAO im Schätzungswege zu ermitteln.

Was aber das Ausmaß der Schätzung anlangt, vermag der Gerichtshof nicht zu erkennen, daß die belangte Behörde den ihr dabei zustehenden Spielraum überschritten hätte, zumal auch der Beschwerdeführer, der die Schätzung lediglich dem Grunde nach bekämpft, diesbezüglich nichts vorzubringen wußte.

Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1964:1963002176.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
UAAAF-58192