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VwGH 18.12.1981, 2083/79

VwGH 18.12.1981, 2083/79

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
ASVG §113 Abs1;
RS 1
Die Auferlegung eines Beitragszuschlages nach § 113 Abs 1 ASVG ist nicht als Verwaltungsstrafe zu werten (Hinweis E BGH , A 811/34, VwSlg 439 A/1935).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 0757/57 E VwSlg 4760 A/1958 RS 2
Norm
ASVG §113 Abs1;
RS 2
Bei der Handhabung der Vorschrift des § 113 ASVG ist die Frage des Verschuldens des Dienstgebers nicht zu untersuchen.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 0757/57 E VwSlg 4760 A/1958 RS 3
Norm
ASVG §113 Abs1;
RS 3
Für die Auferlegung eines Beitragszuschlages nach § 113 Abs 1 ASVG bildet das Verschulden des Meldepflichtigen am Meldeverstoß keine Tatbestandsvoraussetzung (E vom , Zl. 0757/57, VwSlg 4760 A/1958, vom , Zl. 0716/58, VwSlg 5570 A/1961, vom , Zl. 0706/67). Dies schließt nicht aus, daß für die Bemessung der Höhe des Zuschlages ein allenfalls vorliegendes Verschulden und dessen Grad bei Handhabung des Ermessens zu berücksichtigen sind. (Hinweis auf , VfSlg 4687)
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2119/79 E RS 2

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Jurasek und die Hofräte Dr. Liska, Dr. Pichler, Dr. Knell und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Davy, über die Beschwerde der Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte in Wien, vertreten durch Dr. Hans Krenn, Rechtsanwalt in Wien VI, Gumpendorferstraße 25, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 14-Str 18/76, betreffend Vorschreibung eines Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 1 ASVG (mitbeteiligte Partei: W-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Armin Paulitsch, Rechtsanwalt in Wien I, Franz Josefs-Kai 5/9), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Die Beschwerdeführerin hat anläßlich einer Beitragsprüfung im Jahr 1975 im Betrieb der mitbeteiligten Partei festgestellt, daß AB und CD im Betrieb dieses Unternehmens als Vertreter, Buchhalter und Verkäufer (AB) bzw. als Büromaschinenmechaniker (CD) tätig gewesen seien, ohne zur Sozialversicherung gemeldet zu sein.

Mit Bescheid vom stellte die Beschwerdeführerin fest, daß AB ab als kaufmännischer Angestellter der mitbeteiligten Partei der Versicherungspflicht nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz sowie dem Arbeitslosenversicherungsgesetz unterliege; der mitbeteiligten Partei als Dienstgeberin wurden für die Zeit vom bis Beiträge und Umlagen in der Gesamthöhe von S 72.290,93 zur Entrichtung an die Beschwerdeführerin vorgeschrieben.

Mit Bescheid vom stellte die Beschwerdeführerin weiters fest, daß CD ab auf Grund seiner Tätigkeit als Büromaschinenmechaniker bei der mitbeteiligten Partei der Versicherungspflicht nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz und dem Arbeitslosenversicherungsgesetz unterliege; der mitbeteiligten Partei als Dienstgeberin wurden zur Nachentrichtung S 130.947,11 an Beiträgen und Umlagen vorgeschrieben.

1.2. Die Beschwerdeführerin schrieb mit Bescheid vom gemäß § 113 Abs. 1 ASVG der mitbeteiligten Partei einen Beitragszuschlag in der Höhe von S 10.000,-- vor. Die mitbeteiligte Partei habe als Dienstgeberin die seit bzw. beschäftigten Dienstnehmer AB und CD nicht zur Versicherung gemeldet; die entsprechenden Nachtragsmeldungen hätten anläßlich der Beitragsprüfung vom erstellt werden müssen.

Gegen diesen Bescheid hat die mitbeteiligte Partei Einspruch mit der Begründung erhoben, AB und CD seien auf Grund eines Werkvertrages tätig gewesen. Im übrigen werde auf die auch gegen die beiden Bescheide vom erhobenen Einsprüche verwiesen.

1.3. Mit Bescheid vom hat der Landeshauptmann von Wien den gegen den Bescheid vom , der CD betraf, erhobenen Einspruch als unbegründet abgewiesen und sowohl die Feststellung dessen Versicherungspflicht als auch die Verpflichtung der mitbeteiligten Partei zur Beitragsnachentrichtung in der Höhe von S 130.947,11 bestätigt.

Nach dem Beschwerdevorbringen wurde in der Verwaltungssache betreffend AB noch kein Einspruchsbescheid des Landeshauptmannes von Wien erlassen.

1.4. Mit Bescheid vom hat der Landeshauptmann von Wien dem Einspruch der mitbeteiligten Partei gegen die Vorschreibung des Beitragszuschlages nach § 113 Abs. 1 ASVG Folge gegeben und den Bescheid der Beschwerdeführerin vom aufgehoben. In der Begründung heißt es, die mitbeteiligte Partei habe mit Recht darüber in Zweifel sein können, ob sie verpflichtet gewesen wäre, die genannten Dienstnehmer zur Versicherung zu melden, da die Versicherungspflicht erst im Zuge eines längerdauernden Verfahrens habe geklärt werden können. Es bestehe daher keine Veranlassung, den Beitragszuschlag aufrechtzuerhalten, weshalb der angefochtene Bescheid aufzuheben gewesen sei.

1.5. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid insofern in ihren Rechten verletzt, als der von ihr verhängte Beitragszuschlag durch Aufhebung des Bescheides nicht aufrechterhalten worden sei.

Neben den Verwaltungsstrafen im engeren Sinn werde im § 113 ASVG die Vorschreibung von Beitragszuschlägen durch den Versicherungsträger bei Unterlassung der Anmeldung von Pflichtversicherten vorgesehen. Die Auferlegung eines Beitragszuschlages sei nicht als Verwaltungsstrafe zu werten, und es sei daher die Frage des subjektiven Verschuldens des Dienstgebers nicht zu untersuchen; das Verwaltungsstrafgesetz sei nicht anwendbar. Die belangte Behörde habe aber offensichtlich auf ein von ihr angenommenes Nichtvorliegen eines subjektiven Verschuldens des Dienstgebers abgestellt. Die Rechtsansicht der belangten Behörde sei durch keine gesetzliche Bestimmung gedeckt, sie habe den Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens überschritten. Überdies liege sogar Verschulden der mitbeteiligten Partei vor; es sei nach dem Inhalt des bereits zitierten Bescheides des Landeshauptmannes von Wien vom in diesem Verfahren klar hervorgekommen, daß EF, die Mehrheitsgesellschafterin, sich der Tatsache bewußt gewesen sei, die genannten Dienstnehmer zur Sozialversicherung anmelden zu müssen; sie habe sich von CD lediglich dazu überreden lassen, von einer Anmeldung Abstand zu nehmen und habe auf dessen Wunsch einen Werkvertrag abgeschlossen.

Auch könne nicht daraus, daß es eines längerdauernden Verfahrens zur Klärung der Versicherungspflicht bedurft hätte, geschlossen werden, daß Zweifel der Dienstgeberin berechtigt gewesen seien.

Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften wird gerügt, die Entscheidung sei nicht ausreichend begründet. Auch habe sich die belangte Behörde mit der Frage, aus welchen konkreten Gründen EF in Zweifel über die Versicherungspflicht sein konnte, nicht auseinandergesetzt. Schließlich fehle auch jeder Hinweis, aus welchen meritorischen Gründen das Verfahren "längerdauernd" gewesen sei.

1.6. Der Landeshauptmann von Wien hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. § 113 Abs. 1 ASVG in der Fassung der 21. Novelle, BGBl. Nr. 6/1968, lautet:

"Den im § 111 angeführten Personen (Stellen), die Anmeldungen zur Pflichtversicherung nicht oder verspätet erstatten oder ein zu niedriges Entgelt melden, kann ein Beitragszuschlag bis zum zweifachen Ausmaß der nachzuzahlenden Beiträge vorgeschrieben werden. Bei der Festsetzung des Beitragszuschlages hat der Versicherungsträger die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners, das Ausmaß der nachzuzahlenden Beiträge und die Art des Meldeverstoßes zu berücksichtigen."

Der unter Bezugnahme auf § 111 ASVG umschriebene persönliche Geltungsbereich des § 113 Abs. 1 ASVG umfaßt die Dienstgeber und die sonstigen nach § 36 meldepflichtigen Personen (Stellen), im Fall einer Bevollmächtigung nach § 35 Abs. 3 oder § 36 Abs. 2 die Bevollmächtigten.

2.2. Die belangte Einspruchsbehörde begründet die Aufhebung des Bescheides betreffend die Vorschreibung des Beitragszuschlages damit, daß die mitbeteiligte Partei mit Recht darüber in Zweifel sein konnte, ob sie verpflichtet gewesen wäre, die beiden Dienstnehmer zur Versicherung zu melden, da die Versicherungspflicht erst im Zuge eines längerdauernden Verfahrens habe geklärt werden können. Offenbar geht die Einspruchsbehörde also davon aus, daß der Meldeverstoß auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum des Dienstgebers zurückzuführen gewesen sei. Sie bringt mit dieser Bescheidbegründung zum Ausdruck, daß Beitragszuschläge nach § 113 Abs. 1 ASVG nur unter der Voraussetzung vorgeschrieben werden dürften, daß den Dienstgeber ein Verschulden am Meldeverstoß treffe. Diese Rechtsauffassung findet im Gesetz keine Deckung.

2.2.1. Wie der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 4760/A, ausgesprochen hat, ergibt sich aus der systematischen Erwägung, daß ein und derselbe Meldeverstoß Gegenstand des Verwaltungsstraftatbestandes nach § 111 ASVG und Tatbestand der Zuschlagsvorschreibung nach § 113 ASVG ist, in Verbindung mit den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, 599 BlgNR VII. GP. ("neben den Verwaltungsstrafbestimmungen im engeren Sinn auch Beitragszuschläge ….."), daß die Auferlegung eines Beitragszuschlages nach § 113 Abs. 1 ASVG nicht als Verwaltungsstrafe zu werten ist. Unter Bejahung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vom , Slg. 439(A), zu dieser Frage führte der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis weiter aus, daß bei der Auferlegung einer solchen Zuschlagszahlung nicht die besonderen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes zur Anwendung kommen könnten, was bedeute, daß in einem derartigen Falle die Frage eines Verschuldens des Arbeitgebers nicht zu untersuchen sei. Unter diesen Umständen reiche die Tatsache, daß der Abschnitt VIII des Ersten Teiles des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, in welchen die Vorschrift des § 113 Abs. 1 aufgenommen worden sei, die Überschrift "Strafbestimmungen" trage, nicht aus, um die Möglichkeit einer analogen Anwendung der Vorschriften des Verwaltungsstrafgesetzes über das Verschulden hinsichtlich der Voraussetzungen für die Vorschreibung eines Beitragszuschlages bejahen zu können (vgl. zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, daß bei der Handhabung des § 113 Abs. 1 ASVG die Frage des Verschuldens des Meldepflichtigen nicht zu untersuchen sei, ferner die hg. Erkenntnisse vom , Slg. N. F. Nr. 5570/A, und vom , Zl. 706/67).

2.2.2. Auch der Verfassungsgerichtshof sieht im Beitragszuschlag eine - inhaltlich ausreichend detetminierte - Sanktion für die Nichteinhaltung der Meldepflicht und damit ein Sicherungsmittel für das ordnungsgemäße Funktionieren der Sozialversicherung; Beitragszuschläge gegen den säumigen Verpflichteten seien aber außerdem sachlich gerechtfertigt wegen des durch die Säumigkeit verursachten Mehraufwandes in der Verwaltung. Aber auch der Sinn der Ermessensübung bei der Vorschreibung und Bemessung der Zuschläge im Einzelfall sei ausreichend bestimmt; dieser Sinn ergebe sich bei der Bemessung der Zuschläge innerhalb des engen gesetzlichen Rahmens bis zum Zweifachen des Nachforderungsbetrages offenkundig aus dem Gewicht des jeweiligen Verstoßes gegen die Beitragsbestimmungen, d. h. durch den mit solchen Verstößen verbundenen Mehraufwand der Verwaltung und dort, wo ein Verschulden vorliege, auch aus dem Grad des Verschuldens (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 4687). Aus diesen Ausführungen ist zu ersehen, daß auch der Verfassungsgerichtshof ein Verschulden des Dienstgebers nicht als Tatbestandsvoraussetzung für die Verhängung eines Beitragszuschlages ansieht, wenn er auch die Ansicht vertritt, daß ein allfälliges Verschulden des Meldepflichtigen bei der Handhabung des Ermessens anläßlich der Festsetzung der Zuschlagshöhe zu berücksichtigen sein werde.

2.2.3. Geht man von diesem Grundgedanken der bisherigen Rechtsprechung zu § 113 Abs. 1 ASVG aus - von der abzugehen der Verwaltungsgerichtshof auch in diesem Fall keinen Anlaß findet -, dann war es nicht frei von Rechtsirrtum, wenn die belangte Einspruchsbehörde den Beitragszuschlag mit der Begründung aufgehoben hat, daß der Dienstgeber an der Meldeverpflichtung begründete Zweifel haben durfte, der Meldeverstoß somit aus einem unverschuldeten Rechtsirrtum erfolgt sei.

Der angefochtene Bescheid war infolgedessen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

2.3. Für das fortgesetzte Verfahren wird bemerkt, daß zwar davon auszugehen sein wird, daß mangelndes Verschulden am Meldeverstoß eine Zuschlagsvorschreibung nicht ausschließt, daß jedoch im Hinblick auf die zuletzt dargestellte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bei der Festsetzung der Höhe des Zuschlages - im Rahmen des bei der Ermessensübung zu berücksichtigenden Tatbestandsmomentes der Art des Meldeverstoßes -

auch auf ein allfälliges Verschulden und seinen Grad Bedacht genommen werden muß. Eine solche im Einzelfall dem Sinn des Gesetzes Rechnung tragende Ermessensübung wird entsprechend zu begründen sein.

Es wird auch auf das allenfalls bereits abgeschlossene Einspruchsverfahren betreffend die Versicherungspflicht des AB Bedacht zu nehmen sein.

2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

2.5. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ASVG §113 Abs1;
GO VwGH 1965 Art9 Abs3;
VwGG §35 Abs2;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1981:1979002083.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
CAAAF-58013