VwGH 10.02.1976, 2159/74
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Hofstätter, Mag. DDr. Heller, Dr. Simon und Dr. Drexler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Finanzoberkommissär Dr. Feitzinger, über die Beschwerde der Firma H in S, Holland, vertreten durch Dr. Peter Karl Wolf, Rechtsanwalt in Wien I, Schubertring 8, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat III, vom , Zl. 6- 2272/1/73, betreffend Umsatzsteuer 1967 bis 1971, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 2.497,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das beschwerdeführende Unternehmen hat seinen Sitz in Holland und betreibt von dort den Export von Obst und Gemüse. Bei einer Betriebsprüfung stellte der Prüfer zum Punkt "steuerpflichtige Lieferungen in Österreich" folgendes fest:
"Die Firma Gebrüder M. hat im Prüfungszeitraum Waren mit eigenen Firmenfahrzeugen in die österreichische Bundesrepublik verbracht und in Österreich ausgeliefert. Damit wurden umsatzsteuerpflichtige Lieferungen im Inland bewirkt (§ 1 Abs. 1
(1) UStG 1959).
Das geprüfte Unternehmen hat mit Schreiben vom die mit österreichischen Firmen getätigten Umsätze zwar bekanntgegeben, doch bezüglich der Steuerpflicht eingewendet, daß es sich in keinem Fall um steuerpflichtige Umsätze handeln würde, weil die Zustellung der Ware nach Österreich mit firmeneigenem Fahrzeug in Erfüllung einer besonderen Beförderungspflicht erfolgt sei. Es wäre, so wurde unter anderem ausgeführt, ausdrücklich vereinbart worden, daß die Ware ab Fabrik verkauft wird. Die Gefahr des Unterganges oder der Beschädigung der Ware nach Verlassen des Lieferwerkes habe den Käufer betroffen, die Lieferungen wären ‚frachtfrei' erfolgt. Es wäre Sache des Käufers gewesen, die Fracht nach Österreich auf eigene Kosten zu besorgen. Da es sich jedoch um eine äußerst empfindliche Ware gehandelt habe, hätte die Lieferfirma auf Grund besonderer Vereinbarungen und gegen gesondert vereinbartes Entgelt den Transport mit firmeneigenem Lastkraftwagen und firmeneigenem Personal übernommen. Zusammenfassend ergäbe sich daher, daß die Verfügungsgewalt der Ware bereits in Holland verschafft worden wäre und eine Umsatzsteuerpflicht nicht eingetreten sei."
Im Gegensatz zur Beschwerdeführerin vertrat der Prüfer in einer umfangreichen rechtlichen Würdigung den Standpunkt, daß die Beschwerdeführerin im Inland umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Lieferungen getätigt habe.
Das Finanzamt schloß sich der Rechtsmeinung des Betriebsprüfers an und unterzog mit den für die Streitjahre ergangenen Umsatzsteuerbescheiden die Entgelte der Beschwerdeführer für Lieferungen an die österreichischen Firmen S. & Co. und Ing. D. der Umsatzsteuer. Die Beschwerdeführerin erhob gegen diese Bescheide Berufung und führte im wesentlichen aus:
Unbestritten sei, daß die Lieferungen von der Beschwerdeführerin mit eigenen Fahrzeugen ausgeführt worden seien. Das Finanzamt habe jedoch die von der Beschwerdeführerin im Schriftsatz vom angebotenen Beweise nicht aufgenommen (der zitierte Schriftsatz befindet sich nicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten). Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom , Zl. 426/55, ausgesprochen, daß es in der Regel nicht möglich sein werde, den wirtschaftlichen Lieferungsvorgang umsatzsteuerlich in einzelne Bestandteile zu zerlegen und in eine Lieferung im engeren Sinn und die Zustellung aufzuspalten, zumal eine umsatzsteuerbare Lieferung immer erst mit der Verschaffung der Verfügungsmacht gegeben sei. Er habe ferner ausgesprochen, daß in dem dort behandelten Fall dem Abnehmer kein gesonderter Beförderungspreis in Rechnung gestellt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe jedoch Beweis angetreten, daß ein gesonderter Beförderungspreis nicht nur in Rechnung gestellt, sondern auch tatsächlich vereinbart und daß kein einheitlicher Lieferungsvertrag, sondern ein besonderer Beförderungsvertrag abgeschlossen worden sei. Unter Bezugnahme auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 987/64, und vom , Zl. 1522/66, führte die Beschwerdeführerin aus, daß der Grundsatz der Unteilbarkeit der Leistung nicht einschränkungslos Geltung besitze und daß die Regel, wonach die Lieferung am Wohn- bzw. Betriebsort des Empfängers der Ware erfüllt werde, Ausnahmen kenne. Die Beschwerdeführerin habe auch den Beweis dafür angeboten, daß
1. die Einfuhrpapiere (Einfuhrgenehmigung nach dem Außenhandelsgesetz, Zollabfertigungspapiere) ausschließlich auf den Namen der inländischen Abnehmer gelautet hätten,
2. die Gefahr des Transportes (Untergang und Beschädigung der Ware) schon nach Verlassen der Fabrik, jedenfalls aber vor "Übertreten" der Grenze ausschließlich die österreichischen Abnehmer getroffen habe und schließlich,
3. die österreichischen Abnehmer noch vor dem Grenzübertritt tatsächlich die volle Verfügungsmacht durch entsprechende "Unterstellung unter die Weisungen des Grenzspediteurs" erhalten hätten.
Im Zuge des Berufungsverfahrens legte die Beschwerdeführerin Warenerklärungen und dazugehörige Rechnungen vor, aus denen hervorgeht, daß als Versender die Beschwerdeführerin, als Warenempfänger der Firma D. und als Verfügungsberechtigter die S Spedition G. H. aufscheinen.
Ferner legte die Beschwerdeführerin vor:
1. Die Abschrift eines von ihr an die Firma D. gerichteten Anbotschreibens vom , in welchem neben dem Preis für verschiedene Sorten von Silberzwiebeln noch angeführt ist:
in weißen Säcken je 25 kg Abladegewicht
Qualität: Feldgewächs
ab Fabrik
unverzollt, unversteuert
ausschließlich Provision
Zahlung innerhalb eines Monats nach Rechnungsdatum."
2. Ein an die Beschwerdeführerin gerichtetes Schreiben der Firma D. vom , in dem es u. a. heißt:
"Bezüglich der Fracht bin ich auch der Meinung, daß wir diese erst kurz vor Beginn der Saison vereinbaren sollen.
Vergangenes Jahr haben wir pro Ladung (ca. 18 tons) hfl. 2.150,-- bezahlt. Dieser Frachtsatz wäre auch bei meiner heurigen Kalkulation berücksichtigt, sodaß die von Ihnen genannten hfl 2.400,--/2.500,-- nicht in meine Kalkulation hereinzubringen sind. Sie wissen, daß die österr. LKW nach Holland bedeutend billiger fahren; ich habe z. Bsp. für Steckzwiebel S 65,-- pro 100 kg bezahlt. Aber ich möchte den Transport nicht an österr. LKW übertragen, da die Fahrer kein Verständnis für unsere Ware haben.
Ich möchte Sie deshalb bitten, den Frachtsatz nochmals zu prüfen und ich bin sicher, daß wir eine für beide Seiten annehmbare Lösung finden werden."
3. Ein an die Beschwerdeführerin gerichtetes Schreiben der Spedition G. H. vom , in dem folgendes erklärt wird:
"Auf Grund unserer langjährigen Zusammenarbeit mit der Firma Ing. D., W, erlauben wir uns zu bestätigen, daß Herr Ing. D., Silberzwiebel von der Fa. Gebr. M., Holland, welche wir zu verzollen bevollmächtigt und beauftragt sind, ab Werk (ersichtlich aus den Fakturen) kauft und daher die Verfügungsgewalt auch ab Werk an ihn übergeht. Die Ware wird mit werkseigenen Fahrzeugen der Fa. Gebr. M. transportiert. Herr Ing. D. teilte uns bei jeder Sendung seine Disponierung über die Auslieferung der Ware (S, L, E, usw.) telephonisch mit, welche wir dann an die Fahrzeuglenker weitergaben."
Das Finanzamt wies die Berufung der Beschwerdeführerin mit Berufungsvorentscheidung ab. Dieser Bescheid wurde jedoch durch Antrag der Beschwerdeführerin, die Berufung der belangten Behörde vorzulegen, außer Wirksamkeit gesetzt. Mit dem nun angefochtenen Bescheid hat auch die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben. Sie hat im wesentlichen ausgeführt:
Die vorgelegten Warenerklärungen wiesen als Versender die Beschwerdeführerin aus und bezeichneten den inländischen Abnehmer als Warenempfänger. Den Berufungsausführungen entsprechend, wonach die Verfügungsmacht bereits im Ausland an den inländischen Abnehmer übergegangen sein solle, müßte jedoch dieser und nicht der ausländische Lieferant als Versender aufscheinen. Aus dem Umstand, daß in den Warenerklärungen der "Grenzspediteur" als Verfügungsberechtigter aufscheine, könne hinsichtlich der Umsatzsteuer nichts gewonnen werden. Der nach dem Zollgesetz Verfügungsberechtigte habe nämlich keineswegs die nach dem Umsatzsteuerrecht erforderliche Verfügungsmacht. Verfügungsberechtigter nach dem Zollgesetz sei, wer die Ware im Gewahrsam habe (§ 51 Abs. 1 Zollgesetz), d. h. wer sie tatsächlich bei sich habe, wobei es gleichgültig sei, ob er den Willen habe, die Ware als die seinige zu besitzen und ob er zivilrechtlich über die Ware verfügen dürfe oder nicht. Auch aus dem Umstand, daß die Einfuhrgenehmigungen nach dem Außenhandelsgesetz auf die Namen der inländischen Abnehmer lauteten, könne für die Berufung nichts gewonnen werden. Es könne wohl nicht verwundern, daß ein die Einfuhr einer Ware bewilligendes Dokument auf den Namen des Importeurs, d. h. des inländischen Abnehmers, laute, Eine Aussage über den Ort des Überganges der Verfügungsmacht über die einzuführende Ware werde damit keinesfalls getroffen.
Abgesehen davon, daß nicht einzusehen sei, warum die Gefahr des Transportes schon nach Verlassen der Fabrik, jedenfalls aber vor Grenzübertritt, ausschließlich den inländischen Abnehmer getroffen haben solle - die Berufung enthalte dazu keinerlei Ausführungen über eine diesbezügliche Vereinbarung oder eine entsprechende gesetzliche Grundlage, - sei darauf zu verweisen, daß § 3 Abs. 6 UStG 1959 zwingendes Recht darstelle und daher auch durch vertragliche Abmachungen der Geschäftspartner nicht geändert werden könne. Der Ort der Lieferung sei deshalb unabhängig von allfälligen Vereinbarungen über den Übergang des Risikos vom Lieferer auf den Abnehmer und von Kostenklauseln.
Aus dem Schreiben der Spedition G. H. sei klar zu ersehen, daß die ausländische Lieferfirma, die den Transport unbestritten mit eigenen Fahrzeugen durchgeführt habe, die Waren bis zum "Grenzspediteur" im Inland befördert habe, ohne Weisungen über den Ort der Warenauslieferungen zu besitzen. Die erste Handlung, aus der die Verfügungsgewalt des inländischen Abnehmers ableitbar sei, sei demnach im Inland gesetzt worden.
Das Umsatzsteuerrecht werde vom Grundsatz der Unteilbarkeit der Leistung beherrscht, welcher besage, daß ein bestimmter Wirtschaftsvorgang nach seiner überwiegenden Bedeutung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung einheitlich zu beurteilen sei und nicht zum Zweck einer günstigeren Umsatzbesteuerung in seine Bestandteile, etwa Lieferung einerseits und sonstige Leistung andererseits, zerlegt werden dürfe. Im gegenständlichen Fall seien Waren aus dem Ausland mit den Fahrzeugen des ausländischen Erzeugers ins Inland geliefert worden. Die Beschwerdeführerin vermeine nun, in der Behauptung, neben dem Liefervertrag sei ein gesonderter Beförderungsvertrag abgeschlossen worden, ein Argument dafür gefunden zu haben, daß die Verfügungsmacht bereits im Ausland auf den inländischen Abnehmer übergegangen sei. Wie jedoch auch der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 426/55, ausgeführt habe, befinde sich der Gegenstand einer Lieferung nicht immer schon von vornherein an einem Ort, an welchem der Abnehmer über den Gegenstand verfügen könne. Es sei daher vielfach erforderlich, daß der Unternehmer den Gegenstand zum Abnehmer befördere, ohne daß er deshalb umsatzsteuerrechtlich neben der Lieferung auch eine "sonstige Leistung" erbringen würde. Die gesamte Tätigkeit halte sich in diesem Fall immer im Rahmen der Aufgabe eines Lieferers, der dem Abnehmer die Verfügungsmacht über den Liefergegenstand zu verschaffen habe. Darüber hinaus sei der Senat zur Ansicht gekommen, daß der Nachweis über den Bestand eines gesonderten Beförderungsvertrages nicht erbracht worden sei. Es sei lediglich der Brief eines inländischen Abnehmers an die Beschwerdeführerin vorgelegt worden. Dem habe jedoch nur entnommen werden können, daß der inländische Abnehmer mit den von der Beschwerdeführerin veranschlagten Frachtkosten nicht einverstanden gewesen sei, aber trotzdem Interesse an einem Transport der Ware in Fahrzeugen der Beschwerdeführerin bekundet habe. Dies lasse jedoch nicht auf eine von der Beschwerdeführerin neben der Lieferung vereinbarte und davon gesondert zu beurteilende Transportleistung schließen. Auch der Umstand, daß in den Fakturen die Transportkosten gesondert in Rechnung gestellt worden seien, lasse einen derartigen Schluß nicht zu. Wie dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Schreiben vom an einen der inländischen Abnehmer zu entnehmen sei, seien die Preise "ab Fabrik" kalkuliert worden. Darunter sei zu verstehen, daß jene Kosten, die erst entstünden, nachdem die Waren die Fabrik verlassen hätten, im Preis nicht berücksichtigt seien. Dabei handle es sich vor allem um die Kosten für die Beförderung der Waren zum Empfänger. Diese Kosten könnten von der Kalkulation des Lieferanten schon deshalb nicht erfaßt werden, weil sie von Komponenten wie Transportstrecke, Transportmittel etc. abhingen, die nicht vorausbestimmbar seien. Der Lieferant sei daher gezwungen, diese Kosten erst dann zu bestimmen, wenn ihm die dafür maßgebenden Kostenfaktoren bekannt seien. Dies sei aber immer erst dann der Fall, wenn er ein konkretes Liefergeschäft abgeschlossen habe. Es ergebe sich daher zwangsläufig, daß in den Fakturen der zunächst "ab Fabrik" kalkulierte Preis der einzelnen Waren um die jeweiligen Transportspesen ergänzt werde. Dies geschehe natürlich nicht in der Form, daß der einzelne Warenpreis geändert werde, sondern dadurch, daß die Transportkosten der gesamten Lieferung in einem Betrag gesondert angesetzt würden. Daraus lasse sich Jedoch nicht ein gesondert zu beurteilender Beförderungsvertrag ableiten.
Wie bereits ausgeführt, handle es sich bei der Bezeichnung "ab Fabrik" lediglich um eine Kostenklausel. Das gleiche gelte für die Hinweise "unverzollt, unversteuert". Auch daraus ließen sich keine Rückschlüsse auf den Ort des Überganges der Verfügungsmacht ziehen. Zusammenfassend sei daher festzustellen, daß die Beschwerdeführerin Waren mit eigenen Firmenfahrzeugen nach Österreich verbrachte und entsprechend der vom "Grenzspediteur" an die Fahrzeuglenker weitergegebenen Weisungen der Importeure auch in Österreich ausgeliefert habe. Den inländischen Abnehmern sei daher die Verfügungsmacht im Inland verschafft worden. Der Nachweis, daß die Verfügungsmacht bereits im Ausland übergegangen sei, habe nicht erbracht werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1959 unterliegen Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer. Nach § 3 Abs. 1 UStG 1959 sind Lieferungen Leistungen, durch die der Unternehmer den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, in eigenem Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Gemäß § 3 Abs. 6 UStG 1959 wird eine Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet.
Der Sonderfall einer Versendungslieferung ist im § 3 Abs. 7 UStG 1959 geregelt. Darnach liegt Versenden vor, wenn der Unternehmer einen Gegenstand durch einen Frachtführer oder Verfrachter befördern oder eine solche Beförderung durch einen Spediteur besorgen läßt. Wird der Gegenstand einer Lieferung an den Abnehmer versendet, gilt die Lieferung mit der Übergabe des Gegenstandes an den Spediteur, Frachtführer oder Verfrachter als ausgeführt. Das gleiche gilt, wenn der Gegenstand im Auftrage des Abnehmers an einen Dritten versendet wird.
Im Beschwerdefall ist daher die Frage zu entscheiden, ob die Beschwerdeführerin - so wie sie es vermeint - den inländischen Abnehmern die Verfügungsmacht an den von ihr gelieferten Waren im Ausland oder - dies bejaht die belangte Behörde - im Inland verschafft hat. Die Verschaffung der Verfügungsmacht wird häufig mit der Eigentumsübertragung im Sinne des Privatrechtes zusammenfallen. Eine unbedingte Voraussetzung ist das jedoch nicht (vgl. dazu beispielsweise Frühwald, Anmerkung 10 zu § 3, und Plückebaum-Malitzky, 10. Aufl., Tz 1021 ff). Es kann in diesem Zusammenhang nämlich nicht übersehen werden, daß der Begriff "Verfügungsmacht" ein durchaus eigenständiger Begriff des Umsatzsteuerrechtes ist. Die Entscheidung der Frage, an welchem Ort und in welchem Zeitpunkt die Verfügungsmacht über einen Gegenstand verschafft wird, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (siehe das hg. Erkenntnis vom , Zl. 373/62).
Bei dieser Rechtslage ist der belangten Behörde einzuräumen, daß Versendungsgeschäfte im Sinne des § 3 Abs. 7 UStG 1959 im Falle der Beschwerdeführerin nicht vorliegen. Die Beschwerdeführerin hat nämlich die gelieferten Gegenstände nicht von ihrem Betriebsort in Holland aus durch einen Frachtführer oder Verfrachter nach Österreich befördern oder eine solche Beförderung durch einen Spediteur besorgen lassen, sondern sie hat vielmehr die Beförderung nach Österreich selbst mit eigenen Fahrzeugen und Fahrzeuglenkern bis nach Österreich durchgeführt. Es spricht daher auf den ersten Blick alles für den Standpunkt der belangten Behörde, daß die Verschaffung der Verfügungsmacht durch die Beschwerdeführerin erst mit der körperlichen Übergabe der Gegenstände der Lieferungen an die Abnehmer der Beschwerdeführerin bzw. an die Kunden dieser Abnehmer in Österreich erfolgt ist und somit umsatzsteuerbare Inlandslieferungen vorliegen. Diese Rechtsansicht entspricht grundsätzlich auch dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 426/55, Slg. Nr. 1647/F, wonach gemäß dem im Umsatzsteuerrecht geltenden Grundsatz der Unteilbarkeit der Leistung es nicht zulässig ist, einen wirtschaftlich einheitlichen Lieferungsvorgang in eine Lieferung im engeren Sinn (Warenbeschaffung) und die Zustellung (Warenbeförderung) aufzuspalten. Dieser Feststellung kommt indes für die Entscheidung des Beschwerdefalles dann keine Bedeutung zu, wenn die beschwerdegegenständlichen Lieferungen im Ausland vollzogen worden sind.
Hiezu hat die Beschwerdeführerin schon im Verwaltungsverfahren vorgebracht, daß die Einfuhrpapiere ausschließlich auf den Namen der inländischen Abnehmer lauten. Dieser Umstand ist aber ohne entscheidende Relevanz, weil einerseits die Tatsache, daß die Einfuhrgenehmigung nach dem AHG auf die Warenempfänger lautet, nichts über die Frage, wo und wann die umsatzsteuerliche Verfügungsmacht übertragen worden ist, aussagt, anderseits - wie die belangte Behörde zutreffend hervorhebt - auf der zollamtlichen Warenerklärung die Beschwerdeführerin als Versenderin aufscheint, was eher gegen den Standpunkt der Beschwerdeführerin spricht.
Weiters brachte die Beschwerdeführerin vor, daß die Gefahr des Transportes bereits mit dem Verlassen der Ware aus dem Betrieb der Beschwerdeführerin in Holland auf die Abnehmer übergegangen ist. Der Gefahrenübergang ist sicherlich allein nicht ausschlaggebend, um Zeitpunkt und Ort einer Lieferung im umsatzsteuerlichen Sinn verläßlich und abschließend bestimmen zu können. Nach dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 987/64, kommt dem Gefahrenübergang jedoch immerhin gewisse Bedeutung - namentlich im Zusammenhang mit dem übrigen Gesamtbild der Verhältnisse - zu.
Als zusätzliches Argument wies, die Beschwerdeführerin darauf hin, daß die Verfügungsmacht an die Abnehmer schon wegen der "Unterstellung unter die Weisungen des Grenzspediteurs" bereits im Ausland übertragen worden ist. Diesbezüglich findet sich in den Verwaltungsakten das bereits erwähnte Schreiben der Firma G. H. Salzburg.
Der Verwaltungsgerichtshof ist nun der Rechtsansicht, daß dann, wenn der Gefahrenübergang tatsächlich bereits in Holland mit Verlassen der Ware aus dem Betrieb der Beschwerdeführerin auf die österreichischen Abnehmer übergegangen ist und der "Grenzspediteur" die Ware vor der österreichischen Grenze im Auftrag der Abnehmer übernommen hat und nicht nur die zollamtliche Abfertigung besorgte, sondern auch namens der inländischen Abnehmer in einer für die Fahrer der Beschwerdeführerin und somit auch für sie selbst verbindlichen Art verfügen konnte, was das weitere Schicksal der Warensendung ist, nach der Verkehrsauffassung die Verfügungsmacht bereits im Ausland an die inländischen Abnehmer übergegangen ist. Eine abschließende und vollständige Feststellung der für diese rechtliche Beurteilung maßgebenden Sachverhaltselemente läßt die Begründung des angefochtenen Bescheides jedoch vermissen.
Den Einwand des Gefahrenüberganges in Holland hat die belangte Behörde damit abgetan, daß nicht "einzusehen" sei, warum die Gefahr des Transportes von den österreichischen Abnehmern bereits in Holland Übernommen worden sei und daß § 3 Abs. 6 UStG 1959 zwingendes Recht sei, das durch vertragliche Vereinbarungen nicht ausgeschlossen werden könne. Dazu ist zu sagen, daß dem Moment des Risikoüberganges im Gesamtbild der Verhältnisse des Einzelfalles nicht jede Bedeutung abgesprochen werden kann (siehe das zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom ), wobei es dann aber auch nicht relevant sein kann, ob der Gefahrenübergang auf gesetzlicher Vorschrift oder vertraglicher Vereinbarung beruht. Ob im Beschwerdefall tatsächlich die Gefahrentragung auf die österreichischen Abnehmer bereits mit Verlassen des Betriebes der Beschwerdeführerin in Holland übergegangen ist, ist den vorliegenden Akten nicht mit Sicherheit zu entnehmen. Um in diesem Punkt Klarheit zu erlangen, hätte die belangte Behörde sich nicht nur mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren auseinandersetzen dürfen, sondern es wäre auch naheliegend gewesen, die inländischen Abnehmer darüber zu befragen, insbesondere darüber, aus welchen Motiven die - von der belangten Behörde offenbar für ungewöhnlich erachtete - Übernahme des Transportrisikos bereits in Holland erfolgt ist. Möglicherweise hätte auch der bereits weiter oben erwähnte Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom , der sich aber nicht in den Verwaltungsakten befindet, hierüber Aufschluß geben können.
Die Schlußfolgerung der belangten Behörde, die erste Handlung, aus der die Verfügungsgewalt der inländischen Abnehmer ableitbar sei, sei im Inland gesetzt worden, entbehrt ebenfalls der entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen. Hiefür wäre es nämlich nachdem weiter oben Gesagten erforderlich gewesen, das Rechtsverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin, dem "Grenzspediteur" und den inländischen Abnehmern nach den zwischen diesen Personen getroffenen Vereinbarungen des Näheren zu erforschen. Die in den Verwaltungsakten befindlichen Warenerklärungen allein geben hierüber keinen verläßlichen Aufschluß, weil aus ihnen lediglich die formelle Stellung der Beschwerdeführerin als Versender, des "Grenzspediteurs" als Verfügungsberechtigten im Sinne des Zollgesetzes 1955 und der inländischen Abnehmer als Warenempfänger hervorgeht. Auch über die sonach maßgebenden Verhältnisse hätten weitere Ermittlungen seitens der belangten Behörde durch Einvernahme der Beteiligten zur Ermittlung der tatsächlich vereinbarten geschäftlichen Beziehungen getroffen werden können.
Wenn die belangte Behörde in der von ihr erstatteten Gegenschrift darauf hinweist, daß die Vernehmung der Zeugen D. und S. (das sind die inländischen Abnehmer der Beschwerdeführerin) und des G. H. (das ist der "Grenzspediteur") auch deswegen nicht erfolgt ist, weil dies seitens der Beschwerdeführerin nicht beantragt worden sei, so ist ihr entgegenzuhalten, daß bei der Lage der gegebenen Verhältnisse sie hiezu in Erfüllung der ihr vom Gesetz auferlegten amtswegigen Ermittlungspflicht auch ohne entsprechenden Parteienantrag gehalten gewesen wäre. Außerdem behauptet die Beschwerdeführerin in der von ihr erstatteten Replik zur Gegenschrift, die Vernehmung dieser Zeugen schon in dem Schriftsatz "Vollmachtsvorlage und Bekanntgabe" vom beantragt zu haben. Dieser Schriftsatz befindet sich allerdings - wie schon erwähnt - nicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten.
Aus Vorstehendem folgt, daß der von der belangten Behörde ihrem Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben ist, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war. Von der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 lit. c VwGG 1965 Abstand genommen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 4/1975, insbesondere auf Art. IV Abs. 2 dieser Verordnung. Da der Schriftsatzaufwand in der genannten Verordnung mit S 2.400,-- - und nicht wie von der Beschwerdeführerin beantragt mit S 3.000,-- - pauschaliert und in diesem Schriftsatzaufwand auch die Umsatzsteuer enthalten ist, war der Beschwerdeführerin neben dem Aufwand für Stempelmarken nur ein Betrag von S 2.400,-- zuzusprechen.
Wien, am
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1976:1974002159.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
XAAAF-58165