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VwGH 20.02.1978, 2040/77

VwGH 20.02.1978, 2040/77

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Norm
FremdenverkehrsG Tir 1969 §32 Abs5 litb
RS 1
Die in der Gewährung eines Versicherungsschutzes bestehende Leistung wird dort erbracht, wo die wesentlichen Verwaltungseinrichtungen sich befinden, wo die nach dem Gesetz und den Versicherungsverträgen gebotenen Rechtshandlungen gesetzt werden und deren Willensbildung erfolgt (di im Beschwerdefall am Sitz der Zentrale des beschwerdeführenden Versicherungsunternehmens). Literaturhinweis - Eichler, Versicherungsrecht 02te Auflage S 32 f - PLÜCKEBAUM - MALITZKY: UStG 10te Auflage TZ 219 zu § 4.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Raschuer und die Hofräte Kobzina, Öhler, Meinl und Dr. Würth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hailzl, über die Beschwerde der D Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Dr. Kurt Heller, Rechtsanwalt in Wien I, Blutgasse 7, gegen den Bescheid der Berufungskommission nach § 35 des Tiroler Fremdenverkehrsgesetzes vom , Id-Zl. 6.2/497-4/77, betreffend Fremdenverkehrsbeiträge, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin-Aufwendungen in der Höhe von S 3.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist ein Versicherungsunternehmen mit dem Sitz in Wien, das in I eine Betriebsstätte (Filialdirektion) unterhält. Das Amt der Tiroler Landesregierung, Landesfremdenverkehrsamt, setzte mit fünf an die Beschwerdeführerin gerichteten Bescheiden vom für die Kalenderjahre 1971 - 1975 unter Berufung auf die §§ 31, 32 und 51 des Tiroler Fremdenverkehrsgesetzes 1969, LGBl. Nr. 48, Beiträge zum Fremdenverkehrsverband Innsbruck, Igls und Umgebung und zum Tiroler Fremdenverkehrsförderungsfonds fest. Der für das Kalenderjahr 1972 zu entrichtende Beitrag wurde mit S 16.019,--, jener für 1973 und 1974 mit S 15.442,-- und S 24.667,-- bestimmt.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, darin sie bezüglich des Beitrages für das Jahr 1975 geltend machte, sie sei ab Organ der W Versicherungsanstalt. Mit dem Zeitpunkt des Eintrittes in das Organverhältnis sei für die Beschwerdeführerin die Mitgliedschaft zum Fremdenverkehrsverband erloschen. In Ansehung der übrigen Beitragsjahre anerkannte die Beschwerdeführerin die Pflichtmitgliedschaft zu dem zuständigen Fremdenverkehrsverband. Sie vertrat indes die Auffassung, es könne aus dem Tiroler Fremdenverkehrsgesetz ihre Beitragspflicht nicht abgeleitet werden. Dies im wesentlichen mit der Begründung, ihre Umsätze gemäß dem § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 Umsatzsteuergesetz 1959 (UStG 1959) aus den Jahren 1968 bis 1972 seien zur Gänze als im Sinne des § 32 Abs. 5 lit. b des Tiroler Fremdenverkehrsgesetzes 19 69 beitragsfreie Umsätze zu behandeln, weil diese zur Gänze außerhalb Tirols erfolgten.

Mit Berufungsvorentscheidung vom gab das Amt der Tiroler Landesregierung dem Rechtsmittel der Beschwerdeführerin insoweit Folge, als sie die Beitragsvorschreibungen für die Jahre 1971 und 1975 behob. Hinsichtlich der Beitragsjahre 1972, 1973 und 1974 blieb der Berufung ein Erfolg versagt.

Daraufhin beantragte die Beschwerdeführerin, ihr Rechtsmittel der Berufungskommission zur Entscheidung vorzulegen. Die darnach zur Entscheidung in der Sache zuständig gewordene Berufungskommission nach dem § 35 des Tiroler Fremdenverkehrsgesetzes wies die Berufung, soweit sie sich gegen die Beitragsvorschreibung für die Kalenderjahre 1972, 1973 und 1974 wendete, gemäß dem § 32 Abs. 2 und 5 des Tiroler Fremdenverkehrsgesetzes 1969, LGBl. Nr. 48, dem § 32 Abs. 15 und 17, dem § 35 Abs. 2 und dem § 51 des Tiroler Fremdenverkehrsgesetzes 1976, LGBl. Nr. 65, in Verbindung mit der Beitragsgruppenverordnung, LGBl. für Tirol Nr. 31/1973, sowie unter Hinweis auf den § 206 Abs. 3 und die §§ 213 und 215 der Tiroler Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 7/1963, ab. Da die Beschwerdeführerin in I nur eine Zweigniederlassung unterhalte und der in bzw. außerhalb Tirols erzielte Umsatz nicht habe nachgewiesen werden können, sei, so führte die Berufungsbehörde in der Begründung ihres Bescheides aus, die Behörde erster Instanz im Sinne des § 32 Abs. 9 und 10 des Tiroler Fremdenverkehrsgesetzes 19 69 bei Ermittlung des auf Tirol entfallenden beitragspflichtigen Umsatzes vom einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag 1967 und dem in diesem Jahr auf die Betriebsstätte I entfallenden Anteil ausgegangen. Hinsichtlich dieser Berechnungsweise bestehe im Verfahren kein Streit. Ebenso habe die Beschwerdeführerin keine Einwendungen in der Richtung erhoben, daß sie im Wege ihrer I Betriebsstätte unmittelbar oder mittelbar mit dem Tiroler Fremdenverkehr in wirtschaftliche Beziehungen trete. Die Beschwerdeführerin vermeine indes unter Berufung auf den § 32 Abs. 5 lit. b leg. cit., nur in einem untergeordneten Umfang in Tirol tätig zu werden und wende im Zusammenhang ein, daß Leistungen wie die Vermögens- und Personalverwaltung, die Polizzenausstellung, der Verkehr mit der Aufsichtsbehörde, die Buchhaltung, die Rückversicherung usw. von der Zentrale in Wien besorgt werden und die für die Erfüllung der Leistungsverpflichtungen haftenden Vermögenswerte nicht im Bundesland Tirol gelegen seien. Die Berufungsbehörde könne gleich der Behörde erster Instanz diese Überlegungen nicht teilen. Zu den Aufgaben der Betriebsstätte der Beschwerdeführerin gehöre unbestrittenermaßen das Aufsuchen, Beraten und Betreuen von Kunden im Bundesland Tirol. Weiters werde ein Teil der Abwicklung im Leistungsfalle in I besorgt. Bei Leistungen durch positives Tun werde der wesentliche Teil der Leistung dort erbracht, wo der Unternehmer die entscheidenden Bedingungen für den Erfolg setzt. Dagegen komme es nicht darauf an, wo die Leistung ausgewertet wird und wo sie sich wirtschaftlich auswirkt "(RAIS-DURRWÄCHTER-FLICK-KOCH, aaO, Tz 937)". Entscheidend sei, wo die für den Einzelfall typische Haupttätigkeit entfaltet wird; Nebenumstände wie Ort der Geschäftsführung, des Vertragsabschlusses, der Bestellung eines Rechtes oder Ort der Abrechnung des Geschäftes spielten keine Rolle "(PLÜCKEBAUM-MALITZKY, Umsatzsteuergesetz, 10. Auflage, Band II/2, Tz 1187)". Es könne auch nicht entscheidend sein, ob zur Leistung von Zahlungen im Versicherungsfalle das Unternehmen mit Sitz in Wien verpflichtet ist. Maßgebend sei vielmehr, wo bei jeder einzelnen Leistung die entscheidende Bedingung für den Erfolg gesetzt wird (PLÜCKEBAUM-MALITZKY, aaO, Tz 1186). Zusammenfassend sei davon auszugehen, daß die Betriebsstätte in I zum wesentlichen Teil in Tirol tätig werde, wenn die Kunden in Tirol geworben, aufgesucht, beraten und betreut werden und lediglich die Liquidierung der Versicherungs- (Schadens-)fälle zentral "über Wien" vorgenommen werde.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem Vorbringen in dem Recht verletzt, für die Jahre 1972 bis 1974 zur Beitragsleistung nach dem Tiroler Fremdenverkehrsgesetz 1969 in der Fassung der Novelle LGBl. für Tirol Nr. 65/1976 nicht herangezogen zu werden. In Ausführung des so aufzufassenden Beschwerdepunktes trägt die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit vor, es bestehe die von ihr als Versicherungsunternehmen erbrachte sonstige Leistung nicht im Werben, Aufsuchen, Beraten und Betreuen von Kunden. Anwerbung und Beratung von Kunden sei nur eine vorbereitende Handlung, die erst auf die Begründung eines Vertragsverhältnisses und somit der Leistungsverpflichtung der Beschwerdeführerin abziele, nicht aber schon die von ihr erbrachte Leistung ausmache. Auch die Betreuung von Versicherungsnehmern sei nicht die typische Haupttätigkeit, weil sie nicht Gegenstand des Versicherungsvertrages sei. Es handle sich dabei um ein freiwilliges unentgeltliches Tätigwerden der Beschwerdeführerin, um eine Serviceleistung. Die von der Beschwerdeführerin erbrachten Leistungen bestehen vielmehr in der Übernahme der Verpflichtung, bei Eintritt eines Versicherungsfalles eine Versicherungsleistung zu erbringen, also in der Gewährung von Versicherungsschutz; der Umsatz aus Versicherungsprämien sei das Entgelt ausschließlich für diese Art von Leistungen. Um die übernommene Verpflichtung erfüllen zu können, bedürfe es einer Vielzahl von Tätigkeiten, die sämtliche in der Wiener Zentrale ausgeführt werden. In der Literatur werde sogar in diesen Tätigkeiten, wie

z. B. Rückversicherungsnahme, Berechnung von Reserven und deren Anlage, die für eine Versicherungsunternehmung typische Leistung gesehen (EICHLER, Versicherungsrecht2, 32f). PLÜCKEBAUM-MALITZKY, Umsatzsteuergesetz10 Tz 219 zu § 4 UStG, vertreten die Meinung, daß es für Versicherungsleistungen unerheblich sei, wo sie sich auswirken, wo sich also das versicherte Risiko befindet, sondern wo sich der den Versicherungsschutz gewährende Versicherer befindet. Der Versicherungsschutz "für die in Tirol befindlichen Risiken" werde aber durch die Zentrale in Wien übernommen.

Das Beschwerdevorbringen ist begründet. Grundlage für die Berechnung der in Streit stehenden Beiträge für die Jahre 1972, 1973 und 1974 ist gemäß dem § 32 Abs. 2 und 5 des Tiroler Fremdenverkehrsgesetzes 1969 in Verbindung mit Art. II Abs. 3 der Novelle vom , LGBl. für Tirol Nr. 45, der beitragspflichtige Umsatz der Jahre 1969, 1970 und 1971. Die dargestellte Rechtsgrundlage wird von den Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht in Zweifel gezogen. Auch der von der belangten Behörde als erwiesen angenommene Sachverhalt wird von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. In Streit steht allein die Frage, ob der entscheidungswesentliche Sachverhalt unter die Bestimmung des § 32 Abs. 5 lit. b des Tiroler Fremdenverkehrsgesetzes 1969 Rechtens subsumiert werden kann.

Gemäß der bezogenen Gesetzesstelle haben bei der Ermittlung des beitragspflichtigen Umsatzes Umsätze für sonstige Leistungen außer Ansatz zu bleiben, soweit diese nicht im Bundesland Tirol ausgeführt wurden; eine sonstige Leistung gilt hiebei als im Bundesland Tirol ausgeführt, wenn der Unternehmer ausschließlich oder zum wesentlichen Teil im Bundesland Tirol tätig wird oder wenn er eine Handlung oder einen Zustand im Bundesland Tirol duldet oder eine Handlung im Bundesland Tirol unterläßt.

Der abgabepflichtige Umsatz als rechtlicher Anknüpfungspunkt für die Bemessung der Fremdenverkehrsabgabe ist gemäß dem § 32 Abs. 5 leg. cit. in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung die Summe der steuerbaren Umsätze nach dem § 1 Abs. 1 Z. 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes 1959. Gemäß dem durch Rechtsverweisung vom Tatbestandsbild des § 32 Abs. 5 des Tiroler Fremdenverkehrsgesetzes 1969 mitumfaßten § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1959 unterliegen die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer. Über den Ort der Ausführung einer sonstigen Leistung gibt der § 3 Abs. 12 des für den Beschwerdefall noch anzuwendenden Umsatzsteuergesetzes 1959 Aufschluß. Darnach wird, auf den Beschwerdefall übertragen, eine sonstige Leistung dort ausgeführt, wo der Unternehmer ausschließlich oder zum wesentlichen Teil tätig wird. Ein Gleiches ordnet der § 32 Abs. 5 zweiter Halbsatz des Tiroler Fremdenverkehrsgesetzes 1969 an.

In Ansehung dieser gemäß der zuletzt zitierten Gesetzesstelle rechtserheblichen Tatsache trug die Beschwerdeführerin schon im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde zutreffend vor, es bestehe die von ihr (als Versicherer) erbrachte Leistung in der Übernahme der Haftung dafür, bei Eintritt eines Versicherungsfalles eine Versicherungsleistung zu erbringen. Diese von der Beschwerdeführerin erbrachte sonstige Leistung der Gewährung des Versicherungsschutzes aber werde, auch das wurde zunächst im administrativen Instanzenzug und in der Folge im Verfahren vor dem Gerichtshof dargetan, von der Zentrale in Wien erbracht. Der belangten Behörde bleibt es verwehrt, die Richtigkeit dieser Auffassung mit Erfolg zu bestreiten, zumal nach dem unbedenklichen und von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogenen Beschwerdevorbringen die wesentlichen Verwaltungseinrichtungen, im einzelnen die Vermögensverwaltung) die Personalverwaltung, die Buchhaltung, die den Verkehr mit der Aufsichtsbehörde und den Finanzämtern sowie die Rückversicherung besorgende Verwaltung, sich am Sitz der Beschwerdeführerin befinden und daselbst die nach dem Gesetz und den Versicherungsverträgen gebotenen Rechtshandlungen, insbesondere die Schadensliquidation und die Erbringung der dieser vergleichbaren Versicherungsleistungen, gesetzt werden und deren Willensbildung erfolgt. Dies sind aber zugleich die für die Gewährung des Versicherungsschutzes durch Übernahme der versicherungsrechtlichen Haftung allein relevanten Voraussetzungen. Damit aber ist dargetan, daß auch in Wien die entscheidenden Bedingungen für den Erfolg und sohin für die streitgegenständlichen "sonstigen Leistungen", die Gewährung des Versicherungsschutzes gesetzt werden. Dem vermag die belangte Behörde Stichhaltiges nicht entgegenzusetzen, zumal sie selbst in der Begründung des angefochtenen Bescheides unter Berufung auf "RAIS-DURRWÄCHTER-FLICK-KOCH" einräumt, es sei der Umstand rechtlich bedeutungslos, "wo sich" die Leistung "wirtschaftlich auswirkt", und es sei auch der Ort des Vertragsabschlusses (Hinweis auf "PLÜCKEBAUM-MALITZKY") ohne rechtliches Gewicht.

Solcherart erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig. Er war daher gemäß dem § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit den Bestimmungen der Verordnung BGBl. Nr. 542/1977.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
FremdenverkehrsG Tir 1969 §32 Abs5 litb
Sammlungsnummer
VwSlg 5232 F/1978
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1978:1977002040.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
GAAAF-57929