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VwGH 25.02.1959, 2144/57

VwGH 25.02.1959, 2144/57

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
BAO §12 impl;
BAO §6 Abs1;
GewStG §4 Abs1;
HGB §161 impl;
HGB §171 Abs1 impl;
RS 1
Der Kommanditist kann zur Zahlung der Gewerbesteuer (hier der Lohnsummensteuer) vom Gewerbebetrieb der Kommanditgesellschaft unmittelbar und ohne betragliche Beschränkung als Gesamtschuldner (nicht bloß als Haftender) herangezogen werden (Hinweis: In dem vorliegenden Erkenntnis wird auf die deutsche Rechtslehre und Rechtsprechung zu der Frage dieser bewußten Abkehr von den handelsrechtlichen Grundsätzen hingewiesen).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Ondraczek und die Räte Dr. Porias, Dr. Schirmer, Dr. Eichler und Dr. Kaupp als Richters im Beisein des Sektionsrates Dr. Heinzl als Schriftführer, über die Beschwerde des Dr. H und der P, beide in X, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA VII - 2083/2 - 1957, betreffend Haftung für Lohnsummensteuer, zu Recht erkannt

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Kommanditisten der Firma "E."

Elektro-mechanische Anlagen P. und M. Kommanditgesellschaft, und sind als solche vom Magistrat der Stadt Wien bescheidmäßig zur Zahlung der Lohnsummensteuerrückstände der Firma samt Nebengebühren im Gesamtbetrage von S 1685,07 herangezogen worden. Sie erhoben dagegen Beschwerde und bestritten, daß der Kommanditist für Schulden der Kommanditgesellschaft persönlich hafte. Der Magistrat übermittelte diese Beschwerde dem Betriebsfinanzamt der Kommanditgesellschaft "zur Entscheidung gemäß § 212 c AO." Das Finanzamt wies die Beschwerde gegen den "Lohnsummenhaftungsbescheid" des Wiener Magistrates ab und sprach aus, daß der Kommanditist für die Gewerbesteuer als Gesamtschuldner voll hafte. Die Finanzlandesdirektion wies die gegen diese Entscheidung eingebrachte Beschwerde mit der Begründung ab, der Kommanditist nehme am Gewinn und Verlust des Unternehmens teil. Dieses werde daher auf seine Rechnung betrieben. Er gelte also im Sinne des § 4 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes 1953 (BGBl. Nr. 2/1954, GewStG 1953) als Unternehmer und sei wie die anderen Mitunternehmer Gesamtschuldner der Gewerbesteuer. Von dieser Rechtsauffassung gehe auch die Vorschrift des § 1 Abs. 2 Z. 1 GewStG 1953 aus, weil dort unter den Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen sind, die Kommanditgesellschaft besonders angeführt sei. Als Gesamtschuldner schulde der Kommanditist die ganze Leistung und zufolge der steuerlichen Sondervorschriften über die Pflicht zur Zahlung der Gewerbesteuer seien die allgemeinen Vorschriften des Handelsgesetzbuches über die Haftung des Kommanditisten auf Gewerbesteuerschulden nicht anzuwenden.

In der gegen diesen Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof überreichten Beschwerde wird die Rechtsansicht der belangten Behörde als unzutreffend bekämpft. Die Beschwerdeführer bestreiten, daß der Kommanditist als Mitunternehmer im Sinne des § 4 GewStG 1953 anzusehen sei. Eine Unternehmertätigkeit liege nur dann vor, wenn der Gesellschafter einen maßgeblichen Einfluß auf die Geschäftsführung hat. Der Kommanditist sei aber gemäß § 164 HGB von der Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft ausgeschlossen. Er sei zwar am Gewinn und Verlust beteiligt, am Verlust jedoch nur beschränkt bis zur Höhe des Geschäftsanteiles, und seine Haftung sei auf den Betrag der Vermögenseinlage beschränkt. Aus § 1 Abs. 2 Z. 1 GewStG 1953 könne für die Rechtsansicht der belangten Behörde nichts gewonnen werden. Wenn diese Bestimmung von Gesellschaften spreche, "bei denen der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebes anzusehen ist", dann beziehe sich dies auf andere Gesellschaften als die vorher besonders erwähnte offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft. Eine persönliche Haftung des Kommanditisten für Schulden der Gesellschaft gleich wie für Steuerschulden sei nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches ausgeschlossen. Es könnten daher auch die maßgeblichen Bestimmungen des Gewerbesteuergesetzes in Sinne der Einheit der Rechtsordnung nicht in einem davon abweichenden Sinn ausgelegt werden. Das Fehlen eines Hinweises auf eine Einschränkung der Haftungsbestimmungen nach dem Handelsrecht im Gewerbesteuergesetz 1953 zeige, daß diese Haftungsbeschränkungen auch für das Steuerrecht zu gelten haben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 GewStG 1953 unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird, und nach Abs. 2 Z. 1 dieser Gesetzesstelle gilt als Gewerbebetrieb stets und in vollem Umfang die Tätigkeit der offenen Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften und anderer Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebes anzusehen sind. Nach § 4 des nämlichen Gesetzes ist Steuerschuldner der Unternehmer. Als Unternehmer gilt der, für dessen Rechnung das Gewerbe betrieben wird. Wird das Gewerbe für Rechnung mehrerer Personen betrieben, dann sind diese Gesamtschuldner. Zum Begriffe der Gesamtschuld gehört es aber (vgl. § 7 Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes) daß jeder Gesamtschuldner die ganze Leistung schuldet. Dem Finanzamt steht es frei, an welchen Gesamtschuldner es sich halten will. Es kann die geschuldete Leistung von jedem Gesamtschuldner ganz oder zu einem Teil fordern.

Gemäß § 161 Abs. 1 HGB ist die Kommanditgesellschaft eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinsamer Firma gerichtet ist, wenn bei einem oder bei einigen von den Gesellschaftern die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf den Betrag einer bestimmten Vermögenseinlage besehränkt ist (Kommanditisten), während bei dem anderen Teil der Gesellschafter eine Beschränkung der Haftung nicht stattfindet. Nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches, auf die sich die Beschwerdeführer selbst berufen, kann also kein Zweifel sein, daß das von der Kommanditgesellschaft betriebene Unternehmen auch auf Rechnung des Kommanditisten betrieben wird. Dieser ist also gemäß § 4 GewStG 1953 einer der mehreren Gesamtschuldner der Gewerbesteuer. Bei dieser eindeutigen Rechtslage ist es müßig, darüber zu streiten, ob der im § 1 Abs. 2 Z. 1 GewStG 1953 enthaltene Nebensatz: "bei denen die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebes anzusehen sind" sich nur auf die in dieser Gesetzesstelle unmittelbar vor dem Nebensatz angeführten "anderen Gesellschaften" oder auch auf die vor diesen "anderen Gesellschaften" genannte offene Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft bezieht. § 1 Abs. 2 GewStG 1953 erläutert den Begriff des "Gewerbebetriebes kraft Rechtsform". Die Person des Steuerschuldners ergibt sich dagegen aus § 4 dieses Gesetzes. Im übrigen geht auch aus § 171 Abs. 1 HGB hervor, daß der Kommanditist den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage, soweit er diese noch nicht geleistet hat, unmittelbar haftet.

Streitig kann somit nur sein, ob der Kommanditist gemeinsam mit den übrigen Gesellschaftern der Kommanditgesellschaft ohne Rücksicht auf die Höhe seiner Kommanditeinlage und ob er auch dann, wenn er die Kommanditeinlage in voller Höhe geleistet hat, zur Zahlung der Gewerbesteuer herangezogen werden kann. Diese Frage ist bereits mehrfach Gegenstand von Erörterungen des ehemaligen Reichsfinanzhofes gewesen. Dieser hat in einem Gutachten vom (Reichssteuerblatt 1938, S. 434) sowie in einem Gutachten des Großen Senates vom (Reichssteuerblatt 1940, S. 547) ausgesprochen, daß die Kommanditisten für die Gewerbesteuer in vollem Umfang persönlich als Gesamtschuldner "haften", und er hat dazu u.a. ausgeführt:

"§ 5 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz (vom , DRGBl. I S. 979, in der Folge kurz als GewStG 1936 bezeichnet) bezeichnet den Unternehmer als Steuerschuldner. Als Unternehmer gilt der, für dessen Rechnung das Gewerbe betrieben wird. Bei Unternehmen, die in der Form einer Kommanditgesellschaft betrieben werden, sind Unternehmer die Gesellschafter und nicht die Gesellschaft. Das ergibt sich aus § 2 Abs. 2 Z. 1 GewStG 1936. Dort ist zwar gesagt, daß die Tätigkeit einer Kommanditgesellschaft stets als Gewerbebetrieb und damit als einheitlicher Steuergegenstand gelten soll. Als Unternehmer dieses Gewerbebetriebes sind aber die Gesellschafter bezeichnet. Das Gewerbesteuergesetz ist dem Einkommensteuergesetz nachgebildet. Ebenso wie die Einkommensteuer soll auch die Gewerbesteuer bei Personengesellschaften die Gesellschafter und nicht die Gesellschaft treffen. Wird das Unternehmen für Rechnung mehrerer Personen betrieben, so sind diese Gesamtschuldner. Der Kommanditist als Mitunternehmer schuldet danach die Gewerbesteuer persönlich als Gesamtschuldner. Daß nach Handelsrecht für die Kommanditisten aus dem Gesamtschuldverhältnis keine unbeschränkte Erfüllungspflicht hinsichtlich der Gesellschaftsschulden folgt, hat für für das Steuerrecht keine Bedeutung. § 7 Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes bestimmt ausdrücklich, daß jeder Gesamtschuldner die ganze Steuerleistung schuldet. Daß der Gesetzgeber die unbeschränkte Haftung der Kommanditisten hat vorschreiben wollen, ergibt sich überdies aus der amtlichen Begründung zum Gewerbesteuergesetz." Im gleichen Sinne ist auch die amtliche Begründung zum Gewerbesteuergesetz 1936 (Reichssteuerblatt 1937, S. 623) gehalten. Sie führt aus: "Der Gewerbesteuer als Realsteuer unterliegt der Gewerbebetrieb als

solcher ... Es bedurfte daher einer besonderen Vorschrift, wer als

Steuerschuldner anzusehen ist. § 5 des Gesetzes bestimmt, daß Steuerschuldner der Unternehmer ist und daß als Unternehmer der gilt, für dessen Rechnung das Gewerbe betrieben wird. Wird das Gewerbe für Rechnung mehrerer Personen betrieben, z.B. bei einer offenen Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft oder sonstigen Unternehmergemeinschaft, so sind diese Gesamtschuldner. Es kann mithin jeder von ihnen in vollem Umfang in Anspruch genommen werden." Auch der Verwaltungsgerichtshof hat keine Bedenken, die in der deutschen Rechtslehre und Rechtsprechung dargelegte Rechtsanschauung zu übernehmen. Mag auch die Heranziehung des Kommanditisten zur Zahlung der Gewerbesteuer der Kommanditgesellschaft mit dem handelsrechtlichen Wesen dieser Gesellschaft nicht in vollem Einklang gestanden und dadurch der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung durchbrochen worden sein, so kann doch kein Zweifel daran bestehen, daß der deutsche Gesetzgeber im Gewerbesteuergesetz 1936 für das Gebiet der Gewerbesteuer bewußt den von den Beschwerdeführern bestrittenen Rechtszustand herbeigeführt hat, um eine Sicherung der Gewerbesteuer über die Einlage des Kommanditisten hinaus zu schaffen (vgl. hiezu auch das erwähnte Gutachten vom ).

Der österreichische Gesetzgeber hat nun die im gegebenen Zusammenhang maßgebenden Bestimmungen des GewStG 1953 unverändert übernommen (nunmehr § 1 Abs. 2 Z. 1 und § 4) und ist damit dem deutschen Gesetzgeber auf dem von diesem beschrittenen Weg gefolgt. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß im GewStG 1953 besondere Hinweise darauf, daß die Zahlungspflicht des Kommanditisten für die Gewerbesteuer über dessen handelsrechtliche Haftung hinausgeht, nicht enthalten sind.

Die Verwaltungsinstanzen haben somit die entscheidende Rechtsfrage im Ergebnis richtig gelöst. Der verfahrensrechtliche Weg, der dabei eingeschlagen wurde, war allerdings verfehlt. Über die Beschwerde gegen den vom Magistrat, also einer Gemeindebehörde, gegen die Beschwerdeführer erlassenen Zahlungsbescheid hätte nämlich gemäß § 6 Z. 3 des Abgabenrechtsmittelgesetzes (BGBl. Nr. 60/1949, AbgRG) "die hiezu in den landesrechtlichen Vorschriften berufene Stelle", d.i. die Abgabenberufungskommission beim Wiener Magistrat (Vdg. vom , LBGl. Nr. 36) entscheiden müssen. Dem Magistrat oder der Abgabenberufungskommission wäre es freilich unbenommen geblieben, beim zuständigen Betriebsfinanzamt einen Antrag auf Entscheidung über die Vorfrage, ob und in welchem Umfang die Beschwerdeführer als Schuldner der Lohnsummensteuer heranzuziehen waren, zu stellen, und in diesem Falle hätte die Abgabenberufungskommission gemäß § 42 Abs. 1 in Verbindung mit § 53 Abs. 2 AbgRG ihre Entscheidung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Vorfrage aussetzen können. Auf keinen Fall hätte aber das Betriebsfinanzamt, also eine Bundesbehörde, eine Beschwerde gegen den Bescheid des Wiener Magistrates, also einer Gemeindebehörde, selbst abweisen dürfen. Tatsächlich ist es aber dazu gekommen, daß eine Bundesbehörde über ein Rechtsmittel gegen einen Bescheid einer Gemeindebehörde entschieden und daß eine weitere Bundesbehörde, nämlich die Finanzlandesdirektion diesen Bescheid des Finanzamtes bestätigt hat, sodaß im vorliegenden Fall entgegen dem in § 7 Abs. 3 AbgRG verkörperten Grundsatz drei Verwaltungsinstanzen mit der Sache befaßt waren. Die Beschwerdeführer haben diese verfehlte verfahrensmäßige Behandlung der Sache nicht gerügt. Die unterlaufenen Fehler waren ohne Einfluß auf die Beurteilung der maßgebenden Rechtsfrage. Der Beschwerde mußte somit der Erfolg versagt bleiben,

Wien, am

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Normen
BAO §12 impl;
BAO §6 Abs1;
GewStG §4 Abs1;
HGB §161 impl;
HGB §171 Abs1 impl;
Sammlungsnummer
VwSlg 1964 F/1959;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1959:1957002144.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
KAAAF-58139