VwGH 04.03.1966, 2174/65
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Provisionsforderungen eines Verkaufsvermittlers, die durch die Kundenzahlungen aufschiebend bedingt sind, müssen, soweit ihre Entstehung mit den Vermittlungsleistungen des abgelaufenen Jahres zusammenhängt, bereits in der SCHLUßBILANZ für dieses Jahr berücksichtigt werden, und zwar selbst dann, wenn die Geschäfte bis zum Ablauf des Jahres noch nicht abgewickelt sind (Hinweis E , 126/65, E , 996/61 und E , 155/60). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Wasniczek, und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Kaupp und Dr. Riedel als Richter, im Beisein des Schriftführers, Ministerialsekretärs Dr. Walter, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat, vom , Zl. VI-1688/65, betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer 1960/1962 des FG, Wien, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes augehoben.
Begründung
Der Mitbeteiligte betreibt einen Einzelhandel mit Kleidern und eine Handelsagentur. Er ermittelt den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. In den Bilanzen für die Jahre 1960/1962 hat er keine Provisionsforderungen aus seiner Tätigkeit als Handelsagent angesetzt. Dies wurde anlässlich einer im Jahre 1963 vorgenommenen Betriebsprüfung beanstandet. Der Prüfer rechnete dem Gewinn für die Jahre 1961 und 1962 weitere Provisionsforderungen, soweit sie aus den Abrechnungen ersichtlich waren, hinzu. Der Mitbeteiligte erhob gegen die auf Grund der Betriebsprüfung erlassenen, berichtigten Einkommen- und Gewerbesteuerbescheide Berufung. Er macht geltend, dass ihm die Höhe der Provisionsforderungen am Bilanzstichtag nicht bekannt sei, weil der Geschäftsherr (die Firma D.) ihren Agenten die Einsichtnahme in die Bücher nicht gestatte. Ein Großteil der Aufträge werde auch von den Kunden unmittelbar an die Firma D. gerichtet. Schließlich bestritt er das Recht zur Wiederaufnahme des Verfahrens. Es handle sich "um Posten, die bei der Veranlagung für die Jahre 1961 und 1962 bzw. bei früheren Betriebsprüfungen anerkannt worden seien". Eine Wiederaufnahme dürfe nicht auf eine geänderte Rechtsansicht gestützt werden, neue Tatsachen seien aber nicht hervorgekommen, sodass kein Wiederaufnahmsgrund vorliege. Da das Finanzamt die Berufung mit Berufungsvorentscheidung abwies, in der es auf die durchwegs im Monate Februar des folgenden Jahres vorgenommenen Provisionsabrechnungen Bezug nahm, beantragte der Mitbeteiligte die Entscheidung des Berufungssenates. Er macht hiebei noch geltend, dass es unzulässig sei, im Jahre 1960 Provisionsforderungen für zwei Jahre zusammenzufassen.
Der Berufungssenat gab der Berufung in der Frage der Provisionsforderungen Folge. Er ließ sich von der vom Mitbeteiligten in der mündlichen Berufungsverhandlung vorgebrachten Behauptung leiten, dass die Provisionen auf Grund einer Vereinbarung mit der Firma D. nicht für die hereingebrachten Bestellungen, sondern auf Grund der vom Geschäftsherrn mit den Kunden tatsächlich abgeschlossenen und abgewickelten Geschäfte gezahlt werde. In einem solchen Fall entstehe der Anspruch auf Provision im Zeitpunkt der Abrechnung und sei daher erst in diesem Zeitpunkt buchmäßig zu erfassen.
Gegen diesen Bescheid hat der Präsident der Finanzlandesdirektion Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben. Über diese wurde erwogen:
Der Mitbeteiligte vermittelt den Verkauf von Waren als Handelsagent. Gemäß § 6 Abs. 2 des Handelsvertretergesetzes entsteht der Anspruch des Handelsvertreters auf Provision grundsätzlich mit dem Abschluss des Geschäftes. Er ist allerdings beim Verkaufsagenten aufschiebend bedingt durch die Zahlung des Kunden. Aber auch aufschiebend bedingte Forderungen sind, soweit ihre Entstehung mit den Vermittlungsleistungen des abgelaufenen Jahres zusammenhängt, bereits in der Schlussbilanz für dieses Jahr zu berücksichtigen, und zwar selbst dann, wenn das Geschäft bis zum Ablauf des Jahres noch nicht abgewickelt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 155/60). Der Mitbeteiligte hat in der mündlichen Berufungsverhandlung gegen die Bilanzierung von Provisionsforderungen hauptsächlich eingewendet, er habe auf die Auslieferung der Ware keinen Einfluss. In der Regel werde (infolge Mangels an Arbeitskräften) weit weniger Ware geliefert als die von ihm aufgenommenen Bestellungen betragen. Er erhalte aber die Provision nach Maßgabe der Kasseneingänge. Dieses Vorbringen konnte die Berufung nicht zum Erfolg führen. Die Provisionsforderungen wurden nämlich vom Betriebsprüfer auf Grund der dem Mitbeteiligten erteilten Abrechnungen festgestellt. Die Abrechnungen sind - vom Mitbeteiligten unbestritten - jeweils im Monat Februar des folgenden Jahres aufgestellt worden, während die Steuererklärungen (samt den Bilanzen) vom Mitbeteiligten erst weitaus später (in den Monaten Mai, Juli und August) des dem Geschäftsjahr folgenden Jahres beim Finanzamt eingebracht wurden. Die Beschwerde ist deshalb im Recht, wenn sie unter Hinweis auf die Rechtsprechung ins Treffen führt, dass der Mitbeteiligte die ihm nach dem Bilanzstichtag bekannt gewordenen Umstände, nämlich die Provisionsforderungen, soweit sie am Bilanzstichtag bereits bestanden haben, bei der Aufstellung der Bilanz hätte berücksichtigen müssen. Der Mitbeteiligte hatte überdies nicht allein die Forderungen, die sich aus den Abrechnungen der Firma D. ergaben, sondern sämtliche auf Grund der im vergangenen Geschäftsjahr abgeschlossenen Verkäufe entstandenen Provisionsansprüche zu bilanzieren, wenn zwischen ihm und dem Geschäftsherrn nicht eine von der Regelung des § 6 Abs. 2 Handelsvertretergesetz abweichende Vereinbarung über die Entstehung der Provisionsansprüche bestanden hat. Der Mitbeteiligte hat dies zwar im Berufungsschriftsatz behauptet, ist aber darauf in der mündlichen Berufungsverhandlung nicht mehr zurückgekommen. Jedenfalls ist sein Berufungsvorbringen in dieser Hinsicht unüberprüft geblieben (etwa Einholung einer schriftlichen Provisionsvereinbarung, Anfrage bei dem Geschäftsherren oder dgl.). Das Verwaltungsverfahren ist daher auch mit einem wesentlichen Mangel behaftet. Der angefochtene Bescheid, der eine Aktivierungspflicht selbst für Provisionsforderungen verneint, die sich aus der Abrechnung des Geschäftsherrn ergeben, musste aber schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden. Zu der vom Mitbeteiligten aufgeworfenen Frage der Wiederaufnahme des Verfahrens wird noch bemerkt, dass der Mitbeteiligte in den Bilanzen 1960/62 überhaupt keine Provisionsforderungen ausgewiesen hat, sodass die Feststellung dieser Forderungen erst durch den Betriebsprüfer auf Grund der herangezogenen Abrechnungen als neu hervorgekommene Tatsache gewertet werden muss. Dass die Gewinnabrechnungen des Mitbeteiligten für die früheren Jahre nicht beanstandet wurden, ist kein Hindernis für die Wiederaufnahme. Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:1966:1965002174.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAF-58186