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VwGH 28.09.1961, 2110/60

VwGH 28.09.1961, 2110/60

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
WRG 1959 §32 Abs2 litc;
RS 1
Ausführungen zur Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes in der Frage der Feststellung der Grundwasserverunreinigung durch Versicherungsanlagen (§ 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG 1952)
Norm
WRG 1959 §32 Abs2 litc;
RS 2
Eine seinerzeit erteilte gewerberechtliche Genehmigung der Betriebsanlage befreit nicht von der im WRG 1959 festgelegten Verpflichtung dafür Sorge zu tragen, daß im Wege von Sickergruben keine das Grundwasser verunreinigenden Stoffe in den Boden gelangen, oder daß für eine in dieser Art stattfindende Verunreinigung die wasserrechtliche Bewilligung erwirkt wird.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Guggenbichler und die Räte Dr. Borotha, Dr. Krzizek, Penzinger und Dr. Kadecka als Richter, im Beisein des Finanzoberkommissärs Dr. Zatschek als Schriftführer, über die Beschwerde des GK in X gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. Wa-1260/1-1960, betreffend Bestrafung nach dem Wasserrechtsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Der Gemeindearzt der Stadtgemeinde X erstattete am an seine Dienststelle Bericht über eine Wasseruntersuchung, die er an einem durch den Besitzer KD auf der Grundparzelle Nr. 999/22 K.G. X neugeschlagenen Brunnen vorgenommen hatte. Diesem Berichte zufolge weise die Oberfläche des dort aufsteigenden Grundwassers eine fettig-ölige Oberflächenschicht auf Farbe und Geruch des Wassers ließen teerigölige Substanzen vermuten. Bei Bedachtnahme auf die Möglichkeit einer Grundwasserverunreinigung durch den benachbarten Industriebetrieb (Dachpappenfabrik der Fa. B & H) habe der Brunnen bis auf weiteres für den Trinkwassergebrauch gesperrt zu bleiben. Wasserproben würden vom untersuchenden Arzt zur physikalischchemischen und bakteriologischen Überprüfung an die staatliche Untersuchungsanstalt in Linz eingesandt werden.

Der von diesem Befund verständigte Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land kam bei einem nachfolgenden Ortsaugenschein laut Bericht vom zum gleichen Untersuchungsergebnis. Da die Dachpappenfabrik vom Brunnen ungefähr 100 m entfernt sei und die Vermutung bestanden habe, daß die Verunreinigung des Grundwassers durch Abwässer aus dieser Fabrik erfolgen könnte, habe der Amtsarzt in dieser Richtung Erhebungen gepflogen. Dabei habe festgestellt werden können, daß in der Fabrik zwei Abwässerversickerungsanlagen bestehen. In der einen Anlage gelangten die Waschabwässer aus der Bade- und Brauseanlage zur Versickerung. In der anderen Anlage würden Abwässer aus der Destillationsanlage versickert, wobei auch öfter öl- und teerhältige Bestandteile zur Versickerung gelangen können, wie dies von der Firma angegeben worden sei. Der Beschwerdeführer (Prokurist der Firma) habe nicht angeben können, ob jemals eine wasserrechtliche Bewilligung für diese Versickerungsanlagen erteilt worden sei. Die Fabrik bestehe seit dem Jahre 1920.

Der als Beschuldigter einvernommene Beschwerdeführer sagte im wesentlichen aus, daß die Fabrik im Jahre 1920 in Betrieb genommen und seither nicht verändert worden sei. Das anfallende Ammoniakwasser werde in einer ca. 11 m entfernten Sickergrube aufgefangen und versitze dort. Es sei wohl anzunehmen, daß die gesamte Anlage seinerzeit kommissioniert und genehmigt worden sei.

Mit Straferkenntnis vom erkannte die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land den Beschwerdeführer einer Übertretung des § 32 Abs. 2 lit. c des Wasserrechtsgesetzes 1959, BGBl. Nr. 15, (kurz: WRG) schuldig, weil er als Fabriksdirektor der Fa. B & H dafür verantwortlich sei, daß Betriebsabwässer aus dieser Fabrik ohne Bewilligung der Wasserrechtsbehörde zur Versickerung gebracht werden und hiedurch eine Verunreinigung des Grundwassers herbeigeführt worden sei. Sie verhängte über ihn deshalb gemäß § 137 WRG eine Geldstrafe von S 5000,--, an deren Stelle für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von 14 Tagen zu treten hatte. In der Begründung hieß es, der Beschwerdeführer wäre als Betriebsleiter verpflichtet gewesen, gemäß Art. XXV der Wasserrechtsnovelle 1947 und der bezüglichen Verordnungen über die Erstreckung der Frist für die Anmeldung älterer Wasserrechte die Versickerungsanlagen zur Anmeldung zu bringen. Der Fortbestand der nach § 125 des Wasserrechtsgesetzes 1934 anerkannten Berechtigungen sei davon abhängig, daß ihre Eintragung im Wasserbuch innerhalb bestimmter Frist beantragt werde. § 2 der Verordnung vom (richtig , BGBl. Nr. 182) habe den Beginn der Rechtsfolgen unterlassener Wasserbucheintragungen für Wasserbenutzungsrechte zur Einbringung von festen Stoffen, Flüssigkeiten oder Gasen mit dem l. Jänner 1952 festgelegt. Wenn auch die Anlage zum Zeitpunkte der Inbetriebnahme keiner Bewilligung bedurft habe, so hätte der Beschwerdeführer die Eintragung auf Grund der angeführten Bestimmungen beantragen müssen. Der strafbare Tatbestand sei durch die Feststellungen des Amtsarztes, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens und das Geständnis des Beschwerdeführers erwiesen.

In der gegen dieses Straferkenntnis eingebrachten Berufung wurde ausgeführt, daß die fragliche Sickergrube, welche 80 m von der Grundgrenze entfernt sei, der Ableitung bzw. Absaugung des beim Destillationsbetrieb anfallenden Ammoniakwassers diene. Teeröl habe nur in geringen Mengen und auch nur im Falle einer Unachtsamkeit des Arbeitspersonales mitabfließen können. Der Destillationsbetrieb sei seit mehr als drei Jahren vollkommen eingeschränkt. Daß in dieser Zeit Teeröle abgeflossen seien, könne mit fast absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden. Die Gesamtentfernung des fraglichen Brunnens von der Versitzgrube betrage 120 m. Der Beschwerdeführer sei erst in der zweiten Hälfte des Jahres 1959 zum Direktor bestellt worden, während ihm seit dem Jahre 1951 Prokura für die Führung der kaufmännischen Agenden erteilt gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei demnach vor 1959 nicht als Betriebsleiter im Sinne der Gewerbeordnung anzusehen gewesen und habe deshalb auch nicht die Pflicht gehabt, eine nachträgliche Anmeldung des Wasserrechtes vorzunehmen. Bisher habe es Beschwerden von Anrainern über eine Grundwasserverunreinigung nicht gegeben, Über Aufforderung der belangten Behörde sei nunmehr ein entsprechendes Abwasserprojekt in Ausarbeitung genommen worden. Eine Zuwiderhandlung gegen das Wasserrechtsgesetz liege nicht vor. Der Beschwerdeführer könne nicht für einen seit 40 Jahren unbeanstandet belassenen Zustand haftbar gemacht werden.

Mit dem heute auf seine Gesetzmäßigkeit überprüften Bescheide vom gab die belangte Behörde der Berufung nicht Folge.

Über die gegen diesen Berufungsbescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde wurde erwogen:

Das im Zeitpunkte der Errichtung des gegenständlichen Fabriksbetriebes in Oberösterreich in Geltung gestandene Wasserrechtsgesetz vom 28. August 1870, Landesgesetz- und Verordnungsblatt Nr. 32, sah eine wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb von Versickerungsanlagen nicht vor. Die einzige hier allenfalls in Betracht kommende Bestimmung des § 16 Abs. 2 dieses Gesetzes enthielt nur einen Bewilligungszwang hinsichtlich der Benützung von Privatgewässern und der dadurch bedingten Einwirkungen auf fremde Rechte. Eine Versickerungsanlage bedingt jedoch keine Benützung des Grundwassers. Dasselbe gilt für das Wasserrechtsgesetz 1934, BGBl. II Nr. 316, Fassung nach BGBl. Nr. 144/1947, welches in seinem maßgebenden § 9 eine einschlägige und zweifelsfrei dargestellte Bewilligungspflicht nur hinsichtlich der privaten Tagwässer kannte, nicht aber auch eindeutig verwertbare Schutzvorschriften gegen die Verunreinigung des Grundwassers enthielt. Lediglich § 10 des vorzitierten Wasserrechtsgesetzes befaßte sich des näheren mit dem Grundwasser, erschöpfte sich aber in Vorschriften über die Grundwassergewinnung.

Dieser rechtlichen Situation war sich der Gesetzgeber bewußt, als er in der am in Kraft getretenen Wasserrechtsnovelle 1959, BGBl. Nr. 54, der Reinhaltung und dem Schutze der Gewässer einen eigenen neuen Abschnitt (Dritter Abschnitt) widmete und in § 30 a bestimmte, daß alle Gewässer einschließlich des Grundwassers so reinzuhalten sind, daß u. a. Grund und Quellwasser als Trinkwasser verwendet werden können. In 594 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, VIII. GP., wird zu dieser Bestimmung ausdrücklich auf die Tatsache hingewiesen, daß die Einbeziehung des Grundwassers in den Gewässerschutz für eine auf längere Sicht befriedigende Wasserversorgung unerläßlich sei und daß es unverantwortlich wäre, das noch einwandfreie Grundwasser verunreinigen zu lassen, um dann früher oder später zu kostspieligen Aufbereitungen, soweit solche darin überhaupt noch möglich sind, genötigt zu sein.

Der Beschwerdeführer, der nicht bestritten hat, seit der zweiten Hälfte des Jahres 1959 im Sinne des § 9 des Verwaltungsstrafgesetzes 1950 (VStG) ein zur Vertretung nach außen bestimmtes Organ der die Fabrik betreibenden Gesellschaft zu sein, war daher nach der seit gegebenen Rechtslage verpflichtet, dafür zu sorgen, daß in der Folgezeit im Wege der Sickergruben keine das Grundwasser verunreinigenden Stoffe in den Boden gelangen oder daß für eine in dieser Art stattfindende Verunreinigung die wasserrechtliche Bewilligung erwirkt werde (§ 30 c Abs. 2 lit. c der Wasserrechtsnovelle 1959, nunmehr § 32 Abs. 2 lit. c WRG). Die Nichtbeachtung dieser Vorschrift mußte ihn straffällig machen. Eine seinerzeit erteilte gewerberechtliche Genehmigung der Betriebsanlage konnte ihn von der bestehenden Verpflichtung nicht befreien, da sie in wasserrechtlicher Richtung nichts besagte. § 32 Abs. 7 WRG enthält überdies einen ausdrücklichen Hinweis in diesem Sinne. Der Beschwerdeführer ist im Unrecht, wenn er meint, daß die Strafbestimmung des § 137 WRG auf Fälle solcher Art nicht anwendbar sei, weil ihm ein Zuwiderhandeln gegen das Gesetz nicht zur Last gelegt werden könne. § 32 Abs. 2 lit. c WRG verbietet es ja, bestimmte Maßnahmen, ohne wasserrechtliche Bewilligung zu treffen.

Die belangte Behörde hat es jedoch verabsäumt, den Sachverhalt hinreichend zu klären. Es kann nämlich nicht die Rede davon sein, daß die Frage der Grundwasserverunreinigung dem Gesetz entsprechend beantwortet worden wäre. Die im Verfahren eingeschrittenen ärztlichen Sachverständigen hatten lediglich ihrer Vermutung Ausdruck gegeben, daß eine Grundwasserverunreinigung vorliege. Der Gemeindearzt hatte erklärt, eine Wasserprobe der Untersuchung zuführen lassen zu wollen, während der Amtsarzt eine zusätzliche kommissionelle Erhebung beantragt hatte. Die Ergebnisse einer Wasseruntersuchung liegen im Akt nicht vor, während ein weiterer Sachverständigenbeweis überhaupt nicht aufgenommen worden ist. Auf Grund der geschilderten Unterlagen und ohne den unumgänglichen zusätzlichen Sachverständigenbeweis konnte keineswegs feststehen, daß das Grundwasser durch die Versickerungseinrichtungen überhaupt verunreinigt werde und deshalb eine Bewilligungspflicht gegeben sei.

Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer in seiner Berufung darauf hingewiesen hatte, daß der Destillationsbetrieb seit mehr als drei Jahren "'vollkommen eingeschränkt" sei, womit wohl zum Ausdruck gebracht werden sollte, daß die Versickerung von Ammoniakwasser seither kaum mehr in Betracht komme. Der erforderliche Sachverständigenbeweis hätte auch dieses Vorbringen zum Gegenstande haben müssen, weil es allenfalls nicht auszuschließen ist, daß eine tatsächlich stattgefundene Grundwasserverunreinigung nur auf den Betrieb der Sickergräben in der Zeit vor dem zurückzuführen wäre.

Bei diesem Ergebnis mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.

Wien, am

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Norm
WRG 1959 §32 Abs2 litc;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1961:1960002110.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
AAAAF-58070