VwGH 09.06.1965, 2031/64
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Wenn ein in einem festen Dienstverhältnis stehender Konzipient eines Rechtsanwaltes außerdem für seinen Dienstgeber eine Substitutionstätigkeit als Verteidiger in Strafsachen entfaltet, so stellt sich dieser Teil seiner Tätigkeit als SELBSTÄNDIG ausgeübte berufliche Tätigkeit gem § 36 Abs 2 EStG 1953 dar, die daher nicht der Lohnsteuerpflicht unterliegt. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Ondraczek und die Hofräte Dr. Eichler, Dr. Raschauer, Dr. Frühwald und Dr. Riedel als Richter, im Beisein des Schriftführers, Finanzkommissärs Dr. Blaschek, über die Beschwerde des Dr. OA in W gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA VI-160/64, betreffend Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Kinderbeihilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Ein Kostenzuspruch findet nicht statt.
Begründung
Im Zug einer im August 1963 beim Beschwerdeführer für den Zeitraum vom bis durchgeführten Lohnsteuerprüfung stellte der Prüfer unter anderem fest, daß der beim Beschwerdeführer angestellte Rechtsanwaltsanwärter Dr. B. neben seinem laufenden monatlichen Gehalt auch ein monatliches Fahrpauschale in Höhe von S 300,-- sowie sogenannte Substitutionshonorare erhalten hatte. Von den Pauschalbeträgen sowie von den Substitutionshonoraren waren jedoch vom Beschwerdeführer weder die Lohnsteuer einbehalten noch der Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Kinderbeihilfe entrichtet worden. Da der Prüfer die Ansicht vertrat, daß auch diese Entgelte Einkünfte des Dr. B. aus nichtselbständiger Arbeit darstellten, wurde die darauf entfallende Lohnsteuer (S 11.206,80) sowie der Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Kinderbeihilfe (S 2.741,70) für die Jahre 1961 und 1962 neben anderen Beträgen vom Beschwerdeführer bescheidmäßig nachgefordert.
In der gegen diese Nachforderung erhobenen Berufung wendete der Beschwerdeführer ein, daß Dr. B. nicht nur angestellter Rechtsanwaltsanwärter des Beschwerdeführers, sondern seit seiner Eintragung in die Verteidigerliste auch Substitut des Beschwerdeführers in Strafsachen gewesen sei. Diese Arbeiten habe er außerhalb der normalen Arbeitszeit verrichtet. Als Substitut habe Dr. B. unter eigener Verantwortung als selbständiger Unternehmer Arbeiten verrichtet, sodaß die dafür erhaltenen Honorare nicht dem Lohnsteuerabzug und der Beitragspflicht zum Ausgleichsfonds für Kinderbeihilfe unterlägen. Zum Beweise dafür beantragte der Beschwerdeführer die Einvernahme des Dr. B. als Zeugen und die Beischaffung seines Einkommensteueraktes.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheide der belangten Behörde vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, für die Beurteilung der Frage, ob im Einzelfall ein Dienstverhältnis vorliege, müßten die wesentlichen Punkte, die für und gegen die Annahme eines Dienstverhältnisses sprechen, gegeneinander abgewogen werden. Im Falle des Dr. B. sei erwiesen, daß er als Rechtsanwaltsanwärter Arbeitnehmer des Beschwerdeführers ist. Für diese Tätigkeit habe er einen Gehalt von monatlich S 3.700,-- und später von S 3.000,-- sowie einen Pauschalbetrag von monatlich S 300,-- zur Bestreitung nicht näher bezeichneter Spesen erhalten. Die sogenannten Honorare beliefen sich im Jahre 1961 auf S 11.863,-
- und im Jahre 1962 auf rund S 33.000,--. Schon aus dem Vergleiche dieses Zahlenmaterials ergebe sich, daß zugegebenermaßen die unselbständige Tätigkeit des Dr. B. im Dienste des Beschwerdeführers die ausschlaggebende war. Bei dieser Sachlage falle kaum ins Gewicht, daß Dr. B. ein geringfügiges Unternehmerwagnis treffen konnte und daß er zur Verrichtung seiner zusätzlichen Arbeit als Substitut seine Freizeit verwendet habe. Wesentlich sei, daß die Substitutionstätigkeit nicht schlechthin eine selbständige sein müsse, sondern im vorliegenden Falle von der unselbständigen Tätigkeit gar nicht klar abgrenzbar sei. Deshalb teile sie steuerlich das Schicksal der Haupttätigkeit, die eine unselbständige sei. Der Beschwerdeführer habe auch nicht ausgeführt, daß das Spesenpauschale einem tatsächlichen Aufwande gegenüberstehe. Dies aber wäre erforderlich gewesen, wenn die Finanzbehörde die Zuwendung als Spesenersatz hätte erkennen sollen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Rechtswidrigkeit des Inhaltes erblickt der Beschwerdeführer darin, daß die belangte Behörde auch die gegebene selbständige Tätigkeit des Dr. B. trotz des damit verbundenen offenkundigen Unternehmerwagnisses zu Unrecht als eine unselbständige Tätigkeit gewertet habe. Die Feststellung der belangten Behörde, daß die Tätigkeit des Dr. B. nicht schlechthin eine selbständige sein müsse, sondern von der unselbständigen Tätigkeit gar nicht klar abgrenzbar wäre, sei aktenwidrig und auch rechtlich verfehlt. Die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften ist nach Auffassung des Beschwerdeführers darin gelegen, daß die belangte Behörde weder Dr. B. als Zeugen einvernommen noch den amtsbekannten Inhalt des für Dr. B. geführten Steueraktes gewürdigt habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Im vorliegenden Fall ist unbestritten, daß Dr. B. bei seiner Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter des Beschwerdeführers zu diesem in einem Dienstverhältnisse steht und daß daher die Bezüge aus diesem Dienstverhältnis als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dem Lohnsteuerabzuge bzw. der Beitragspflicht zum Ausgleichsfonds für Kinderbeihilfe unterliegen. Strittig ist hingegen die Frage, ob auch die von Dr. B. erzielten sogenannten Substitutionshonorare den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzurechnen sind oder ob es sich dabei um Einkünfte aus selbständiger Arbeit handelt. Die Entscheidung dieser Frage ist davon abhängig, ob auch die behauptete Substitutionstätigkeit des Dr. B. als Strafverteidiger als Tätigkeit im Rahmen seines Dienstverhältnisses zum Beschwerdeführer anzusehen ist oder ob sie sich als selbständig ausgeübte berufliche Tätigkeit gemäß § 36 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1953 (BGBl. Nr. 1/1954, EStG 1953) darstellt. Gemäß § 36 Abs. 2 EStG 1953 ist nicht Arbeitnehmer, wer Lieferungen und sonstige Leistungen innerhalb der von ihm selbständig ausgeübten gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit im Inlande gegen Entgelt ausführt, soweit es sich um die Entgelte für diese Lieferungen und sonstige Leistungen handelt (umsatzsteuerpflichtige Entgelte). Hingegen liegt nach § 36 Abs. 3 EStG 1953 ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber (öffentliche Körperschaft, Unternehmer, Haushaltsvorstand) seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Die belangte Behörde hat zwar grundsätzlich nicht bestritten, daß Dr. B. in seiner Eigenschaft als Verteidiger in Strafsachen auch eine Substitutionstätigkeit entfaltet hat, sie hat jedoch im angefochtenen Bescheid auch diese Tätigkeit mit der Begründung steuerlich als nichtselbständige Arbeit gewertet, daß die Tätigkeit des Dr. B. als Rechtsanwaltsanwärter im Dienste des Beschwerdeführers die ausschlaggebende gewesen sei, die Substitutionstätigkeit nicht schlechthin eine selbständige sein müsse und diese im vorliegenden Fall von der unselbständigen Tätigkeit des Dr. B. auch nicht klar abgrenzbar sei. Der Gerichtshof vermag dieser Auffassung nicht zu folgen. Der beim Beschwerdeführer als Rechtsanwaltsanwärter beschäftigte Dr. B. war nach seiner Eintragung in die Liste der Verteidiger in Strafsachen - das war nach den Angaben des Beschwerdeführers im Oktober 1961 - berechtigt, in dieser Eigenschaft selbständig und im eigenen Namen aufzutreten. Er konnte daher sowohl eigene Klienten vertreten, als auch als Substitut des Beschwerdeführers auftreten, wodurch jedoch in der Eigenschaft des Dr. B. als eines selbständigen Verteidigers in Strafsachen keine Änderung eintrat. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß Dr. B. die Honorare für diese Substitutionstätigkeit vom Beschwerdeführer und nicht unmittelbar von den durch ihn vertretenen Klienten erhielt, weil Substitutionshonorare in der Regel vom vertretenen Rechtsanwalt an den Substituten ausgezahlt werden. Die belangte Behörde räumt in der Gegenschrift zwar ein, daß die Tätigkeit des Substituten im Vergleiche zu der eines angestellten Rechtsanwaltsanwärters eine gehobenere, mit mehr Verantwortung beladene sei, sie befindet sich jedoch im Irrtum, wenn sie vermeint, daß bei der gegebenen Sachlage zwischen Dr. B. und dem Beschwerdeführer lediglich Rechtsbeziehungen in Form eines Dienstverhältnisses bestanden hätten. Der Beurteilung der Substitutionstätigkeit des Dr. B. als selbständige Erwerbstätigkeit steht auch nicht entgegen, daß dieser nur als Substitut des Beschwerdeführers und nicht auch für andere Rechtsanwälte tätig geworden ist. Insoweit sich die belangte Behörde zur Stützung ihres Rechtsstandpunktes im angefochtenen Bescheid auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 405/56 (Slg. Nr. 1818(F)), beruft, so ist ihr entgegenzuhalten, daß diesem Erkenntnis ein anders gearteter Sachverhalt zugrunde lag, sodaß daraus auf den vorliegenden Fall keine Schlüsse gezogen werden können. Wurden dort Einkünfte eines Gewerbetreibenden (eines Lebensmittelhändlers) auf Grund eines Vertragsverhältnisses mit einer landwirtschaftlichen Genossenschaft erzielt, die auf Grund dieses Vertragsverhältnisses an sich noch als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit hätten beurteilt werden können, und wurden sie dort wegen des mit ihrer Erziehung verbundenen teilweisen Unternehmerwagnisses (Einsammeln von Eiern für die Genossenschaft) und der engen Verwandtschaft dieser Tätigkeit zur sonstigen gewerblichen Tätigkeit des damaligen Beschwerdeführers noch als gewerbliche Einkünfte behandelt, so läßt sich umgekehrt im vorliegenden Fall, in dem sich Dr. B. bei seiner Tätigkeit als Verteidiger auf dem Wege von der bisherigen vollen beruflichen Abhängigkeit im Dienste des Beschwerdeführers zur völlig freien Berufsausübung als Rechtsanwalt befindet - nach der Aktenlage wurde er im Jahre 1963 in die Rechtsanwaltsliste eingetragen, die Hinzurechnung seiner Einkünfte aus seiner selbständigen Verteidigertätigkeit zu seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nach dem Gesetze nicht rechtfertigen. Da sich die belangte Behörde somit bei ihrer Entscheidung von einer unrichtigen Rechtsauffassung leiten ließ, war der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grunde mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet, sodaß auf die vom Beschwerdeführer erhobene Verfahrensrüge nicht näher einzugehen war. Jedenfalls erscheint diese auch insofern berechtigt, als es die belangte Behörde unterlassen hat, vor Erlassung ihrer Entscheidung die vom Beschwerdeführer in der Berufung beantragte Vernehmung des Dr. B. durchzuführen.
Der Beschwerde kommt allerdings insoweit keine Berechtigung zu, als sie sich gegen die Nachbesteuerung des sogenannten Fahrpauschales in Höhe von S 300,-- monatlich richtet. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, genügt es für die Unterstellung einer Fahrtkostenvergütung unter die Bestimmung des § 19 Abs. 2 Z. 2 EStG 1953 nicht, daß der Arbeitgeber die ihn nach seinem Ermessen hinreichend nachgewiesenen Fahrtkosten des Arbeitnehmers als solche anerkannt hat. Ob eine Zuwendung an den Arbeitnehmer als steuerfrei zu behandeln ist, kann nicht der freien und unüberprüfbaren Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer überlassen bleiben. Vielmehr ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Richtigkeit des Steuerabzuges entsprechend nachzuweisen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 2294(F) und vom , Zl. 2239/61). Einen solchen Nachweis hat jedoch der Beschwerdeführer selbst im Berufungsverfahren nicht erbracht. Erst in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde hat der Beschwerdeführer ganz allgemein behauptet, daß Dr. B. den Betrag, den er früher für die Anschaffung einer Straßenbahnnetzkarte erhalten hatte, nunmehr als Fahrpauschale bezogen habe.
Wenngleich sich somit die Beschwerde zum Teil als unbegründet erwies, mußte der angefochtene Bescheid doch, da er ein einheitliches Ganzes bildet, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufgehoben werden.
Auf den vorliegenden Beschwerdefall ist gemäß Art. II Abs. 2 der Novelle BGBl. Nr. 216/1964 zum Verwaltungsgerichtshofgesetz 1952 § 47 Abs. 1 VwGG noch in der Fassung vor dieser Novelle anzuwenden, weil die Beschwerde im Jahre 1964 eingebracht worden, die neue Fassung des § 47 VwGG aber gemäß Art. III Abs. 2 der genannten Novelle erst am in Kraft getreten ist. Somit konnten im vorliegenden Falle der beschwerdeführenden Partei keine Kosten zugesprochen werden. Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 3287 F/1965 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1965:1964002031.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
DAAAF-57917