VwGH 24.04.1959, 2146/58
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | BAO §28; GewStG §1 Abs1; |
RS 1 | Ein und derselbe Unternehmer kann mehrere steuerlich selbständige Gewerbebetriebe haben. Verarbeiten und erzeugen zwei Betriebe desselben Unternehmers ganz verschiedene Waren, haben sie eigene Betriebsgebäude und besitzt jeder Betrieb eine arteigene maschinelle Ausrüstung, dann liegen steuerlich zwei verschiedene Gewerbebetriebe vor. Daß die Belegschaft und das einzige Transportmittel in beiden Betrieben eingesetzt ist und für beide Betriebe eine gemeinsame Buchführung besteht, hindert die gewerbesteuerliche Selbständigkeit beider Betriebe nicht. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Wasniczek und die Räte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Eichler und Dr. Kaupp als Richter, im Beisein des Sektionsrates Dr. Heinzl als Schriftführer, über die Beschwerde des EB in O, gegen den Bescheid der Berufungskommission bei der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. 29-696-I-57, betreffend Gewerbesteuer für 1955, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Landwirt und betreibt eine Mühle, ein Sägewerk und einen Holzhandel. Für den Holzhandel und die Säge ermittelte er den Gewinn nach dem Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben für das Jahr 1955 mit 58.734,-- S, während er für die Mühle auf Grund einer Buchführung durch Betriebsvermögensvergleich einen Verlust von 56.326,-- S errechnete. Über die genannten Betriebsergebnisse legte er dem Finanzamt getrennte Gewerbesteuererklärungen vor. Das Finanzamt veranlagte auch die Gewerbebetriebe unter Hinweis auf § 1 Abs.1 des Gewerbesteuergesetzes 1953 (BGBl. Nr. 2/1954, GewStG) getrennt zur Gewerbesteuer. Der Beschwerdeführer berief. Die Mühle und das Sägewerk hingen miteinander derart eng zusammen, daß nur von einem einheitlichen Gewerbebetriebe die Rede sein könne. Der von den "Gewerbesteuerrichtlinien verlangte sachliche, nämlich wirtschaftliche, finanzielle und organisatorische" Zusammenhang sei gegeben. Fast sämtliche Aufwendungen beträfen beide Betriebe, insbesondere die Stromkosten (nur 1 Zähler), Löhne und sozialen Lasten, sodaß eine Aufteilung kaum möglich sei. Auch die Reparaturen und der Treibstoffverbrauch des Lastkraftwagens seien gemeinsam verrechnet worden. Der Obermüller sei zwar mit der Oberaufsicht in der Mühle betraut, führe aber hauptsächlich als Lenker des Lastkraftwagens Holztransporte durch. Ebenso fänden die Mühlen- und Sägewerksarbeiter öfters bei Arbeitsmangel im Holzhandel Verwendung. Nach der allgemeinen Verkehrsauffassung handle es sich bei der Mühle und beim Sägewerk ebenso um einen einheitlichen Betrieb wie etwa bei einer Gastwirtschaft und einer Bäckerei oder einer Fleischerei und einem Viehhandel. Bis zum Jahre 1955 seien die gegenständlichen Betriebe auch auf Grund einer durchgeführten Betriebsprüfung als ein Gewerbebetrieb behandelt worden, sodaß sich eine höhere Belastung mit Gewerbesteuer ergeben habe. Nunmehr, da einer der Betriebe einen Verlust ausweise, werde von dieser gemeinsamen Veranlagung abgegangen. Der Beschwerdeführer habe aber das Sägewerk nunmehr in die Buchführung der Mühle einbezogen, sodaß in Zukunft eine getrennte Gewinnermittlung nicht möglich sei.
Die Berufungskommission wies die Berufung ab. Die Mühle und das Sägewerk (der Holzhandel) seien zwei voneinander vollkommen artverschiedene Betriebe, sodaß ein sachlicher Zusammenhang unter allen Umständen auszuschließen sei. Der Beschwerdeführer habe deshalb selbst ohne Aufforderung des Finanzamtes für beide Betriebe getrennte Gewerbesteuererklärungen vorgelegt. Ein teilweiser wirtschaftlicher und organisatorischer Zusammenhang beider Betriebe sei zwar aus der Unternehmereinheit zu erklären, doch könne durch diese ein einheitliches Unternehmen nicht begründet werden. Die scheinbare Härte in der Besteuerung werde durch die Möglichkeit eines künftigen Verlustausgleiches gemildert. Ebensowenig könne der Beschwerdeführer aus der Zusammenveranlagung der Betriebe in den Jahren 1951 bis 1953 etwas für seinen Standpunkt gewinnen, weil die betreffenden Steuerbescheide eben nur für die genannten Jahre Geltung hätten.
Die gegen diesen Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde wiederholt im wesentlichen die im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Einwendungen. Der Gerichtshof hat über sie erwogen:
Nach § 1 Abs. 1 GewStG unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen. Schuldner der Gewerbesteuer ist nach § 4 Abs. 1 GewStG der Unternehmer, und als Unternehmer gilt nach dieser Gesetzesstelle derjenige, für dessen Rechnung das Gewerbe betrieben wird. Das Gesetz unterscheidet also zwischen dem Gewerbebetrieb als Steuergegenstand und der Person, auf deren Rechnung das Unternehmen betrieben wird, die demnach Steuerschuldner ist. Füglich kann ein Unternehmer auch Inhaber verschiedener gewerblicher Betriebe sein, wobei die Gewerbesteuer für jeden Betrieb gesondert zu ermitteln, jedoch vom Unternehmer als Steuerschuldner zu entrichten ist. Die Person des Unternehmers fällt daher, wie die belangte Behörde richtig erkannt hat, für die Beurteilung der Frage, ob nur ein Gewerbebetrieb vorliegt oder ob mehrere selbständige Gewerbebetriebe (Steuergegenstände) gegeben sind, nicht entscheidend ins Gewicht. Maßgebend ist vielmehr, ob zwischen mehreren Betrieben ein derart enger sachlicher Zusammenhang besteht, daß nach der allgemeinen Verkehrsauffassung nur ein Betrieb als Besteuerungsgegenstand in Betracht kommt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine wirtschaftliche oder technische Verflechtung von Betrieben gegeben ist, also wenn etwa zwischen den Betrieben ein Verhältnis der wirtschaftlichen Über- und Unterordnung oder die Stellung eines Betriebes als Hilfsbetrieb zu dem anderen Betrieb vorliegt. Weiters kann nur von einem Betrieb die Rede sein, wenn dieselben Rohstoffe verwendet, maschinelle Einrichtungen gemeinsam benützt werden und Personal gemeinsam verwendet wird (vgl. auch das Urteil des Reichsfinanzhofes vom , RStBl. 1939, S. 372). Auch § 2 des Bewertungsgesetzes, der die Bewertung nach wirtschaftlichen Einheiten vorsieht, bietet eine Handhabe für die Beurteilung, ob ein einheitliches gewerbliches Unternehmen gegeben ist oder ob es sich um mehrere voneinander verschiedene gewerbliche Betriebe handelt. Nach der erwähnten Bestimmung ist die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Güter des Betriebsvermögens zu berücksichtigen. Hiebei ist nicht so sehr der Wille des Eigentümers der Betriebe, als der objektive Maßstab der Verkehrsanschauung entscheidend (vgl. Dziegalowski-Thümen, Das Bewertungsgesetz, 5. Auflage, S. 53). Danach muß im vorliegenden Streitfalle beachtet werden, daß die Mühle zum Sägewerk weder in einem Verhältnis der wirtschaftlichen Über- oder Unterordnung noch im Verhältnis eines Hauptbetriebes zu einem Nebenbetriebe steht. Beide Betriebe verarbeiten verschiedene Rohstoffe (Getreide - Holz) und die Erzeugnisse (Mehl - Schnittholz) sind voneinander derart verschieden, daß sie betrieblich in keinen wirtschaftlichen Zusammenhang gebracht werden können. Jeder der beiden Betriebe benützt eigene Betriebsgebäude und besitzt eine arteigene maschinelle Einrichtung. Bei dieser Sachlage fällt der von der belangten Behörde unbestrittene Umstand, daß das hauptsächliche Transportmittel (ein Lastkraftwagen) und daß die Belegschaft in beiden Betrieben eingesetzt bzw. daß ein leitender Angestellter der Mühle hauptsächlich in der Säge als Kraftwagenfahrer beschäftigt wird, nicht mehr entscheidend ins Gewicht. Daß aber infolge einer gemeinsamen Buchführung für beide Betriebe eine Aufspaltung gewisser Aufwendungen (Treibstoff, Reparaturen, Strom) Schwierigkeiten bereitet, ist bedeutungslos, weil es dem Unternehmer vorbehalten ist, wie er seine Aufzeichnungen einrichtet. Entscheidend mußte vielmehr bleiben, daß es sich bei der Mühle und dem Sägewerk (bzw. Holzhandel) um verschiedene Betriebe handelt, die jeder für sich als Gewerbebetrieb im Sinne des § 1 Abs. 1 GewStG selbständig zur Gewerbesteuer heranzuziehen sind. Die Höhe der daraus resultierenden Gewerbesteuer vermochte an der rechtlichen Beurteilung ebensowenig etwas zu ändern wie die Tatsache, daß die Finanzbehörden in früheren Jahren anders verfahren sind, weil bei der Veranlagung der Gewerbesteuer jedes Wirtschaftsjahr einer selbständigen rechtlichen Beurteilung unterzogen wird. Mithin konnte der vorliegenden Beschwerde kein Erfolg beschieden sein; sie mußte gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 als unbegründet abgewiesen werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | BAO §28; GewStG §1 Abs1; |
Sammlungsnummer | VwSlg 2004 F/1959 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1959:1958002146.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
RAAAF-58141