VwGH 25.03.1965, 2062/64
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Die im Erkenntnis des verstärkten Senates vom , Zl. 143/63, enthaltene Beurteilung, daß ein auf bestimmte Dauer abgeschlossener Bestandvertrag, der auch nach Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer weiter auf unbestimmte Zeit oder auf eine unbestimmte und daher nicht übersehbare Anzahl von Verlängerungszeiträumen bestimmer Dauer in Kraft bleiben soll, wenn keiner der beiden Vertragsteile vor Ablauf dieser Vertragsdauer erklärt, das Vertragsverhältnis nicht fortsetzen zu wollen, als ein Vertrag bestimmter Dauer nur für die ursprünglich vereinbarte Zeit, weiterhin aber als ein Vertrag von unbestimmter Dauer anzusehen ist, ist dann nicht am Platz, wenn ein auf bestimmte Dauer abgeschlossener Bestandvertrag auf eine BESTIMMTE ANZAHL von Verlängerungszeiträumen BESTIMMTE DAUER in Kraft bleiben soll. Auch wenn die Verlängerung um bestimmte Zeiträume durch Erklärung eines Vertragsteiles verhindert werden kann, läßt eine solche vertragliche Regelung erkennen, daß die Vertragsteile nur für eine bestimmte Dauer gebunden sein wollen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Ondraczek, und die Hofräte Dr. Dorazil, Dr. Mathis, Dr. Frühwald und Dr. Riedel als Richter, im Beisein des Schriftführers, prov. Finanzkommissärs Dr. Blaschek, über die Beschwerde des Kommerzialrates WK in W, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Karl Zingher, Wien I, Bösendorferstraße 7, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA VIII-354/64, betreffend die Gebühr von einem Bestandvertrage, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit schriftlichem Mietvertrag vom hat der Beschwerdeführer Räume in einem ihm gehörigen Hause der Botschaft der Vereinigten Staaten von Brasilien auf die Dauer von fünf Jahren, beginnend am und endigend am , vermietet. Nach dem Inhalt eines gesonderten Schreibens an den Botschafter der Vereinigten Staaten von Brasilien hat der Beschwerdeführer „das Recht der Option auf Verlängerung“ dieses Mietvertrages für die Dauer von weiteren fünf Jahren, d. i. bis „bzw. noch eine Option von fünf Jahren, d. h, vom bis unter den gleichen Vertragsbedingungen“ der Botschaft eingeräumt. Nach dem vorletzten Satze dieses Schreibens (der letzte Satz enthält nur eine Grußformel) gilt der Vertrag „automatisch um weitere fünf Jahre verlängert, wenn er nicht bis zum bzw. mittels eingeschriebenen Briefes von Seiten der Botschaft gekündigt wird“.
Das zuständige Finanzamt hat neben der Gebühr für den fünfjährigen Mietvertrag auf Grund des genannten Schreibens noch eine weitere Rechtsgeschäftsgebühr vom 10fachen Jahresentgelte dem Beschwerdeführer vorgeschrieben und die gegen die Festsetzung der letztgenannten Gebühr erhobene Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Auch die mit Antrag auf Entscheidung angerufene belangte Behörde hat mit der nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof als rechtswidrig angefochtenen Berufungsentscheidung die Berufung als unbegründet abgewiesen. Den Ausführungen der Berufung, daß der Botschaft mit dem Optionsrecht nur die Befugnis eingeräumt worden sei, durch Abgabe einer einseitigen Gestaltungserklärung eine für den anderen Vertragsteil bindende Rechtswirkung herbeizuführen, hat sie unter Hinweis auf den vorletzten Satz des strittigen Schreibens entgegnet, die Vertragsdauer werde nicht durch Abgabe einer Gestaltungserklärung, sondern durch die Unterlassung der Kündigung verlängert. Unter Hinweis auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 559 (F), und vom , Zl. 867/61, hat die belangte Behörde die Auffassung vertreten, die Bedingung der Nichtkündigung bleibe gebührenrechtlich außer Betracht, die bedingten Verlängerungen auf zweimal fünf Jahre, also auf eine bestimmte Zeit, könnten daher nicht „eine unbestimmte Dauer beinhalten“, sodaß für die beiden Verlängerungen von je fünf Jahren die Gebühr nach einer Dauer von zehn Jahren zu entrichten sei.
Die vorliegende Beschwerde beantragt die Aufhebung dieser Berufungsentscheidung. Obwohl die Option von der Mieterin nicht angenommen worden sei und das Gebührengesetz Optionen als gebührenpflichtige Rechtsgeschäfte nicht anführe, habe die belangte Behörde sie doch als Rechtsgeschäft einer Gebühr unterzogen. Die allenfalls durch eine frühere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gedeckte Rechtsansicht der Behörde könne im Hinblick auf die neue Rechtsprechung desselben Gerichtshofes, vor allem in den Erkenntnissen vom , Zl. 840/62, und vom , Zl. 1701/63, nicht mehr aufrechterhalten werden. In diesen letztgenannten Erkenntnissen habe der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß für die Beurteilung der Dauer eine Bestandvertrages lediglich die gemeinsame Bindung beider Vertragsteile von der Annahme ausgegangen, daß auch die Mieterin durch das Optionsschreiben gebunden sei, obwohl doch die Mieterin das Optionsschreiben nicht angenommen habe und eine derartige Annahme durch den Akteninhalt nicht gedeckt sei.
Dagegen bringt die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift vor, es sei im Verwaltungsverfahren niemals behauptet worden, daß die Mieterin das Schreiben nicht angenommen habe. Da es an den Botschafter gerichtet sei, auf den Mietvertrag hinweise und vom Beschwerdeführer unterschrieben sei, sei ohne weitere Erhebungen davon auszugehen gewesen, daß dieses Schreiben eine Zusatzvereinbarung zum Mietvertrage darstellt und dem Botschafter als Vertreter der Mieterin ausgehändigt wurde. Es sei daher gebührenrechtlich nach § 21 des Gebührengesetzes (BGBl. Nr. 267/1957, GebG 1957) zu beurteilen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Schon im Berufungsverfahren hat der Beschwerdeführer eingewendet, das strittige Schreiben, das vom Finanzamt als Beurkundung eines gebührenpflichtigen Rechtsgeschäftes angesehen wurde, räume der Mieterin nur eine Option ein, d. h. das Recht, durch Abgabe einer einseitigen Gestaltungserklärung eine für den anderen Vertragsteil bindende Rechtswirkung herbeizuführen. Diese Behauptung erweist sich, wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheide zutreffend ausgeführt hat, deshalb als verfehlt, weil nach dem Inhalte dieses Schreibens nicht die Abgabe einer Gestaltungserklärung, sondern das Unterbleiben einer Kündigung durch die Mieterin die Verlängerung der Vertragsdauer nach sich zieht. Für die Gebührenbemessung ist aber nach § 17 Abs. 1 GebG 1957 der Inhalt der Urkunde (Schrift) maßgebend und nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ist die Gebührenbehörde bis zur Erbringung eines Gegenbeweises berechtigt, bei Undeutlichkeiten oder Unklarheiten im Wortlaut einer Urkunde jenen Tatbestand anzunehmen, der die Gebührenpflicht begründet oder das höhere Ausmaß der Gebühr nach sich zieht. Da am Schlusse des strittigen Schreibens der im geschäftlichen Verkehre häufig in mehrfacher Bedeutung gebrauchte Ausdruck „Option“ dahin erläutert wird, daß die Verlängerung der Vertragsdauer von selbst eintreten soll, wenn die Mieterin nicht zu bestimmten Terminen „kündigt“, konnte die belangte Behörde, da der Beschwerdeführer einen Beweis dafür, daß der verletzte Satz des strittigen Schreibens nicht den wahren Willen der Partei wiedergebe, nicht einmal angeboten hatte, davon ausgehen, daß es sich bei diesem Schreiben um die Beurkundung einer nachträglichen Verlängerung der Dauer des bereits beurkundeten Bestandvertrages handelte.
Erst in der nunmehr vorliegenden Beschwerde hat der Beschwerdeführer behauptet, die „Option“ sei, von der Mieterin nicht angenommen worden. Dieses Vorbringen ist gemäß § 41 Abs. 1 VwGG 1965 als Neuerung nicht zu beachten, wenn nicht etwa die Unterlassung der Feststellung der nunmehr behaupteten Tatsache einen wesentlichen Verfahrensmangel darstellt. Nun läßt aber der Wortlaut des strittigen Schreibens in keiner Weise erkennen, daß es sich hier um ein noch der Annahme bedürftiges Anbot des Beschwerdeführers an die durch ihren Botschafter vertretenen Vereinigten Staaten von Brasilien handelte. Somit konnte auch in dieser Hinsicht die belangte Behörde, ohne sich eines Verfahrensmangels schuldig zu machen, das Schriftstück gemäß § 17 Abs. 1 und 2 GebG 1957 als eine allerdings einseitige Beurkundung eines bereits zustandegekommenen Vertrages werten und aus dem weiteren Umstande, daß das Schreiben an die Mieterin zu Handen ihres Botschafters in Österreich gerichtet war, schließen, daß es der Mieterin übermittelt wurde und daß dadurch gemäß § 16 Abs. 1 Z. 1 lit. b GebG 1957 die Gebührenschuld entstanden war. Bei der gegebenen Sachlage bestand also für die belangte Behörde kein Anlaß zu weiteren Ermittlungen. Die Behörde konnte es vielmehr dem Beschwerdeführer überlassen, einen Gegenbeweis zu führen. Einen solchen hat aber der Beschwerdeführer nicht einmal angeboten; er hat namentlich auch nicht behauptet, daß das strittige Schreiben der Mieterin nicht übermittelt worden sei.
Seinem Inhalte nach stellt sich nun das strittige Schreiben als ein Zusatz zu einer bereits voll ausgefertigten Urkunde (nämlich zum Mietvertrage vom ) dar, durch den der in der Urkunde niedergelegte, durch Zeitablauf erlöschende Vertrag verlängert wird. Ein solcher Nachtrag ist aber gemäß § 21 GebG 1957 nach Maßgabe seines Inhaltes gebührenpflichtig. Diesen Inhalt hat die belangte Behörde als eine Verlängerung der Vertragsdauer auf weitere bestimmte Zeiträume gewertet. Die Frage der Abgrenzung von Bestandverträgen auf bestimmte Zeit von solchen auf unbestimmte Zeit hat den Verwaltungsgerichtshof wiederholt, vor allem auch in den Fällen der von verstärkten Senaten beschlossenen hg. Erkenntnisse vom , Zl. 840/62, und vom , Zl. 143/63, beschäftigt. Der Verwaltungsgerichtshof hat in den Entscheidungsgründen des Erkenntnisses Zl. 143/63 das schon im Erkenntnis Zl. 840/62 hervorgehobene Unterscheidungsmerkmal zwischen einem auf bestimmte Zeit und einem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Bestandvertrage darin erblickt, ob nach dem erklärten Vertragswillen beide Vertragsteile durch eine bestimmte Zeit an den Vertrag gebunden sind oder nicht. Er hat daher im Erkenntnis Zl. 143/63 eine vertragliche Regelung, derzufolge ein auf bestimmte Dauer abgeschlossener Bestandvertrag auch nach Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer weiter auf unbestimmte Zeit oder auf eine unbestimmte und daher nicht übersehbare Anzahl von Verlängerungszeiträumen bestimmte Dauer in Kraft bleiben soll, wenn keiner der beiden Vertragsteile innerhalb bestimmter Frist vor Ablauf dieser Vertragsdauer erklärt, das Vertragsverhältnis nicht fortsetzen zu wollen, nur für die ursprünglich vereinbarte Zeit als einen Vertrag auf bestimmte Dauer, weiterhin aber als einen Vertrag von unbestimmter Dauer beurteilt.
Daraus ergibt sich aber, daß eine gleiche Beurteilung dann nicht am Platz ist, wenn ein auf bestimmte Dauer abgeschlossener Bestandvertrag nach Ablauf der zunächst vereinbarten Vertragsdauer noch durch eine bestimmte Anzahl von Verlängerungszeiträumen bestimmter Dauer in Kraft bleiben soll. Denn eine solche vertragliche Regelung läßt erkennen, daß die Vertragsteile nur für eine bestimmte Dauer gebunden sein wollen. Sie kann auch dann nicht als ein Vertrag von unbestimmter Dauer angesehen werden, wenn die Verlängerung um bestimmte Zeiträume durch Erklärung eines Vertragsteiles verhindert werden kann. Insofern ergibt sich also aus den Gründen des Erkenntnisses vom , Zl. 143/63, eine Einschränkung des noch im Erkenntnisse vom , Zl. 1701/63, angeführten Unterscheidungsmerkmales der beiderseitigen Bindung.
Im vorliegenden Falle hat nun der Beschwerdeführer einen Mietvertrag auf fünf Jahre abgeschlossen und der Mieterin mit gesondertem Schreiben das Recht eingeräumt, durch Unterlassung einer schriftlichen Kündigung zum Ablauf der bestimmten Zeit zweimal eine selbsttätige Verlängerung des Mietvertrages um weitere fünf Jahre herbeizuführen. Nach Inhalt dieses Schreibens ist nun nicht nur der Beschwerdeführer, sondern an sich auch die Mieterin durch weitere fünf bzw. zehn Jahre an den Mietvertrag gebunden. Daß sie zum Ablaufe des ersten und des zweiten fünfjährigen Zeitraumes die Möglichkeit haben soll, sich aus dieser Bindung zu lösen, kann nichts daran ändern, daß auch die Dauer der bedingt vereinbarten Verlängerungen zeitlich bestimmt und daß der Bemessung der Gebühr daher gemäß § 15 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes, BGBl. Nr. 148/1955, in Verbindung mit § 26 GebG 1957 das für diese Dauer entfallende Entgelt zugrunde zu. legen ist, sofern der Gesamtwert das 25fache des Jahreswertes nicht übersteigt.
Aus allen diesen Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie mußte dementsprechend abgewiesen werden.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:1965:1964002062.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
XAAAF-57971